S 47 AS 422/05 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
47
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 47 AS 422/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 81/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

II. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I. A. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Antragstellerin zu 1. wurde 1961 in F. geboren. Sie ist die Mutter des 1984 in A-Stadt geborenen D. A. (Antragsteller im Verfahren S 47 AS 420/05 ER), des 1985 in A Stadt geborenen E. A. (Antragsteller im Verfahren S 47 AS 421/05 ER) und der 1989 ebenfalls in A-Stadt geborenen Antragstellerin zu 2. Alle Familienmitglieder sind tschechische Staatsangehörige. Sie haben am 29.07.2004 eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt.

Die ganze Familie bezog von der Stadt A-Stadt Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). In diesem Rahmen wurden die Antragstellerinnen mit Schreiben vom 22.10.2004 für die Zeit ab 01.01.2005 zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB II aufgefordert, was unter am 03.12.2004 auch geschah (vgl. Bl. 26 der Leistungsakte (im Folgenden: LA)).

Nachdem die Leistungen nach dem BSHG zwischenzeitlich eingestellt worden waren (vgl. dazu den Ablehnungsbescheid der Stadt A-Stadt vom 06.12.2004 bezüglich eines Antrags vom 24.11.2004, LA Bl. 27), lehnte der Antragsgegner den Antrag mit Bescheid vom 13.12.2004 ab, da er davon ausging, dass keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II gegeben sei. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Bl. 6 Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin zu 1. unter dem 16.12.2004 Widerspruch ein, hatte allerdings bereits zuvor unter dem 09.12.2004 bei der Bundesagentur für Arbeit einen weiteren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gestellt und dabei u.a. angegeben, die Familienmitglieder wohnten bei einem Bekannten, Herrn G. G., und hätten dort freies Wohnrecht. Sie erklärte ergänzend, dass es [sich] bei [dem Verhältnis zu] G. G. um eine Art Wohngemeinschaft handele und keinerlei gegenseitige Unterstützung vorliege. Im Übrigen wird auf Bl. 1ff. LA verwiesen.

Nach telefonischer Rücksprache der Bundesagentur für Arbeit mit dem Antragsgegner, in der von diesem mitgeteilt wurde, dass in den letzten Monaten kein Anspruch auf Sozialleistungen bestanden habe, bewilligte die Bundesagentur mit Bescheid vom 22.12.2004 die streitigen Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von 384,- Euro. Dabei ging sie von einem Gesamtbedarf der Antragstellerinnen von 662, Euro aus, der sich aus dem Regelsatz für Alleinstehende von 345,- Euro und eines Mehrbedarfs von 41,- für Alleinerziehende für die Antragstellerin zu 1. und dem Regelsatz für Kinder ab Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs in Höhe von 276 Euro zusammensetzte. Unterkunftskosten wurden nicht angesetzt. Als Einkommen berücksichtigte die Bundesagentur Kindergeld in Höhe von insgesamt 308, Euro, wobei sie dies um einen Betrag von 30,- Euro bereinigte.

Mit Schreiben vom 04.01.2005 unterrichtete das Polizeipräsidium Südosthessen den Antragsgegner darüber, dass die Familienmitglieder in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Straftaten, hauptsächlich im Bereich der Eigentumskriminalität, polizeilich in Erscheinung getreten seien. Alle Familienmitglieder seien bereits mehrfach abgeschoben worden, nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union aber ungehindert wieder ins Bundesgebiet eingereist. Bezüglich der Antragstellerin zu 1. wurden dabei für den Zeitraum von 04/79 bis 12/04 31 Straftaten, darunter 17 Diebstähle, ein räuberischer Diebstahl, zwei schwere Diebstähle und zwei Leistungserschleichungen angeführt, hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. für den Zeitraum von 06/04 bis 09/04 zwei Straftaten, darunter eine Leistungserschleichung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 52ff. LA Bezug genommen. In einem Bearbeitungsblatt des Antragsgegners ist zudem eine Haftzeit der Antragstellerin zu 1. vom 11.09.2002 bis 13.02.2003 in der JVA H-Stadt aufgeführt.

Mit Bescheid vom 31.01.2005 nahm der Antragsgegner daraufhin den Bescheid der Agentur für Arbeit in A-Stadt vom 22.12.2004 zurück und stellte die den Antragstellerinnen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährten Leistungen nach dem SGB II ein. Zur Begründung führte er aus, ihm seien glaubhafte Informationen zugegangen, wonach die Antragstellerin zu 1. wiederholt wegen des Verdachts einer von ihr selbst oder in Tatbeteiligung verübten Straftat in Erscheinung getreten sei. Weiterhin sei bekannt geworden, dass sie aus den verübten Straftaten Einkommen erziele und somit in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt auch ohne staatliche Unterstützungsleistungen selbst zu bestreiten. In diesem Zusammenhang könne es laut höchstrichterlicher Rechtsprechung dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um Einkommen aus illegalen Quellen oder legale Einkünfte, beispielsweise aus einer Erwerbstätigkeit, handele. Tatumstände, nach denen die Antragstellerin zu 1. in verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe, seien nicht bekannt geworden. Die weitere Leistungsgewährung nach dem SGB II sei auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht mehr möglich, da die Antragstellerin zu 1. durch ihr Fehlverhalten (trotz gleichzeitigen Bezuges von staatlichen Unterstützungsleistungen) eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, dass sie nicht erwerbsbereit und somit nicht erwerbsfähig sei. Eine weitere Grundvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II stelle in der Angelegenheit der Antragstellerin zu 1. der Tatbestand dar, dass sie als Staatsangehörige aus Tschechien nur dann erwerbsfähig und somit anspruchsberechtigt sein könne, wenn ihr die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt sei. Dies treffe in ihrem Fall jedoch nicht zu, da ihr eine entsprechende Arbeitserlaubnis nicht vorliege bzw. nicht erteilt worden sei. Nach alledem seien die ihr bislang gewährten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.02.2005 einzustellen gewesen. In diesem Zusammenhang werde noch ergänzend darauf hingewiesen, dass auch eine Leistungsgewährung nach dem SGB XII nicht möglich sei. Nach § 23 Abs. 3 SGB XII hätten nämlich Ausländer, die in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien, um Sozialhilfe zu erlangen, ausdrücklich keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Diesen Tatbestand sehe der Antragsgegner in der Angelegenheit der Antragstellerin zu 1. als zweifelsfrei gegeben an. Gleichzeitig erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1. wegen von ihr ausgestoßener Bedrohungen mit sofortiger Wirkung ein Hausverbot.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin zu 1. am 04.02.2005 Widerspruch ein, der, soweit ersichtlich, noch nicht beschieden ist.

In der Zwischenzeit wurde die von Herrn G. angemietete und von den Antragstellerinnen (mit-)bewohnte Wohnung geräumt. Vor allem die Antragstellerin zu 1. legte dem Antragsgegner im Hinblick auf den dadurch notwendig gewordenen Umzug verschiedene Vermieterbescheinigungen vor. Eine Zustimmung zum Umzug erteilte der Antragsgegner nicht, sondern lehnte diese mündlich ab. Für die Zeit ab 01.02.2005 mietete die Antragstellerin zu 1. dann eine Drei-Zimmer-Wohnung in der A-Straße in A-Stadt zu einem Mietzins von 425,- Euro an.

Mit Schriftsatz vom 14.03.2005, eingegangen bei Gericht am 29.03.2005, beantragten die Antragstellerinnen einstweiligen Rechtsschutz im vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter dem Aktenzeichen S 47 AS 140/05 ER. Zur Begründung ließen sie dort ausführen, sie sowie die beiden Söhne seien in der Vergangenheit von Herrn G. unterstützt worden. Dies sei Herrn G. dadurch möglich gewesen, dass er seine monatliche Miete nicht bezahlt habe. Dazu legten die Antragstellerinnen in Kopie eine nach ihren Angaben von Herrn G. stammende und unter dem 20.12.2004 gezeichnete Erklärung vor, wonach dieser die Antragstellerin zu 1. und ihre Kinder unterstütze und nicht die Miete bezahlt habe (Gerichtsakte Bl. 11). Auf Grund des derzeitigen Aufenthaltsstatus sei es der Antragstellerin zu 1. auch nicht möglich, eine Arbeit zu finden. Bisherige Bemühungen seien ins Leere gelaufen. Die Antragstellerinnen verfügten auch nicht über Einkommen aus strafrechtlichen Handlungen. Die Akteneinsicht bei dem Antragsgegner habe ergeben, dass dieser sich ausschließlich auf Straftaten in der Vergangenheit stütze. Dazu versicherte die Antragstellerin an Eides Statt, dass sie in den letzten vier Jahren, insbesondere nach ihrer Rückkehr nach Deutschland, keine Straftaten begangen habe. Der Ordnung halber weise sie darauf hin, dass sie wegen Geldmangels viermal schwarz mit dem Bus gefahren sei. Dies sei im Jahre 2004 gewesen. Die neu angemietete Wohnung werde von den Antragstellerinnen und den beiden Söhnen bewohnt, wie die Antragstellerin zu 1. an Eides Statt versichert hat. Ohne die Leistungsbewilligung drohe die Obdachlosigkeit. Dazu versicherte die Antragstellerin zu 1. an Eides Statt, die Miete für die Monate Februar und März 2005 sowie die Kaution habe sie auf Grund des Leistungsentzugs nicht zahlen können. Der Vermieter habe bereits mit der fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gedroht.

Die Antragstellerinnen beantragten vor diesem Hintergrund sinngemäß,
1. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen vom 04.02.2005 gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 31.01.2005 anzuordnen;
2. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellerinnen die Unterkunftskosten in Höhe der von ihnen zu entrichtenden Bruttomiete zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragte,
die Anträge abzulehnen.

Zur Begründung führte er in einem von einem der Söhne geführten Parallelverfahren insbesondere aus und im verwies im vorangegangenen Verfahren der Antragstellerinnen darauf, dass die Mittellosigkeit der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht sei. Auch fehle es an jeglicher Darlegung, aus welchen Mitteln die Antragsteller seit der Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt diesen bestritten hätten, insbesondere im Hinblick darauf, dass bereits zuvor seitens der bisher zuständigen Stadt A-Stadt mindestens für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2004 keine Leistungen gewährt worden seien. Auch das aus Straftaten erzielte Einkommen sei im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Bleibe dessen genaue Höhe unklar, könne dies nicht dazu führen, dass teilweise Leistungen zu gewähren seien, da diese jeweils in konkreten Beträgen zu erbringen seien. Da außer der Behauptung, durch Herrn G. – dessen Einkommen nach einer Berechung der Stadt A-Stadt aber nur 33,- Euro über dem Sozialhilfesatz gelegen habe - unterstützt worden zu sein, keinerlei Darlegung erfolgt sei, aus welchen Mitteln in der Vergangenheit der Lebensunterhalt bestritten worden sei, begründe dies einen nicht unerheblichen Verdacht, dass der Antragsteller über verschwiegene Einkünfte verfüge. Vor diesem Hintergrund sei die Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht zu beanstanden, eine Ermessensentscheidung zugunsten des Adressaten des Verwaltungsaktes komme bei unrechtmäßiger Inanspruchnahme staatlicher Leistungen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel, regelmäßig nicht in Betracht, es sei denn, dass im Einzelfall besondere Umstände vorlägen, die ausnahmsweise eine andere Sichtweise rechtfertigten, wofür es vorliegend aber an jeglichen Anhaltspunkten fehle. Die angemietete Wohnung sei schließlich nicht angemessen; der Antragsgegner habe der Anmietung nicht zugestimmt.

Die Kammer ordnete mit Beschluss vom 05.05.2005 die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31.01.2005 gerichteten Widerspruchs an und lehnte im Übrigen der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Hinsichtlich des (abgelehnten) Erlasses einer Regelungsanordnung der durch den Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit nicht erfassten Wohnkosten führte die Kammer sinngemäß insbesondere aus, es sei nicht ersichtlich, dass auch nur einer der Antragstellerinnen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erlaubt werden und daher zumindest eine der Antragstellerinnen als erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II gelten könne. Im Übrigen verblieben erhebliche Zweifel hinsichtlich der Bedürftigkeit. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 05.05.2005 verwiesen.

Der Antragsgegner gewährte den Antragstellerinnen sodann in Ausführung des Beschlusses die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 29.03.2005 bis 30.06.2005, insgesamt 1.925,10 Euro.

Unter dem 15.06.2005 stellte die Antragstellerin zu 1. einen neuen Antrag auf Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Mit Schreiben vom 21.06.2005 wies der Antragsgegner zum einen darauf hin, dass die beiden Söhne ihre Anträge selbst stellen müssten, bat darüber hinaus aber v.a. auch um Nachweise für die Mittellosigkeit (auch der Söhne) und um die Vorlage von Arbeitserlaubnissen.

Die Antragstellerin zu 1. meldete sich darauf hin mit Schreiben vom 27.06.2005, in dem sie ausführte, sie und ihre Söhne könnten eine Arbeitserlaubnis erst dann beantragen, wenn es zu einem Arbeitsvertrag komme oder sie eine Arbeit gefunden hätten. Die Antragstellerin zu 1. fügte dem Schreiben die Kopie einer alten Arbeitserlaubnis für die Zeit vom 27.10.2004 bis 19.01.2005 bei.

Der Antragsgegner holte sodann eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister ein, die unter dem 24.06.2005 erstellt wurde. Diesbezüglich wird auf Bl. 171ff. der Leistungsakte Bezug genommen.

Der Antragsgegner lehnte sodann mit Bescheid vom 06.07.2005 gegenüber der Antragstellerin zu 1. den Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II ab.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz noch vom gleichen Tage Widerspruch eingelegt. Dieser ist, soweit ersichtlich, ebenfalls noch nicht beschieden.

Die Antragstellerinnen haben sodann mit Schriftsatze ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.08.2005, eingegangen bei Gericht am 15.08.2005, wiederum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung haben sie ihre aus dem Verwaltungs- und dem vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren bekannten Argumente wiederholt und vertieft. Sie haben wiederum ausführen lassen, auf Grund des derzeitigen Aufenthaltsstatus sei es der Antragstellerin nicht möglich, eine Arbeit zu finden. Einkünfte stünden nicht zur Verfügung. Ihren Lebensunterhalt hätten die Antragstellerinnen sowie die beiden Söhne der Antragstellerin zu 1. durch Kindergeldzahlungen, die Leistungen des Antragsgegners auf Grund des vorangegangenen Beschlusses sowie durch Unterstützung eines Bekannten, Herrn J., in den Monaten Juli und August in Höhe von jeweils 400 Euro bestritten. Die letzte Straftat ohnehin nur der Antragstellerin zu 1. – sei im Dezember gewesen, wobei es sich um ein strafrechtliches Vergehen wegen Schwarzfahrens gehandelt habe. Auf Grund eines Mietrückstandes für Juli und August 2005 drohten die Kündigung und damit die Obdachlosigkeit. Zur Glaubhaftmachung wurden zwei eidesstattliche Versicherungen der Antragstellerin zu 1. vorgelegt, insoweit wird auf Bl. 5 und Bl. 85 Bezug genommen. Auch eine Bestätigung von Herrn J. über die geleisteten Zahlungen im Juli und August 2005 wurde vorgelegt (Bl. 86).

Die Antragstellerinnen haben beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II zu gewähren.

Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Auch er wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus dem Verwaltungs- sowie dem vorangegangen Verfahren. Insbesondere hält er unter ausführlichem Hinweis auf die verwaltungsrechtliche Judikatur und die in den Antragstellerinnen vorgeworfenen Straftaten daran fest, dass er eine ausreichend sichere Informationsgrundlage über illegal erworbenes Einkommen gehabt habe, um im Hinblick darauf die Leistung zunächst einzustellen und den neuen Leistungsantrag abzulehnen. Der Antragsgegner verweise die Antragstellerinnen nicht auf Einkünfte dieser Art, sondern verlange nur, dass bereits erlangte finanzielle Ressourcen verbraucht würden.

B. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, aber nicht begründet. Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist nicht gegeben.

1. Die Leistungsbewilligung durch den Bescheid der Agentur für Arbeit vom 22.12.2004 erstreckte sich nur auf den Zeitraum bis 30.06.2005. Für den hier streitigen Zeitraum liegt eine Leistungsbewilligung daher nicht vor.

Die Antragstellerinnen können ihr Ziel daher im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur durch einen Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung verfolgen. Der von ihnen gestellte Antrag erweist sich damit als statthaft.

Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit.

2. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung liegen jedoch nicht vor.

a) Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt dabei einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Diese sind glaubhaft zu machen. Erforderlich ist, dass dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Außerdem muss ein Anordnungsanspruch bestehen. Dieser setzt voraus, dass der Antragsteller überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache hat. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung: Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt (vgl. Hess. LSG, Beschl. v. 29.06.2005, Az. L 7 AS 1/05 ER u.a.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein so genanntes bewegliches System (Meyer-Ladewig, Komm. z. SGG, § 86b, Rn. 27 und 29): Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In dieses bewegliche System sind auch die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu integrieren, dass den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) aufgegeben hat, in erster Linie zu verhindern, dass es durch die Versagung von einstweiligem Rechtsschutz zu schweren und unzumutbaren Nachteilen komme (Beschluss v. 19.03.2004, Az: 1 BvR 131/04 und v.a. – für das SGB II – Beschluss v. 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05). Es hat dazu ausgeführt: "Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, um so weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 (74); 94, 166 (216)). Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 -, NJW 2003, S. 1236 (1236 f.))."

b) Ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben: Die Erfolgsaussichten im entsprechenden Hauptsacheverfahren liegen nicht mit einer für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinreichenden Sicherheit vor.

(1) Es erscheint bereits nicht wahrscheinlich, dass zumindest eine der Antragstellerinnen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II erfüllen kann. Für die Antragstellerinnen als Bürgerinnen der tschechischen Republik würde dies voraussetzen, dass ihnen eine Arbeitsgenehmigung-EU nach § 284 Abs. 1 SGB III (oder eine Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 Abs. 5 i.V.m. § 12a ArbeitsgenehmigungsVO) erteilt werden kann.

Obwohl bereits im vorangegangenen Beschluss und in diesem Verfahren erneut durch die ausführliche Stellungnahme des Antragsgegners auf diese Problematik hingewiesen worden ist, haben die rechtskundig vertretenen Antragstellerinnen in diesem Verfahren dazu wiederum nur vorgetragen, auf Grund des derzeitigen Aufenthaltsstatus sei es nicht möglich, eine Arbeit zu finden. Im vorangegangen Verfahren haben sie nur ausführen lassen, dass sie aus Tschechien kämen und vor Jahren entsprechend der Regelung des damals geltenden Ausländerrechts abgeschoben worden seien, da ihnen auf Grund von Straftaten und dem Empfang von Sozialhilfe ein Aufenthalt verwehrt worden sei. Durch den nunmehr erfolgten EU-Beitritt des Heimatlandes seien sie wieder legal eingereist und versuchten hier, Arbeit zu finden, um ihren eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Im Verwaltungsverfahren hat die Antragstellerin zu 1. zwar immerhin ausgeführt, dass sie eine Arbeitserlaubnis erst im Hinblick auf einen konkreten Arbeitsplatz beantragen könnten und eine abgelaufene, immerhin bis 19.01.2005 reichende Arbeitserlaubnis nach altem Recht vorgelegt. Auch reicht es nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 SGB II aus, wenn der Leistungsberechtigten eine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, so dass der Umstand allein, dass eine Arbeitserlaubnis nicht erteilt worden ist, keine Relevanz hat.

Im Ergebnis ist aber auch weiterhin nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 284 SGB III erfüllbar sind, also (zumindest) einer der Antragstellerinnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte: Die Voraussetzungen für eine Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 Abs. 5 SGB III i.V.m. § 12a Arbeitsgenehmigungsverordnung liegen ersichtlich nicht vor. Mangels entsprechender Qualifikation scheidet bei summarischer Prüfung auch die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU nach § 284 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 6 und Abs. 2 4 Aufenthaltsgesetz aus. Die Erteilung nach § 284 Abs. 4 SGB III scheitert von vornherein am Inlandswohnsitz des Antragstellers. Im Übrigen ist aber auf Grund des (fehlenden) Vortrags der Antragstellerinnen auch nicht ersichtlich, dass die sonstigen Voraussetzungen des § 284 Abs. 4 SGB III vorliegen, namentlich dass den Antragstellerinnen auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsverordnung, wobei namentlich die Beschäftigungsverordnung in Betracht kommt, eine Arbeitsgenehmigung-EU erteilt werden könnte. Die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen-EU an Bürger aus Beitrittsstaaten mit Inlandswohnsitz ist in § 284 SGB III nicht ausdrücklich geregelt. Eine Privilegierung von Neu-EU-Bürgern mit Inlandsaufenthalt (vgl. dazu Düe, in: Niesel, Komm. z. SGB III, 3. Aufl., § 284, Rn. 41ff.) gegenüber solchen mit Auslandsaufenthalt setzt bei summarischer Prüfung zumindest voraus, dass der Aufenthalt in der Bundesrepublik (noch) rechtmäßig ist. Allein die behauptete rechtmäßige Einreise führt nicht dazu, dass ein fortdauernder rechtmäßiger Aufenthalt in der BRD als glaubhaft gemacht angesehen werden könnte.

Daher ist zwar die vorgelegte Arbeitsgenehmigung der Antragstellerin zu 1., die immerhin noch bis ins Jahr 2005 Gültigkeit hatte, zunächst ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Antragstellerin zu 1. die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte. Demgegenüber stehen die wiederholten Ausführungen der rechtskundig vertretenen Antragstellerinnen – die, auch nachdem die entsprechende Problematik ausführlich angesprochen wurde, nicht korrigiert oder erläutert wurden –, es sei "auf Grund des derzeitigen Aufenthaltstatutes" nicht möglich, eine Arbeit zu finden, und die Antragstellerinnen seien somit auf "Sozialhilfe" angewiesen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Genehmigung nach § 284 Abs. 4 SGB III kann somit im Ergebnis nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden.

Es ist daher nicht überwiegend wahrscheinlich und damit glaubhaft gemacht, dass den Antragstellerinnen Ansprüche nach dem SGB II zustehen. Sofern die Antragstellerinnen mangels Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 7 SGB II gehören, kommen zwar Leistungen nach dem SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz in Betracht. Eine Verurteilung des Antragsgegners scheidet aber hinsichtlich dieser Leistungen schon deswegen aus, weil für die Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII die Stadt A-Stadt zuständig ist und diese zumindest im Eilverfahren nicht nach § 75 Abs. 2 SGG (i.V.m. Abs. 5) notwendig beigeladen (und verurteilt) werden kann.

Erhebliche Zweifel bestehen zudem weiterhin und trotz der von der Antragstellerin zu 1.) abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen an der Bedürftigkeit der Antragstellerinnen. Ursächlich dafür ist namentlich, dass die Antragstellerin zu 1.) im Rahmen der ursprünglichen Antragstellung bei der Agentur für Arbeit erklärt hat, dass es sich bei dem Verhältnis zu Herrn G. um eine Art Wohngemeinschaft ohne wechselseitige Unterstützung handele, während im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren dann vorgetragen wurde, Herr G. habe die Antragstellerinnen unterstützt. Obwohl der Antragsgegner auf diesen Widerspruch hingewiesen und auf Erläuterungen gedrungen hat, wie die Antragstellerinnen ihren Lebensunterhalt im fraglichen halben Jahr bestritten haben, ist dazu näherer Vortrag weder aus den Verwaltungsakten ersichtlich noch im Rahmen des Gerichtsverfahrens erfolgt. Auch die Unterstützung durch Herrn G. kann worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist – kaum ausreichend plausibel machen, wovon die Familie gelebt hat, selbst wenn dieser unter Zurückstellung der Mietzahlungen sein ganzes Einkommen dazu verwendet haben sollte.

Die Antragstellerinnen haben in diesem Verfahren zwar erläutert, wie sie den Lebensbedarf der letzten Monate bestritten hätten. Insgesamt bleiben aber zur Vermögenssituation der gesamten Familie weiterhin so viele Fragen ungeklärt, dass der Kammer erhebliche Zweifel an der Bedürftigkeit verbleiben. Auch die vorgelegte Arbeitsgenehmigung wirft die Frage auf, ob hier nicht Einkommen erzielt wurde, das gegenüber dem Antragsgegner nicht angegeben wurde.

Dies lässt es nach Auffassung der Kammer als nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass die gegenüber der Verwaltung und dem Gericht gemachten Angaben nicht vollständig sind und die Antragstellerinnen über weiteres Einkommen und/oder Vermögen verfügen.

Ob dies allein zur Ablehnung einer einstweiligen Anordnung – namentlich angesichts des Umstandes, dass die Ablehnung bei den Leistungen zur Existenzsicherung weder auf vergangene, nicht mehr fortwirkende Umstände, noch auf bloße Vermutungen gestützt werden darf – ausreichen könnte, kann hier im Hinblick auf die mangelnde Glaubhaftmachung der Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 SGB II offen bleiben.

Die Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung lagen daher hinsichtlich beider Antragstellerinnen nicht vor. Der Antrag war abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

II. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war ebenfalls abzulehnen, da es – von Anfang an – an den notwendigen Erfolgsaussichten des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz fehlte.

Eine (bzw. mehrere) Klägerin (bzw. Antragstellerinnen), die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (können), erhält (erhalten) nach §§ 73a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Das Gericht kann und muss sich dabei mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussichten begnügen. Der Erfolg braucht also, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu rechtfertigen, noch nicht gewiss zu sein; er muss aber immerhin nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben (in diesem Sinne Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Komm. zur ZPO, § 114, Rn. 80). Es genügt also eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; diese ist aber auch notwendig.

Es hätte – auch insoweit – einer Auseinandersetzung mit der aus dem gesamten Streitverhältnis hinlänglich bekannten Problematik der Zugehörigkeit wenigstens einer der beiden Antragstellerinnen zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 8 Abs. 2 SGB II bedurft, um so die Erfolgsaussichten nach der hinsichtlich der bereits im vergangenen Verfahren abgelehnten einstweiligen Anordnung zu begründen. Dies ist zu keinem Zeitpunkt geschehen.

Auch der PKH-Antrag war daher abzulehnen.
Rechtskraft
Aus
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