L 5 AL 4655/00

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1848/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 AL 4655/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zeiten, für die in Österreich Urlaubsabgeltung gezahlt wird, sind nach österreichischem Recht anwartschaftsbegründende Versicherungszeiten. Sie sind damit nach europäischem Gemeinschaftsrecht geeignet, die Anwartschaftszeit nach § 123 SGB III zu erfüllen.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. November 2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2000 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 11. Mai 2000 bis 14. Juli 2000 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Anwartschaftszeit für die Begründung eines Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) erfüllt ist.

Die am 7. Mai 1976 geborene Klägerin (deutsche Staatsangehörige) meldete sich am 4. Mai 2000 mit Wirkung zum 11. Mai 2000 beim Arbeitsamt Reutlingen arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Nach den dem Arbeitsamt vorgelegten Arbeitsbescheinigungen war sie vom 1. März 1998 bis 30. November 1999 zunächst geringfügig beschäftigt (vom 1. Dezember 1998 bis 30. Juni 1999 mit monatlichen Arbeitsentgelten zwischen 489,06 DM und 617,63 DM ) und später teilzeitbeschäftigt bei der P. Musical-Produktions GmbH H. (Arbeitsentgelte für die Monate Juli 1999 bis einschließlich Oktober 1999 1482 DM bzw. 1300 DM- für November 1999 erhielt die Klägerin kein Entgelt mehr) und vom 1. November 1999 bis einschließlich 24. April 2000 auf Grund eines Arbeitsvertrages vom 26. Oktober 1999 bei dem A. Skiclub A. Z. (eine Betriebsstätte der A. Hotel GmbH bzw. zwischenzeitlich AG) in Z. als Darstellerin beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag zum 24. April 2000 beendet. Die Arbeitszeit betrug 48 Stunden pro Woche bei einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von monatlich (umgerechnet) 4040 DM für die Monate November 1999 bis einschließlich März 2000 und 3258 DM für die Zeit 1. bis 24. April 2000. In der Arbeitsbescheinigung wurde u. a. auch angegeben, es sei eine Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt worden, und der Urlaub hätte, wenn er im Anschluss an das Arbeitsverhältnis genommen worden wäre, noch bis einschließlich 10. Mai 2000 gedauert.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2000 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, denn sie habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Sie habe innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 4. Mai 2000 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ebenso wenig habe sie eine Anwartschaft nach den besonderen Bestimmungen für Saisonarbeiter erworben. Sie erfülle auch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi), da sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 4. Mai 2000 kein Arbeitslosengeld bezogen habe.

Am 15. Mai 2000 legte die Klägerin daraufhin noch eine Bescheinigung (Formular E 301) des Arbeitsmarktservice Bludenz (Österreich) vor, in der Versicherungszeiten für den Zeitraum 1. November 1999 bis 24. April 2000 und gleichgestellte Zeiten (pflichtversicherte Urlaubsabfindung bzw. -entschädigung) vom 25. April 2000 bis 10. Mai 2000 bestätigt wurden. Ferner legte sie im Zusammenhang damit noch eine Arbeitsbescheinigung des A. Skiclub A. Z. vor, in der mitgeteilt wurde, sie sei vom 1. November 1999 bis 24. April 2000 als Darstellerin beschäftigt gewesen, ihre Bezüge seien bis 10. Mai 2000 bezahlt worden. Mit Schreiben vom 18. Mai 2000 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, auch auf der Grundlage dieser neuen Arbeitsbescheinigung ergebe sich kein Anspruch auf Alg, es verbleibe bei der Entscheidung vom 12. Mai 2000.

Daraufhin erhob die Klägerin am 19. Mai 2000 Widerspruch mit der Begründung, sie habe als Saisonarbeitnehmerin mindestens sechs Monate, nämlich vom 1. November 1999 bis 10. Mai 2000, in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, innerhalb der Rahmenfrist vom 4. Mai 1998 bis 3. Mai 2000 habe die Klägerin nur 176 Tage in einem beitragspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden, als Saisonarbeitnehmerin hätte sie jedoch mindestens sechs Monate (180 Tage) in einem beitragspflichtigen Arbeitsverhältnis stehen müssen. Die Urlaubsabgeltung sei keine die Anwartschaft begründende Zeit, nach deutschem Recht dienten die Tage der Urlaubsabgeltung nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit, daher habe die Klägerin nicht mindestens 180 Tage in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden.

Hiergegen hat die Klägerin am 19. Juli 2000 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass ausweislich der Arbeitsbescheinigung ihre Bezüge bis zum 10. Mai 2000 bezahlt worden seien und von ihrer Seite die Auffassung vertreten werde, dass das Beschäftigungsverhältnis für die Zeiten eines bezahlten Erholungsurlaubs bestehen bleibe. Nach österreichischem Recht werde der letzte Tag, an dem der Arbeitnehmer gearbeitet habe, als Ende der Versicherungszeit angesehen. Die sich dann anschließende Urlaubszeit werde als gleichgestellte Zeit definiert, die Besonderheit aber sei, dass die für diese Zeit gezahlte Urlaubsentschädigung ebenfalls der Pflichtversicherung unterliege. Der Arbeitnehmer sei bis zum letzten Tag, für den die sogenannte Urlaubsentschädigung gezahlt werde, mit allen Rechten und Pflichten Pflichtmitglied in der österreichischen Sozialversicherung. Nach österreichischem Recht, das nach Art. 67 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 hier zu berücksichtigen sei, sei die Klägerin vom 1. November 1999 bis 10. Mai 2000 pflichtversichert gewesen und daher die Anwartschaftszeit erfüllt.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. November 2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, ausweislich der vorgelegten Bescheinigung E 301 habe das Beschäftigungsverhältnis nur bis zum 24. April 2000 bestanden und nach dem maßgeblichen deutschen Recht (Drittes Buch Sozialgesetzbuch -Arbeitsförderung- (SGB III)) richte sich die Beurteilung der Anwartschaftszeit nach dem Bestand des Beschäftigungsverhältnisses.

Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten am 21. November 2000 zugestellten Gerichtsbescheid am 30. November 2000 Berufung eingelegt und vertritt weiterhin die Auffassung, sie habe als Saisonarbeiterin im erforderlichen Umfang mindestens sechs Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld vom 11. Mai 2000 bis 14. Juli 2000 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, nach deutschem Recht hänge die Erfüllung der Anwartschaftszeit von der Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses und nicht von der Entrichtung der Beiträge ab. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung des A. Skiclub A. Z. habe die Klägerin nur in der Zeit vom 1. November 1999 bis 24. April 2000 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Nur in dieser Zeit sei sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. Oktober 2000 (vorgelegt im Klageverfahren -Bl. 36 SG-Akte bzw Bl. 34 LSG-Akte). Die Zeit vom 25. April 2000 bis 10. Mai 2000 habe der österreichische Versicherungsträger als eine einer Versicherungspflichtzeit gleichgestellte Zeit bescheinigt. Gleichgestellte Zeiten seien wie Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung zu behandeln, wenn aus dem Grund der Gleichstellung geschlossen werden könne, dass diese Zeiten auch nach dem SGB III anwartschaftsbegründend wären. Dies könne jedoch aus der vorgelegten Bescheinigung nicht geschlossen werden. Für die Zeit vom 25. April 2000 bis 10. Mai 2000 sei kein Arbeitsentgelt gezahlt worden, es sei lediglich eine Urlaubsabgeltung gewährt worden. Eine Arbeitsleistung sei von der Klägerin in dieser Zeit nicht erbracht worden. Im Übrigen sei sie bislang davon ausgegangen, dass es sich bei der Klägerin unstreitig um eine Saisonarbeiterin handele, hieran könnten jedoch im Hinblick auf die noch während des Berufungsverfahrens vorgelegten Auskünfte der Arbeitgeberin Zweifel bestehen, da das Personal für den A. Skiclub A. Z. von der A. Hotel GmbH, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland habe, akquiriert und eingestellt worden sei. Im Hinblick darauf könnte auch eine Entsendung vorgelegen haben.

Die Beklagte hat ergänzend auf Nachfrage des Senats noch mitgeteilt, dass die Klägerin nach ihren Unterlagen ihr Arbeitsgesuch vom 11. Mai bis 11. August 2000 aufrechterhalten habe, Stellenangebote ihr allerdings von ihrer (der Beklagten) Seiten nicht unterbreitet worden seien, die Klägerin jedoch am 19. Mai 2000 Reisekosten für einen Vorstellungstermin am 29. Mai 2000 in H. beantragt habe. Die Klägerin selbst hat hierzu ferner erklärt, in der streitigen Zeit 11. Mai bis 11. August 2000 nicht krankgeschrieben, keine andere Stelle angetreten und nicht in Urlaub gewesen zu sein.

Der Senat hat Auskünfte beim Arbeitsmarktservice V. in Bregenz, bei der A. Hotel GmbH bzw. AG dem A. Skiclub A. Z. und der Firma S. Musical Management GmbH eingeholt. Letztere hat mitgeteilt, die Klägerin sei bei ihr ab 15. Juli 2000 wieder beschäftigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte wie auch die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 1000 DM, seit 1. Januar 2002 500 EUR, ist überschritten. Die Klägerin begehrt für ca. 8 Wochen Alg (§ 127 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Bei einem zuletzt erzielten maßgeblichen Arbeitsentgelt in Höhe von 4040 DM pro Monat wäre bei der Klägerin bei Leistungsgruppe A und einem allgemeinen Leistungssatz von einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 339,50 DM auszugehen, also bei einem Zeitraum von 8 Wochen von einem Betrag in Höhe von ca. 2716,00 DM bzw. 1388,67 EUR.

II.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet. Die Klägerin hat für die Zeit vom 11. Mai 2000 bis 14. Juli 2000 Anspruch auf Alg. Sie hat durch ihre Tätigkeit in Österreich vom 1. November 1999 bis einschließlich 10. Mai 2000 die Anwartschaftszeit erfüllt.

Nach § 117 Abs. 1 SGB III haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 sind gegeben. Denn die Klägerin meldete sich am 4. Mai 2000 zum 11. Mai 2000 arbeitslos. Sie war ab diesem Zeitpunkt auch arbeitslos. Denn sie stand vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis und suchte eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung (Beschäftigungssuche) i. S. v. § 118 Abs. 1 Ziffern 1 und 2 SGB III. Sie war bis zum 14. Juli 2000 ohne Beschäftigung (Arbeitsaufnahme bei S. Musical in H. am 15. Juli 2000). Die Klägerin hat - belegt durch die persönliche Arbeitslosmeldung bei der Beklagten - eine Beschäftigung i. S. v. § 119 Abs. 1 SGB III gesucht, nämlich alle Möglichkeiten genutzt, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden und sich den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung gestellt (Verfügbarkeit). Sie war während dieser Zeit (11. Mai bis 14. Juli 2000) im Übrigen weder im Urlaub noch krank.

Auch die Voraussetzungen der Nr. 3 sind gegeben. Die Klägerin erfüllte die Anwartschaftszeit. Nach § 123 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 1. mindestens zwölf Monate, 2. als Wehrdienstleistender oder Zivildienstleistender (§ 25 Abs. 2 Satz 2, § 26 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 4) mindestens zehn Monate oder 3. als Saisonarbeitnehmer mindestens sechs Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs. 1 SGB III drei Jahre und Beginn mit dem Tag vor der Erfüllung einer sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Die Rahmenfrist läuft im vorliegenden Fall vom 11. Mai 1997 bis 10. Mai 2000. Zwar hat sich die Klägerin schon am 4. Mai 2000 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Allerdings ist die Meldung mit Wirkung zum 11. Mai 2000 erfolgt. Die Klägerin hat damit zu erkennen gegeben, dass sie erst ab diesem Tag eine Beschäftigung sucht. Demgemäß begehrt sie auch Alg erst ab 11. Mai 2000.

Die Voraussetzungen des § 123 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB III sind nicht gegeben. Insbesondere stand die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis (Nr. 1). Nach § 24 Abs. 1 SGB III stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Bis 30. Juni 1999 war die Klägerin geringfügig beschäftigt (siehe Arbeitsbescheinigung der P. -Musical-Produktions GmbH vom 5.5.2000), und damit nach § 27 Abs. 2 SGB III nicht versicherungspflichtig. Ab 1. Juli 1999 war sie zunächst bis 30. November 1999 bei der P. -Musical-Produktions GmbH und ab 1.12.1999 bei dem A. Skiclub A. mehr als geringfügig und damit versicherungspflichtig beschäftigt. Selbst wenn man die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung bis 10. Mai 2000 annimmt, ergibt sich lediglich ein Zeitraum von zehn Monaten und 10 Tagen, in welchem die Klägerin in einem Versicherungspflichtverhältnis stand.

Die Klägerin erfüllt aber die Voraussetzungen der Nr. 3. Denn sie hat innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist vom 11. Mai 1997 bis 10. Mai 2000 mehr als sechs Monate, nämlich 192 Tage (1. November 1999 bis 10. Mai 2000) in einem Versicherungspflichtverhältnis als Saisonarbeitnehmer gestanden.

Die Klägerin war Saisonarbeitnehmer. Wer Saisonarbeitnehmer ist, regelt die Anwartschaftszeit-Verordnung vom 29. Januar 1989, die auf Grund von Art. 9 Nr. 2 des SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 zunächst weiter gilt. Nach § 1 Abs. 2 der Anwartschaftszeit-Verordnung sind Betriebe im Sinne dieser Verordnung solche, in denen in der Regel jährlich wiederkehrend 1. die Beschäftigungsverhältnisse der in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmer wegen vollständiger Einstellung der Produktion für eine zusammenhängende Zeit von mehr als 35 Kalendertagen beendet oder 2. die Beschäftigungsverhältnisse der auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer aus witterungsbedingten Gründen beendet oder 3. Arbeitnehmer wegen einer Produktionssteigerung für eine zusammenhängende Zeit von mindestens vier, aber weniger als zwölf Wochen beschäftigt werden. Bei Dienstleistungsbetrieben geht anstelle der Produktion die Dienstleistung. Bei Betrieben, die Betriebsabteilungen gegliedert sind, tritt an die Stelle des Betriebes die Betriebsabteilung.

Bei dem A. Skiclub A. in Z. sind die Voraussetzungen der Nr. 2 gegeben. Denn es handelt sich um einen Betrieb, in dem jährlich wiederkehrend Beschäftigungsverhältnisse der auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer aus witterungsbedingten Gründen beendet werden (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 1; Radüge in: Gagel, SGB III, § 123 1 Nr. 52 mwN). Der Betrieb wird - wie sich aus der Auskunft der A. Hotel AG ergibt - nur während der Skisaison, die regelmäßig von November bis April dauert, betrieben.

Dass die Klägerin als Saisonarbeitnehmerin anzusehen ist, folgt daraus der Legaldefinition in Art. 1 Buchst. c EWG-VO 1408/71 (vgl. dazu BSG SozR 3-6050 Art. 69 Nr. 4). Saisonarbeiter ist danach jeder Arbeitnehmer, der sich in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats als des Staates begibt, in dem er wohnt, um dort für Rechnung eines Unternehmens oder eines Arbeitgebers in diesem Staat eine Saisonarbeit auszuüben, deren Dauer keinesfalls acht Monate überschreiten darf und der sich für die Dauer seiner Beschäftigung im Gebiet dieses Staates aufhält; unter Saisonarbeiter ist eine jahreszeitlich bedingte Arbeit zu verstehen, die jedes Jahr erneut anfällt. Tätigkeiten in einem Hotel in einem Wintersportort wie Z. am A. können nur während der Skisaison im Winter ausgeübt werden. Sie sind mithin von der Jahreszeit abhängig.

Die von der Beklagten im Berufungsverfahren geäußerten Bedenken führen zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn die A. Hotel AG in Deutschland für ihre Betriebsstätte in Z. Personalwerbung betrieben haben sollte, ändert dies nichts daran, dass die Klägerin ihren Arbeitsvertrag nicht mit der A. Hotel AG in R. , sondern vor Ort in Z. am 26. Oktober 1999 mit den A. Skiclub A. Z. geschlossen hat, in dem u. a. auch das Arbeitsentgelt in österreichischen Schillingen beziffert ist.

Zur Erfüllung der Anwartschaftszeit reichen deshalb nach § 1 Nr. 2 der Anwartschaftszeit-Verordnung bei der Klägerin mithin 180 Kalendertagen eines Versicherungspflichtverhältnisses aus.

Aufgrund des 1995 erfolgten Beitritts Österreichs zur Europäischen Union ist hier die maßgeblich heranzuziehende Rechtsgrundlage Art. 67 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Buchst. r EWG-VO 1408/71. Der Anspruch auf Alg nach dem SGB III beruht nicht auf der Zurücklegung von Beschäftigungszeiten (Art. 67 Abs. 2 EWG-VO 1408/71), sondern hängt vom Bestehen von Versicherungspflichtverhältnissen ab (Art. 67 Abs. 1 EWG-VO 1408/71). Nach Art. 67 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, so weit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind (Art. 67 Abs. 1 EWG-VO 1408/71). Für die Anwendung dieser Verordnung wird "Versicherungszeiten" wie folgt definiert: "Versicherungszeiten": ...die Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften, unter denen sie zurückgelegt worden sind (Anm. des Senats: also nach österreichischem Recht), als solche bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, so weit sie nach diesen (also hier den österreichischen) Rechtsvorschriften als den Versicherungszeiten ...gleichwertig anerkannt sind (Art. 1 Buchst. r EWG-VO 1408/71).

Damit sind also nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Trägers (hier der Beklagten und nach dem SGB III) für die Anspruchsbegründung Versicherungszeiten maßgeblich. Art. 67 Abs. 2 EWG-VO 1408/71, der auf Beschäftigungszeiten abstellt, findet hingegen keine Anwendung. Im Übrigen handelt es sich ausweislich der Bescheinigung des Arbeitsmarktservice Bludenz (Österreich) vom 9. Mai 2000 nach österreichischem Recht ebenfalls um Versicherungs- und nicht um Beschäftigungszeiten.

Die Anwartschaftszeit ist danach von der Klägerin erfüllt, denn gem. Art. 2 § 14 Abs. 4 Ziff. a des österreichischen Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) sind auf die Anwartschaft für Arbeitslosengeld u. a. im Inland (also in Osterreich) zurückgelegte Zeiten anzurechnen, die der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen. Die (Arbeitslosen -) Pflichtversicherung erlischt gem. Art. 1 § 1 Abs. 6 AlVG i. V. m. § 11 Abs. 1 des (österreichischen) Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zwar grundsätzlich mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Sie besteht jedoch für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) weiter (§ 11 Abs. 2 Satz 2 ASVG). Nach dem hier maßgeblichen österreichischen Recht besteht also ein Versicherungspflichtverhältnis nicht nur für die Zeiten des Beschäftigungsverhältnisses, für die Arbeitsentgelt gezahlt wird, sondern auch noch für die im Anschluss daran gleichgestellten Zeiten der Zahlung einer Urlaubsabfindung oder Urlaubsabgeltung. Diese gleichgestellten Zeiten sind zur Überzeugung des Senats nach dem österreichischen Recht im Sinne von Art. 1 Buchst. r EWG-VO 1408/71 als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt anzusehen. Sie sind nämlich im Arbeitslosenversicherungsgesetz ebenso anwartschaftsbegründend wie die Zeiten des Beschäftigungsverhältnisses, für die Arbeitsentgelt gezahlt wird. Gem. Art. 2 § 14 Abs. 1 AlVG ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Auf die Anwartschaft sind gem. Art. 2 § 14 Abs. 4 Ziff. a AlVG unter anderem anzurechnen die Zeiten, die der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen. Dies sind aber gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 ASVG gerade auch die Zeiten des Bezuges einer Ersatzleistung zum Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung). Ganz offensichtlich bewertet damit das österreichische Recht diese gleichgestellten Zeiten der Gewährung einer Urlaubsabfindung den Versicherungszeiten gegenüber als gleichwertig im Sinne von Art. 1 Buchst. s EWG-VO 1408/71. Da folglich auch die Zeiten der Urlaubsabfindung den Versicherungszeiten gleichwertig sind, sind sie auch hier im Falle der Klägerin bei der Frage der Anwartschaftszeit nach dem SGB III mit zu berücksichtigen. Damit hat die Klägerin die als Saisonarbeiterin erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt. Sie hat innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren (§ 124 Abs. 1 SGB III) mindestens 6 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und war in den letzten 16 Monaten der Rahmenfrist gem § 1 Abs. 1 Nr. 2 Anwartschaftszeit-Verordnung mindestens 180 Kalendertage (hier 192 Kalendertage) in einem Betrieb i.S.v. § 1 Abs. 2 Anwartschaftszeit-Verordnung beschäftigt.

Auch der Einwand der Beklagten, gem. Art. 67 Abs. 1 2. Halbsatz EWG-VO 1408/71 könnten hier die Zeiten der Urlaubsabgeltung nicht berücksichtigt werden, da dies für Beschäftigungszeiten nur unter der Voraussetzung gelte, dass sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären, greift nicht durch. Zum einen handelt es sich - wie oben bereits ausgeführ t- nach Auffassung des Senats bei den hier streitigen Zeiten nicht um Beschäftigungs- sondern um Versicherungszeiten. Zum anderen hat bereits der EuGH mit Urteil vom 15. März 1978 (Az. 126/77 in SozR 6050 Art. 67 Nr. 2 ) entschieden, dass sich aus Art. 1 Buchst. r der EWG-VO 1408/71 ergebe, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine Beschäftigungszeit für die Anwendung der Zusammenrechnungsregel des Art. 67 Abs. 1 als Versicherungszeit gilt, auf diejenigen Rechtsvorschriften abzustellen ist, nach denen jene Zeit zurückgelegt wurde (bestätigt mit Urteil des EuGH vom 7. Februar 1990 Az. 324/88 in: Sammlung der Rechtsprechung des EuGH 1990 Seite I-00257). Deshalb unterliegt eine nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als dem des zuständigen Trägers zurückgelegte Beschäftigungszeit, die in diesen Rechtsvorschriften als Versicherungszeit bestimmt oder anerkannt ist, nicht der in Art. 67 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 aufgestellten Voraussetzung.

Die damalige Fassung von Art. 67 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 lautete fast wortgleich:

Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, berücksichtigt, so weit erforderlich, die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind, die Beschäftigungszeiten jedoch unter der weiteren Voraussetzung, dass sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.

Damit bleibt fest zu halten, dass selbst wenn man die hier streitigen Zeiten der Urlaubsabgeltung als Beschäftigungszeiten wertet, jedenfalls sie nach österreichischem Recht als den Versicherungszeiten gleichgestellte Zeiten anwartschaftsbegründend für den hier nach dem SGB III geltend gemachten Alg-Anspruch sind.

III

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Bei dem hier heranzuziehenden maßgeblichen österreichischen Sozialversicherungsrecht handelt es sich nicht um revisibles Bundesrecht (s. BSG Urteil vom24. Juli 1997 -11 RAr 95/96- in BSGE 80, 295 = SozR 3-4100 § 142 Nr. 1 m.w.N.; s.a. Beschluss des BSG vom 4. Januar 2001 -B 11 AL 167/00 B-).
Rechtskraft
Aus
Saved