S 6 SF 313/17 E

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 6 SF 313/17 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Die dem Antragsteller für die Erstellung des Gutachtens vom 16.01.2017 zustehende Vergütung wird auf 2.973,81 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Gründe:

I.

In dem Rechtsstreit (Az.: S 6 KN 332/15) erstattete der Antragsteller auf Grund der Beweisanordnung des Sozialgerichts Dortmund vom 30.09.2016 das fachorthopädische-fachchirurgische Gutachten vom 16.01.2017.

Mit Schreiben ebenfalls vom 16.01.2017 stellte er unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 75,00 EUR folgende Vergütung für seine Tätigkeit in Rechnung:

1. Erster Untersuchungstermin 18.11.2016, von 16.30 Uhr bis 14.45 Uhr gewartet, Kläger mehrfach angerufen, nicht mehr erschienen, Verlegung des Termines = 1,75 Std. 2. Untersuchung 28.11.16, 17.00 bis 20.00 Uhr = 3,00 Std. 3. Aktenstudium, 541 Seiten (100 Seiten à 1 Std.) = 5,41 Std. 4. Diktat und Durchsicht (64 Seiten à 1 Std.) = 10,67 Std. 5. Zusammenfassung und Beurteilung (23 Seiten) = 23,00 Std.

Summe Stunden = 43,84 (44)

à 75,00 EUR = 3.300,00 EUR.

Ferner stellte der Antragsteller noch Schreibgebühren, Kosten für Testuntersuchungen nach GoÄ und Kosten für Porto, Verpackung und Versand in Rechnung, sodass sich die Rechnungssumme unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer von 19 % auf insgesamt 4.043,35 EUR belief.

Mit Schreiben vom 13.02.2017 setzte die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Dortmund die Rechnung auf einen Betrag von 2.795,43 EUR fest. Zur Begründung gab sie nach Darlegung allgemeiner kostenrechtlicher Grundsätze u.a. an: Die allgemeine Rechtsprechung gehe von dem Erfahrungssatz aus, dass ein Sachverständiger für Diktat und Korrektur von etwa 6 Textseiten eine Stunde benötige. Testpsychologische Untersuchungen seien nach Zeit abzurechnen. Bei Untersuchungen, die in den Praxisräumen oder in der Klinik durchgeführt würden, sei es dem Gutachter möglich, die Zeit, die durch das Warten auf den zu Untersuchenden entstehe, anderweitig zu nutzen, so dass eine zusätzliche Entschädigung nicht in Betracht komme.

Die Höhe der Festsetzung errechne sich daher wie folgt: Aktenstudium 562 Seiten 6 Std. Untersuchung 3 Std. Diktat und Korrektur 99.000 Anschläge 10 Std. Beurteilung/Beantwortung Beweisfragen 11 Seiten 11 Std. Gesamt: 30 Std. à 75,00 EUR = 2.250 EUR.

Hinzu komme die Dokumentenpauschale (99000 Anschläge á 0,90 EUR) mit 89,10 EUR, Porto und Verpackung, sodass die Rechnungssumme unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer von 19 % insgesamt 2.795,43 EUR betrage.

Dagegen wandte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 17.02.2017 und führte u.a. aus: Der erste Untersuchungstermin, der vom Kläger verpasst worden sei, müsse ihm –dem Antragsteller- bezahlt werden, da er nicht in einer Klinik oder in Praxisräumen die Gutachten durchführe, sondern in seiner Freizeit in extra dafür vorgesehenen Räumen, für die er aufkommen müsse. Er habe am 18.11.2016 vorzeitig seine Arbeitstätigkeit beendet, um rechtzeitig um 13.00 Uhr mit dem Gutachten beginnen zu können. Leider sei der Kläger jedoch nicht rechtzeitig gekommen und auch nach mehreren Telefonaten von unterwegs aus sei der Kläger nicht in der Lage gewesen so zu kommen, dass eine Begutachtung noch möglich gewesen wäre. Es sei deswegen notwendig, die 1,75 Stunden zu bezahlen. Die Zusammenfassung und Beurteilung über 23 Seiten sei schlüssig und führe zur Beantwortung der Beweisfragen. Die Zusammenfassung und Beurteilung sei ein schwer zu erstellender, besonders in diesem Falle auf Grund der hochkomplexen Situation mit Berücksichtigung der bisher erstellten Gutachten und unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur und der Leitlinien, Teil des Gutachtens. In der Zusammenfassung werde Schritt für Schritt die Beantwortung der Beweisfragen eingeleitet. Er hätte auch die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen auf 23 Seiten ausdehnen können. Er bitte deswegen um zusätzliche Erstattung zum bisherigen Betrag für 1,75 Stunden (ausgefallener Untersuchungstermin am 18.11.2016) und für 12 Stunden der bisher nicht bezahlten Seiten der Zusammenfassung und Beurteilung. Somit komme ein noch zu erstattender Betrag in Höhe von 13,75 Stunden auf 75,00 EUR in Höhe von 1.031,25 EUR + Umsatzsteuer 19% in Höhe von 195,94 EUR, also ein Gesamtbetrag von weiteren 1.227,19 EUR zustande.

Mit Schreiben vom 14.07.2017 wandte sich der Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen an das Gericht und legte als Vertreter der Staatskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor, ebenfalls "Erinnerung" ein. Er beantragte, die Festsetzung vom 17.02.2017 abzuändern, die Vergütung auf 2.483,05 EUR festzusetzen und die Erinnerung (den Antrag auf richterliche Festsetzung) im Übrigen zurückzuweisen. Zur Begründung des Vergütungsanspruchs wurde angegeben:

Die Höhe der Festsetzung errechne sich daher wie folgt: Aktenstudium 5,41 Std. (wie beantragt) Untersuchung 3,00 Std. (wie beantragt) Ausarbeitung 8,00 Std. Diktat und Korrektur 9,91 Std. = 26,32 Std. aufgerundet auf 26,5 Std. zu je 75,00 EUR = 1.987,50 EUR Dokumentenpauschale (99x0,90) 89,10 EUR GOÄ-Ziffer 857 (2x) 0,00 EUR Porto 10,00 EUR 2.086,60 EUR Zzgl. 19 % Umsatzsteuer 396,45 EUR Summe insgesamt 2.483,05 EUR

Der Zeitaufwand für die Rechnungsposition "ausgefallener Termin am 18.11.2016" könne nicht berücksichtigt werden. Diesbezüglich werde auf die Gründe des Beschlusses des SG Dortmund (Az.: S 18 SF 181/14) vom 16.04.2015 verwiesen. Die Rechnungsposition "Zusammenfassung und Beurteilung" sei mit 8,00 Std. zu vergüten. Zur Begründung dafür werde auf Beschlüsse des LSG NRW (Az.: L 10 SB 48/99, L 4 B 16/04 und L 4 B 11/05) sowie auf Beschlüsse des Sächsischen LSG (Az.: L 1 B 45/01 RJKO) und des Thüringer LSG (Az.: LSF 980/03) verwiesen. Der Gliederungspunkt "Beurteilung" umfasse vorliegend ca. 12 Seiten, wobei die Wiederholung der Beweisfragen in Abzug gebracht werden müsse. Der Zeitaufwand von 23 Stunden erscheine überhöht. Ein höherer Zeitaufwand als 8 Stunden sei nicht gegeben. Der Zeitaufwand Diktat/Korrektur sei mit 9,91 Std. zu berücksichtigen. Der Gesamtaufwand des Gutachtens (98.186 Anschläge) bedinge den zuvor genannten Zeitaufwand (98.186 Gesamtanschläge: 1650 Anschläge/Seite = 59,59 "Normalseiten"; 59,50 Normalseiten: 6 Seiten/Std. = 9,91 Std.). Die Leistungen nach den GOÄ-Ziffern 855, 856 und 857 seien nach Zeit und nicht nach den entsprechenden GOÄ-Ziffern zu vergüten. Schließlich sei die Dokumentenpauschale zu Gunsten des Sachverständigen mit 89,10 EUR (99 x 0,90 EUR) vergütet worden.

Mit Erwiderung vom 09.08.2017 teilte der Antragsteller mit, dass er den Positionen "Aktenstudium 5,41 Std." und "Untersuchung 3,0 Std." zustimme. Den Positionen "Diktat und Korrektur 9,91 Std." und der Streichung der Position GOÄ-Ziffer (2x) stimme er ebenfalls zu. Einer weiteren Kürzung der Position "Ausarbeitung 8,0 Std." der bereits gekürzten Ausarbeitungszeit könne ebenso wenig zugestimmt werden, wie der Streichung der Position "Ausgefallener Termin". Hinsichtlich der zuletzt genannten Position legte der Antragstellung ausführlich den Geschehensablauf am 18.11.2016 dar und erläuterte ergänzend, dass er den Untersuchungsraum angemietet und dafür Kosten bezahlt habe, die nicht angefallen wären, wenn es den Termin nicht gegeben hätte. Er habe aus diesem Raum mehrfach mit dem Telefon mit dem Kläger Kontakt gehabt, um den Weg zu beschreiben. Er habe in dieser Zeit keine anderen Arbeiten erledigen können, weil an dem angemieteten Arbeitsplatz keine anderen Arbeiten auf ihn gewartet hätten. Er habe also nur dagesessen und entweder gewartet oder mit dem Kläger telefoniert. Er habe auch nicht weggehen und etwas anderes erledigen können, weil ja der Kläger hätte wieder anrufen und um Rat fragen können, wie er zum Gutachtensort kommen solle. Die Zeit von 1,75 Std. sei daher gerechtfertigt. Bei der Position "Zusammenfassung und Beurteilung" habe er den Sachverhalt geschildert, die Literatur hierzu angegeben, einen ausführlichen Verlauf für seinen Gedankengang für die Entscheidung angegeben, um seine Entscheidung begründen zu können. Außerdem sei hier die diktatreife Vorbereitung der Beurteilung enthalten. Ferner finde sich hier die eigentliche Gedankenarbeit im Zusammenhang mit der Auswertung der erhobenen Befunde und deren Würdigung im Hinblick auf die Beweisfragen statt. In der reinen Beantwortung der Beweisfragen seien diese zuvor angeführten wesentlichen Bearbeitungsschritte nicht enthalten. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass in dem Gutachten auf Anforderung des Gerichts auch das neurologisch-psychiatrische Zusatzgutachten einzubeziehen gewesen sei, was in der Stundenauswertung des Gerichts bzw. des Revisors durch die Kürzung in keiner Weise berücksichtigt worden sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass die Wiederholung der Beweisfragen durch den Revisor herausgekürzt worden sei. Eine Wiederholung der Beweisfragen erleichtere dem Richter wesentlich die Bearbeitung des Gutachtens, da er nicht dauernd zwischen zwei Unterlagen hin- und herwechseln müsse. Somit sei damit eine deutliche Zeitersparnis beim Bearbeiten vorgegeben und der Lesefluss werde erheblich erleichtert. Eine vergleichsweise Beilegung der Streitigkeit werde angeregt.

Entscheidungsgründe:

II.

Der Antrag auf richterliche Festsetzung sowohl des Antragstellers als auch der Staatskasse (hier zugleich: Antragsgegner) ist gemäß § 4 Abs. 1 JVEG zulässig.

Dem Antragsteller steht eine Vergütung in Höhe von 2.973,81 EUR zu.

Die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder eines Vorschusses gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG erfolgt durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der von der Kostenbeamtin vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch die Kostenbeamtin handelt es sich um eine rein vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. BGH, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68, in: Juris). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos.

Die Vergütung eines Sachverständigen setzt sich gemäß § 8 Abs. 1 JVEG aus dem Honorar für seine Leistungen, dem Ersatz von Fahrtkosten, der Entschädigung für Aufwand und dem Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen zusammen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. Anlage 1 zu § 9 Abs. 1). Das Honorar wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.

Die erforderliche Zeit im Sinne des § 8 Abs. 2 JVEG ist nach einem abstrakten und objektiven Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 26.7.2007, Az.: 1 BvR 55/07; BGH, Beschluss vom 16.12.2003, Az.: X ZR 206/98; LSG NW, Beschluss vom 20.02.2015, Az.: L 15 KR 376/14 B, BayLSG, Beschluss vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15). Angemessen zu berücksichtigen sind dabei der Umfang des dem Sachverständigen unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung der gutachterlichen Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. z.B. Beschluss vom 16.12.2003, Az.: X ZR 206/98, aber auch sozialgerichtlicher Rechtsprechung, vgl. z.B. LSG NW, Beschluss vom 20.02.2015, a.a.O; BayLSG Beschluss vom 10.03.2015, a.a.O., Thüringer LSG, Beschluss vom 5.3.2012, Az.: L 6 SF 1854/11). Eine Schätzung des tatsächlichen Zeitaufwands als Grundlage für das nach Stundensätzen zu bemessende Honorar ist der gesetzlichen Regelung fremd (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.7.2007, Az.: 1 BvR 55/07).

Bei Zugrundelegung der oben genannten Maßgaben ist hinsichtlich der vorliegend (noch) strittigen Vergütungspositionen "Zusammenfassung und Beurteilung" erachtet das Gericht den vom Antragsgegner angegebenen Zeitrahmen für die Position "Ausarbeitung" in Höhe von 8 Std. als zu gering bemessen, zumal der Antragsgegner letztlich auch keine nachvollziehbare Begründung für diese Stundenzahl anführt.

Die Beantwortung der Frage, welcher Zeitaufwand für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen zugrunde zu legen ist, fällt in der Rechtsprechung uneinheitlich aus. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in seinem Beschluss vom 28.05.2015, Az.: L 12 SF 1072/14, auf die unterschiedliche Rechtsprechung der Obergerichte hingewiesen und u.a. hinsichtlich des Zeitaufwandes für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen ausgeführt:

"Soweit die veröffentlichte Rechtsprechung dazu Erfahrungswerte zugrundelegt, wird für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen ganz überwiegend eine Stunde für eine Seite angesetzt (BayLSG, Beschluss vom 18.05.2012- L 15 SF 104/11 - NZS 2012, 959; LSG Hessen, Beschluss vom 11.04.2005 - L 2/9 SF 82/04 - , Juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.11.2011 - L 5 PE 55/10 -, Juris; Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O.; eine Stunde für 1,5 Seiten: Thüringer LSG, Beschluss vom 03.04.2012 - L 6 SF 306/12 B -, Juris). Auch hier gibt es Unterschiede in den Einzelheiten. Vergleicht man mit dem vom Senat bisher angesetzten Erfahrungswert, ist zudem zu berücksichtigen: Bei der Bestimmung der maßgeblichen Seitenzahl lehnen die genannten Entscheidungen entweder eine Umrechnung in Standardseiten ab (Thüringer LSG, LSG Rheinland-Pfalz) oder setzen die Standardseite mit 1800 Anschlägen (Bayerisches LSG, LSG Hessen) oder 2000 Anschlägen (Schleswig Holsteinisches LSG) an; ferner wird das Diktat einem anderen Arbeitsschritt zugerechnet, d. h. extra vergütet. Der Senat hält deshalb auch hier eine gewisse Annäherung für gerechtfertigt und setzt - ohne Änderung seiner Rechtsprechung im Übrigen - für 1,5 Standardseiten einen erforderlichen Zeitaufwand von einer Stunde an. Für eine darüber hinaus gehende Änderung seiner Rechtsprechung sieht der Senat keinen Anlass. Denn der Senat hat stets betont, dass eine pauschale Vergütung von Seitenzahlen nicht dem Gesetz entspricht, sondern dass es für den erforderlichen Zeitaufwand auf inhaltliche Kriterien ankommt und die Angaben des Sachverständigen zu dem von ihm benötigten Zeitaufwand dafür Indizwirkung haben. Wenn die über das Ergebnis der "reinen" Plausibilitätsprüfung hinaus gebotenen weiteren Prüfungsschritte es rechtfertigen, ist im Einzelfall ohne weiteres ein höherer objektiv erforderlicher Zeitaufwand anzuerkennen; gerade im Bereich der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen wird dies nicht selten in Betracht kommen."

Die Ausführungen des LSG Baden-Württemberg zeigen deutlich auf, dass es eine einheitliche Rechtsprechung bezüglich der hier in Rede stehenden Frage nicht gibt. Das erkennende Gericht schließt sich daher nach eigener Prüfung der bislang überwiegend vertretenen Auffassung an, dass für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen eine Stunde für eine Normalseite anzusetzen ist (vgl. aus der jüngeren Zeit auch: OLG Braunschweig, Beschluss vom 12.02.2016, Az.: 1 Ws 365/15). Die davon abweichenden Beurteilungen überzeugen das Gericht nicht, weil diese keine nachvollziehbare Begründung für anders lautende Erfahrungssätze und deren Herleitung aufweisen. Ferner geht das erkennende Gericht davon aus, dass neben der reinen Beantwortung der Beweisfragen auch die regelmäßig in medizinischen Sachverständigengutachten unmittelbar davor niedergelegte Beurteilung oder Zusammenfassung in gleichem Maße zu vergüten ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ausführungen des Sachverständigen unter der Überschrift "Beurteilung" oder "Zusammenfassung" dem Kernbereich des Gutachtens zuzurechnen sind. Dazu zählen auf jeden Fall diejenigen Ausführungen, die inhaltlich der Beantwortung der Beweisfragen und der unmittelbaren Beurteilung dienlich sind (vgl. dazu auch: BayLSG, Beschluss vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, Thüringer LSG, Beschluss vom 04.08.2003, Az.: L 6 F 275/03). In diesem Sinne nicht dienlich sind regelmäßig die Wiedergabe allgemeiner medizinischer Grundsätze oder medizinischer Lehrmeinungen, die bloße Wiederholung anamnestischer Angaben oder des Akteninhalts und der Vorgeschichte. Auch die Wiederholung der Beweisfragen (hier: insgesamt 2 Normalseiten) ist abzuziehen, weil es sich dabei nicht um eine eigenständige Beurteilung handelt.

Bei Zugrundelegung der zuvor genannten Maßstäbe sind von den 26 Seiten Diagnosen und "Beurteilung und Zusammenfassung" (Seite 28 bis 64) in dem Gutachten vom 16.01.2017 zunächst 2 Seiten für die Wiederholung der Beweisfragen in Abzug zu bringen. Auch die Wiederholung des Akteninhalts/der anamnestischen Angaben des Klägers auf Seite 40 und 41 des Gutachtens sind nicht berücksichtigungsfähig. Gleiches gilt für die bloße Anführung von jederzeit in anderen Gutachten wieder verwertbaren "Leitlinien für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen", sodass auch die Seiten 42 bis 44 des Gutachtens abzuziehen sind. Des Weiteren dienen die Ausführungen zur Chronifizierung von Schmerzen auf den Seiten 47 bis 53 des Gutachtens –abgesehen von sehr kurzen Textpassagen inhaltlicher Beurteilung- nicht der unmittelbaren Beantwortung der Beweisfragen. Mithin sind von den 26 Seiten, deren Vergütung hier in Rede steht, 12 Seiten zu berücksichtigen, die eine eigenständige Beurteilung im Rahmen des Kernbereichs eines Gutachtens darstellen.

Schließlich kann der Antragsteller auch die Position "Ausgefallener Termin" vergütet verlangen. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist bei einer Fallkonstellation wie hier auch eine Wartezeit zu vergüten, wenn der Kläger zum Begutachtungstermin nicht erscheint und der Sachverständige –wie hier der Antragsteller- wegen der Besonderheiten der Untersuchungsräume keine andere Tätigkeit ausüben kann. Der Antragsteller hat dazu erläutert, dass er den Untersuchungsraum eigens für Begutachtungen angemietet habe und dafür Kosten bezahlt habe, die nicht angefallen wären, wenn es den Termin nicht gegeben hätte und während der Wartezeit habe er keine anderen Arbeiten erledigen können, weil an dem angemieteten Arbeitsplatz keine anderen Arbeiten auf ihn gewartet hätten. Das Gericht hat keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der so lautenden Angaben des Sachverständigen. Wäre der Kläger zur Untersuchung am 18.11.2016 lediglich zu spät gekommen, müsste die Wartezeit gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 JVEG vergütet werden. Dann kann die "Wartezeit" im Fall des Nichterscheinens des Klägers nicht grundsätzlich abgelehnt werden. Daher erachtet das Gericht eine Vergütung für 1,75 Std. an Wartezeit für geboten und angemessen.

Die weiteren Rechnungspositionen sind zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Somit berechnet sich die Vergütung des Antragstellers wie folgt:

Wartezeit 1,75 Std. Aktenstudium 5,41 Std. Untersuchung 3,00 Std. Ausarbeitung 12,00 Std. Diktat und Korrektur 9,91 Std. = 32,07 Std.

abgerundet auf 32 Std. zu je 75,00 EUR = 2.400,00 EUR

Dokumentenpauschale (99x0,90) 89,10 EUR GOÄ-Ziffer 857 (2x) 0,00 EUR Porto 10,00 EUR 2.499,00 EUR Zzgl. 19 % Umsatzsteuer 474,81 EUR Summe insgesamt 2.973,81 EUR

Soweit dem Antragsteller für die Erstellung des Gutachtens vom 16.01.2017 bereits eine Vergütung gezahlt worden ist, ist diese bei dem noch zu zahlenden Betrag von der im Tenor ausgewiesenen Summe in Abzug zu bringen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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