L 5 EG 17/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 EG 50/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 17/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person im Ausland ist in Verfahren ohne Beteiligung anerkannter Adoptionsvermittlungsstellen nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung eines deutschen Gerichts über die Feststellung der ausländischen Adoption (Anerkennung und Wirkung) oder den Zeitpunkt der Nachadoption abzustellen. Maßgebend sind einzig die tatsächlichen Umstände bei der Haushaltsaufnahme und der darin manifestierte Wille, das Kind als eigenes annehmen zu wollen.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Elterngeld nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig.

Die Klägerin wurde 1965 im Iran geboren. Ende der 1980er Jahre floh sie aus ihrem Heimatland und erhielt Asyl in der Bundesrepublik Deutschland. 1995 heiratete sie den 1964 geborenen C. Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Die Ehe der beiden blieb kinderlos.

Die Eheleute nahmen 2008 Kontakt zur staatlichen Jugendbehörde in E-Stadt ("Behzisti") auf. Nach positiver Rückmeldung der iranischen Behörden reisten sie im Herbst 2008 in den Iran und mieteten dort eine Wohnung an. Nach eingehenden Gesprächen mit verschiedenen Mitarbeitern der zuständigen staatlichen Behörden und dem Leiter eines Kinderheims wurde ihnen Ende Dezember 2008 erlaubt, zu einem von den iranischen Behörden ausgesuchten Kind, den 2006 geborenen D., in einem staatlichen Kinderheim unter gleichzeitiger Beobachtung durch eine Mitarbeiterin des Kinderheims, Kontakt aufzunehmen und D. täglich zu besuchen. Schließlich wurde ihnen mit Beschluss des Amtsgerichts Teheran vom 31. Januar 2009 im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme gestattet, D. für eine sechsmonatige Probezeit bei sich in ihrer E-Stadter Wohnung aufzunehmen. Die Klägerin hielt sich in dieser Zeit durchgängig in E-Stadt auf, während ihr Ehemann zwischen seiner deutschen Arbeitsstelle und der Wohnung in E-Stadt pendelte. In diesen sechs Monaten bestand weiterhin Kontakt mit dem iranischen Jugendamt sowie den Mitarbeitern des Kinderheims, die sich bei verschiedenen Besuchen im Haushalt der Eheleute über das Befinden des Kindes informierten. Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts Teheran vom 25. Juli 2009 wurde richterlich festgestellt, dass nach der sechsmonatigen Probezeit ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei. Den Eheleuten wurde das "endgültige Erziehungsrecht" über den "elternlosen D." erteilt.

Im Herbst 2009 scheiterte die Einreise der Klägerin gemeinsam mit D. in die Bundesrepublik Deutschland daran, dass die zuständigen deutschen Behörden kein Einreisevisum für D. ausstellten.

Der Ehemann der Klägerin beantragte daraufhin am 27. November 2009 die Durchführung des Anerkennungsverfahrens nach dem Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) vor dem Amtsgericht Köln – Familiengericht – unter dem Az. 304 F 279/09 unter Verweis auf die Entscheidung des Amtsgerichts Teheran. Mit Beschluss vom 29. April 2010 lehnt das Gericht den Antrag ab. Der Anwendungsbereich des § 2 AdWirkG sei nicht eröffnet, da keine ausländische Adoptionsentscheidung vorliege. Das iranische Recht als islamische Rechtsordnung kenne eine Annahme als Kind nicht, sondern nur die Begründung eines Pflegekindverhältnisses. Auf die Beschwerde der Eheleute hiergegen erkannte das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Beschluss vom 23. April 2012 unter dem Az. II-4 UF 185/10 die Annahme des Kindes D.C. durch die Eheleute gemäß der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Teheran/Iran, 45. Kammer, vom 25. Juli 2009 gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG an. Das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern war nicht erloschen gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG. Das Annahmeverhältnis stand in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AdWirkG gleich.

Zwischenzeitlich war die Klägerin gemeinsam mit D.C. unerlaubt über Zypern in die Bundesrepublik Deutschland (ohne deutsches Visum für das Kind) eingereist. Dem Kind wurde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) ausgestellt. Der Einzug in die elterliche Hauptwohnung in Frankfurt am Main erfolgte am 12. November 2010. Am 28. Januar 2011 verfügte die Ausländerbehörde eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung) und am 6. Juni 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG für D.C.

Unter dem 3. Mai 2012 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld nach dem BEEG für den 2006 im Iran geborenen D.C. bei dem Beklagten. Sie habe den Jungen bereits 2009 adoptiert, allerdings sei die Annahme erst durch Beschluss des OLG Köln vom 23. April 2012 gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG anerkannt worden.

Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Elterngeld ab. Zur Begründung führte er aus, das Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden könne, wobei einem Elternteil in der Regel nur zwölf Lebensmonate zustünden. Bei Adoptivkindern oder Kindern in Adoptivpflege trete der Monat der Haushaltsaufnahme an die Stelle des Geburtsmonats. Das Elterngeld sei schriftlich zu beantragen. Es werde rückwirkend nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der Antrag eingehe. Der Antrag vom 3. Mai 2012 wirke auf einen Zeitpunkt zurück, in dem kein Elterngeld mehr zugestanden habe, und sei daher abzulehnen.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 14. November 2012 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass erst durch den Beschluss des OLG Köln vom 23. April 2012 eine rechtswirksame Adoption ausgesprochen worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte die ausländische Adoptionsentscheidung keinerlei rechtliche Wirkung in Deutschland gehabt. Es sei daher nicht auf die Haushaltsaufnahme oder den Geburtsmonat, sondern auf den Wirkungszeitpunkt der Adoptionsanerkennung abzustellen, da ein Eltern-Kind-Verhältnis nach dem AdWirkG überhaupt erst mit der Entscheidung des OLG Köln zustande gekommen sei. Ein vorheriger Antrag auf die Gewährung von Elterngeld wäre fruchtlos gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Anspruch auf Elterngeld habe, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebe, 3. dieses Kind selbst betreue und erziehe und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG habe abweichend von § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG Anspruch auf Elterngeld, wer mit einem Kind in einem Haushalt lebe, dass er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen habe. Für Adoptiveltern sei für den Anspruch auf Elterngeld statt des Zeitpunktes der Geburt des Kindes, der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person entscheidend. Bei Auslandsadoptionen sei in Fällen, in denen das Kind im Ausland bereits in die Familie aufgenommen und nach Rückkehr der Familie nach Deutschland das Kind auch in den Haushalt aufgenommen werde, eine im Ausland vorweggenommene Aufnahme in den gemeinsamen Haushalt auch in den Fällen noch nicht rechtskräftiger Adoption anzunehmen. Bestehe ein Anspruch auf Elterngeld ab Aufnahme in den Haushalt, komme es auf den Zeitpunkt der späteren Wirksamkeit der Annahme nicht mehr an. Die Klägerin habe D.C. bereits am 31. Januar 2009 mit dem Ziel der Adoption in Obhut genommen. Dieses Datum trete anstelle des Geburtsdatums. Nach § 4 Abs. 1 BEEG könne Elterngeld längstens nur bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Die maximale Bezugsdauer wäre demnach bis zum 30. März 2010. Elterngeld werde rückwirkend nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der Antrag eingegangen sei. Der Antrag vom 3. Mai 2012 wirke somit auf einen Zeitpunkt zurück, in dem kein Elterngeld mehr zugestanden habe. Daher bestehe keine Möglichkeit dem Widerspruch abzuhelfen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Dezember 2012 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage und begehrte weiterhin die Gewährung von Elterngeld von dem Beklagten. Das Adoptionsverfahren im Iran habe sich über mehrere Monate erstreckt. Erst nach dem Bestehen von Vorprüfungen habe eine sechsmonatige Probezeit begonnen, während der das Kind in ihrem Haushalt in E-Stadt unter der ständigen Aufsicht des dortigen Jugendamtes gewohnt habe. Die Aufnahme in den Haushalt sei durch Gerichtsbeschluss vom 31. Januar 2009 erfolgt. Am 25. Juli 2009 sei durch das Gericht in Teheran die endgültige Adoptionsentscheidung gefällt worden. Während des gesamten Verfahrens hätten sie und ihr Ehemann mit der Überzeugung gehandelt, ein Kind zu adoptieren. Erst bei Beantragung des Einreisevisums für das Kind bei der Deutschen Botschaft in E-Stadt sei ihnen mitgeteilt worden, dass es sich um eine bloße Pflegekindschaft (sog. Kafala) handele. Die Einreise des Kindes sei daraufhin abgelehnt worden. Im Folgenden hätten sie sich um die Anerkennung der ausländischen Adoption nach deutschem Recht bemüht. Jedoch erst mit Anerkennung durch den Beschluss des OLG Köln vom 23. April 2012 habe die iranische Adoptionsentscheidung ihre Rechtswirkung im deutschen Raum entfalten können. Eine für den Beginn des Bezugszeitraumes des Elterngeldes maßgebende Adoptionspflege sei nicht bereits am 31. Januar 2009 mit der bloßen Aufnahme des Kindes im Haushalt begründet worden. Vielmehr sei auf den Tag der Anerkennung der iranischen Adoptionsentscheidung, den 23. April 2012, abzustellen.

Demgegenüber führte der Beklagte wiederholend aus, dass sich das Kind bereits seit dem 31. Januar 2009 im Haushalt der Klägerin befunden habe. Ein Anspruch auf Elterngeld bestünde danach längstens bis zum 30. März 2010. Da der Antrag erst am 3. Mai 2012 eingegangen sei, ergebe sich wegen der verspäteten Antragstellung kein Anspruch auf Elterngeld.

Das Sozialgericht gab dem Begehren der Klägerin durch Urteil vom 17. Februar 2016 statt und hob den Bescheid vom 11. Juni 2012 (gemeint ist wohl der 8. Juni 2012) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2012 auf. Ausgehend von dem Beschluss des OLG Köln zur Wirksamkeit der Adoption vom 24. April 2012 (gemeint ist wohl der 23. April 2012) habe der Beklagte der Klägerin Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages von 300 EUR monatlich für zwölf Lebensmonate zu bewilligen. Zur Begründung führte das Sozialgericht im Wesentlichen aus, dass an die Stelle der Geburt des Kindes bzw. der faktischen Haushaltsaufnahme der Zeitpunkt der Anerkennung der Annahme als Kind nach deutschen Rechtsvorschriften trete und der Klägerin folglich ab diesem Zeitpunkt Elterngeld in Höhe des beantragten Betrages von 300 EUR monatlich für zwölf Monate zu gewähren sei.

Gegen das dem Beklagten am 13. Juni 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Juni 2016 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Der Beklagte trägt wiederholend und vertiefend vor, dass der Gesetzeswortlaut eindeutig formuliert sei. Der Tag der Haushaltsaufnahme sei maßgebend, auch wenn an diesem Tag über die Adoption noch nicht rechtskräftig entschieden gewesen sei. Das Kind sei am 31. Januar 2009 in den Haushalt aufgenommen worden. Ein Anspruch auf Elterngeld hätte daher nur, sofern alle weiteren Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen hätten, bis zum 30. März 2010 bestanden. Die Antragstellung sei jedoch verspätet erfolgt und es stehe kein Elterngeld mehr zu.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu verweist sie auf die nach ihrer Auffassung zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts. Nur die Aufnahme des Kindes im Haushalt im Rahmen einer Adoptionspflege im Sinn der §§ 1744 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 8 AdVermiG begründe einen Anspruch auf Elterngeld nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG. Als sie ihr Kind am 31. Januar 2009 in ihren Haushalt aufnahm, habe keine Adoptionspflege nach deutschem Rechtsverständnis vorgelegen. Bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Anerkennung durch das OLG Köln in seinem Beschluss vom 23. April 2012 seien alle Beteiligten von einer Pflegekindschaft ausgegangen. Von einer rechtlich verfestigten Familienbeziehung sei bis zur Gerichtsentscheidung des OLG Köln keine Rede gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 2016 kann nicht aufrechterhalten bleiben. Der angefochtene Bescheid vom 8. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2012 ist rechtmäßig, sodass die Klägerin hierdurch nicht beschwert ist (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Auf ihren Antrag vom 3. Mai 2012 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Elterngeld für ihren 2006 geborenen Sohn D.C ...

Nach § 1 Abs. 1 BEEG in der Fassung vom 9. Dezember 2010 (a.F.) hat Anspruch auf Elterngeld, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Anspruch auf Elterngeld hat nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG a.F. abweichend von § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG auch, wer mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 sind die Vorschriften des BEEG mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BEEG a.F.). Das Elterngeld ist schriftlich nach § 7 Abs. 1 BEEG in der Fassung vom 17. Januar 2009 (a.F.) zu beantragen. Nach Satz 2 der Vorschrift wird es rückwirkend nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist.

Anspruchsberechtigte können nach § 4 Abs. 1 BEEG in der Fassung vom 17. Januar 2009 (a.F.) sodann in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes Elterngeld beziehen. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG kann Elterngeld nach Satz 2 der Vorschrift ab Aufnahme bei der berechtigten Person für die Dauer von bis zu 14 Monaten, längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften ist festzustellen, dass die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn D.C. dem Grunde nach zwar ab der Beantragung von Elterngeld im Mai 2012 erfüllt und sie zum leistungsberechtigten Personenkreis gehört. Allerdings besteht als Rechtsfolge hiervon dennoch kein Zahlungsanspruch, da der maximale Bezugszeitraum innerhalb der Rahmenfrist zu diesem Zeitpunkt (auch unter Berücksichtigung der dreimonatigen Rückwirkung) bereits abgelaufen ist.

Zur Entstehung des Anspruchs auf Elterngeld ist neben der materiellen Anspruchsberechtigung nach § 1 Abs. 1 BEEG a.F. die verfahrensrechtliche Voraussetzung der Antragstellung erforderlich. Dies folgt aus der zeitlich begrenzten Rückwirkung der Antragstellung als Anspruchsvoraussetzung für das Entstehen des Rechts auf Elterngeld (§§ 38, 40 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB I )). Beide Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin erfüllt.

Maßgebend für die Prüfung, ob ein Anspruch auf Elterngeld für die Klägerin entstanden ist, ist ausgehend vom Zeitpunkt der Antragstellung am 3. Mai 2012 der Zeitraum bis zu drei Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist. In diesem maßgebenden Zeitraum liegen ab Rechtskraft des Beschlusses des OLG Köln vom 23. April 2012 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Elterngeld nach § 1 Abs. 1 BEEG a.F. vor. Die Klägerin hatte damals ihren Wohnsitz wieder in Deutschland und übte keine volle Erwerbstätigkeit aus. Auch lebte sie mit ihrem Kind in einem Haushalt, betreute und erzog es selbst. Mit Beschluss vom 23. April 2012 unter dem Az. II-4 UF 185/10 hatte das OLG Köln die Annahme des Kindes D.C. durch die Eheleute gemäß der rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Teheran/Iran vom 25. Juli 2009 gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG festgestellt. Hiernach steht das Annahmeverhältnis in Ansehung der elterlichen Sorge und der Unterhaltspflicht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AdWirkG gleich. Diese Entscheidung wirkt auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Teheran/Iran vom 25. Juli 2009 zurück und wirkt auch im Verhältnis zum Beklagten (§ 4 Abs. 2 Satz 1 AdWirkG).

Mit § 4 BEEG a.F. werden sodann Zeiträume bestimmt, innerhalb derer der Bezug von Elterngeld möglich ist. Das Gesetz sieht insofern Rahmenfristen vor, die zugleich den maximalen Bezugszeitraum umschreiben. Für welche Zeit im Einzelnen während dieser Fristen Elterngeld gezahlt wird, hängt von der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen einschließlich der Stellung eines schriftlichen Antrags ab.

Die Klägerin kann für ihr angenommenes Kind Elterngeld ab Aufnahme bei ihr für die Dauer von bis zu 14 Monaten, längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes beziehen. Die Aufnahme von D.C. erfolgte am 31. Januar 2009. Der maximale Bezugszeitraum endete mithin am 30. März 2010. Die Beantragung von Elterngeld erfolgte auch unter Berücksichtigung der dreimonatigen Rückwirkung außerhalb dieses maximalen Bezugszeitraums.

Entgegen den Ausführungen der Klägerin hatte sie das Kind D.C. am 31. Januar 2009 im Sinn von § 4 Abs. 1 BEEG a.F. bei sich aufgenommen. Entscheidend für diese Einschätzung ist, dass neben dem tatsächlichen Element auch eine rechtlich verfestigte Familienbeziehung (BT-Drucks. 16/1889, Seite 19) zwischen der Klägerin und dem Kind in diesem Zeitpunkt gegeben ist. Für diese Einschätzung ist nicht allein auf die subjektive Zielsetzung der Annehmenden abzustellen. Diese wird regelmäßig auf die endgültige Adoption des Kindes gerichtet sein, wie die Klägerin selbst ausführt. Gleiches gilt für eine isolierte Betrachtung der rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes im Haushalt. Vielmehr ist eine Gesamtschau im Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Klägerin geboten. Hierbei können vorliegend rechtliche Vorgaben nach dem deutschen Recht keine Auswirkung haben, da sich die Klägerin und ihr Ehemann bewusst für eine Adoption außerhalb des deutschen Rechts und ohne Beteiligung von anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen entschieden haben. Es kann somit weder auf eine Bestätigung des deutschen Jugendamtes, noch auf die Beteiligung von Adoptionsvermittlungsstellen ankommen. Vielmehr ist es sachgerecht, auf den konkreten Ablauf abzustellen.

Die Einreise in den Iran, die Anmietung einer Wohnung sowie die Gespräche mit den staatlichen Behörden und dem Kinderheim sind nicht konkret genug auf ein Kind gerichtet, als das in diesen Zeitpunkten von einer verfestigten Familienbeziehung ausgegangen werden könnte. Etwas anderes gilt jedoch für den Beschluss vom 31. Januar 2009, mit welchem der Klägerin im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme gestattet wurde, D. für eine sechsmonatige Probezeit bei sich in ihrer E-Stadter Wohnung aufzunehmen. In diesem Moment wird die geforderte verfestigte Familienbeziehung zwischen der Klägerin und D.C. manifestiert. In konsequenter Weise wurde mit Beschluss vom 25. Juli 2009 sodann festgestellt, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden war. Spätestens in diesem Zeitpunkt ist die Haushaltsaufnahme im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 BEEG a.F. erfolgt.

Eine weitere Variante zur Bestimmung des Bezugszeitraums – in Gestalt der Rechtskraft einer deutschen familiengerichtlichen Entscheidung – sieht das Gesetz nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht vor. Dieser Wortlaut ist im Übrigen auch das konsequente Resultat der gesetzgeberischen Intention im Rahmen der Einführung des Elterngeldes. Bereits in dem Entwurf zur Einführung des Elterngeldes (BT-Drucks. 16/1889, Seite 2) wurde ausgeführt: "Das Elterngeld unterstützt Eltern in der Frühphase der Elternschaft und trägt dazu bei, dass sie in diesem Zeitraum selbst für ihr Kind sorgen können. Es eröffnet einen Schonraum, damit Familien ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden und sich vorrangig der Betreuung ihrer Kinder widmen können. Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, erhält einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie."

Die Vorstellung, mit der Gewährung von Elterngeld einen Schonraum in der Frühphase der Elternschaft – unabhängig davon, ob es sich um eine Elternschaft durch die Geburt eines leiblichen Kindes oder im Rahmen eines Adoptionsverfahrens handelt – zu schaffen, knüpft an tatsächliche Umstände an. Dies gilt augenscheinlich für die Geburt des leiblichen Kindes und im Rahmen von Adoptionsverfahren mit der tatsächlichen Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Annehmenden. Diese Zeitpunkte sind die maßgebenden Einschnitte bei der Begründung der Elternschaft, in welchem die Antragsteller das Kind in ihrer Haushaltsgemeinschaft aufnehmen und sich der Betreuung und Erziehung widmen. Für den damit beginnenden Bezugszeitraum wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Elterngeldes eine unterstützende Leistung für maximal 14 Monate schaffen. Insoweit führt der Beklagte zutreffend aus, dass der Klägerin auch dann kein Anspruch auf Elterngeld zustehen würde, wenn sie am 31. Januar 2009 ein leibliches Kind geboren hätte. Auch in diesem Fall wär der Antrag auf Gewährung von Elterngeld am 3. Mai 2012 wegen des Ablaufs des maximalen Bezugszeitraums erfolglos geblieben. Eine Besserstellung für Eltern von angenommenen Kindern hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Im Ergebnis hat die Klägerin somit unter keinem rechtlichen Aspekt Anspruch auf Gewährung von Elterngeld gegen den Beklagten. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht zuzulassen. Insbesondere ist grundsätzliche Bedeutung über den vorliegenden Einzelfall hinaus nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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