S 17 SO 225/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 225/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 47/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. für den Zeitraum 20.08.2016 bis 21.08.2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 20.08.2016 bis 21.08.2016 in Höhe von 2.938,92 Euro zu erstatten.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten hinsichtlich des Verfahrens S 17 SO 225/16 zu erstatten.

2. Der Bescheid vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. am 08.08.2016 wird teilweise aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. am 08.08.2016 in Höhe von 702,14 Euro zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 75% hinsichtlich des Verfahrens S 17 SO 226/16 zu erstatten.

3. Der Bescheid vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. vom 22.07.2016 bis 24.07.2016 wird teilweise aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. in Höhe von 561,71 Euro zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 93,33 % hinsichtlich des Verfahrens S 17 SO 227/16 zu erstatten.

4. Der Bescheid vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 wegen der Erstattung von Behandlungskosten für den Patienten C. C. für den Zeitraum 06.08.2016 bis 07.08.2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum vom 06.08.2016 bis 07.08.2016 in Höhe von 670,93 Euro zu erstatten.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten hinsichtlich des Verfahrens S 17 SO 228/16 zu erstatten.

5. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 01.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2017 verpflichtet, unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 über den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Behandlungskosten für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 22.04.2016 bis 24.04.2016 in Höhe von 1.175,27 Euro zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 80 % zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in mehreren Fällen über die Übernahme von Behandlungskosten für Behandlungen des 1976 geborenen Herrn C. C. (im Weiteren Patienten) im Jahre 2016, welchen die Klägerin in ihrem Krankenhaus in A-Stadt jeweils behandelte. Die Beteiligten streiten über Behandlungskosten i. H. v. 1.469,08 EUR für den Zeitraum 22.04.2016 26.04.2016, i. H. v. 601,83 EUR für den Zeitraum 22.07.2016 – 24.07.2016, i. H. v. 670,93 EUR für den Zeitraum 06.08.2016 – 07.08.2016, i. H. v. 936,19 EUR für den 08.08.2016 und i. H. v. 2.938,92 EUR für den Zeitraum 20.08.2016 – 21.08.2016.

Der Patient ist polnischer Staatsangehöriger und reiste nach seinen Angaben im Jahre 2006 zwecks Arbeitssuche nach Deutschland ein. Er war bereits vorher mehrfach stationär von unterschiedlichen Krankenhäusern behandelt worden; dabei wurden auch bereits Anträge auf Übernahme der Behandlungskosten nach § 25 SGB XII gestellt. Auch die Rechtsvorgängerin der Klägerin stellte bei der Beklagten bereits im Jahre 2012 ein Antrag auf Übernahme von stationären Behandlungskosten. Ein Krankenhaus zeigte bereits mit Schreiben vom 19.02.2015 im Auftrag des Patienten eine Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der AOK Hessen an. Auf Grund dieser Anträge stellte die Beklagte bereits Ermittlungen an.

Am 25.02.2015 teilte die Deutsche Rentenversicherung telefonisch mit, dass der Patient bundesweit nicht bekannt sei. Auch eine letzte Krankenversicherung sei nicht bekannt. Am gleichen Tag schrieb die Beklagte per E-Mail eine polnische Krankenversicherung an, die ihr mitteilte, dass der Patient bis zum 31.05.2007 bei einer polnischen Krankenversicherung versichert war.

Dem Rechtsstreit liegen folgende fünf, chronologisch aufgeführte Fallkonstellationen zu Grunde, welche von dem Gericht mit Beschluss vom 05.10.2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden. Es führte das Verfahren mit dem Aktenzeichen S 17 SO 225/16.

1. Die Klägerin zeigte mit Faxschreiben vom 25.04.2016 die stationäre Aufnahme des Patienten am Freitag, den 22.04.2016 um 23:20 Uhr, bei der Beklagten an. Die Aufnahme erfolgte auf Grund einer Vergiftung bzw. toxischen Wirkungen von Drogen, Medikamenten und anderen Substanzen. Nach dem von dem Patienten ausgefüllten Antrag auf Gewährung von Krankenhilfe verfügte er über keinen Krankenversicherungsschutz. Er verfüge über keinerlei Einkommen. Er sei seit zwei Jahren nicht mehr erwerbstätig gewesen. Vorher sei er im Baugewerbe selbstständig tätig gewesen. Seine von ihm getrennt lebende Ehegattin habe seit 10 Jahren nicht gearbeitet. Der Klägerin entstand durch die stationäre Behandlung des Patienten Behandlungskosten i. H. v. 1.958,78 EUR.

2. Der Patient wurde bei der Klägerin am 22.07.2016 um 20:55 Uhr als vollstationärer Notfall wegen einer akuten Pankreas aufgenommen. Eine Behandlung des Patienten erfolgte bis zum 05.08.2016, 11:27 Uhr, wegen einer ethyltoxischen Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxische Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlaufbefall. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 25.07.2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden Kosten i. H. v. 2.808,56 EUR.

Der Patient füllte einen Fragebogen zur Gewährung einer einmaligen Leistung am 28.07.2016 aus, wonach er bei der Diakonie A-Stadt seine aktuelle Meldeadresse habe. Er verfüge über keine Krankenversicherung. Er sei seit zwei Jahren nicht mehr erwerbstätig gewesen. Vorher sei er im Baugewerbe selbstständig tätig gewesen. Er habe keinerlei Einkommen und bestreite seinen Lebensunterhalt über die Caritas und die Diakonie in A Stadt.

Das Diakonische Werk teilte mit Schreiben vom 09.08.2016 mit, dass der Patient lediglich eine Postadresse bei ihnen zum Zwecke der postalischen Erreichbarkeit eingerichtet habe. Dafür müsse derjenige regelmäßig bei der Diakonie vorsprechen, mindestens einmal pro Woche. Mehrmals brach der Patient den Kontakt zur Diakonie ab, sodass er abgemeldet wurde. Der letzte Kontakt habe am 18.07.2016 stattgefunden. Sie wisse nicht, wie der Patient seinen Lebensunterhalt bestreite. Er scheine jedoch über kein geregeltes Einkommen zu verfügen. Bei der Diakonie gäbe es die Möglichkeit gespendete Backwaren zu erhalten und zu verzehren. Zudem können sich Bedürftige duschen und Wäsche waschen sowie sich über unseren angegliederten Kleiderladen mit Kleidung versorgen. Diese Möglichkeiten habe der Patient sicherlich genutzt.

Die Beklagte schrieb den Patienten unter der von ihm angegebenen Adresse mit Schreiben vom 12.08.2016 zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an und erinnerte ihn mit Schreiben vom 14.09.2016. Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht. Der zuständige Träger des Jobcenters teilte mit E-Mail vom 04.10.2016 mit, dass über den Patienten kein Datensatz hinterlegt sei.

3. Der Patient wurde bei der Klägerin am 06.08.2016 um 15:18 Uhr als vollstationärer Notfall aufgenommen. Eine Behandlung des Patienten erfolgte bis zum 07.08.2016, 03:00 Uhr, wegen einer ethyltoxischen Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxische Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlaufbefall (Alkoholintoxikation). Die Klägerin maß am 06.08.2016 den Blutalkohol. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 08.08.2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden Kosten i. H. v. 870,92 EUR.

4. Der Patient wurde bei der Klägerin am 08.08.2016 um 19:41 Uhr als vollstationärer Notfall aufgenommen. Eine Behandlung des Patienten erfolgte bis zum 11.08.2016, 16:02 Uhr, wegen einer ethyltoxischen Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxische Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlaufbefall. Die Klägerin maß am 08.08.2016 und 09.08.2016 den Blutalkohol. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 09.08.2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden Kosten i. H. v. 2.808,56 EUR.

5. Der Patient wurde bei der Klägerin am 20.08.2016 um 14:09 Uhr als vollstationärer Notfall aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte wegen einer Alkoholintoxikation von 3,1 Promille. Der Patient konnte deswegen nicht mehr alleine aufstehen. Zudem hatte er Schmerzen am linken Knie, an beiden Sprunggelenken und Füßen; die beiden letzteren waren zudem geschwollen. Er wurde am 25.08.2016 um 16:02 Uhr entlassen. Die Klägerin zeigte bei der Beklagten am 22.08.2016 die Aufnahme an und bat um Erteilung einer Kostenübernahmeerklärung. Ihr entstanden ausweislich der Rechnung vom 29.08.2016 Kosten i. H. v. 7.347,31 EUR.

6. Die Beklagte lehnte die Anträge der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.04.2016 sowie mit vier Bescheiden vom 04.10.2016 ab. Jeweils mit Bescheiden vom gleichen Tag erfolgte auch eine Ablehnung der Gewährung von Krankenhilfe nach § 48 SGB XII gegenüber dem Patienten; diese Bescheide erwuchsen in Bestandskraft.

Die Beklagte begründete die Ablehnung der Anträge jeweils damit, dass die Bedürftigkeit des Patienten nicht nachgewiesen sei. Die bloße Angabe "kein Einkommen, Caritas und Diakonie" seien für die Begründung der Bedürftigkeit nicht ausreichend. Zudem verfüge der Patient über eine gesetzliche Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V, sodass er nach § 39 SGB V Ansprüche gegen eine Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung habe. Dieser Anspruch sei gegenüber dem Anspruch nach § 48 SGB XII vorrangig. Die Versicherungspflicht trete unabhängig von einem Antrag ein, es bedürfe lediglich einer rückwirkenden Anzeige durch den Patienten. Die Versicherungspflicht entstehe kraft Gesetzes. Der Patient verfüge über ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügigG/EU, da er sich seit dem Jahre 2006 in Deutschland aufhalte und zu keinem Zeitpunkt durch eine Ausländerbehörde aberkannt worden sei. Die Ablehnung gegenüber dem Patienten erfolgte aus den gleichen Gründen.

7. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 12.10.2016 jeweils Widerspruch gegen die Ablehnungsbescheide vom 04.10.2016 ein. Sie übersandte das Schreiben der Diakonie vom 09.08.2016 und begründete damit die nach ihrer Ansicht bestehende Bedürftigkeit des Klägers.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit vier Widerspruchsbescheiden vom 16.11.2016 zurück. Sie vertrat weiterhin die Auffassung, dass seitens des Patienten eine vorrangige Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehe. Zudem sei die Bedürftigkeit des Patienten nicht nachgewiesen. Die Nichterweislichkeit gehe zu Lasten desjenigen, der den Anspruch geltend mache. Zudem seien die Angaben im Aufnahmebogen nicht ausreichend zur abschließenden Prüfung der Bedürftigkeit. Soweit sämtliche Fragen zum Einkommen verneint werden, vermöge dies dennoch kein Anspruch nach § 25 SGB XII begründen. Es sei davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestritten werde.

Die Klägerin hat mit Schriftsätzen Ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.12.2016 Klage gegen die vier Widerspruchsbescheide erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen. Eine Pflichtversicherung greife auf Grund des Ausschlusstatbestands nach § 5 Abs. 11 SGB V nicht.

8. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 09.06.2016 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 29.04.2016 ein. Nach ihren Informationen sei der Patient bereits geschieden. Der Ausschluss von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht greife nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2016 als verfristet zurück.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.09.2016 die Überprüfung des Bescheides vom 29.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016. Der Patient verfüge über kein geregeltes Einkommen und sei wohnungslos. Er habe seine Lebensmittel von der Diakonie bezogen. Er sei für den Zeitraum der stationären Behandlung hilfebedürftig gewesen.

Die Beklagte lehnte die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 29.04.2016 mit Bescheid vom 01.11.2016 ab. Sie lehnte den erneuten Eintritt in die Sachprüfung mangels Vorliegen von neuen Tatsachen ab. Das Vorbringen hinsichtlich der Bedürftigkeit des Patienten sei durch die Beklagte bereits im Ablehnungsbescheid gewürdigt worden.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.12.2016 Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid ein. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2017 zurück. Sie nimmt darin auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid Bezug und wiederholt diese.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10.03.2017 Klage dagegen erhoben. Die Aufnahme des Patienten sei als medizinischer Notfall erfolgt. Der Patient sei auch bedürftig. Zudem sei ein vorrangiger Leistungsanspruch nicht ersichtlich.

9. Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 20.08.2016 bis 21.08.2016 in Höhe von 2.938,92 Euro zu erstatten.
2. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. am 08.08.2016 in Höhe von 936,19 Euro zu erstatten.
3. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 22.07. 24.07.2016 in Höhe von 601,83 Euro zu erstatten.
4. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 04.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2016 die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 06.08.2016 bis 07.08.2016 in Höhe von 670,93 Euro zu erstatten.
5. Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2017 zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides 29.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 die Aufwendungen für die Behandlung des Patienten C. C. für den Zeitraum 22.04.2016 bis 24.04.2016 in Höhe von 1.469,08 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
alle Klagen abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Das Gericht hat Auskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung sowie der Bundesagentur für Arbeit eingeholt; diese konnten zu dem Patienten keine Vorgänge feststellen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung des Patienten; auf die entsprechende Sitzungsniederschrift wird verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

A. Die Klagen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Die am 22.12.2016 erhobenen Klagen sind als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft. Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.02.2017 ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, 2, 4 SGG statthaft.

B. Die Klagen sind auch größtenteils begründet. Der Klägerin stehen Ansprüche gegen die Beklagte auf Übernahme der Behandlungskosten für die streitgegenständlichen Zeiträume im Juli und August 2016 für den Patienten aus § 25 SGB XII zu. Die Beklagte hätte zudem auf den entsprechenden Überprüfungsantrag der Klägerin eine Überprüfung des Bescheides vom 29.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vornehmen müssen, da sie teilweise das Recht falsch angewendet hat und aus diesem Grund keine Sozialleistungen erbracht hat. Der Klägerin stand insofern anteilig ebenfalls ein Anspruch nach § 25 SGB XII zu.

Bei dem Patienten lagen für einen eng begrenzten Zeitraum sowohl ein bedarfsbezogenes als auch ein sozialhilferechtliches Moment vor (dazu unter I. und II.). Unstreitig lag auch eine örtliche Zuständigkeit der Beklagten vor. Der Beklagte wäre auch gegenüber dem Patienten im Rahmen einer hypothetischen Leistungsverpflichtung zur Gewährung von Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII verpflichtet gewesen (dazu unter III.). Es besteht zudem keine vorrangige Auffang-Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), da diese nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss wird zudem nicht wieder durch das Vorliegen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügigG/EU ausgeschlossen, da sich der Patient zwar seit mehr als fünf Jahren in Deutschland aufhält, es sich jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs nicht um einen rechtmäßigen Aufenthalt handelte. Der Anspruch war zudem nicht nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 02.12.2006 (im Weiteren § 23 SGB XII a. F.) ausgeschlossen. Vielmehr besteht jedenfalls ein Anspruch auf Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F.; das diesbezügliche Ermessen ist dabei auf Null reduziert (dazu unter IV.). Es bestand auch keine Leistungstragungspflicht der Nothelferin; diese hat den Antrag auch innerhalb angemessener Frist gestellt (dazu unter V.). Die Beklagte hat insofern für den Zeitraum des Eilfalls die der Klägerin entstandenen Behandlungskosten zu übernehmen; zur Übernahme darüber hinausgehender Behandlungskosten ist sie demgegenüber nicht verpflichtet (dazu unter VI.).

I. Ein bedarfsbezogenes Moment liegt vor, sofern ein bei der Patientin bestehender Bedarf nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Sozialgesetzbuches XII unabwendbar ist und unmittelbar durch den Nothelfer gedeckt werden muss. Es erfordert die Notwendigkeit eines sofortigen Eingreifens durch den Nothelfer und dauert fort, solange der Einsatz des Nothelfers erforderlich und alternativlos ist (Waldhorst-Kahnau in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 25 SGB XII, Rn. 21). Dies ist für jeden stationären Aufenthalt des Patienten gesondert festzustellen (dazu zu 1. – 3.).

1. Die Klägerin nahm den Patienten am 22.04.2016 nach gerichtlicher Überzeugung als medizinischen Eilfall auf. Nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin war die stationäre Aufnahme auf Grund einer Vergiftung des Patienten im Zusammenhang mit der Einnahme von Drogen, Medikamenten und anderen Substanzen erforderlich. Die Notwendigkeit der stationären Aufnahme auch an den Folgetagen ergibt sich daraus, dass die Aufnahme des Patienten am 22.04.2016 erst spät abends erfolgte, sodass jedenfalls der Einsatz der Klägerin auch für die weiteren Tage erforderlich und alternativlos war. Das Gericht ist in diesem Zusammenhang davon überzeugt, dass eine Wiederherstellung der körperlichen Gesundheit bei einer Vergiftung mit Drogen und Medikamenten länger als ein Tag andauern kann und im Falle des Patienten auch andauerte. Bei dem Patienten lag somit ein Anwendungsfall der Hilfe bei Krankheit und somit ein Bedarf nach dem Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuches XII vor.

2. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin den Patienten am 22.07.2016 als medizinischen Eilfall aufnahm. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin litt der Patient unter einer ethyltoxische Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxische Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlaufbefall; dies macht eine stationäre Aufnahme erforderlich. Dies gilt gleichermaßen für die folgenden Tage. Auch in der Hinsicht lag ein Fall der Hilfe bei Krankheit vor, sodass ein Bedarf nach dem Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuches XII gegeben ist. Dies muss gleichermaßen für den sich fast anschließenden stationären Aufenthalt des Patienten im Krankenhaus der Klägerin am 06.08.2016 und 07.08.2016 sowie den weiteren stationären Aufenthalt am 08.08.2016 gelten. Der Patient litt insofern weiterhin an einer ethyltoxische Pankreatitis mit reaktiver Begleithepatitis, ethyltoxische Leberzirrhose, Alkoholintoxikation sowie Kleiderlaufbefall. Auch an diesen Tagen lag unbestritten ein Notfall vor und gleichzeitig war ein Bedarf der Hilfe bei Krankheit nach dem Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuches XII gegeben.

3. Die Klägerin nahm den Patienten am 20.08.2016 und 21.08.2016 nach Überzeugung des Gerichts als medizinischen Eilfall auf. Nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin war der Patient am 20.08.2016 mit einer Alkoholintoxikation von 3,1 Promille betrunken aufgefunden worden. Vor diesem Hintergrund war somit ein sofortiges Eingreifen des Nothelfers auf Grund der Alkoholintoxikation erforderlich. Die Notwendigkeit des weiteren stationären Aufenthalts ergab sich aus den Schmerzen in dem linken Knie und in beiden Füßen sowie aus der Tatsache, dass beide Sprunggelenke und Füße geschwollen waren. Es war somit ein Anwendungsfall der Hilfe bei Krankheit nach § 48 SGB XII gegeben.

II. Es ist auch jeweils das sozialhilferechtliche Moment gegeben (dazu unter 1. – 5. in chronologischer Reihenfolge). Das sozialhilferechtliche Moment liegt nur solange vor, solange der Sozialhilfeträger nach § 18 SGB XII keine Kenntnis von der Notlage hatte. Anders formuliert wird der Anspruch des Nothelfers ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers durch den Anspruch der Patientin ausgeschlossen. Beide Ansprüche stehen insoweit in einem Exklusivitätsverhältnis. Dabei besteht der Anspruch des Nothelfers nur, soweit eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers nicht zu erlangen ist. Dies ist unproblematisch bei fehlender Dienstbereitschaft gegeben.

1. Die Aufnahme des Patienten erfolgte am Freitag, den 22.04.2016, um 23.20 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Patient bei dem Beklagten auf Grund dessen fehlender Dienstbereitschaft keine rechtzeitigen Leistungen der Sozialhilfe in Form von Hilfe bei Krankheit erlangen. Dies gilt entsprechend für die Klägerin als Nothelferin. Auch für den darauf folgenden Samstag und Sonntag bestand keine Dienstbereitschaft der Beklagten, sodass auch in der Hinsicht das sozialhilferechtliche Moment gegeben ist.

2. Der Patient wurde am Freitag, den 22.07.2016, um 20.55 Uhr stationär bei der Klägerin aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine Dienstbereitschaft der Beklagten, sodass weder der Patient noch die Nothelferin eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers erreichen konnten.

3. Die Klägerin nahm den Patienten am Samstag, den 06.08.2016, um 15:18 Uhr auf. Zu diesem Zeitpunkt bestand ebenfalls keine Dienstbereitschaft der Beklagten, sodass sie keine rechtzeitigen Leistungen an den Patienten hätte erbringen können. Vor diesem Hintergrund ist auch für diesen Zeitpunkt sowie für den darauffolgenden Sonntag das sozialhilferechtliche Moment gegeben.

4. Auch die stationäre Aufnahme des Klägers am 08.08.2016, einen Montag, um 19:41 Uhr erfolgte außerhalb der Dienstzeiten der Beklagten, sodass für den Patienten Leistungen derselben nicht zu erlangen waren. Dies gilt gleichermaßen für die Klägerin als Nothelferin, sodass auch vor diesem Hintergrund das sozialhilferechtliche Moment gegeben ist.

5. Die stationäre Aufnahme des Patienten erfolgte am Samstag, den 20.08.2016, um 14:09 Uhr. Weder an diesem Tag noch am folgenden Sonntag war die Beklagte für Anträge auf Leistungen von Sozialhilfe bei Krankheit erreichbar, sodass rechtzeitige Leistungen nicht zu erlangen waren. Auch in der Hinsicht ist das sozialhilferechtliche Moment gegeben.

III. Die Beklagte war zudem örtlich zuständig; der Patient war zudem jeweils hilfebedürftig (dazu unter 1. + 2.).

1. Die örtliche Zuständigkeit des beklagten Sozialhilfeträgers ergibt sich aus § 98 SGB XII, da § 25 SGB XII keine eigene Zuständigkeit normiert. Insofern richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Patienten nach § 98 Abs. 1, 2 Satz 3 SGB XII (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az.: B 8 SO 9/13 R). Der Patient hielt sich bei der Aufnahme in das Krankenhaus der Klägerin tatsächlich in der Stadt A-Stadt und somit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auf, sodass diese für die Gewährung von Leistungen örtlich zuständig war.

2. Der Patient war zudem hilfebedürftig. Dies ergibt sich einerseits aus den von ihm gegenüber der Klägerin und der Beklagten getätigten Ausführungen in den jeweiligen Anträgen. Danach hatte der Patient kein Einkommen, er ging keiner Erwerbstätigkeit und lebte von gespendeten Backwaren seitens des Diakonischen Werkes. Bereits diese Ausführungen stellen nach Ansicht des Gerichts ein erhebliches Indiz für die Annahme von Bedürftigkeit dar. Die Beklagte hat auch im Wege einer Beweislastumkehr nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie trotzdem davon ausgeht, dass der Patient über genügend Einkommen oder Vermögen verfügen sollte, welches zur Begleichung seiner Behandlungskosten ausreichen könnte. Zudem hat der Patient als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2017 glaubhaft ausgesagt, dass er im Jahre 2016 seinen Lebensunterhalt lediglich über das Sammeln von Pfandflaschen und der Spendenbereitschaft von Menschen sichern konnte. Diese Indizien werden zudem durch die schriftliche Stellungnahme des Diakonischen Werkes vom 09.08.2016 bestätigt, wonach der Patient über kein geregeltes Einkommen verfügte und auch nicht bekannt sei, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite. Auch davon hat der Patient seine Behandlungskosten nicht tragen können; dies hat er durch seine eigene Aussage bestätigt. Indizien für eine nicht bestehende Bedürftigkeit kann das Gericht aus diesen Gründen nicht erkennen.

IV. Es bestand auch keine vorrangige Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Insofern ist anerkannt, dass bei gesetzlicher Mitgliedschaft in einer Krankenkasse kein Anspruch nach § 25 SGB XII besteht, da in einem solchen Fall der Nothelfer die vorrangige Leistung der Krankenversicherung als Sachleistung erbracht hatte, welche einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger ausschließt.

Es bestand zum Zeitpunkt der stationäre Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus der Klägerin aber auch keine gesetzliche Mitgliedschaft in eine Krankenkasse nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Danach ist versicherungspflichtig, wer keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall hat und zuletzt versicherungspflichtig war oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert war. Über einen anderweitigen Versicherungsschutz verfügte der Patient allerdings nicht. Seine danach grundsätzlich bestehende Versicherungspflicht war jedoch nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V ausgeschlossen. Danach werden Angehörige eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 FreizügigG/EU ist. Nach dieser Vorschrift haben nicht erwerbstätige Unionsbürger das Einreise- und Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügigG/EU, sofern sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen.

Der Patient unterfällt diesem Ausschluss von der Versicherungspflicht. Er ist als polnischer Staatsangehöriger ein Angehöriger eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union. Das Gericht ist angesichts im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen und der Zeugenvernehmung des Patienten überzeugt davon, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügte. Wie aus diesem Verfahren ersichtlich ist, bestand ebenfalls kein ausreichender Krankenversicherungsschutz für ihn. Der Patient besaß im Jahre 2016 auch kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht nach § 4a FreizügigkeitsG/EU.

Nach seiner eigenen Aussage, gegen deren Glaubhaftigkeit keine Bedenken bestehen, reiste er zwar im Jahre 2006 nach Deutschland ein und arbeitete für zwei Jahre und drei Monate als "Selbstständiger". Das Gericht ist in diesem Zusammenhang allerdings davon überzeugt, dass es sich bei der "selbstständigen" Tätigkeit des Patient in den Jahren 2006 bis 2008 um eine abhängige Beschäftigung und nicht um eine selbstständige Tätigkeit handelte, die jedoch nicht gegenüber den zuständigen Sozialversicherungsträgern angezeigt wurde. Dafür spricht einerseits ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung, dass er nur einen Auftraggeber hatte. Nach der Zeugenaussage des Patienten habe er theoretisch einen Auftrag ablehnen können. Allerdings war er nach seiner Aussage weisungsabhängig, da er nach eigener Aussage diese Aufträge praktisch nicht ablehnen konnte. Nach dieser "selbstständigen" Tätigkeit gab der Zeuge an, dass er kaum noch gearbeitet habe und nur noch kleinere Arbeiten ausgeführt habe.

Diese Tätigkeiten erfüllen nach Überzeugung des Gerichts keine fünf Jahre. Der Patient hält sich somit nicht insgesamt fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland auf. Der rechtmäßige Aufenthalt ist jedoch Voraussetzung für das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.12.2011, Az.: C-424/10 und C425/10, ist Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehöriger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, so auszulegen, dass ein Unionsbürger, der im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates eine Aufenthaltszeit von über fünf Jahren nur auf Grund des nationalen Rechts dieses Staates zurückgelegt hat, nicht so betrachtet werden kann, als habe er das Recht auf Daueraufenthalt nach dieser Bestimmung erworben, wenn er während dieser Aufenthaltszeit die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie erfüllt.

Nach diesem Urteil ist die Wendung "sich rechtmäßig aufzuhalten" in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 so auszulegen, als darunter ein im Einklang mit den in dieser Richtlinie vorgesehenen, insbesondere mit den in deren Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38 aufgeführten Voraussetzungen stehenden Aufenthalts zu verstehen (EuGH, aaO). Ein Aufenthalt, der diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann nicht als "rechtmäßiger" Aufenthalt angesehen werden. Nach Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38 sind die Voraussetzungen erfüllt, sofern derjenige einer abhängigen oder selbstständigen Tätigkeit nachgeht, über ausreichende Mittel für den Lebensunterhalt sowie den Krankenversicherungsschutz verfügt oder eine Ausbildung mit ausreichenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahme-Mitgliedstaat absolviert. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich in seinem Urteil vom 16.07.2015, Az.: 1 C 22/14, angeschlossen. Das erkennende Gericht kann vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung auch nicht erkennen, warum die entsprechende nationale Norm in einer verwaltungsrechtlichen Streitigkeit anders ausgelegt werden soll als in einer sozialrechtlichen Streitigkeit.

Für das Gericht ist zudem nicht ersichtlich, dass der Patient lediglich zur Erlangung von Sozialhilfe nach Deutschland eingereist ist. Dagegen spricht insbesondere, dass der Zeugin sich in Deutschland nach seiner Einreise eine Tätigkeit gesucht hatte, sodass das Gericht einen finalen Zusammenhang zwischen Einreise und Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht erkennen kann. Er hat nach Kenntnis des Gerichts bislang weder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II noch nach dem Sozialgesetzbuch XII zur Existenzsicherung in Anspruch genommen.

Allerdings erfolgten die Einreise und der Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitssuche, sodass Leistungen der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der Fassung vom 02.12.2006, gültig ab 07.12.2006 (im Weiteren § 23 SGB XII a. F.), grundsätzlich ausgeschlossen sind. Ausweislich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dadurch jedoch nur der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, jedoch können in einem solchen Fall Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in Betracht kommen, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R – juris – Rn. 51). Das dem Sozialhilfeträger damit grundsätzlich zustehende Ermessen ist dabei allerdings jeweils auf Grund der unaufschiebbaren und gebotenen Behandlung des Patienten vor dem Hintergrund von Art. 1, 2 Grundgesetz (GG) auf Null reduziert.

V. Die Klägerin trifft auch keine erkennbare rechtliche oder sittliche Pflicht die Kosten selbst zu tragen. Die jeweiligen Anträge sind zudem immer innerhalb eines Monats nach der Behandlung und somit innerhalb angemessener Frist gestellt worden. Eine Beteiligung sozial erfahrener Personen nach § 116 SGB XII ist in Hessen generell nach § 8 Abs. 2 HAG/SGB XII ausgeschlossen.

VI. Rechtsfolge ist, dass die Beigeladene Aufwendungsersatz in gebotener Höhe zu gewähren hat. Der zu gewährende Aufwendungsersatz bemisst sich dabei hinsichtlich der nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch zu erstattende Kosten. Dort werden die für die Behandlung vereinbarten Fallpauschalen erstattet, welche sich nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch in Verbindung mit den jeweils gültigen Fallpauschalen richten. Es ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass dabei alle in Anspruch genommenen Behandlungskosten zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden, ohne dass es auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt. Im Rahmen des Anspruches nach § 25 SGB XII ist zu beachten, dass nur der Teil der Behandlungskosten als Nothilfeleistung erstattungsfähig ist, sodass eine Abrechnung der erstattungsfähigen Kosten in Abhängigkeit von der tatsächlich für die Fallpauschale in Anspruch genommene Zahl der Krankenhaustage vorzunehmen ist. Lediglich eine solche Abrechnungsweise gewährleistet, dass der gesetzliche Zweck, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, erreicht wird, ohne dass andererseits eine unerwünschte Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems der Sozialhilfe gefördert wird (BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az.: B 8 SO 9/13 R – juris – Rn. 31). Von der Gesamtzahl an Tagen, für die die Beklagte in Kenntnis der Sozialhilfebedürftigkeit Hilfe zur Krankheit zu erbringen gehabt hätte, steht dem Nothelfer deshalb eine Kostenerstattung nur für die Anzahl von Tagen zu, an denen ein Eilfall i. S. des § 25 SGB XII vorlag (BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az.: B 8 SO 9/13 R – juris – Rn. 32). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Tag der Kenntnis des Sozialhilfeträgers bzw. der Obliegenheitsverletzung durch den Nothelfer nicht dem Zeitraum des § 25 SGB XII zuzurechnen ist, sondern dem Zeitraum des Entstehens eines möglichen Anspruches des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (vgl. Landessozialgericht für das Land NordrheinWestfalen, Urteil vom 22. Juni 2017, Az.: L 9 SO 137/15). Insofern ist im Hinblick auf die unterschiedliche Zeiträume sowie vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen wie folgt zu differenzieren (dazu unter 1. – 5., wiederum chronologisch):

1. Im Hinblick auf die geltend gemachten Behandlungskosten für den Zeitraum vom 22.04.2016 bis 26.04.2016 waren lediglich die Kosten für den Zeitraum 22.04.2016 bis 24.04.2016 anzuerkennen. Bei nachgewiesenen Kosten i. H. v. 1.958,78 EUR ergibt dies einen Anspruch der Klägerin i. H. v. 1.175,27 EUR.

2. Hinsichtlich der für den Zeitraum vom 22.07.2016 bis 24.07.2016 geltend gemachten Behandlungskosten waren lediglich die Kosten für den Zeitraum 22.07.2016 bis 24.07.2016 anzuerkennen. Bei nachgewiesenen Kosten i. H. v. 2.808,56 EUR ergibt dies bei 15 Behandlungstagen einen Anspruch der Klägerin i. H. v. 561,71 EUR.

3. Im Hinblick auf die geltend gemachten Behandlungskosten für den Zeitraum vom 06.08.2016 bis 07.08.2016 waren die Behandlungskosten in voller Höhe und somit i. H. v. 670,93 EUR erstattungsfähig.

4. Hinsichtlich der für den Zeitraum vom 08.08.2016 bis 11.08.2016 geltend gemachten Behandlungskosten waren lediglich die Kosten für den 08.08.2016 erstattungsfähig. Bei nachgewiesenen Kosten i. H. v. 2.808,56 EUR ergibt dies bei 4 Behandlungstagen einen Anspruch der Klägerin i. H. v. 702,14 EUR.

5. Im Hinblick auf die geltend gemachten Behandlungskosten für den Zeitraum vom 20.08.2016 bis 21.08.2016 hat das Gericht die Behandlungskosten in voller Höhe ausgeurteilt. Der Klägerin entstanden insgesamt Behandlungskosten i. H. v. 7.347,31 EUR. Bei fünf Behandlungstagen ergäbe sich der tatsächlich ausgeurteilte Betrag i. H. v. 2.938,92 EUR. Tatsächlich ist der Patient in dem Zeitraum vom 20.08.2016 bis 25.08.2016 tatsächlich an sechs Tagen, sodass damit eigentlich nur ein Betrag i. H. v. 2.449,10 EUR erstattungsfähig gewesen wäre.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang der jeweiligen Verfahren Rechnung. Die Berufung ist für die Beklagte nach §§ 143, 144 SGG zulässig. Die Klägerin ist zwar teilweise unterlegen, der Betrag mit dem sie unterlegen ist, beträgt jedoch lediglich 567,98 EUR, sodass die Berufung für die Klägerin nicht zulässig sein dürfte.
Rechtskraft
Aus
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