L 2 U 19/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 6 U 58/10 WA
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 19/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt aus Anlass eines erlittenen Arbeitsunfalls in Gestalt eines Wegeunfalls (§ 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)) die Gewährung einer Verletztenrente (§§ 56 ff. SGB VII) sowie weiterer Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 26 ff. SGB VII).

Die am 29. August 1953 geborene Klägerin war von 1980 bis 2013 als Assistentin der Geschäftsführung bei der E beschäftigt. Am 18. März 2003 erlitt sie auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte nach Hause einen Unfall, als ein Autofahrer die Tür öffnete und die Klägerin beim Ausweichmanöver nach vorn über den Lenker ihres Fahrrades stürzte. Sie fiel dabei mit Kinn und Gesicht auf den Boden. Die Klägerin ging das Rad schiebend zu Fuß weiter nach Hause und suchte am nächsten Morgen u.a. mit sichtbaren Schürfwunden am Kinn ihren Arbeitsplatz auf, wo sie von dem Unfall berichtete und über Schmerzen klagte. Von dort aus suchte sie auf Anraten von Arbeitskolleginnen in Begleitung einer von diesen ihren Hausarzt auf.

Dr. Wi diagnostizierte am 19. März 2003 eine Kopfprellung und verabreichte der Klägerin eine Tetanusimpfung. Arbeitsunfähigkeit wegen der Unfallfolgen wurde weder von ihm noch in der Folgezeit von einem anderen behandelnden Arzt bescheinigt.

Am 24. März 2003 suchte sie den Orthopäden und H-Arzt Dr. Ga auf, der in seinem Bericht vom selben Tag – anders als in einem späteren, gegenüber dem Sozialgericht (SG) Hamburg erteilten Befundbericht vom 11. Januar 2011 – als Befund eine endgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit Dehnungsschmerz bei Inklination und multiple Prellungen an beiden Oberschenkeln vermerkte. Das Röntgenergebnis lautete: Keine knöcherne Verletzung, keine Luxation, leichte Osteochondrose C5/6 unfallunabhängig. Als Diagnosen wurden angegeben: Distorsion der Halswirbelsäule, Prellungen beider Oberschenkel.

Nachdem die Klägerin am 16. April 2003 nochmals ihren Hausarzt und – nach ihrer späteren Behauptung erstmals im April 2003 und dann wiederkehrend – auf eigene Kosten eine Heilpraktikerin aufgesucht hatte, wurden ihr am 15. Mai 2003 in der Praxis Dr. Ga Krankengymnastik verordnet und eine Überweisung zur Kernspin- bzw. Magnetresonanztomographie (MRT) der Halswirbelsäule ausgestellt.

Diese wurde am 21. Mai 2003 von der Röntgenpraxis S. durchgeführt und dahingehend beurteilt, dass Osteochondrosen C5/6 und etwas geringer C6/7 mit med. Protusionen insbesondere bei C5/6 mit beginnender knöcherner Überbauung vorlägen ohne Nachweis einer Kompression des Myelons oder cervicaler Nervenwurzeln, kein pathol. intramedulärer Prozess und keine knöchernen Läsionen oder Facettenluxationen. Als Nebenbefund wurde eine Struma multinodosa beidseits festgestellt.

Am 30. Mai 2003 verordnete Dr. Ga bei angegebener Beschwerdepersistenz weiter eine konservative Therapie.

Am 22. September 2003 wurde die Klägerin während eines Besuchs bei ihrer Schwester notfallmäßig im Kreiskrankenhaus L. aufgenommen. Sie berichtete, sie sei in der Nacht mit plötzlichem Schwindel aufgewacht, habe danach in das Bad laufen wollen, wobei eine plötzlich Übelkeit aufgetreten sei, sodass sie sich habe hinlegen müssen. Dann sei eine starke Blässe mit Zittern aufgetreten. Ähnliche Episoden habe sie seit ihrem 14. Lebensjahr erlebt, zuletzt im August 2002 und Oktober 1996. Nach dreitägiger stationärer, bei bereits vom Notarzt festgestellten Arrhythmien zunächst intensivmedizinischer Behandlung wurde die Klägerin mit der Diagnose rezidivierender Synkopen unklarer Genese, aktuell am ehesten im Rahmen eines beginnenden viralen Infekts, entlassen. Das im März 2003 nach Angaben der Klägerin erlittene Schleudertrauma scheide angesichts des MRT-Befundes vom 21. Mai 2003 als mögliche Ursache aus.

Am 30. September und 2. Oktober 2003 suchte die Klägerin in L. den Chirurgen Dr. Ho "wegen einer dringend notwendigen Behandlung" auf, am 8. und 9. Oktober 2003 ihren Hausarzt Dr. Wi unter der Diagnose Herzrhythmusstörung.

Am 24. Oktober 2003 begab sich die Klägerin wiederum zu Dr. Ga, der eine Beschwerdepersistenz und – erstmals – anhaltenden Schwindel und bei seiner letztmaligen Inanspruchnahme am 17. November 2003 anhaltenden Schwindel bei klinisch frei beweglicher Halswirbelsäule festhielt. Ausweislich seines späteren Befundberichts vom 11. Januar 2011 gab die Klägerin an, seit August 2003 unter wiederholten Schwindelattacken zu leiden.

Am 3. November 2003 wurde die Klägerin im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ha vorstellig und erklärte, dass sie schlecht schlafen könne, unter Hinterkopf-Nackenschmerzen mit eingeschränkter Beweglichkeit der Halswirbelsäule leide und ihr häufig schwindelig werde. Dr. Ha ging davon aus, dass die Klägerin bei dem Unfallereignis vom 18. März 2003 neben multiplen Prellungen wahrscheinlich eine Zerrung paravertebraler Weichteilstrukturen erlitten habe. Inwieweit die jetzt vorgetragene Beschwerdesymptomatik unfallunabhängig sei oder nicht, könne nach einmaliger Untersuchung und bei ungenügender Dokumentation des Verlaufs nicht entschieden werden. Es wurde zu einer intensiven balneophysikalischen Behandlung geraten.

Schließlich begab die Klägerin sich am 26. November 2003 und fortan laufend in die Behandlung des Chirurgen und Durchgangsarztes Dr. Ke, der in seinem ersten D-Arztbericht als Befund vermerkte, dass die Klägerin am Unfalltag im Gesicht blaue Flecken, Schürfwunden am Kinn, an den Händen und beiden Oberschenkeln erlitten habe, ihr rechter Arm sei schwer gewesen, nach einer Woche seien Schmerzen in der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in den Arm (eventuell wegen der Tetanusimpfung am 19. März 2003) aufgetreten, im September sei sie nachts aufgewacht mit Drehschwindel, Übelkeit und dem Gefühl, dass sie bewusstlos werde; seit dem Unfall bestünden neben Nackenschmerzen Zustände des nächtlichen Erwachens, auf dem Rücken liegend das Gefühl, sie könne den Kopf nicht bewegen, müsse dann die Schulter bewegen und könne anschließend den Kopf bewegen; die Klägerin führe alle Beschwerden auf den Unfall zurück. Als Diagnosen gab Dr. Ke einen Zustand nach Schädelprellung, eine Halswirbelsäulenzerrung sowie eine posttraumatische Belastungsreaktion an.

In den Folgemonaten und –jahren suchte die Klägerin bei nach ihren Angaben anhaltenden Beschwerden verschiedene Ärzte, zum Teil auf eigene Kosten, Heilpraktiker und Physiotherapeuten auf, deren Behandlungen sie zum Teil auch selbst zahlte (u.a. im Schriftsatz der Klägerin vom 25. Februar 2019 aufgelistet). Dabei wurde zunächst auf Überweisung des Dr. Ke durch Dr. Em am 17. Dezember 2003 eine MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule mit Betonung des okzipito-zervikalen Übergangs durchgeführt. Dr. Em beurteilte seine Befunde dahingehend, dass es keinen Hinweis auf eine Atrophie der kleinen Kopfstellermuskeln im Bereich der tiefen okzipitalen Nackenmuskulatur gebe. Die Stellung des atlandodentalen Gelenks, wie Atlas und auch Dens axis sei symmetrisch. Möglicherweise bestehe eine Streckfehlhaltung, die auch lagerungsbedingt sein könne. Er beschrieb eine fortgeschrittene Osteochondrose C5/6 mit breitbandiger, knöchern abgestützter Protusion diskret links betont, einen kleinen flachen links mediolateralen Bandscheibenvorfall C6/7 und auch in diesem Segment beginnender Osteochondrose sowie eine leichte Unc- und Spondylarthrose in den beiden betroffenen Segmenten.

Des Weiteren wurde die Klägerin in den Folgejahren umfangreich von Fachärzten verschiedener medizinischer Fachgebiete begutachtet, zunächst im Auftrag der Beklagten, später des Gerichts.

Zunächst erstellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie – Psychotherapie –Ph unter dem 24. August 2005 ein Gutachten, der eine Diskrepanz seiner klinischen Befunde zu den MRT-Befunden sah und ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule mit Hyperextensionstrauma bei hochgradigem Verdacht auf posttraumatische Myelopathie mit späten Traumafolgen durch komplexe biomechanische arachnoidale, meningeale und vertebragene Irritationen, Anpassungsstörungen und Migränestörungen diagnostizierte. Ihm gegenüber hatte die Klägerin angegeben, am Unfalltag keine großen Beschwerden gehabt zu haben, am nächsten Tag seien erste Beschwerden aufgetreten, zwei Tage später dann schwere Arme und in den Wochen danach immer mehr Beschwerden hinzugekommen, ein halbes Jahr später dann der Vorfall mit akutem Drehschwindel, der zum Krankenhausaufenthalt in L. geführt habe.

Unter dem 6. September 2005 kam der Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie, Sportmedizin PD Dr. Te zu der Einschätzung, dass es beim direkten Aufprall der bis zum Unfallereignis beschwerdefreien Klägerin aufs Kinn zu einer abrupten Überstreckung und Stauchung und damit zu einer schweren Distorsion der Halswirbelsäule gekommen sei, als deren Folgen eine eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, schmerzhafte Muskelfibrillationen der geraden dorsalen Halsmuskulatur, ein Drehschwindel, migräneartige Kopfschmerzen, eine Muskelschwäche der Kopf-Haltemuskulatur sowie eine dezentrierte Stellung des zweiten Halswirbelkörpers bestünden, die ab dem Tag nach dem Unfallereignis eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. begründeten. Die Klägerin hatte ihm gegenüber angegeben, zunächst nur geringe Beschwerden gehabt zu haben, die in den nächsten Tagen zugenommen hätten und zu denen auch Schwindel gehört habe.

Nachdem der Beratungsarzt der Beklagten Dr. De diese Gutachten als nicht nachvollziehbar angesehen hatte, erfolgte unter dem 25. Oktober 2006 eine weitere fachchirurgische Begutachtung durch Dr. Ih, der beschrieb, dass bei der Klägerin auf chirurgischem Fachgebiet eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule, schmerzhafte Muskelverspannungen der paravertebralen Muskulatur der Halswirbelsäule sowie im Trapeziusbereich und ältere, teils verknöcherte Bandscheibenprotrusionen im Segment C5/6 mit sowohl röntgennativdiagnostisch als auch kernspintomographisch nachweisbaren Veränderungen mit hochgradiger Verschmälerung des Bandscheibenraums C5/6, Dorsalversatz des fünften Halswirbelkörpers gegenüber dem sechsten Halswirbelkörper und vermehrter Beweglichkeit im Segment C4/5 bestünden, was zum Teil auf den Unfall, zum Teil auf degenerative Vorschäden zurückzuführen sei, sodass von der einzuschätzenden MdE um 20 v.H. 10 v.H. auf das Unfallereignis und 10 v.H. auf die Vorschäden zurückzuführen seien. Zur Beurteilung von Ausmaß und Ursachen für die weiteren beklagten Symptome wie Drehschwindelattacken und vegetative Symptome regte er eine neurologisch-psychiatrische Zusatzbegutachtung an. Die Klägerin hatte ihm gegenüber angegeben, im Anschluss an den Unfall, bei dem sie mit der rechten Kinn- und Gesichtsseite aufgeschlagen sei, hätten permanente Halswirbelsäulenschmerzen bestanden und es sei auch zu Kreislaufstörungen und Schwindelattacken gekommen.

Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. De hielt auch dieses Gutachten angesichts fehlender Erkennbarkeit einer morphologischen unfallbedingten Ursache und psychovegetativer Beschwerden für nicht plausibel und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten durch einen Arzt mit traumatologischer Erfahrung für notwendig.

Die daraufhin beauftragten Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. Hs und Ln zogen unter dem 22. März 2007 auf ihrem Fachgebiet den Schluss, dass die von der Klägerin beschriebenen Schwindelerscheinungen verbunden mit ausgeprägter Übelkeit Folge des Unfalls vom 18. März 2003 sein könnten. Zur diesbezüglich weiteren Abklärung seien die Durchführung einer zerebralen Kernspintomographie mit besonderer Fokussierung auf die Kleinhirn- und Hirnstammregion unter Einschluss des kranio-zervikalen Übergangs und der Felsenbeine sowie vor allem eine HNO-ärztliche Funktionsevaluation der Hör- und Gleichgewichtsorgane notwendig. Auf algesiologischem Fachgebiet bestehe zudem ein muskulo-skelettäres Schmerzsyndrom in Form von Cervico-Cephalgien und Cervico-Brachialgien, das plausibel auf die unfallchirurgisch beschriebenen Gefügestörungen im Bereich der Halswirbelsäule zurückgeführt werden könne mit einer Verstärkung durch eine zusätzliche Erhöhung des Muskeltonus als negative Reaktionsstereotypie auf die Schwindelerscheinungen. In psychischer Hinsicht hätten sich keine Hinweise für die Manifestation einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer reaktiven Depression als Folge des Unfallgeschehens gefunden. Die Klägerin hatte den Sachverständigen gegenüber angegeben, nach dem Aufprall mit dem Kinn auf den Boden für wenige Minuten an Armen und Beinen regelrecht gelähmt gewesen zu sein.

Der im Nachhinein ebenfalls beauftragte Chirurg Dr. Pk sah in seinem Gutachten vom 18. April 2007 den erforderlichen Vollbeweis eines beim Unfall eingetretenen strukturellen Schadens als nicht erbracht an, sodass allenfalls von einer Halswirbelsäulendistorsion mit einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von einigen Wochen ausgegangen werden könne. Die bis heute angegebenen Beschwerden mit Bewegungseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule und vegetativer Symptomatik könnten verschiedene Ursachen haben, zu denen auch die bei der Klägerin vorhandenen degenerativen Veränderungen gehören könnten. Die Vorgutachter bezögen sich immer auf Möglichkeiten und argumentierten mit dem Konjunktiv. Ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Beschwerden und einem angeschuldigten Ereignis sei niemals ausreichend, um eine Kausalität im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen.

Auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nahm der Gutachter Prof. Dr. La – der trotz anderer Wiedergabe der Angaben der Klägerin mit Verwechslung des Monats (Seite 4 des Gutachtens: Schwankschwindel nach vier Wochen) von einem Auftreten des Schwindels seit der Nacht nach dem Unfall ausging (Seiten 9 und 13 des Gutachtens) – unter dem 30. Juli 2007 einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis im März 2003 und einer von ihm festgestellten geringgradigen Innenohrhochtonschädigung sowie einem Zustand nach Ausfall des linken peripheren Labyrinths mit noch nicht ganz kompensiertem Gleichgewichtsschaden mit einer MdE um 20 v.H. an.

Der auf neurologisch-radiologischem Fachgebiet gehörte Dr. Ja beschrieb in seinem Zusatzgutachten vom 9. Juli 2007 eine altersentsprechend unauffällige Darstellung des Neurocraniums mit nur wenigen unspezifischen Marklagergliosen ohne Hinweis auf posttraumatische Residuen sowie eine leichte, auch schon in den Voruntersuchungen 2003 und 2004 zu erkennende exzentrische Lage des Dens axis nach rechts. Insbesondere, da der erste und zweite Halswirbelkörper ansonsten keine Fehlstellung oder sekundär-arthrotische Veränderungen aufwiesen und auch kein unnormales Signal der Bandstrukturen erkennbar sei, könnten die Veränderungen nicht zwanglos als posttraumatisch gedeutet werden, sie könnten auch eine Anlagevariante sein.

Die Beklagte holte ergänzende Stellungnahmen von Dr. Pk (vom 21. August 2007) und dem HNO-Arzt Lis (vom 7. September 2007) ein, wobei Ersterer zu keinem anderen Ergebnis als in seinem Gutachten vom April 2007 kam, lediglich ergänzte, dass eine Halswirbelsäulendistorsion zweiten Grades, von der maximal auszugehen sei, eine Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Monaten rechtfertige, und Letzterer das Gutachten des Prof. Dr. La als unschlüssig bezeichnete. Insbesondere wäre zu erwarten, dass ein von Prof. Dr. La angenommener einseitiger Gleichgewichtsausfall zumindest im zeitlichen Zusammenhang zum Unfall auftrete und wegen der in der Akutphase erheblichen Gleichgewichtsstörung zu einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens ein bis drei Wochen führe, was vorliegend nicht feststellbar sei. Auch die Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. La seien kritisch zu bewerten. Der ebenfalls ergänzend gehörte Neurologe und Psychiater Dr. Ln kam unter dem 15. Oktober 2007 zu keinem anderen Ergebnis als in seinem Gutachten vom März 2007.

Mit Bescheid vom 20. November 2007 erkannte die Beklagte den Unfall der Klägerin vom 18. März 2003 als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Gewährung einer Rente aus dessen Anlass sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen. über den 18. September 2003 hinaus ab. Für einen ursächlichen Zusammenhang der über den 18. September 2003 hinaus geklagten Beschwerden mit dem Unfall vom 18. März 2003 bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Auch lägen keine wesentlichen unfallbedingten Funktionsstörungen über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus vor, die eine MdE um wenigstens 20 v.H. begründen könnten.

Den hiergegen am 28. November 2007 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2008 zurück.

Am 6. März 2008 hat die Klägerin Klage vor dem SG Hamburg erhoben (S 41 U 55/08, nach vorübergehendem Ruhen des Verfahrens und Wiederaufnahme S 41 U 58/10 WA, nach Wechsel der Kammerzuständigkeit S 6 U 58/10 WA) und insbesondere die Gewährung einer Verletztenrente begehrt. Die von der Beklagten in Bezug genommenen Sachverständigengutachten seien mangelhaft, hätten zum Teil Sachverhaltsfehler ungeprüft übernommen. Sie habe stets betont, dass sie Schwindelerscheinungen in der jetzigen Form erst seit dem Unfall habe. Die Dokumentation sei lücken- und fehlerhaft, woraus jedoch keine Schlüsse zu ihrem Nachteil gezogen werden dürften. Bis zu dem Wegeunfall im März 2003 habe sie keine wesentlichen gesundheitlichen Probleme gehabt, sei unternehmenslustig gewesen und habe Sport getrieben. Der Unfall und seine gesundheitlichen Folgen hätten das alles verändert. Sie hat sich insbesondere durch die Gutachten der Ärzte Ph, Prof. Dr. La und Te sowie von ihr eingereichte ärztliche Stellungnahmen wie von dem HNO-Arzt und Neurootologen Dr. MK in ihrer Auffassung bestätigt gesehen. Funktionelle Röntgenaufnahmen in der Röntgenpraxis Sp vom 12. Februar 2009 sowie eine funktionelle Kernspintomographie in der Privatpraxis fürKernspintomographie in Hamburg vom 20. November 2012 hätten weitere Belege für einen Dancing Dens erbracht.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Über eine Prellung der Oberschenkel sowie eine Prellung/Zerrung der Halswirbelsäule hinausgehende substantielle Verletzungen der Wirbelsäule, der Nerven und des Gehirns hätten durch die Ermittlungsergebnisse ausgeschlossen werden können. Die erlittenen Prellungen hätten unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit allenfalls bis zum 18. September 2003 zur Folge gehabt. Die darüber hinaus geklagten Beschwerden seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die bei dem Unfall erlittenen Prellungen zurückzuführen.

Das SG hat Ergebnisse bildgebender Verfahren sowie Befundberichte behandelnder Ärztinnen und Ärzte der Klägerin beigezogen (Orthopädin Dr. , Internist Dr. als Praxisnachfolger des Dr. Wi, Dr. Ke, Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gos, Dr. Ga, Anästhesist und Schmerztherapeut Dr. K., Ärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin B., Neuraltherapeut R.) und weiter Beweis erhoben durch Einholung mehrerer Sachverständigengutachten.

Zunächst ist Prof. Dr. Me auf HNO-ärztlichem Fachgebiet unter dem 12. Dezember 2008 zu der Einschätzung gelangt, dass auf seinem Fachgebiet keine verifizierbaren Gesundheitsstörungen bestünden. Unfallbedingte Gesundheitsstörungen hätten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf seinem Fachgebiet zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Symptome am Gleichgewichts- und Gehörsorgan seien entweder sofort nach dem Unfall vorhanden oder begännen in einem Intervall von Stunden bis Tagen, wobei im Vordergrund überwiegend eine Schwindelsymptomatik stehe. Derartiges sei im Fall der Klägerin nicht bzw. erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt dokumentiert. Das Gutachten des Prof. Dr. La sei in vielerlei Hinsicht nicht nachvollziehbar, u.a. schon deshalb, weil er das Auftreten einer Schwindelsymptomatik unmittelbar nach dem Unfallereignis unterstelle. Gleichfalls seien die von jenem ermittelten Befunde weder mit einer Schädigung der peripheren Gleichgewichtsorgane noch mit einem halswirbelsäulenbedingten Schwindel zu korrelieren.

Der Facharzt für Orthopädie Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 15. Juni 2012 ausgeführt, dass der Unfall vom 18. März 2003 wahrscheinlich alleinige Ursache für eine stattgehabte Distorsion der Halswirbelsäule gewesen sei. Darüber hinaus ließen sich diesem Ereignis keine Gesundheitsstörungen zuordnen. Dem Gutachten des Dr. Te sei nicht zu folgen. Zu keinem Zeitpunkt hätten strukturelle Schäden der Halswirbelsäule nachgewiesen werden können. Der Hinweis auf ultrastrukturelle Läsionen im Bereich etwa des atlandodentalen Bandapparates, auf Funktionsstörungen der Kopfgelenke, aber auch auf funktionelle Störungen im Hirnstammbereich, wie sie unter anderem von Dr. Ke ins Spiel gebracht würden und deren Existenz im Übrigen medizinisch sehr umstritten sei, beinhalte lediglich eine Möglichkeit. Die vorliegenden Funktionsaufnahmen der Halswirbelsäule vom 12. Februar 2009 zeigten einen regelrechten Bewegungsablauf im Atlantioaxialgelenk bei Lateralflexion, stellten keinen krankhaften Zustand dar. Nach insgesamt vier kernspintomographischen Untersuchungen der Halswirbelsäule bzw. des kraniozervikalen Übergangs, die einen regelrechten Befund in Bezug auf die Ligamenta alaria ergeben hätten, könne eine Schädigung dieser Flügelbänder, aus welchen Ursachen auch immer, ausgeschlossen werden. Das Beschwerdebild der Klägerin und der angegebene Beschwerdeverlauf seien unspezifisch. Der Umstand, dass subjektive Beschwerden wie Schmerzen und Schwindel erst nach dem Ereignis beklagt worden seien, sei nicht ausreichend, eine Kausalität zu begründen. Ein "post hoc ergo propter hoc" sei ein beweisrechtlicher Fehler; der zeitliche Zusammenhang schaffe erst die Grundlage, sich ernsthaft mit Kausalitätsfragen zu beschäftigen. Unfallunabhängig bestünden degenerative Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Uncarthrose C5/6 mit diskreter Gefügestörung sowie eine beginnende Osteochondrose auch bei C6/7, jeweils mit geringer bandscheibenbedingter Raumforderung. Diese hätten als sogenannte stumme Schadensanlage bereits zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 18. März 2003 bestanden und sich in ihrem natürlichen Verlauf entsprechend fortentwickelt. Ein bestehender chronischer unspezifischer Nackenschmerz, verbunden mit einer Schwindelbeschwerde, häufig als Schwankschwindel, selten als Drehschwindel, sei den degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule zuzurechnen, die zu Verspannungen der Schulter-/Nackenmuskulatur führe und könne zum Teil als somatoforme Störung aufgefasst werden. Ob diesbezüglich ein Zusammenhang bestehe oder ob es sich um eine unfallunabhängige persönlichkeitsgetragene Fehlentwicklung handle, solle durch ein nervenärztliches Gutachten geklärt werden. Eine unfallbedingte MdE sei auf orthopädischem Fachgebiet demnach nicht festzustellen.

Schließlich hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Lt unter dem 10. April 2014 eine nicht näher bezeichnete somatoforme Störung diagnostiziert. Solche Störungen träten nicht als Folge isolierter Ereignisse auf, sondern entstünden multifaktoriell auf dem Boden hierfür prädisponierender Persönlichkeitsmerkmale. Unfallfolgen auf nervenärztlichem Fachgebiet seien nicht festzustellen. Von dem Gutachten des Herrn Ph weiche sie ab, weil ein unfallbedingter Erstschaden am Nervensystem, speziell am sogenannten Hirnstamm, sich ebenso wenig wie ein Schädel-Hirn-Trauma, eine strukturelle Halswirbelsäulenverletzung oder ein seelischer Erstschaden belegen lasse und auch nicht wahrscheinlich sei. Diese Einschätzung hat sie bestätigt gesehen durch das ebenfalls eingeholte psychologische Zusatzgutachten, das mit Genehmigung des SG von der im selben Gutachteninstitut wie Dr. Lt tätigen Psychologin Mh unter dem 2. April 2014 erstellt worden ist, die die psychologische Testung und deren aus Wertung vorgenommen hat, wobei die gutachtliche Einschätzung in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls in dem Gutachteninstitut tätigen Neurologen und Psychiater Dr. Fa. erfolgt ist, was die Klägerin als Verstoß gegen § 407a Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gerügt hat.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2015 hat das SG die Klage mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2008 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente. Über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus seien keine Gesundheitsstörungen festzustellen, die in kausale Art und Weise auf diesen zurückzuführen seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei es zur Feststellung eines Gesundheitsschadens erforderlich, dass dieser anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes mit dem sogenannten Vollbeweis festgestellt werde. Hierbei seien die jeweils gültigen Diagnose-Manuale (ICD-10 oder DSM-IV) anzuwenden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196). Bei der Feststellung der unfallbedingten Gesundheitsschäden sei danach zu differenzieren, welche Arten von Gesundheitserstschaden bzw. Folgeschäden eine versicherte Person geltend mache. Bei orthopädisch/chirurgisch begründeten Leiden müssten pathologische Körperveränderungen ereignisnah vorliegen, bei psychischen Unfallfolgen müsse regelmäßig ein so genannter seelischer Gesundheitserstschaden nachgewiesen sein, der einen seelischen und damit traumatischen Krankheitsprozess in Gang setzen bzw. unterhalten könne. Eine Unfallkausalität geklagter gesundheitlicher Beschwerden könne nicht aus einem rein zeitlichen Zusammenhang abgeleitet werden. Der Satz "Vor dem Unfall bestanden keine Beschwerden; also muss alles, was nach dem Unfall geschehen ist, auf dem Unfall beruhen", sei zur Feststellung einer Unfallursächlichkeit ungeeignet. Statt einer Anknüpfung an die Begriffe "davor"/"danach" sei zu fragen, ob die geklagten Gesundheitsstörungen "mit" oder "ohne" den Unfall eingetreten seien. Die Klägerin – nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Person – habe am 18. März 2003 einen Wege- und damit Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erlitten, bei dem sie sich als Verletzungen eine HWS-Distorsion, Prellungen der Oberschenkel sowie Gesichtsverletzungen zugezogen habe, die maximal bis sechs Monate nach dem Wegeunfall, d.h. bis zum 18. September 2003, unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit zur Folge gehabt hätten. Insbesondere aufgrund der Beweisaufnahme sei das Gericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass bei der Klägerin keine über die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden festgestellten Gesundheitsstörungen hinaus bestünden, die mit der von Gesetzes wegen geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit in rechtlich wesentlicher Art auf das Unfallereignis am 18. März 2003 zurückgeführt werden könnten. Vielmehr handle es sich um unfallunabhängige Gesundheitsstörungen. Das Gericht folge insoweit den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. Me, Dr. N. und Dr. Lt in deren Gutachten. Eine Unfallbedingtheit der Schwindelsymptomatik im Fall der Klägerin sei aus Sicht des HNO-ärztlichen Fachgebiets schon deshalb nicht gegeben, weil selbst im Falle einer stattgehabten Kopfverletzung das Auftreten von Schwindelsymptomen/-synkopen nach der Sachverhaltsschilderung der Klägerin gegenüber Dr. La erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt aufgetreten und daher untypisch sei. Dazu passe, dass das Auftreten von Schwindel ebenfalls erst deutlich später dokumentiert worden sei. Auch der Gutachter Dr. Te habe in seinem Gutachten festgehalten, dass sich der Schwindel erst langsam entwickelt habe. Die Kausalitätsbeurteilung des Dr. La sei nicht plausibel. Dieser habe als Ursache der geklagten Schwindelsymptomatik einen akuten Labyrinthausfall angenommen. Ein solcher verursache – wie auch der HNO-Arzt Lis nachvollziehbar ausgeführt habe – bis zu seiner Kompensation, die regelmäßig sechs Wochen erfordere, eine so heftige Schwindelsymptomatik, dass hieraus eine Arbeitsunfähigkeit resultiere. Hierzu sei es im Fall der Klägerin indes nicht gekommen. Sie habe ihre Arbeit nach dem Unfall fortgeführt. Auch auf orthopädischem Fachgebiet seien Unfallfolgen nach dem 18. September 2003 nicht mehr festzustellen. Die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule in den Segmenten C 5/6 und C 6/7 seien unfallunabhängige stumme Schadensanlagen. Als Folge des Unfalls habe eine Distorsion der Halswirbelsäule vorgelegen, die abgeklungen sei. Dies stehe in Übereinstimmung mit dem neuroradiologischen Zusatzgutachten der Universitätsklinik , in welchem eine Verletzung des Hirns aufgrund des Unfalls nicht als nachgewiesen anzusehen sei, ebenso wenig wie eine unfallbedingte Verletzung im Bereich des Übergangs des Kopfes zur Halswirbelsäule belegt werden könne. Der Dens axis befinde sich zwar in etwas exzentrischer Lage, dies sei aber ebenso als Anlagevariante deutbar. Diese Annahme werde dadurch erhärtet, dass der zweite Halswirbelkörper – wie auch Dr. Te und Dr. Ih angäben – am 24. März 2003 und am 21. Mai 2005 und damit nach dem Fahrradunfall noch in mittiger Position gestanden habe. Signalveränderungen, die auf stattgehabte Blutungen im Bereich der Bänder und damit auf eine traumatische Schädigung hinweisen könnten, seien nach kernspintomografischer Untersuchung nicht auffindbar gewesen. Das Gericht folge hinsichtlich der Beantwortung der Frage nach der Unfallkausalität nicht den Gutachten der Dres. Ih und Te, da diese sich nicht hinreichend mit den Befunden auseinandergesetzt hätten. Dr. Te verweise hinsichtlich der Unfallkausalitätsbewertung weitgehend auf das Gutachten von Ph und vermische teilweise Anamnese und eigene Befunderhebung. Ein objektivierbarer Beleg werde insoweit nur unzureichend benannt. Auch die Bewertung der Unfallkausalität genüge nach Auffassung des Gerichts nicht den daran zu stellenden Anforderungen, da nicht deutlich zwischen Vorschäden und unfallbedingten Gesundheitsstörungen getrennt werde. Schließlich seien bei der Klägerin auch keine Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet feststellbar. Die bei ihr festgestellte somatoforme Schmerzstörung sei nicht auf den Wegeunfall am 18. März 2003 zurückzuführen. Ein seelischer Erstschaden lasse sich anhand der zeitnahen Befund- und Behandlungsberichte nicht sichern. Ein Gesundheitserstschaden am Gehirn, der cervicalen Nervenwurzeln oder der peripheren Nerven sei nicht durch zeitnah geführte Diagnostik gesichert und unter Berücksichtigung des geschilderten Unfallablaufs sowie der zeitnah dokumentierten körperlichen Untersuchungsbefunde auch nicht wahrscheinlich. Die für die Feststellung eines seelischen Erstschadens nach ICD-10 bzw. DSM IV notwendigen Kriterien lägen ebenso wenig vor. Eine seelische Traumatisierung im Sinne der genannten Diagnosemanuale habe nicht stattgefunden, sodass auch keine somatoforme Störung als Folge hieraus in Betracht kommen könne. Die im Rahmen der Exploration zwar durchaus feststellbaren Auffälligkeiten im psychopathologischen Befund deuteten nicht auf den Eintritt eines seelischen Erstschadens im Unfallzusammenhang hin. Weder habe sich die Klägerin bei der Erörterung des Unfalls psychisch oder körperlich belastet gezeigt noch habe sie ein Vermeidungsverhalten oder andere Symptome aus dem Spektrum der posttraumatischen Belastungsstörung gezeigt. Darüber hinaus spreche auch die Art des Unfalls nicht für eine seelische Traumatisierung. Ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung bzw. katastrophenartigen Ausmaßes sei in einem Fahrradunfall wie dem hier geschehenen nicht zu erkennen. Zudem entspreche es allgemein gültiger medizinischer Erkenntnis, dass somatoforme Schmerzstörungen regelmäßig nicht als Folge isolierter Ereignisse aufträten, sondern multifaktoriell auf dem Boden hierfür prädisponierender Persönlichkeitsmerkmale entstünden, worauf auch die Sachverständige hingewiesen habe. Eine Ausnahme hiervon sei auch im Fall der Klägerin nicht zu erkennen. Der gegenteiligen Andeutung im Durchgangsarztbericht vermöge das Gericht nicht zu folgen, da die Angabe einer posttraumatischen Belastungsreaktion nicht näher, insbesondere unter Nachweis der dafür medizinischen Voraussetzungen nach den gültigen Diagnosemanualen, belegt werde. Der vom Gutachter Ph zu Beginn des Verwaltungsverfahrens gesehene Zusammenhang der durch ihn festgestellten Gesundheitsstörungen mit dem Fahrradunfall sei nicht ausreichend begründet worden. Sein Gutachten sei aus Sicht des Gerichts nur eingeschränkt verwertbar, denn es weise etwa Mängel dergestalt auf, dass in der Epikrise Beschwerden der Klägerin und vom Arzt vorzunehmende Befunderhebungen miteinander vermengt würden. Das Gutachtenergebnis beruhe zudem u.a. auf der Annahme "offensichtlicher" Nervenwurzelreizerscheinungen, die zwar im MRT nicht nachgewiesen werden könnten, aber "bekanntermaßen" möglich seien. Auf Gutachten mit Schlussfolgerungen ohne Beleg für die zugrunde gelegten Gesundheitsstörungen könne nicht die begründete Annahme einer Unfallursächlichkeit gestützt werden.

Gegen dieses ihren damaligen Prozessbevollmächtigten am 12. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Juli 2015 eingelegte Berufung der Klägerin (L 3 U 19/15, nach einem Wechsel in der Zuständigkeit des Senats L 2 U 19/15), mit der sie eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht durch das SG rügt, das sein Urteil auf fehlerhafte Gutachten stütze und die ihr günstigen, schlüssigen Gutachten wie zum Beispiel dasjenige von Prof. Dr. La, von dem sie eine sein Gutachten bestätigende Stellungnahme vom 3. August 2015 zur Akte gereicht hat, zu Unrecht als unschlüssig verwerfe. Das Gutachten des Dr. Me könne schon deshalb nicht überzeugen, weil jener im Gegensatz zu Dr. La keine neurootologischen Untersuchungen vorgenommen habe. Das Gutachten der Dr. Lt sei schon deshalb nicht verwertbar, weil es sich auf ein psychologisches Zusatzgutachten stütze, dass entgegen der Beweisanordnung nicht von ihr zusammen mit der Psychologin Mh erstellt worden sei, sondern von Dr. Fa ... Die Widersprüchlichkeit der aktenkundigen radiologischen Befunde sei nie geklärt worden und das SG sei eine Erklärung für den nicht zuletzt durch die funktionellen bildgebenden Verfahren nachgewiesenen Wechsel der Position des Dens axis schuldig geblieben, der tatsächlich auf einer durch den Unfall verursachten Instabilität der Halswirbelsäule beruhe und nicht als Anlagevariante deutbar sei. Ausführlich legt die Klägerin dar, inwiefern Sachverständige nach ihrer Auffassung falsche Sachverhaltsdetails zu Grunde gelegt hätten, weil die nicht chronologische und zum Teil lückenhafte Dokumentation ihnen nicht immer vollständig vorgelegen habe und auch an fehlerhafte Vorgutachten angeknüpft worden sei. Darüber hinaus werde vernachlässigt, dass es nach Verletzungen nicht nur Regelverläufe gebe. Hinsichtlich der fehlenden Dokumentation auch nur eines Tages von Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall erklärt die Klägerin, dass sie mit Hilfe Dritter, Verständnis ihres Umfelds und Urlauben versucht habe, den sich wegen der Unfallfolgen einstellenden Schwierigkeiten zu begegnen. Schließlich verweist sie auf eine Fülle von Hinweisen in der Literatur auf das Auftreten eines cervicocephalen Syndroms nach Beschleunigungstrauma. Dabei sei es irrelevant, ob strukturelle Schädigungen des oberen Halsmarkes oder des unteren Stammhirns in einem bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden könnten, da es im neurologischen Bereich oft um funktionelle, selten um strukturelle Schäden des Nervensystems gehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2008 zu verurteilen, ihr aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 18. März 2003 ab dem 19. März 2003 eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. und weitere Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung über den 18. September 2003 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für überzeugend und verweist insbesondere auf die Ergebnisse der vom SG eingeholten Gutachten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage von dem HNO-Arzt Dr. Sd, der unter dem 12. August 2017 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Traumafolgen auf seinem Gebiet nicht feststellbar seien. Die Beschwerden der Klägerin seien nur schwer eingrenzbar und unspezifisch und in ihrer Altersgruppe weit verbreitet und könnten vielfältige Ursachen haben wie zum Beispiel eine falsch angepasste Gleitsichtbrille oder die häufige Nutzung von Mobiltelefonen für das Lesen und Versenden. Ausführliche Befundberichte begännen erst acht Monate nach dem Ereignis, sodass Unfallhergang, Beschwerdeauftreten, -ausgestaltung und -verlauf bei wechselnden, zum Teil widersprüchlichen Angaben unklar blieben. Insbesondere die Schwindelsymptomatik könnte nur dann ursächlich auf den Unfall zurückgeführt werden, wenn diese unmittelbar nach dem Unfall eingesetzt hätte, was jedoch nicht feststellbar sei. Inwieweit die aktuell vorliegenden degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und die noch beklagten Schmerzen und Verspannungen eine Traumafolge über die Altersnorm hinausgehend darstellen könnten, müsse dem Urteil des Orthopäden oder Unfallchirurgen überlassen werden. Es habe jedoch bereits bei den ersten Röntgenaufnahmen 2003 degenerative Veränderungen als Zeichen einer längerfristigen Fehlbelastung gegeben. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es für den zervikogenen Schwindel nach Halswirbelsäulendistorsionen aus heutiger Sicht weder klinisch noch grundlagenwissenschaftlich hinreichende Evidenzen gebe und dass sich nach einer Studie des Verbands der europäischen Autoversicherer in Deutschland ein deutlich höherer Anteil an leichteren Halswirbelsäulenverletzungen als in Frankreich ergebe, während dieser Anteil in Großbritannien noch höher ausfalle, was dahingehend interpretiert werde, dass unfallbedingte Halswirbelsäulenbeschwerden offenbar entstünden, wo in der Gesellschaft eine entsprechende Erwartungshaltung vorhanden sei.

Schließlich hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, für Physikalische und Rehabilitative Medizin, spezielle orthopädische Chirurgie, Rheumatologie, spezielle Schmerztherapie, Chirotherapie, Sportmedizin, Akupunktur, Sozialmedizin und Diplom-Humanbiologe Prof. Dr. Dr. W. nach Untersuchung der Klägerin am 28. Mai 2018 unter dem 4. Juni 2018 ein Sachverständigengutachten erstattet, nach Durchführung eines positiven manualmedizinischen Ligamenta-alaria-Tests ("Steuerradphänomen") einen Zustand nach Halswirbelsäulendistorsion mit Stretch-Verletzung der Ligamenta alaria und daraus insultierender Instabilität C0/C2 mit chronisch rezidivierendem cervico-encephalem Syndrom diagnostiziert und diesen mangels konkurrierenden Ereignisses kausal auf den Unfall vom 18. März 2003 zurückgeführt. Der Ablauf der Geschehnisse um den Unfall stehe stellvertretend für viele Kopfgelenksverletzte in Deutschland. Viele Odysseen durch das Gesundheitssystem seien ihm persönlich bekannt durch die Behandlung und Begutachtung von kopfgelenksverletzten Patienten, bei denen die Diagnosestellung und Behandlung sich über Jahre oder Jahrzehnte hinziehe bei begrenztem Erfolg, die Diagnose zu sichern und Therapien einzuleiten. Dabei ist er davon ausgegangen, dass die Beschwerdesymptomatik der Klägerin bei zeitversetzter ärztlicher Vorstellung komplex und nicht korrekt zuzuordnen gewesen sei und sich erst über die nächsten Wochen und Monate nach dem Unfall entwickelt habe, wobei die Schmerzattacken auch schon während der ersten Behandlungen durch Dr. Ga mit Schwindelattacken kombiniert gewesen seien (Seite 24 des Gutachtens). Die Klägerin sei nach dem Unfall sicher für drei Monate arbeitsunfähig gewesen mit einer MdE um 100 v.H., danach für weitere drei Monate um 50 v.H. und ab dem sechsten Monat und auf Dauer bei bestehender Behandlungsbedürftigkeit um 20 v.H. Seine Abweichung von Vorgutachten hat er mit seiner besonderen Expertise erklärt. Dem allgemein ausgebildeten Radiologen und Orthopäden erschließe sich das Gebiet des schwer zu untersuchenden Kopfgelenksabschnitts der Wirbelsäule nicht. Die Gesamtkonstellation des Befundes sei für ihn schlüssig. Weitere Ermittlungen halte er für nicht erforderlich. Um die radiologische Diagnostik zu komplettieren, sei es jedoch möglich, in der offenen Kernspintomographie / Funktions-CT-Untersuchung neben der Morphe der Ligamenta alaria auch die Funktion von gestörten Kopfgelenken radiologisch zu erfassen.

Die Beteiligten haben durch Erklärungen vom 21. September 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG) und nach Durchführung von zwei Terminen zur mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2018 und 16. Januar 2019 – letzterer mit Beweisaufnahme durch Einvernahme des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. – mit einer Entscheidung des Einzelrichters durch Urteil ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) erteilt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 17. Januar 2018 und 16. Januar 2019, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage dem Grunde nach (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, wobei davon auszugehen ist, dass die Klägerin auch im erstinstanzlichen Verfahren nicht nur die Gewährung von Verletztenrente, sondern auch weiterer Leistungen über den in den angefochtenen Bescheiden genannten Zeitpunkt vom 18. September 2003 hinaus begehrt hat (§ 123 SGG) und das SG auch hierüber entschieden hat. Jedenfalls wäre eine diesbezügliche Klageerweiterung auch im Berufungsverfahren zulässig (§ § 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG).

Weder hat die Klägerin mit ihrer Berufung etwas vorgetragen, was Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäbe, noch haben die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen Derartiges ergeben. Während Dr. Sd nach Auffassung des Gerichts zutreffend die Problematik der lückenhaften und widersprüchlichen Dokumentation insbesondere des Behandlungs- und Beschwerdeverlaufs in den ersten Monaten nach dem streitgegenständlichen Unfall beschrieben und eingeordnet hat, ermöglicht das Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. entgegen seiner eigenen Einschätzung unter Zugrundelegung beweisrechtlicher Maßstäbe keine Feststellungen zugunsten der Klägerin, die nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast das Risiko der Nichtfeststellbarkeit von Tatsachen trägt. Während therapeutisch tätige Mediziner bei der Suche nach Diagnosen und Therapieansätzen auch lediglich mögliche oder wahrscheinliche Sachverhalte zu Grunde legen können und ggf. müssen, können im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung der rechtlichen Bewertung durch das Gericht – und zuvor auch die Behörde – ausschließlich zu dessen voller Überzeugung, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehende Tatsachen zu Grunde gelegt werden, lediglich bezüglich etwaiger Ursachenzusammenhänge reicht es aus, wenn mehr dafür als dagegen spricht, ein solcher also wahrscheinlich ist (vgl. zu diesen Maßstäben nur BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R, juris).

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; st.Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – B 2 U 10/13 R, a.a.O., m.w.N.); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern – vor allem – für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96,196, m.w.N.).

Die Kausalitätsbeurteilung hinsichtlich zunächst klar zu definierender Gesundheitsstörungen hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen, ob also die behauptete Ursache-Wirkungs-Beziehung durch wissenschaftliche Erkenntnisse untermauert plausibel ist. Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes hat durch Sachverständigengutachten zu erfolgen, wobei Ausgangsbasis Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich sein müssen (zum Beispiel Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) sowie die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften und ggf. andere aktuelle Veröffentlichungen, dies jeweils unter kritischer Würdigung, zumal ein Teil der Autoren aktive oder ehemalige Bedienstete von Versicherungsträgern sind oder diesen in anderer Weise nahe stehen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss, es im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel gibt, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, a.a.O., m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen lassen sich mit dem erforderlichen Vollbeweis lediglich die vom SG benannten, zeitnah diagnostizierten, bei dem Unfallereignis vom 18. März 2003 eingetretenen Gesundheitserstschäden in Gestalt einer Halswirbelsäulendistorsion (ohne nachweisbare strukturelle Schäden), von Prellungen der Oberschenkel sowie Gesichtsverletzungen feststellen. Diese begründeten aus den ebenfalls genannten Gründen eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit allenfalls für den Zeitraum eines halben Jahres, waren spätestens dann ausgeheilt. Arbeitsunfähigkeit aus Anlass des Unfalls wurde ärztlicherseits zu keinem Zeitpunkt festgestellt, sodass ein Anspruch auf Verletztengeld nicht in Betracht kommt. Da über den Ablauf der 26. Woche nach dem Unfall hinaus keine diesem zurechenbaren Gesundheitsschäden mehr festgestellt werden können, scheidet auch ein Anspruch auf Verletztenrente aus.

Dass auf HNO-ärztlichem Gebiet keine weiteren unfallbedingten Schäden feststellbar sind, hat das SG zutreffend ausgeführt. Dies scheitert schon daran, dass ein zeitnah nach dem Unfall gesichertes Auftreten von Schwindel nicht nachgewiesen werden kann. Die Angaben der Klägerin selbst zum Beschwerdeverlauf sind über die Jahre höchst widersprüchlich, reichen von einem sofortigen Auftreten bis zur Entwicklung in der Folgenacht, am Folgetag bzw. zu einem späteren Zeitpunkt, Schmerzen mit und ohne Schwindel, mit und ohne sofortige Bewegungsunfähigkeit, mit und ohne das Auftreten "schwerer Arme". Prof. Dr. La gibt sie mit einer Äußerung zum erstmaligen Auftreten des Schwindels nach etwa vier Wochen wieder, Dr. Ga mit einem erstmaligen Auftreten im August 2003. Durch ärztliche Dokumentation gesichert sind erstmals die Schwindelattacken, die zur Aufnahme ins Kreiskrankenhaus L. im September 2003, also etwa ein halbes Jahr nach dem Unfall, führten, wobei sich im Entlassungsbericht keine Angaben zu einem etwaigen, seit dem Unfall im März bestehenden Beschwerdebild einschließlich Schwindel finden, was jedoch eigentlich zu erwarten wäre, wenn die Klägerin – was im Rahmen einer stationären Behandlung und den aufgetretenen Symptomen naheliegend gewesen wäre, zumal die Klägerin den Unfall erwähnt hatte – entsprechende Angaben gemacht hätte. Auch der die Klägerin lange behandelnde Dr. Ke und der erste im Verwaltungsverfahren gehörte Gutachter Ph machten keine Angaben zu einem früher aufgetretenen Schwindel, dies geschah seitens der Gutachter erstmals durch Dr. Te im September 2005 und Dr. Ih im Oktober 2006.

Soweit die Klägerin rügt, HNO-Gutachten ohne neurootologische Untersuchungen seien nicht verwertbar, übersieht sie zum einen, dass es hierauf vorliegend nicht ankommt, weil bei allen gehörten HNO-Gutachtern, Dr. Sd, Prof. Dr. Me einschließlich Prof. Dr. La, schlüssigerweise Einigkeit darüber besteht, dass Schwindel zeitnah nach dem Unfall hätte auftreten müssen, wenn Organe in der Zuständigkeit ihres Fachgebiets dabei betroffen worden wären. Zum anderen handelt es sich bei der Neurootologie nicht um eine anerkannte medizinische Fachdisziplin, sodass ein entsprechendes Gutachten nicht einzuholen ist, weil es keine verlässlichen Aussagen über die Ursachen von Beschwerden liefert (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 6 U 170/14, VersR 2017, 1465; OLG München, Urteil vom 12. August 2011 – 10 U 3369/10, juris, m.w.N.)

Den Ausführungen des SG zur fehlenden Feststellbarkeit weiterer Unfallschäden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ist lediglich hinzuzufügen, dass entgegen der Auffassung der Klägerin das psychologische Zusatzgutachten, das Dr. Fa. und die Diplom-Psychologin Mh erstellten, verwertbar ist. Eine unbefugte Übertragung des Gutachtenauftrags im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. hierzu auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 118 Rn. 11g/h m.N.) lag nicht vor. Die wesentlichen Leistungen des Zusatzgutachtens erbrachte, wie von der Beweisanordnung umfasst, die im Gutachteninstitut tätige Psychologin, der ebenfalls dort tätige Neurologe und Psychiater Dr. Fa. wirkte lediglich an der Beurteilung mit, was jedoch auch deshalb nur untergeordnete Bedeutung hatte, weil die bestellte Sachverständige Dr. Lt in ihrem Hauptgutachten die Beurteilung als Fachärztin desselben Gebiets naturgemäß zu überprüfen hatte und sich anschließend zu eigen machte. Im Übrigen erlangte das Zusatzgutachten keine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung im Hauptgutachten, lieferte lediglich keine entgegenstehenden Erkenntnisse und wurde zur Beurteilung einer etwaigen MdE nicht benötigt. Des weiteren hängt die Beurteilung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet maßgeblich daran, dass keine diesbezüglichen Gesundheitserstschäden im erforderlichen Vollbeweis gesichert werden können, damit an einer Einschätzung, die auch ohne die Berücksichtigung der Gutachten Dr. Lt/Dr. Fa./ Mh gleich ausfiele.

Schließlich ist die Bewertung des SG nicht zu beanstanden, dass auch auf orthopädischem Fachgebiet keine weiteren Gesundheitserstschäden und keine Unfallfolgen über den 18. September 2003 hinaus feststellbar sind.

Soweit der im Berufungsverfahren nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. von einem bei dem Ereignis am 18. März 2003 eingetretenen Gesundheitserstschaden in Form einer Stretch-Verletzung der Ligamenta alaria und daraus resultierender Instabilität C0/C2 mit chronisch rezidivierendem cervico-encephalem Syndrom ausgeht, die das gesamte Beschwerdebild der Klägerin in seinem Verlauf schlüssig erkläre, vermag das Gericht ihm nicht zu folgen.

Zunächst einmal kann das Vorliegen einer Überdehnung der Flügelbänder nicht im erforderlichen Vollbeweis gesichert werden. Eine einmalige manualmedizinische Untersuchung etwa 15 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis beim Fehlen anderer Begleitverletzungen ist nicht geeignet, die volle Überzeugung hiervon zu begründen, zumal der Sachverständige seine Diagnose vor allem auch mit dem Fehlen einer Beschwerdesymptomatik vor dem Ereignis, dem Auftreten danach und fehlender anderer Erklärungen begründet, was jedoch nach der oben genannten Rechtsprechung des BSG, der sich das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, nicht ausreicht. Seine Feststellungen hat der Sachverständige auch nicht – wie erforderlich – auf dem Boden des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes getroffen. Er selbst räumt ein, dass es sich um ein sehr exotisches Gebiet handle und es keine Studien zur Validität des Ligamenta-alaria-Tests gebe.

Darüber hinaus trägt er zwar vor, dass es für eine Verletzung der Kopfgelenke von entscheidender Bedeutung sei, ob jemand unvorbereitet getroffen werde, vermag aber andererseits keinen biomechanisch plausiblen Unfallhergang zu benennen, der geeignet wäre, zu einer Überdehnung der Flügelbänder zu führen. Hierzu gibt es auch keine aktuelle medizinische Lehrmeinung, auf die eine plausible Darstellung einer Ursache-Wirkungs-Beziehung gestützt werden könnte. Die von der Klägerin angeführten älteren Veröffentlichungen, die eine isolierte Verletzung der Ligamenta alaria für möglich halten, werden durch neuere Veröffentlichungen gerade als Folge von Fehlinterpretationen in Abrede gestellt (Bitterling et al., Mysterium Ligamentum alare Ruptur, 2007; Thomann et. al., Der Orthopäde, Ausgabe März 2010, "Isolierte Verletzung" der Ligamenta alaria;; Thomann et. al., Distorsion der Halswirbelsäule und isolierte "Verletzung" der Ligamenta alaria aus gutachterlicher Sicht, MedSach Ausgabe 02/2012).

Soweit Prof. Dr. Dr. W. sich – wie auch die Klägerin – für die Diagnosesicherung ergänzend auf die durchgeführten funktionellen bildgebenden Verfahren beruft und zur Vergewisserung eine weitere Untersuchung für möglich hält, bewegt er sich auch insoweit schon nach seinen eigenen Angaben auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung nicht im Rahmen einer herrschenden aktuellen medizinischen wissenschaftlichen Lehrmeinung (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2016 – L 2 U 371/14, juris m.N.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Anm. 8.3.3.3, S. 486 f.: schon wegen der breiten Normvariante von Kopfgelenken nicht hilfreich, erheblich mangelbehaftet; Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule: nicht empfohlen; Bitterling et al., a.a.O.; Thomann et. al., a.a.O.: in der Vergangenheit fehlinterpretiert). Schon aus diesem Grund kann auch nicht mit dem nötigen Grad an Sicherheit von einem Dancing Dens ausgegangen werden, zumal Sachverständige wie Dr. N. schon die Kopfstellung während der Untersuchung für fehlinterpretierte Befunde verantwortlich machen, dessen klinische Bedeutung unklar ist und ein solcher in den ersten Aufnahmen nach dem Unfall gerade nicht festgestellt werden konnte ...

Letztlich könnte sogar offenbleiben, ob eine Dehnung der Flügelbänder bei der Klägerin vorliegt, weil ein Zusammenhang der geklagten Beschwerden der Klägerin hiermit nicht wahrscheinlich gemacht werden könnte. Die Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. macht deutlich, dass auch nach seiner Auffassung eine Dehnung der Flügelbänder lediglich unspezifische Symptome hervorruft. Er hat darüber hinaus angegeben, dass es in der Medizin keinen Konsens darüber gebe, ob und ggf. welche klinische Bedeutung selbst eine Zerreißung der Flügelbänder – und vorliegend geht es allenfalls um eine Dehnung – habe. Die unterschiedlichen medizinischen Fachgesellschaften würden hierauf verschiedene Antworten geben.

Der Sachverständige stützt sich vor allem auf seine eigene langjährige Erfahrung und Expertise, deren Grundlagen jedoch nach seiner eigenen Darstellung innerhalb der medizinischen Wissenschaft, auf deren aktuellen Stand es jedoch im juristischen Zusammenhang ankommt, bei weitem nicht unumstritten sind. Seine Ausführungen im Gutachten vom 4. Juni 2018, wonach der Ablauf der Geschehnisse um den streitgegenständlichen Arbeitsunfall stellvertretend für viele Kopfgelenksverletzte in Deutschland stehen, sind ebensowenig wie der Hinweis der Klägerin darauf, dass Zweiradunfälle besonders gefährliche Risikofaktoren für schwerwiegende Halswirbelsäulenverletzungen seien, geeignet, im hier zu beurteilenden konkreten Einzelfall nach den anzulegen juristischen Maßstäben zu einem für die Klägerin positiven Ergebnis zu gelangen. Die Richtigkeit der von Prof. Dr. Dr. W. gestellten Diagnose und des von ihm gesehenen ursächlichen Zusammenhangs mit dem Ereignis vom 18. März 2003 erscheint lediglich möglich. Jedoch lässt sich weder feststellen, dass die Methoden und Ansätze des Sachverständigen der aktuellen herrschenden Auffassung der medizinischen Wissenschaft entsprechen, noch lassen sich von ihm zu Grunde gelegte Tatsachen im Vollbeweis sichern, noch der Zusammenhang wahrscheinlich machen. Es ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des BSG auch nicht Aufgabe des Gerichts, die Ursache für die Beschwerden der Klägerin zu benennen. Vorliegend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass unstreitig degenerative Vorschäden an der Halswirbelsäule der Klägerin bestehen, die zum Unfallzeitpunkt zumindest als stumme Schadensanlage vorhanden waren, und die jedenfalls geeignet sind, Schmerzen und Verspannungen und damit zumindest auch Bewegungseinschränkungen zu verursachen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Justizangestellte als Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Rechtskraft
Aus
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