L 31 AS 1662/19 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 171 AS 7648/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 1662/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2019 aufgehoben. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerinnen wird zurückgewiesen. Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Den Antragstellern wird auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des aus dem Rubrum ersichtlichen Rechtsanwaltes bewilligt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass er mit Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2019 verpflichtet worden ist, den Antragstellerinnen für den Zeitraum September 2019 bis Dezember 2019 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 787,67 EUR monatlich zu gewähren.

Die am 12. Januar 1995 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der am 23. Juli 2018 geborenen Antragstellerin zu 2). Sie sind kroatische Staatsbürger. Die Antragstellerin zu 1) übte bis zum 28. September 2018 eine weniger als ein Jahr lang andauernde Berufstätigkeit aus. Vom 23. Juli 2018 bis zum 22. Juli 2019 bezog die Antragstellerin zu 1) Erziehungsgeld aufgrund der Geburt der Antragstellerin zu 2). Im April 2019 nahmen sie den am 20. September 1995 geborenen Vater der Antragstellerin zu 2), Herrn A S, der bosnischer Staatsangehörigkeit ist, in ihre Wohnung auf. Gegenwärtig ist die Antragstellerin zu 1) erneut von diesem schwanger. Voraussichtlicher Entbindungstermin ist der 25. April 2020. Einen Aufenthaltstitel für Herrn A S ist trotz mehrmaliger Aufforderung durch den Antragsgegner bisher nicht vorgelegt worden.

Der Antragsgegner bewilligte den Antragstellerinnen zunächst im 1. Halbjahr 2019 Leistungen. Nachdem im Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerinnen vom 1. Juli 2019 der Einzug des Herrn A S und die Tatsache, dass dieser Arbeitseinkommen erziele, mitgeteilt worden war, forderte der Antragsgegner die

Antragstellerinnen mit Schreiben vom 5. Juli 2019 unter anderem dazu auf, den Verdienst des Herrn A S mitzuteilen. Nachdem die geforderten Unterlagen nicht übersandt worden waren, versagte der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. Juli 2019 gemäß § 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) die Leistung ab dem 23. Juli 2019.

Am 9. August 2019 beantragten die Antragstellerinnen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und machten unter anderem geltend, Herr A S sei nicht der Ehemann der Antragstellerin zu 1), sondern lediglich der Vater der Antragstellerin zu 2). Man sei getrennt. Er wohne lediglich wegen des Kindes in derselben Wohnung. Es gebe kein gemeinsames Haushalten, keine gemeinsamen Konten oder Kassen, jeder kaufe für sich ein, man schlafe getrennt. Es sei ihnen nicht möglich, Angaben über den Verdienst des Herrn A S zu machen.

Mit Beschluss vom 3. September 2019 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellerinnen vorläufig ab dem 3. September 2019 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2019, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 787,67 EUR monatlich zu gewähren und zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, zwar verblieben Zweifel, inwieweit die Antragstellerinnen hilfebedürftig seien, denn es sei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend feststellbar, ob diese mit dem Kindesvater, der im April 2019 in die Wohnung gezogen sei, eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II bilden würden oder nicht. Es sei daher anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, die vorliegend zugunsten der Antragstellerinnen ausgehe. Zu gewähren seien der Partner-Regelbedarf für die Antragstellerin zu 1), der Regelbedarf für die Antragstellerin zu 2) sowie 2/3 der Unterkunftskosten. Abzuziehen sei von diesem Bedarf das monatliche Kindergeld. Es ergebe sich damit der monatliche Betrag i.H.v. 787,67 EUR.

Gegen den ihm am 5. September 2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 9. September 2019 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Er weist zunächst darauf hin, dass der Versagungsbescheid vom 29. Juli 2019 im Rahmen des Widerspruchsverfahrens aufgehoben worden sei, so dass über den Weiterbewilligungsantrag vom 1. Juli 2019 noch zu entscheiden sei. Grundsätzlich weist er darauf hin, dass die Antragstellerinnen unabhängig von der Frage, in welcher Höhe Einkommen des Herrn A Szu berücksichtigen sei, keinen Leistungsanspruch hätten, da sie dem Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II unterlägen. Im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft ist er der Ansicht, dass bisher kein Anordnungsgrund vorliege, da es an dem Nachweis der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage fehle. Im Hinblick auf die Regelbedarfe weist er darauf hin, dass im einstweiligen Rechtsschutz in der Regel lediglich 70-80 % der Regelleistung zu bewilligen seien, um eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss vom 3. September 2019 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Antragstellerinnen beantragen,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2019 dahingehend zu ändern, dass Leistungen bereits ab 9. August 2019 (Eingang des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Berlin) zu gewähren seien.

Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts im Wesentlichen für zutreffend, haben aber im Hinblick auf den Beginn der Leistung ebenfalls Beschwerde eingelegt. Soweit der Antragsgegner davon ausgehe, dass die Antragstellerinnen dem Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II unterlägen, sind sie der Ansicht, dass sie aufgrund der bis zum 28. September 2018 andauernden Arbeitstätigkeit der Antragstellerin zu 1) noch einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bis zum 22. Januar 2020 hätten. Die Antragstellerin zu 1) habe sich bis zum 22. Juli 2019 in Elternzeit befunden und Elterngeld bezogen. Im Anschluss an diese Frist bleibe die Arbeitnehmereigenschaft für weitere 6 Monate bestehen, dies folge aus § 2 Abs. 3 S. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU. Nach dieser Vorschrift werde es einem EU-Bürger nach seiner Kündigung für 6 Monate gestattet, in Deutschland auf Arbeitssuche zu gehen. Damit dieser Zweck erfüllt werden könne, müsse dieser Anspruch neben dem aus § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU, nachdem die Arbeitnehmereigenschaft für ein Jahr nach der Geburt bestehen bleibe, bestehen und addiert werden.

Mit bei Gericht am 12. November 2019 eingegangenem Schreiben haben die Antragstellerinnen Lohnabrechnungen des Herrn A S für die Zeit von Juni bis August 2019 sowie für den Monat Oktober 2019 übersandt (im Hinblick auf die Einzelheiten dieser Lohnabrechnungen wird auf Blatt 124 bis 126 sowie 129 der Gerichtsakte verwiesen).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte des Antragsgegners.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Antragstellerinnen haben im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Wege einstweiligen Rechtsschutzes.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind. Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung, bzw. wenn diese wegen notwendiger Ermittlungen im Eilrechtsschutzverfahren nicht durchführbar ist, eine Folgenabwägung erforderlich, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 Rn 23 - Breith 2005, 803, vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 86 b Rn. 29, 29a). Dabei ist auch bei Vornahmesachen einstweiliger Rechtsschutz jedenfalls dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002, Az. 1 BvR 1586/02, zitiert nach juris, m. w. N.).

Unter Beachtung dieser Vorgaben besteht - anders als vom Sozialgericht Berlin entschieden - ein Anspruch der Antragstellerinnen auf die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes vorliegend nicht.

Ein Anordnungsanspruch aus den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 SGB II scheitert daran, dass die Antragstellerin zu 1) und ihre mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter, die Antragstellerin zu 2) im streitigen Zeitraum dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterlagen bzw. weiterhin unterliegen. Als Unionsbürgerin darf sich die erwerbsfähige Antragstellerin zu 1) gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zwar zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, ein Anspruch auf Leistungen bestand und besteht dabei jedoch nicht, weil nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen von Leistungen ausgenommen sind. Etwas anderes gilt nach Satz 4 der Vorschrift lediglich für u.a. Ausländerinnen, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, was für die Antragstellerin zu 1) nicht einschlägig ist. Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses sind erfüllt, weil sich die Antragstellerin zu 1) im streitigen Zeitraum lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielt bzw. weiter aufhält.

Ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche bestand bzw. besteht für die Antragstellerin zu 1) im streitigen Zeitraum nicht. Soweit die Antragstellerin zu 1) bis zu ihrer Kündigung zum 28. September 2018 ein Arbeitsverhältnis hatte, kann - wie der Antragsgegner zutreffend ausgeführt hat - aus diesem Arbeitsverhältnis kein Aufenthaltsrecht mehr folgen. Zwar bleibt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung das aus § 2 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU bestehende Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer während der Dauer von sechs Monaten unberührt. Dieser Zeitraum ist jedoch am 28. März 2019 abgelaufen. Der 6-Monats-Zeitraum gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU beginnt auch keinesfalls erst nach Ablauf der Elternzeit bzw. der Elterngeldgewährung, denn selbstverständlich lässt sich die Elternzeit zur Arbeitssuche nutzen, sodass schon aus diesem Grund keine Notwendigkeit bestehen würde, eine 12-monatige Elternzeit durch eine weitere 6-monatige Zeit der Arbeitssuche zu verlängern.

Zwar hat der EuGH anerkannt, dass eine der Fallgruppen der Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft auf unmittelbarer Grundlage des Art. 45 AEUV, der Fall der unfreiwilligen Arbeitsunterbrechung infolge einer Schwangerschaft ist (EuGH, U. v. 19.06.2014 - C-507/12 - Saint Prix, Rn. 40). Der Gerichthof bezieht sich zur Begründung auf Art. 16 Abs. 3 RL 2004/38/EG, der eine Regelung zur Berechnung des ununterbrochenen fünfjährigen Aufenthalts im Mitgliedstaat zur Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts enthält. Danach berührt die Abwesenheit aufgrund eines wichtigen Ereignisses wie einer Schwangerschaft oder Niederkunft nicht den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts, wenn die Abwesenheit höchstens 12 aufeinanderfolgende Monate andauert. Wenn der Erwerb des Daueraufenthaltsrechts durch eine Abwesenheit im Mitgliedstaat über die Dauer von höchstens 12 Monaten nicht berührt wird, "können körperliche Belastungen im Spätstadium einer Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt des Kindes, die eine Frau zur vorübergehenden Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit zwingen, für die Betroffene erst recht nicht zum Verlust der Arbeitnehmerstellung führen" (EuGH, U. v. 19.06.2014 - C-507/12 - Saint Prix, Rn. 46). Die Tatsache, dass die mit der Schwangerschaft verbundenen Belastungen eine Frau zwingen, die Ausübung einer Arbeitnehmertätigkeit während des für ihre Erholung erforderlichen Zeitraums aufzugeben, ist daher grundsätzlich geeignet, ihr die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 45 AEUV zu erhalten.

Daraus wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gefolgert, dass man grundsätzlich - wenn nicht atypische Umstände vorliegen - davon ausgehen kann, dass eine Frau erst mit Ablauf der Mutterschutzfrist die Arbeitnehmerstellung verliert. Da es sich bei der Konkretisierung der Dauer der Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft in Fällen der Schwangerschaft um eine unionsrechtliche Fragestellung handelt, kann diese nur mittels eines unionsrechtlichen Maßstabs erfolgen. Dies wird deutlich, wenn man die Rechtslage in anderen EU-Mitgliedstaaten in Blick nimmt. So beträgt die Schutzfrist nach Entbindung im Vereinigten Königreich 15 Wochen. Maßstab bildet - worauf der EuGH in der Rechtssache Sanit Prix hingewiesen hat - Art. 8 RL 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1). Dieser bestimmt: "Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird, die sich entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen." Da die deutschen Regelungen des Mutterschutzrechts richtlinienkonform sind (6 Wochen vor der Entbindung und 8 Wochen nach der Entbindung), wird man auch unionsrechtlich auf die Mutterschutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG, d.h. auf die Dauer von 8 Wochen nach der Entbindung, zurückgreifen können.

Da der Gerichtshof den Ablauf des Zeitraums der Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft an die für die "Erholung" der Mutter notwendige Zeit knüpft, kann die Frist nicht durch Erziehungsurlaub verlängert werden (so auch Schlussantrag des Generalanwalts Wahl vom 12.12.2013 - C-507/12 - Saint Prix, Rn. 24). Denn der Erziehungsurlaub dient nicht der Erholung der Mutter von den Strapazen der Schwangerschaft, sondern dient der Sorge und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren (vergleiche zum Ganzen: VG Darmstadt, Urteil vom 01. Dezember 2016, 5 K 475/15.DA, zitiert nach juris, dort RN 24 ff.).

Damit endete die Freizügigkeit der Antragstellerin zu 1) gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU acht Wochen nach Entbindung der Tochter am 23. Juli 2018, mithin am 17. September 2018. Die Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft auf der Grundlage des Art. 45 AEUV begann mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 29. September 2018; die hieran anschließende 6-Monatsfrist des § 2 Abs. 3 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU endete am 28. März 2019. Ein Aufenthaltsrecht ab 29. März 2019 ergab sich damit zur Überzeugung des Senats lediglich noch aus dem Recht auf Aufenthalt zur Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU.

Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerinnen lässt sich vorliegend auch nicht von Herrn A S ableiten, denn sein Aufenthaltsrecht ist bisher trotz mehrmaliger Aufforderung durch den Antragsgegner nicht nachgewiesen worden.

Der Senat hat sich auch nicht gedrängt gesehen, das einstweilige Rechtsschutzverfahren in der Beschwerde durch eine Beiladung des mit der Rechtssache noch nicht befassten SGB XII-Trägers weiter zu verzögern. Sollte die Antragstellerin zu 1) meinen, hier Ansprüche wegen eines sogenannten "verfestigten Aufenthalts" geltend machen zu können, kann sie sich direkt mit einem Antrag an den Träger wenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Den Antragstellerinnen war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da es auf eine Erfolgsaussicht der Berufung gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung nicht ankam.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht statthaft (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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