S 16 AS 1230/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1230/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 383/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 324/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2011 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Leistungsberechtigung des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der Kläger bezog vom Beklagten bereits in der Vergangenheit Leistungen nach dem SGB II. Da er am 30.04.2009 ein Studium im Studiengang "Lehramt an Hauptschulen" an der Universität A-Stadt aufnahm, endete der Leistungsbezug zum 01.05.2009.

Am 18.02.2011 beantragte der immer noch immatrikulierte Kläger erneut Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 19.04.2011 wurden diese Leistungen zunächst wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers vom 20.05.2011 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2011 als unbegründet zurückgewiesen, da das Studium des Klägers dem Grunde nach förderfähig nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sei und dieser deshalb gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei.

Dagegen richtet sich die Klage vom 07.11.2011. Der Kläger macht geltend, der Beklagte verkenne in entscheidungserheblicher Weise, dass ein Zweitstudium, wie es bei ihm vorliege, gerade nicht eine "dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung" sei. Was dem Grunde nach förderungsfähig sei und was nicht, finde sich ausschließlich in den Vorschriften des BAföG §§ 2 bis 7 sowie in den Vorschriften der §§ 60 bis 62 des Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Demnach sei sowohl gemäß § 7 BAföG als auch nach § 60 Abs. 2 SGB III nur eine Erstausbildung förderungsfähig. Bei seinem zwischenzeitlich beendeten Hochschulstudium handele es sich aber unstreitig bereits um eine Zweitausbildung, da er bereits im Jahr 2006 erfolgreich ein Universitätsstudium abgeschlossen habe. Die Vorschrift des § 7 Abs. 5 SGB II sei deshalb nicht einschlägig. Gleichzeitig beantragte der Kläger die Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Mit Schriftsatz vom 21.11.2011 beantragte der Beklagte Klageabweisung und weist darauf hin, dass es auf die individuellen Voraussetzungen, wie die Altersgrenze oder die Tatsache, dass es sich um eine Zweitausbildung handele, nicht ankomme. Mit weiterem Schriftsatz vom 11.01.2012 erklärte sich auch der Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Der Kläger beantragt,

ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2011 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe, insbesondere ohne Ausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II, zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte des Beklagten und die Akte des Sozialgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die insbesondere gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässige Klage ist unbegründet.

Im Hinblick auf das insoweit vorliegende Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht am 25.01.2012 ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der Beklagte hat die Leistungen nach dem SGB II für den Kläger in zutreffender Weise abgelehnt. Dieser hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im hier streitigen Zeitraum vom 18.02.2011 bis 30.06.2011.

Das vom Kläger betriebene Studium an der Universität A-Stadt ist nach der im Rahmen des § 7 Abs. 5 SGB II gebotenen abstrakten Betrachtungsweise nach dem BAföG dem Grunde nach förderfähig. Sowohl der 4. als auch der 14. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) haben diesbezüglich entschieden, dass sich die abstrakte Förderfähigkeit einer Ausbildung nach dem BAföG abschließend nach § 2 BAföG richtet und insbesondere § 7 Abs. 1 S. 1 BAföG im Gegensatz dazu individuelle Fördervoraussetzungen festlegt (BSG, Urteil vom 19.08.2010, Az: B 14 AS 24/09 R, Rn. 17; B 4 AS 145/10 R, Rn. 15). Der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 SGB II liege die Erwägung zu Grunde, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder eine Förderung gemäß §§ 60 bis 62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und die Grundsicherung nach dem SGB II nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung im SGB II solle die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine - versteckte - Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen.

Die Prüfung, ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderfähig nach dem BAföG ist, richtet sich somit abschließend nach § 2 BAföG. Von dieser Grundregel finden sich nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG Ausnahmen lediglich für die Besonderheiten des Fernunterrichts (vgl. § 3 BAföG) und für die Ausbildung im Ausland (§§ 5 und 6 BAföG). Es ist also allein aufgrund abstrakter Kriterien, das heißt losgelöst von der Person des Auszubildenden über die Förderfähigkeit der Ausbildung nach dem BAföG zu entscheiden (so etwa BSG, B 4 AS 145/10 R, a.a.O.).

Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen der Förderung seiner Ausbildung nach dem BAföG dem Grunde nach. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit Abs. 5 BAföG ist förderungsfähig die Ausbildung an einer Hochschule, wenn der Ausbildungsabschnitt mindestens ein Schul- oder Studienhalbjahr dauert und die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Dies ist nach der Überzeugung der Kammer bei dem vom Kläger betriebenen Studiengang "Lehramt an Hauptschulen" an der Universität A-Stadt der Fall. Die Tatsache, dass der Kläger keine Leistungen nach dem BAföG erhielt, beruht dagegen auf individuellen Versagungsgründen. Mit Ablehnungsbescheid von 07.03.2011 versagte das Studentenwerk A-Stadt dem Kläger Leistungen unter Hinweis auf die Tatsache, dass es sich um ein Zweitstudium handele sowie auf die weitere Tatsache, dass er die Altersgrenze, wie sie sich aus § 10 Abs. 3 BAföG ergibt, bereits überschritten habe. Ein Ausnahmetatbestand sei weder im Hinblick auf die Problematik des Zweitstudiums noch im Hinblick auf das erreichte Lebensalter gegeben.

Es liegt auch kein Ausnahmefall des § 7 Abs. 6 SGB II vor.

Weiter hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im Rahmen des § 27 SGB II. Leistungen nach § 27 Abs. 3 SGB II kommen bereits nicht in Betracht, weil der Kläger Leistungen nach dem BAföG oder dem SGB III gerade nicht erhielt.

Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II, welche eine wenigstens darlehensweise Gewährung ermöglichen würde, kann die Kammer ebenfalls nicht erkennen. Zur Vorgängervorschrift, wie sie sich in § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung fand, hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 30.09.2008 (B 4 AS 28/07 R) auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorläufervorschrift im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Bezug genommen. Ein besonderer Härtefall liege demgemäß erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, das heißt als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen ließen (BVerwGE 94, 224).

Derartige Gründe, die über den Umstand, dass der Kläger während des Laufs der Ausbildung keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält, hinausgehen, hat er weder substantiiert vorgetragen, noch sind diese ersichtlich.

Allerdings hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung (a.a.O., Rn. 22) gefolgert, dass es der Zielsetzung des "Förderns" entspreche, auch arbeitsmarktbezogene Aspekte bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriff der besonderen Härte zuzulassen. Für diesen Fall hat der 14. Senat des BSG ausgeführt, ein Härtefall könne insbesondere dann angenommen werden, wenn wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden sei, der nicht durch BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe gedeckt werden könne und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit droht das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit (Vgl. BSG, a.a.O.). Zwar stand hier die Ausbildung des Klägers nahezu vor dem Ende. Der besondere Härtefall, den das BSG vor Augen hatte, ist nach Überzeugung der Kammer hier jedoch nicht gegeben. Nicht gemeint sein kann hierbei eine Situation, in der die Hilfebedürftigkeit bereits dem Grunde nach seit Ausbildungsbeginn bestand. Nach der Überzeugung der Kammer kann es keine besondere Härte begründen, wenn ein Betroffener aus dem Bezug von SGB-II-Leistungen heraus aus freien Stücken ein Studium aufnimmt. In diesem Fall tritt die besondere Härte nicht quasi nach Zeitablauf in einer bestimmten Nähe zum erwarteten Abschluss des Studiums ein.

Schließlich erkennt das Bundessozialgericht (B 4 AS 67/08 R, Rn. 21) einen besonderen Härtefall dann an, wenn nur eine nach den Vorschriften des BAföG förderungsfähige Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt. Die Erwerbszentriertheit des SGB II erfordere eine besondere Auslegung der Härtefallregelung, die der Zielsetzung einer möglichst dauerhaften Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit Rechnung trage (BSG, a.a.O. m.w.N.). Hieran fehlt es. Der Kläger hat ein abgeschlossenes Hochschulstudium und wurde vom Beklagten im Jahr 2008 im Rahmen von Schweißerkursen fortgebildet, so dass er auch Inhaber eines so genannten Schweißerpasses ist.

Weder ist es erkennbar, dass das Studium mit dem Ziel der Ausübung des Lehramtes an Hauptschulen die einzige Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt ist, noch hat der Kläger dieses vorgetragen. Etwas anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund der Ausführungen des Klägers, dass ihm versichert worden sei, er könne mit einer Verbeamtung rechnen, wenn er die sog. Staatsnote erreichen würde. Das vom Kläger insoweit im Rahmen der Antragstellung vorgelegte Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 07.01.2011 kann bereits zeitlich nicht, wie vorgetragen, die Motivation für die Studiumsaufnahme im Jahr 2009 gewesen sein. Darüber hinaus enthält das Schreiben jedoch auch weder eine rechtlich bindende Zusicherung noch eine anderweitige nähere Versicherung einer künftigen Verbeamtung. Vielmehr wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die Einstellung in den staatlichen Schuldienst neben der Note etwa auch die gesundheitliche Eignung ausschlaggebend ist. Darüber hinaus wurde er allgemein darauf hingewiesen, dass eine Verbeamtung nach der Vollendung des 45. Lebensjahres nicht mehr erfolgen könne. Auch vor diesem Hintergrund kann eine besondere Härte durch die Kammer nicht gesehen werden.

Nachdem auch die Voraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II weder vorgetragen noch ersichtlich sind, kommen auch Leistungen im Rahmen des § 27 Abs. 5 SGB II nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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