S 5 AS 107/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 AS 107/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 506/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 29/18 BH
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist eine Untätigkeitsklage.

Mit Bescheid vom 21.06.2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 18.06.2011 auf Überprüfung und Aufhebung bestandskräftiger Bescheide für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2009 ab.

Gegen den Bescheid vom 21.06.2011 legte der Kläger am 17.07.2011 ohne Begründung Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2011, zugestellt mit Postzustellungsurkunde, zurückwies.

Mit Schreiben vom 26.02.2015 legte der Kläger dar, er habe festgestellt, dass er den Widerspruch vom 17.07.2011 gegen den Bescheid vom 21.06.2011 noch nicht begründet habe und dass noch kein Widerspruchsbescheid ergangen sei. Zur Begründung führte er aus, seinem Antrag bezüglich der Erstattung der Hausrat- und Haftpflichtversicherung vom 18.06.2011 sei nur für die Zeit ab 2010 stattgegeben worden. Für die Zeit von 2007 bis einschließlich 2009 seien ihm keine Zahlungen für die beiden Versicherungen erstattet worden. Hiergegen richte sich sein Widerspruch

Mit der am 01.02.2017 erhobenen Klage beantragte der Kläger zunächst, seinen Widerspruch vom 17.07.2011 gegen den Bescheid vom 21.06.2011 zu bescheiden.

Nach Vorlage des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2011 stellte der Kläger seinen Klageantrag um und beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 26.02.2015 auf Rücknahme des Bescheides vom 21.06.2011 zu bescheiden.

Bei sachgerechter Auslegung unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes sei das Schreiben des Klägers vom 26.02.2015 als erneuter Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 21.06.2011 anzusehen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Eine erneute Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 21.06.2011 nach bestandskräftigem Abschluss des Widerspruchsverfahrens komme nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entscheiden gem. § 105 SGG, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Zwar ist die Einlassung der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.07.2017 als Einwilligung zur Klageänderung nach § 99 Abs. 1 und 2 SGG anzusehen, so dass die vorgenommene Klageänderung nicht unzulässig ist.

Die Voraussetzungen des § 88 Abs. 1 SGG liegen jedoch nicht vor. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig.

Klagebefugt ist demnach nur, wer geltend machen kann, aufgrund eines konkreten Antrages oder Widerspruchs einen noch offenen Anspruch auf Bescheidung zu haben. Ein entsprechender Widerspruch oder Antrag muss nach § 88 Abs. 1 Satz 1 erhoben bzw. gestellt sein (Michael Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 88 Rn. 2).

Das Gericht sieht das Schreiben des Klägers vom 26.02.2015 - auch unter Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes - nicht als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 21.06.2011 an.

Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatzes ist bei nicht eindeutigen Anträgen darauf hinzuwirken, dass diese klar und sachdienlich gestellt werden und der wirkliche Wille ist zu erforschen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl etwa BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 16).

Ein unklarer und damit auslegungsbedürftiger Antrag war nicht gegeben. Der Kläger hat in dem Schreiben vom 26.02.2015 unmissverständlich dargelegt, dass er davon ausgeht, seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.06.2011 noch nicht begründet zu haben und dass er mit dem Schreiben seinen bereits am 17.07.2011 eingelegten Widerspruch begründet.

Zudem war es nicht sachdienlich, die Begründung des Widerspruchs als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 21.06.2011 anzusehen. Der Kläger konnte die Rücknahme des Bescheides vom 21.06.2011 mit dem Ziel, Kosten für Versicherungsbeiträge für den Zeitraum von 2007 bis 2009 zu erhalten, nicht mehr erreichen. Denn nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II iVm mit § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X werden Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme erbracht. Im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes, welches dem Meistbegünstigungsprinzip zugrunde liegt, war die Auslegung auf einen nicht zielführenden Antrag nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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