S 31 AS 59/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 59/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 01. Februar 2006 bis 31. Mai 2006 monatlich weitere 108,55 EUR auszuzahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt 9/10 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Dem Antragsteller wird für den Antrag Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Scheminowski bewilligt.

Tatbestand:

Gründe:

I.

Der Antragsteller beantragte am 12. Dezember 2005 erstmals Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Er wohnt allein in einer Wohnung mit drei Zimmern und einer Küche. Die Fläche der Wohnung umfaßt 60 qm. Die Kaltmiete beträgt monatlich 220,00 EUR, die Vorauszahlung für Betriebskosten beläuft sich monatlich auf 50,00 EUR und die Vorauszahlung für Heizkosten für die Gaszentralheizung auf monatlich 68,00 EUR. Der Antragsteller gab an, er übe ein Gewerbe als Innenarchitekt aus und werde das Gewerbe weiterhin ausüben. Er habe zwei Aufträge für Mitte 2006 in Aussicht. Zum Wohnen würden ca. 40 qm genutzt. Ein Sachbearbeiter der Antragsgegnerin ging davon aus, daß die Obergrenze für die Nettokaltmiete beim Antragsteller bei einer Wohnung von 45 qm 219,15 EUR betrage.

Mit Bescheid vom 06. Januar 2006 bewilligte die Antragsgegnerin ab 12. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 Leistungen nach SGB II. Die Höhe der zugebilligten Leistungen und deren Begründung sind aus dem Bescheid selbst heraus nicht nachvollziehbar. Aus dem Gesamtinhalt der Verwaltungsakte ergibt sich folgendes: Wegen einer teilweisen gewerblichen Nutzung der Wohnung berücksichtigte die Antragsgegnerin nur jeweils 2/3 der Miete, der Nebenkosten und der Heizkostenvorauszahlung. Ferner setzte sie einen Betrag von 18 % von der Heizkostenvorauszahlung wegen der im Regelsatz bereits enthaltenen Kosten für Warmwasserzubereitung ab. Für die Unterkunftskosten wurden also 217,17 EUR berücksichtigt. Dagegen legte der Antragsteller am 20. Januar 2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, er sei nicht zum Umzug aufgefordert worden. Die Wohnung werde nicht mehr zu 1/3 gewerblich genutzt. Die jetzige Wohnung habe kein Bad und die Toilette befinde sich auf dem Flur. Er sei zum Umzug aus dieser Wohnung bereit. Er habe nach seiner Auffassung sogar ein Recht auf einen Umzug. Es gebe im Haus eine weitere Wohnung von ca. 43 qm. Die Kaltmiete für jene Wohnung betrage ebenfalls 220,00 EUR. Die Nebenkosten und Heizkosten betrügen zusammen 150,00 EUR. Falls die Antragsgegnerin dem Umzug zustimme, werde er in diese Wohnung umziehen. Der Widerspruch und der Antrag auf Umzug sind bisher nicht entschieden.

Am 17. Februar 2006 hat der Antragsteller den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er macht geltend, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die vollen Kosten für die Unterkunft und die Heizung zumindest für ein halbes Jahr zu übernehmen. Unter den vollen Unterkunftskosten versteht der Antragsteller die Miete von 220 EUR zuzüglich 50 EUR und 68 EUR für Nebenkosten bzw. Heizung. Er macht also weitere 120,83 EUR geltend.

Der Antragsteller hat eine eidesstattliche Versicherung eingereicht. Danach benutze er die Wohnung nicht mehr gewerblich. Seit 1 ½ Jahren habe er keine Aufträge mehr erhalten. Er habe der Antragsgegnerin bereits den Umzug in eine andere Wohnung vorgeschlagen. Allerdings sei diese Wohnung teurer als die alte Wohnung. Er könne mit der jetzigen Leistungshöhe die Wohnung nicht halten. Er sei bereits mit Miete in Rückstand.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die vollen Kosten für die Unterkunft zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, sie gehe nach wie vor von einer gewerblichen Teilnutzung der Wohnung aus. Bei Änderung der Verhältnisse im Bezug auf die gewerbliche Nutzung der Wohnung sei sie allerdings bereit, die Entscheidung dahingehend zu überprüfen, inwieweit die tatsächlichen Kosten für eine Übergangszeit übernommen werden könnten. Der Antragsteller habe jedoch noch einen Antrag auf Zustimmung zu einem Umzug bei ihrer Leistungsabteilung zu stellen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Streitakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin.

Entscheidungsgründe:

II.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine einstweilige Anordnung kann auch getroffen werden zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher, nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 294 Zivilprozeßordnung, also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen.

Der Antrag konnte teilweise Erfolg haben.

Es mag zwar sein, daß die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch sind, weil der Antragsteller eine Wohnung von 60 qm zur Verfügung hat anstelle der ihm maximal zustehenden 45 qm. Die Antragsgegnerin mag auch damit Recht haben, daß sie nicht dafür zuständig ist, Kosten für Gewerbefläche zu übernehmen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind jedoch die tatsächlichen Unterkunftskosten auch bei Überschreiten des angemessenen Umfangs solange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich ist, die Aufwendungen zu senken.

Hier ist der Kammer nicht ersichtlich, wie der Antragsteller die tatsächlich anfallende Kaltmiete und die tatsächlich anfallenden Betriebskosten ad hoc senken könnte. Es ist nicht ersichtlich, daß der Antragsteller sich von einem etwaig gewerblich genutzten Anteil seiner Wohnung trennen könnte, um seine Kosten zu senken. Insofern handelt es sich um Kosten für Unterkunft und etwaiges Gewerbe, die untrennbar voneinander anfallen. Die Kammer weist insoweit auch darauf hin, daß der Antragsteller ausdrücklich den Umzug in eine kleinere Wohnung bereits am 20. Januar 2006 beantragt und damit Bemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten unternommen hat. Es ist unverständlich, daß die Antragsgegnerin diesem Antrag nicht nachgegangen ist. Allerdings weist die Kammer unter dem Gesichtspunkt der Steuerzahler auch darauf hin, daß es auf den ersten Blick befremdlich erscheint, den Antragsteller zu bestimmen, in eine kleinere, aber teurere Wohnung umzuziehen.

Im Übrigen kann allerdings nicht der volle Betrag der Heizkostenvorauszahlung berücksichtigt werden. Der Antragsteller hat nichts vorgetragen, was gegen den Abzug des üblichen Anteils von 18 % für die ohnehin im Regelsatz enthaltenen Kosten für Warmwasserzubereitung sprechen könnte. Es kommt insofern von vorneherein lediglich ein Betrag von 68 EUR abzüglich 18% (=12,24EUR), also 55,76 EUR in Betracht.

Ferner erscheint es der Kammer zwar durchaus zumutbar, daß der Antragsteller seine Heizkosten senkt. Die Wohnung besteht aus drei Zimmern und umfaßt eine Fläche von 60 qm. Insofern ist dem Antragsteller zuzumuten, durch Nichtbenutzung eines Raumes die Heizkosten zumindest auf eine Fläche von 45 qm zu beschränken. Allerdings ist nicht ersichtlich, wie der Antragsteller ad hoc die Heizkostenvorauszahlungspauschale senken könnte.

Der dem Antragsteller zuzusprechende Betrag berechnet sich demnach wie folgt: Miete 220,00 EUR plus Betriebskosten 50,00 EUR plus 55,76 EUR Heizkosten. Dies ergibt einen Betrag von monatlich 325,76 EUR. Gezahlt werden von der Antragsgegnerin 217,17 EUR, so daß der Anspruch sich auf 108,55 EUR monatlich beläuft.

Die Eilbedürftigkeit der Entscheidung ist hier durch eidesstattliche Versicherung hinreichend glaubhaft gemacht.

Leistungen vor dem Antragsmonat können dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung nicht zugesprochen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von 193 SGG.

Dem Antragsteller war Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, weil sein Antrag hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Rechtskraft
Aus
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