S 40 SB 743/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
40
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 40 SB 743/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 rückwirkend ab 22.07.05. Am 26.10.09 beantragte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB von 50 ab 22.07.05 Mit Bescheid vom 25.01.10 wurde festgestellt, dass nur ein GDB 50 rückwirkend nicht zu beweisen sei.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.03.10 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage eingereicht. Die vorliegenden Erkrankungen insbesondere auf orthopädischen und Internistischen Gebiet seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Sie hätten schon früher vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2010 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 25.03.2010 bei ihm einen Grad der Be¬hinderung von mehr als 40 spätestens ab dem 22.07.2005 festzustellen. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält ihre Entscheidung für zutreffend.

Das Gericht ließ den Kläger begutachten durch den Internisten und Sportmediziner P.

Der Sachverständige stellte folgende Diagnosen:

1. Funktionssystem untere Extremitäten ( Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Gefäßerweiterungseingriffe Der GdB hierfür beträgt 40.

2. Funktionssystem Wirbelsäule/Rumpf Wirbelsäulensyndrom Der GdB hierfür beträgt 10.

3. Funktionssystem Herz-Kreislauf

Bluthochdruckerkrankung mit Rückwirkung auf das Herz Der GdB hierfür beträgt 20

Insgesamt resultiere ein GdB von 50 aus den festgestellten Beeinträchtigungen.

Zur Frage des Beginns des GdB von 50 führt der Sachverständige P wie folgt aus: Insofern kann lediglich aufgrund der allgemeinen Erfahrung aus dem Untersuchungsbefund aus 07/2011 auf die Vergangenheit (insbesondere den Zeitraum 07/2005) rückgeschlossen werden. Es existieren keine verlässlichen Daten über die Entwicklungsdauer einer hypertensiven Herzerkrankung, zumal auch eine gewisse ¡nterindividuell unterschiedliche Entwicklung der hypertensiven Herzerkrankung zu erwarten ist. Es kann aber ganz allgemein gesagt werden, dass eine hypertensive Herzerkrankung in der hier vorliegenden Ausprägung (immerhin mit einem enddiastolischen Septumdurchmesser von ca. 18 mm; Norm bis etwa 11 mm) sich innerhalb eines längeren Zeitraumes als lediglich sechs Jahren ausgebildet haben wird. Somit kann mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass die Folgeerscheinung der Bluthochdruckerkrankung in Gestalt der hypertensiven Herzerkrankung bereits in 07/2005 vorlag. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig , soweit die Beklagte die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB abgelehnt hat.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB.

Entscheidungsgründe:

Nach § 69 Abs 2 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs 1 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) festgelegten Maßstäbe entsprechend (§ 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt (§ 69 Abs 3 Satz 1 SGB IX). Den Entscheidungen gemäß § 69 SBG IX waren im Einzelnen bis zum 31.12.2008 die " Anhaltspunkte" für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht" - AHP - und sind ab dem 01.01.2009 die Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VMG - (abgedruckt als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin Verordnung vom 10.12.2008, BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008) zugrunde zu legen. Nach den VGM (vgl. hierzu im Einzelnen Teil A Nr. 3, S. 10) ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Vorliegend ist rückwirkend ein GDB von 50 nicht bewiesen.

Dies hat sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs¬und Streitverfahrens ergeben, insbesondere aus den schlüssigen und überzeugend begründeten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen.

Das Gutachten ist aufgrund umfassender Untersuchung des Klägers nach ausführlicher Anamnese- und Befunderhebung und unter Berücksichtigung sämtlicher in den Akten befindlicher medizinischer Unterlagen erstellt worden. Das Gericht hatte keine Bedenken, sich den Ausführungen der Sachverständigen vollinhaltlich anzuschließen und sie zur Grundlage seiner medizinischen Beurteilung zu machen. Der Gutachter ist dem Gericht als erfahrener Sachverständiger auf dem Gebiet der Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht bekannt. Die Bewertung orientiert sich zutreffend an dem VMG. Der Sachverständige hat zur Frage der zeitlichen Einordnung der Verschlimmerung beim Kläger ausgeführt, dass ein GdB von 50 bereits ab dem 22.07.2005 nach den allgemeinen Erfahrungen der "Medizin" überwiegender Wahrscheinlichkeit Vorgelegen hat. Damit ist aber die tatsächliche Voraussetzung des GdB s 50 ab dem 22.07.2005 gerade nicht bewiesen. Notwendig für eine positive Entscheidung ist hier grundsätzlich, dass zumindest der Vollbeweis des GdB 50 zum begehrten Zeitpunkt vorliegt. Vollbeweis heißt, dass keine vernünftigen Zweifel mehr vorliegen. Der Sachverständige hat aber hierzu überzeugend ausgeführt, dass er nur mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit sagen kann, dass zum begehrten Zeitpunkt die Einschränkung beim Kläger schon so schwerwiegend waren. Dies reicht aber gerade für den Vollbeweis nicht aus. Im Übrigen steht dem Anspruch des Klägers auch entgegen, dass er kein besonderes Interesse an einer rückwirkenden Feststellung eines höheren GdB s geltend machen kann. Grundsätzlich hat das Bundessozialgericht der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente für schwerbehinderte Menschen als besonderes Interesse anerkannt (BSG, B 9 SB 1/11 R, 16.02.2012, Rdnr. 38). Nach § 34 Abs. 4 SGB VI, auf den die Deutsche Rentenversicherung O in ihrer Bescheinigung vom 09.10.2009 (Bl. 155 der Gerichtsakte) richtig hinweist ist für den Kläger jedoch ein Wechsel in eine andere Altersrentenart ausgeschlossen. Er erhält gemäß dem bindenden Bescheid vom 07.09.2006 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Damit war ab diesem Zeitpunkt ein Wechsel von einer verbindlich festgestellten Altersrente in eine andere Altersrente - wie vom Kläger begehrt in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen - nicht mehr möglich. Denn der Kläger bezog Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (so auch BSG, 26.07.2007, B 13 R 44/06 R, Rdnr. 11; bestätigt durch BSG, 26.07.2007, B 13 R 44/06 R). Wenn aber aus rentenrechtlichen Gründen der Wechsel hier in eine andere Rentenart ausgeschlossen ist, wovon die Kammer ausgeht, da der Kläger im Termin erklärt hat,dass kein rentenrechtliches Verfahren mehr läuft, so kann sich daraus auch kein Rechtsinteresse an einer rückwirkenden Feststellung eines höheren GdB s ergeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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