S 19 KA 310/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KA 310/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 84/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 13/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der Therapiehinweis des Beklagten bezüglich des Wirkstoffes "Clopidogrel" vom 16.02.2000 wird aufgehoben. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden dem Beklagten auferlegt. Sonst sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Therapiehinweis nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung ("Arzneimittel-Richtlinien/AMR") in der Fassung vom 31.08.1993, zuletzt geändert am 13.05.2002. Die Klägerin produziert und vertreibt die Fertigarznei Plavix mit dem Wirkstoff Clopidogrel. Das Präparat ist bis Februar 2013 patentgeschützt. Wesentliche Wirkung des Wirkstoffes ist die Verhinderung von Blutpfropfbildungen. Damit dient das Arzneimittel der Verminderung arteriosklerotischer Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Es wird eingesetzt bei Patienten mit symptomatischer Arteriosklerose, die einen ischämischen Schlaganfall erlitten hatten ( 7 Tage bis 6 Monate zurückliegend), einen Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend) oder bei Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK). Die jährlichen Behandlungs- kosten betragen ca. 1.040,- EURO. Konkurrierende Wirkstoffe sind die Acetylsalicylsäure (ASS) sowie Ticlopidin, das im Hinblick auf seine Nebenwirkungen nur beschränkt eingesetzt wird. Die Wirksamkeit von Clopidogrel ist durch die sogenannte CAPRIE-Studie belegt. Sie ist in 16 Ländern an über 360 medizinischen Centren über 3 Jahre an 19185 Probanden durchgeführt; die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 1,9 Jahre. Die Probanden litten unter Atherothrombosen, die durch Herzinfarkt, ischämischen Schlaganfall oder PAVK manifest geworden waren. Ischämische Ereignisse traten bei der mit Plavix behandelten Gruppe pro Jahr bei 5,32 v.H. gegenüber 5,83 v.H. der ASS-Kontrollgruppe auf. Verantwortlich für eine Thrombozytenaggregation ist Adenosindiphosphat (ADP). Clopidogrel greift an den ADP-Rezeptoren der Thrombozyten n, in dem es die Aktivierung der Glykoproteinllb/Illa-Rezeptoren verhindert. Die Thrombozytenaggregation wird in der Endstrecke über den Gplibillia-Rezeptor vermittelt, an dem Fibrinogen zur Vernetzung der Plättchen gebunden wird. Dem gegenüber hemmt ASS die Prostaglandiribildung; Prostaglandine wiederum hemmen die Thrombozytenaggregation. Am 16.02.2000 beschloss der Beklagte eine Änderung der Therapiehinweise, wie sie in Nr. 14 der AMR vorgesehen sind. In ihnen werden Indikation von Clopidrogel, Wirkung und Wirksamkeit beschrieben; anschließend werden Risiken aufgeführt und Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnugnsweise gegeben: Clopidogrel (z.B. Pfavix, lscover) Indikation Verminderung arteriosklerotischer Ereignisse (Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall, vaskulär bedingter Tod) bei Patienten mit bekannter symptomatischer Arteriosklerose, definiert durch einen ischämiebedingten Schlafanfall (7 Tage bis sechs Monate zurückliegend), Myokardinfarkt (bis 35 Tage zurückliegend) oder nachgewiesener PAVK. Im Handel sind zwei Präparate als Filmtabletten mit einem Wirkstoffgehait von 75 mg Clopidogrel (lscover, Plavix). Die Salzform ist in beiden Präparaten als Hydrogensulfat identisch. Wirkung Clopidogrel hemmt irreversibel die Thrombozyten-Aggregation durch selektive Bindung an den mit der Acienylatcyclase gekoppelten ADP-Rezeptor an der Thrombozyten-Oberfläche. Dadurch wird die Bindung von Fibrinogen an die Plättchenoberfläche unterdrückt. Clopidogrel interagiert nicht direkt mit dem GPU/lila-Rezeptor auf der Plättchenoberfläche. Wirksamkeit Obwohl in mehreren kleineren Studien die Wirksamkeit von Clopidogrel (Clop) bereits nachgewiesen wurde, ist der therapeutische Vergleich mit Acetylsalicylsäure (ASS) in der CAPRIE-Studie an 19185 Patienten über einen Zeitraum von zwei Jahren mit nachgewiesenen arteriskleprotischen Prozessen von besonderem Gewicht. Verglichen wurde die Wirksamkeit von Tagesdosen von 75 mg Clop mit 325 mg ASS. Primärer kombinierter Endpunkt war das Auftreten von ischämischem Insult, Myokardinfarkt oder Tod durch ein vaskuläres Ereignis. Ischämische Ereignisse traten pro Jahr bei 5,32% (n - 9599; Clop) vs. 5,83% (n=9585;ASS) auf (p-0,043), davon tödliche Ereignisse insgesamt bei 32,8% (Clop) vs. 31,4% (ASS). Damit verhinderte die Ciopidogrelbehandlung jährlich 24 größere Ereignisse pro 1000 Patienten, während es unter ASS nur 19 Ereignisse waren. Ohne Unterschied war einer der sekundären Endpunkte, die Gesamtmortalität in beiden Gruppen (3,05% vs. 3,11% pro Jahr; Clop vs. ASS). Eine Überlegenheit von Clopidogrel über ASS bezüglich der primären Endpunkte zeigte sich bei der gesonderten Betrachtung von Subgruppen bei Patienten mit vorbestehender PAVK (3,71% vs, 4,86%; Clop vs. ASS; p-0,0028), nicht aber bei solchen mit vorherigem Myokardinfarkt oder Schlaganfall. In CAPRIE waren Neutropenien unter Clopidogrel nicht häufiger als unter ASS (0,1% vs ... 0,17%; Clop vs. ASS). Gegenüber Ticiopidin weist Clopidogrel nach der derzeitigen Studienlage Vorteile auf, weil es in geringeren Dosen stärker wirksam ist und Neutropenien bzw. Leukozytenstürze weniger häufig auslöst (0,1% vs. 0,9%; Clop vs. Ticlopidin). Risiken - gegebenenfalls Vorsichtsmaßnahmen Unerwünschte Wirkungen: Gelegentlich Blutungen (Magen-Darm, Unterhautgewebe, Nasenbluten, Hämaturie, Blutungen in die Konjunktiven), Neutropenien sehr selten ((0,1% der bisher Behandelten), gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, selten Obstipation) bei insgesamt 15% der in der CAPRIE-Studie behandelten Patienten. Hautrötungen (und selten Hautausschläge) treten bei etwa 8% der Patienten auf. Benommenheit, Schwindel und Parästhesien sind selten. Kontraindiziert bei schweren Funktionsstörungen der Leber, akuten Blutungen (z.B. aus Magen-&61553;uodenal-Ulzera oder intrakraniellen Blutungen). Die Gabe innerhalb der ersten Tage nach einem Myokardinfarkt oder ischämischen Insult, nach PCTA, Bypass-Opertaion, anderen operativen Eingriffen oder bei instabiler Angina pectoris ist nur unter streng kontrollierten Bedingungen möglich. Begleitbehandlung: Bei Behandlung mit anderen Antikoagulantien (Acetylsalicylsäure, Heparin, Hirudin, Kumarin-Antikosgulantien) nichtsteroidalen Aantirheumatika oder nach einer fibrinolytischen Therapie ist auf eine erhöhte Blutungsgefahr zu achten und deshalb die Behandlung mit Clopidogrel gegebenenfalls nicht einzuleiten. Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise Angesichts der fast identischen Wirksamkeit von Clopidogrel und Acetylsalicylsäure sowie der hohen Kosten (s.u.) sollte die Indikationsstellung für Clopidogrel sehr restriktiv erfolgen, zumal Langzeiterfahrungen beziehungsweise Studienergebnisse über eine lebenslange Einnahme noch nicht vorliegen. Nach wie vor sollte Acetylsalicylsäure zur prophylaktischen Behandlung von Zuständen nach einem Myokardinfarkt oder ischämischen Insult im Sinne der Verhinderung eines Zweitereignisses verwendet werden. Ausgenommen davon wären durch ASS ausgelöste Unverträglichkeitserscheinungen einschließlich Allergien oder Asthma bronchiale. In jedem Fall sollte eine Neueinstellung auf Ticlopidin - wenn ASS nicht indiziert ist - durch Clopidogrel ersetzt werden, um die gefahrvollen Neutropenien zu vermeiden. Zusammenfassen stellt Clopidogrel eine Alternative zu Acetylsalicylsäure für die Langzeit-Anwendung als Thrombozyten-Aggregationshemmer dar, wobei die geringfügig bessere Wirksamkeit bei unterschiedlichem Nebenwirkungs-Profil anzuführen ist, jedoch die erheblich höheren Kosten zu berücksichtigen sind. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage trägt die Klägerin vor, die Aussage einer "fast identischen Wirksamkeit" sei unrichtig; bei Risikopatienten mit PAVK zeige Clopidogrel eine um 24 v.H. bessere Wirksamkeit; darüber hinaus müssten auch die Indikationsunterschiede bei Clopidogrel gegenüber ASS aufgeführt werden; auch beruhe die Gegenüberstellung der Behandlungskosten nicht auf einer pharmaökonomischen Nutzenanalyse; der Einsatz von Clopidogrel sei nicht teurer als der von ASS, weil durch Clopidogrel bei Hochrisikopatienten zahlreiche zusätzliche artherothrombotische Ereignisse vermieden und entsprechend Behandlungskosten eingespart würden; ferner habe der Beklagte den ihm zugebilligten Beurteilungsraum - wenn er denn überhaupt bestehe - überschritten, weil die Vorzüge von Clopidogrel für die Patientengruppe "ischämischer Insult plus Myokardinfarkt oder PAVK" nicht empfohlen werde; demgegenüber müssten die ASS-Nonresponder in der Ausnahmegruppe des Hinweises erwähnt werden ebenso die Gruppe, bei denen ASS nicht oder nur unter Inkaufnahme großer Nachteile angewandt werden könne und deshalb die Therapie durch Clopidogrel ersetzt werden müsse oder sollte; schließlich würden - da die CAPRIE-Studie über 3 Jahre hindurch geführt sei - sehrwohl Langzeiterfahrungen vorliegen; Studienergebnisse über eine lebenslange Einnahme würden demgegenüber für kein Arzneimittel vorliegen, auch nicht für ASS. Darüber hinaus sei die fehlende demokratische Legitimation für den Erlass des Therapiehinweises zu bemängeln, sein Verstoß gegen das E-G-Kartellrecht und das nationale Kartellrecht.

Die Klägerin beantragt schriftlich,den Therapiehinweis nach Nr. 14 der Arzneimittel Richtlinien für Clopidogrel (Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 16. Februar 2000 über eine entsprechende Änderung bzw. Ergänzung von Anlage der Arzneimittel-Richtlinien in der letzten Fassung vom 22. Februar 1999, Bekanntmachung im Bundesanzeiger Nr. 102 vom 30. Mai 2000, S. 10094) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt schriftlich: die Klage wird abgewiesen, Er trägt vor, die Überlegenheit von Clopidogrel gegenüber ASS sei nicht bewiesen, da keine Placebogruppe in die Studie einbezogen worden sei; darüber hinaus seien Studien nur insoweit zuverlässig aussagekräftig, als sie sich auf primär definierte Zielgruppen beziehen, im vorliegenden Fall ischämische Schlaganfälle, Myokardinfarkte und vaskulärer Tod; bei diesen Indikationen habe die CAPRIE-Studie keinen signifikanten Unterschied zwischen der Clopidogrel-Gruppe und der ASS-Gruppe gezeigt; zwar könne eine nachträgliche Beurteilung von Subgruppen Hinweise für einen therapeutischen Vorteil geben, letztlich aber hätten sie keinen überzeugenden Beweiswert; deshalb könnten Auswertungen der CAPRIE-Studie für die Subgruppe der PAVK-Patienten nicht in die Empfehlungen des Therapiehinweises einfließen; auch die Frage der Rehospitalisierung sei kein Zielparameter der CAPR1E-Stuide gewesen. Die Beigeladenen haben sich zum Rechtsstreit nicht geäußert. Die Klägerin hat eine Zusammenfassung der CAPRIE-Studie vorgelegt, eine Stellungnahme des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller e.V. zu den Therapiehinweisen des Beklagten bezüglich Clopidogrel sowie eine Stellungnahme des geschäftsführenden Direktors der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg Prof, Dr. Werner Hacke, Empfehlungen zur Primär- und

Sekundärprävention des ischämischen Insults der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft sowie eine Arbeit von Bhatt u.a. zur Clopidogrel-Therapie bei Patienten mit Atherosklerose, vorgestellt auf der 49. Jahressitzung des amerikanischen Collegs für Kardiologie, Zu den Indikationsunterschieden zwischen Ciopidogrel und ASS sowie deren Nebenwirkungen und zu den Aussagen der verschiedenen Studienergebnissen zu Ciopidogrel hat die Kammer den Direktor des Instituts für Pharmakologie der Universität Köln, Prof. Dr. med. Edgar Schömig in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2002 gehört. Sodann hat die Kammer eine ergänzende Stellungnahme von ihm zu der Frage eingeholt, inwieweit einzelne Aussagen des Therapiehinweises pharmakologisch-wissenschaftlich vertretbar sind. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 06.11.2002 verwiesen sowie auf die schriftliche Zusammenfassung des Sachverständigen, die als Anlage zum Protokoll genommen wurde sowie auf die ergänzende Stellungnahme vom 11.03.2003. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte die Kammer im Einvernehmen mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die nach § 54 Abs. 5 SGG zulässige Klage ist begründet. Zwar ist der von der Klägerin angegriffene Therapiehinweis nicht in allen seinen Aussagen unrichtig, was auch von der Klägerin nicht bestritten wird. Dennoch musste er im Hinblick auf den Beurteilungsraum des Beklagten ins

gesamt aufgehoben werden. Die Bewertungsbefugnis des Beklagten erlaubt ihm eine unvordenkliche Anzahl von Aussagen über den Wirkstoff Clopidogrel, sei es durch sehr ins Einzelne gehende Bewertungen, sei es durch eine verallgemeinernde Gesamtschau. Gerade bei einem auf Vollständigkeit abzielenden Hinweis würde die Aufhebung einzelner Teile die Gesamtbewertung des Beklagten verändern. Zu einer eigenen Bewertung jedoch ist das Gericht nicht befugt. Bei einem von Wertungen bestimmten Vorgehen der Verwaltung ist die richterliche Kontrolle darauf beschränkt, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt ist, die Grenzen der Beurteilungsermächtigung eingehalten und keine falschen Wertmaßstäbe eingeschlossen sind (OVG Berlin, Beschluss vom 28.01.1987 - OVG 5 S 1.87 -). Darüber hinaus entnimmt die Kammer der Beweisaufnahme, dass die Bewertungsmängel den Kern des Therapiehinweises treffen, so dass durch die besondere wissenschaftliche Beleuchtung des Beklagten Clopidogrel in einem ungünstigen Licht da steht, das einseitig die Nachteile hervorhebt, nicht jedoch die Vorzüge. Dabei ist nach Angaben des Sachverständigen zunächst Indikation und Wirkung des Wirkstoffes von dem Beklagten zutreffend beschrieben. Auch die Grundaussage zur Wirksamkeit lässt sich nicht beanstanden, soweit die Ergebnisse der CAPRIE-Studie aus dem prospektiven Studiendesign abgeleitet sind. Nach Angaben des Sachverständigen ist jedoch der Beweiswert gering, wenn nach Abschluss einer Studie retrospektiv Subgruppen gebildet werden, für die sodann die Ergebnisse ausgewertet werden. Soweit der Sachverständige in solchen nachträglichen Betrachtungen lediglich Hinweise für eine therapeutische Wirksamkeit sieht, so ist dies in sich schlüssig. Denn wenn sich jede Studie auch bei einem hohen Standard der Good Clinical Praxis (GCP) mit einer Zufalls- und Fehlerquote abfindet, liegt es nahe, dass die Erkenntnisse für eine Subgruppe unverhältnismäßig hoch oder gar ausschließlich sich aus Ergebnissen der prosprektiven Studie im Fehlerbereich ableitet. In diesen Fällen würden Schlussfolgerungen aus statistischen Ausreißern gezogen werden. Richtig ist der Vortrag der Beklagten, dass die Subgruppen Myokardinfarkt, Schlaganfall und PAVK in der CAPRIE-Studie gesondert aufgeführt sind. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Studie darauf angelegt war, den Vorteil von Clopidogrel verglichen mit Aspirin zu ermitteln, und zwar bezogen auf das Risiko eines ischämischen Schlaganfalls, eines Myokardinfarkts oder PAVK. Insofern ist die Frage der Auswirkung in den Subgruppen der Patienten, die bereits einen Schlaganfall

oder eine Myokardinfarkt erlitten hatten sowie denjenigen, bei denen bereits PAVK vorlag auch nachträglich gebildet. Die Kammer entnimmt aus den Ausführungen des Sachverständigen, dass diese Subgruppenbildung cum grano salis unter dem gleichen Mangel leidet, wie die Subgruppen, die etwa in der Arbeit von Hacke zu den Hoch-Risiko-Patienten erwähnt sind oder den von Bhatt und anderen bei Patienten, die für aterothrombotische Ereignisse anfällig sind. Darüber hinaus folgt die Kammer der Beurteilung des Sachverständigen, dass der Wirksamkeitsvergleich deshalb unzutreffend geworden ist, weil nicht alle zwischenzeitlich veröffentlichten Studien ausgewertet sind. Dabei ist zunächst auch von dem Beklagten unbestritten geblieben, dass die CURE-Studie, die eine gute Wirksamkeit der Kombination aus Clopidogrel und ASS beim akuten Coronarsyndrom zeigt, jenen Anforderungen genügt, die nach dem hohen Standard der international anerkannten GCP üblich sind. Diese Studie war zwar bei Veröffentlichen des Therapiehinweises dem Beklagten noch nicht bekannt veröffentlicht. Die Kammer allerdings hatte nicht den Zeitpunkt der Veröffentlichung zu beurteilen, sondern jenen der gutachterlichen Entscheidung. Deshalb ist auch die Aussage des Sachverständigen schlüssig, dass es den Grundsätzen einer fairen Bewertung des Wirkstoffs Clopidogrel widerspricht, wenn ältere für die Bewertung eher nachteilige Subgruppenanalysen genannt sind, während mittlerweile für den Wirkstoff Clopidogrel vorteilhaft erscheinende Subgruppenanalysen keine Erwähnung finden. Die Kammer folgt der gutachtlichen Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen, weil sie gerade nicht - wie der Beklagte meint - in sich widersprüchlich ist. Von seiner Beurteilung abweichende Gutachten liegen nicht vor. Allerdings lässt der Vortrag des Beklagten erkennen, dass auch er wissenschaftlich beraten wurde, Selbst wenn man deshalb die Ausführungen des Beklagten zu der Auswertung jener von der Kammer zuletzt gestellten Fragen an den Sachverständigen als Gegengutachten ansieht, bleibt doch im Dunkeln, ob und gegebenenfalls über welche Qualifikation jene möglicher Weise Sachkundigen verfügen. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung eines Therapiehinweises für den Leistungserbringer sowie dem mit einer Negativbeurteilung verbundenen hohen Risiko einer Rufschädigung genügt es nach Auffassung der Kammer nicht, wenn der Beklagte ohne nachvollziehbares tieferes wissenschaftliches Eindringen in die pharmakologisch-wissenschaftlichen Zusammenhänge Stellung gegen wissenschaftlich fundierte Beurteilungen bezieht. Unbestritten lagen dem Vom Gericht ernannten Sachverständigen alle entscheidungserheblichen Dokumentationen vor, was die Kammer bezüglich jener Personen nicht beurteilen kann, auf die sich der Beklagte (möglicher Weise) stützt. Schließlich ist der Sachverständige qualifiziert und erfahren, die ihm von der Kammer vorgelegten Fragen zu einer fairen Beurteilung von Clopidogrel sach- und fachkundig zu beantworten. Seine wissenschaftliche Qualifikation hat er durch seine Habilitation nachgewiesen, seinem fachlich nicht nur untadeligen sondern herausragenden Ruf entnimmt die Kammer den Umstand, dass er Lehrstuhlinhaber der Universität Köln ist - einer der führenden Universitäten der Republik, gerade auch auf medizinischem Gebiet, Darüber hinaus hat er sich in früheren Rechtsstreitigkeiten als gründlicher Gutachter ausgezeichnet, dessen Beurteilungen sich bei allen Schwierigkeiten der medizinisch-pharmakologisch-wissenschaftlichen Auswertungen als treffsicher erwiesen haben. Schließlich erscheint auch die Beurteilung im vorliegenden Falle gerade deshalb überzeugend, weil sie in den Schilderungen der Vor- und Nachteile von Clopidogrel - auch in wirtschaftlicher Hinsicht - ausgewogen sind. Im Hinblick auf seine Beurteilung hält die Kammer auch die in den Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise enthaltene Aussage des Beklagten für unrichtig, die Indikation für Clopidogrel sollte unter anderem angesichts der "fast identischen" Wirksamkeit Clopidogrel, und Acetylselicylsäure sehr restriktiv erfolgen. Zumindest durch CURE-Studie ist der Vorteil Clopidogrel in der Kombination mit Aspirin beim akuten Coronarsyndrom nicht mehr zu bezweifeln. Daraus wiederum schließt die Kammer, dass die Wirksamkeit der beiden Wirkstoffe gerade nicht "fast identisch" ist, sondern allenfalls therapeutisch vergleichbar. Dies entnimmt die Kammer aus der Beurteil des Sachverständigen, dass die fehlende Darstellung der Ergebnisse jener Studie einschließlich der "sich daraus ergebenen therapeutischen Konsequenzen" ein gravierender Mangel des von der Klägerin angegriffenen Therapiehinweises ist. Vollends überspitzt hält die Kammer mit dem Sachverständigen auch das Einbeziehen von Studienergebnissen über eine "lebenslange" Einnahme. Es überzeugt zwar, dass solche Studienergebnisse den optimalen Nachweis für die Wirksamkeit eines Wirkstoffs ergeben. Grundsätzlich wäre deshalb nicht zu beanstanden, auf ein solches Optimum abzustellen. Sachfremd jedoch wird ein Abstellen darauf, wenn wie im vorliegenden Falle zwei Wirkstoffe miteinander verglichen werden, für die in gleicher Weise- derartige Studienergebnisse nicht vorliegen, dennoch aber für einen der zu beurteilenden Pharmaka dies als Nachteil gewertet wird und er damit in schlechterem Licht da steht, als in dem Bereich auch nicht günstiger zu beurteilenden konkurrierenden Wirkstoff.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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