L 2 SV 2/19 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SF 1/19 DS
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SV 2/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Für Klagen gegen den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Sozialdaten einen Verstoß gegen Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung rügen, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.
2. Wird mit der Klage Auskunft über nicht den Kläger betreffende Sozialdaten begehrt, ist die
Kostenentscheidung nach § 197a SGG zu treffen.
3. Der Streitwert für das Verfahren über die Rechtswegbeschwerde ist dann in der Regel auf 1/5 des Hauptsachestreitwerts festzusetzen.
I. Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 19. März 2019 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig. II. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt. I. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dresden (SG) vom 19.03.2019, mit welchem die Unzulässigkeit des von ihnen gewählten Rechtsweges festgestellt und der Rechtsstreit an das Amtsgericht C ... verwiesen wurde. Mit Schreiben vom 29.12.2018 haben sie Klage vor dem SG mit dem Begehren erhoben, den Beschwerdegegner zu verpflichten, die bei diesem zu X ... gespeicherten Daten offenzulegen. Sie hätten schon mehrfach unter Berufung auf § 83 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. Art. 12 bis 21 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einen entsprechenden Antrag gestellt, ohne dass hierauf reagiert worden sei. Hintergrund sei, dass sie - die Beschwerdeführer – betreffende Daten ohne das Vorliegen von entsprechenden Einwilligungen in die Unterlagen und Akten von X ... eingebracht worden sei. Dies solle offengelegt werden. Der Beschwerdegegner hat hierzu mit Schreiben vom 06.02.2019 ausgeführt, bei Herrn X ... handele es sich um den 1983 geborenen Sohn der Beschwerdeführer. Dieser habe den Beschwerdeführern im Jahr 2015 eine Vollmacht erteilt, für ihn Auskünfte zu dessen Gesundheit beizuziehen. Es sei fraglich, ob diese Vollmacht eine ausreichende Grundlage für eine Aktivlegitimation der Beschwerdeführer sei. Es gebe ein konkretes Auskunftsverlangen der Beschwerdeführer vom 20.06.2018, ferner gebe es weitere Schreiben vom 24.07.2018, 26.07.2018, 01.08.2018 und 31.08.2018. Auf diese Schreiben sei mit Schreiben vom 18.07.2018, 21.08.2018 und 13.09.2018 reagiert worden. Weitere E-mails seien dann nicht mehr beantwortet worden. Der Beschwerdegegner hat dem Schriftsatz vom 06.02.2019 die genannten Unterlagen und eine Übersicht über die zu X ... gespeicherten Daten übersandt. Diesen lässt sich entnehmen, dass die Daten im Zusammenhang mit einer Begutachtung in einer Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung erhoben wurden. Hinsichtlich der vom Beschwerdegegner übersandten Unterlagen wird auf Bl. 13 bis 27 der Gerichtsakte Bezug genommen. Nachdem das SG die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung angehört hatte, hat der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 25.02.2019 ergänzend ausgeführt, er halte das klägerische Begehren zwar für nicht begründet, es werde jedoch von einer Zuständigkeit des SG für das Auskunftsverlangen ausgegangen. Er - der Beschwerdegegner - verarbeite Sozialdaten i.S.v. § 35 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). § 276 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) berechtige ihn ausdrücklich dazu, im Rahmen seiner Tätigkeit Sozialdaten zu erheben und zu speichern und an andere Dienste zu übermitteln, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sei. Die Datenerhebung erfolge vorliegend im Zusammenhang mit einer Angelegenheit, für die im Streitfall das Sozialgericht zuständig sei, so dass keine Zuständigkeit des Amts- bzw. Landgerichtes bestehe. Mit Beschluss vom 19.03.2019 hat das SG den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht C ... verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für Klagen wegen angeblichen Verstoßes gegen Vorschriften der DSGVO nach § 81b SGB X bestehe nur hinsichtlich der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit, für welche die Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig sei. Die Beschwerdegegnerin sei aber ein eingetragener Verein, der keine Sozialdaten im Sinne des § 35 SGB I verarbeite. Der Rechtsstreit habe an das sachlich und örtlich zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs verwiesen werden müssen. Die Beschwerdeführer haben gegen den ihnen am 27.03.2019 zugestellten Beschluss am 24.04.2019 Beschwerde eingelegt. Ihnen sei schleierhaft, wie das SG zu der Ansicht komme, dass der Beschwerdegegner keine Sozialdaten verarbeite. Der Beschwerdegegner hat hierzu mit Schreiben vom 29.05.2019 ausgeführt, auch wenn er kein eigenständiges Rechtsmittel gegen den Beschluss des SG vom 19.03.2019 eingelegt habe, werde der Beschwerde nicht entgegengetreten. Er gehe ebenso wie der Beschwerdeführer davon aus, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.

Gründe:

II.

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. §§ 172, 202 Satz 1 SGG von den Beschwerdeführern form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

§ 81b Absatz 1 SGB X bestimmt, dass für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der DSGVO oder der in ihr enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1, 2 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist.

Gemäß § 51 Abs. 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit u.a. über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte, 2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten, 3. in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, 4. in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, 4a. in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 5. in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung, 6. in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen, 6a. in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, 7. bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, 8. die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen, 10. für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

In Absatz 2 der Vorschrift ist des Weiteren geregelt, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Dies gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit durch § 81b Abs. 1 SGB X, einer Regelung i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 10 SGG (vgl. hierzu Rombach in: Hauck/Noftz, SGB 08/19, § 81b SGB X; s. auch [zu § 81a SGB X] BT-Drs. 18/12611 S. 116) eröffnet.

Nach Ansicht der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegner gegen Art. 15 DSGVO verstoßen und ihnen keine bzw. nicht ausreichend Auskunft nach dieser Vorschrift erteilt. Dabei begehren die Beschwerdeführer Auskunft über ihren Sohn betreffende Sozialdaten, die der Beschwerdegegner erhoben und gespeichert hat; Rechtsgrundlage insoweit ist § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die beim Beschwerdegegner gespeicherten Daten sind auch im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1, 2 SGG, nämlich einer Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 51 Abs.1 Nr. 2 SGG, erhoben und gespeichert worden. Da somit die in § 81b Abs. 1 SGB X normierten Voraussetzungen erfüllt sind, sind die Sozialgerichte zuständig.

Das Beschwerdeverfahren erfordert eine isolierte Kostenentscheidung (zur Notwendigkeit einer Kostenentscheidung für das Verfahren der Rechtswegbeschwerde z.B. BSG, Beschluss vom 01.04.2009 – B 14 SF 1/08 R – juris RdNr. 19 m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 51 RdNr. 74a). Die hiernach zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG. § 183 SGG findet keine Anwendung, da die Beschwerdeführer nicht in ihrer Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch Klage erhoben haben, sondern Auskunft über zu ihrem Sohn gespeicherte Daten begehren. Die Beschwerdeführer sind auch nicht deshalb, weil sie davon ausgehen, dass sie betreffende Daten mit denen ihres Sohnes ohne ihre Einwilligung "vermischt" worden sein könnten, als Versicherte i.S.d. Vorschrift anzusehen. Vielmehr ist maßgeblich, dass ihr Klagebegehren auf Auskunft über die zu ihrem Sohn gespeicherten Daten gerichtet ist.

Da vorliegend die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist, wäre es unbillig, einem der Beteiligten die Kostenlast aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners im Beschwerdeverfahren waren somit der Staatskasse aufzuerlegen und Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29.01.2018 – L 5 KR 452/17 B – juris Rn. 12).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das BSG liegen nicht vor. Die Angelegenheit hat keine grundsätzliche Bedeutung und der Senat weicht weder von einer Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes noch des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab. Damit ist die Entscheidung endgültig.

Der Streitwert war gemäß §§ 197a SGG, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz auf 1.000,00 EUR (1/5 des Hauptsachewertes) festzusetzen. Der Sach- und Streitstand bietet für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte und es ist sachlich nicht gerechtfertigt, das Interesse eines Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren, den Rechtsstreit in dem seiner Meinung nach eröffneten Gerichtszweig zu entscheiden, mit dem Interesse an einer Hauptsacheentscheidung gleich zu bewerten. Das Rechtsweginteresse ist vielmehr deutlich niedriger anzusetzen, wobei aus Gründen der Praktikabilität die Orientierung an einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu erfolgen; ein Fünftel des Wertes der Hauptsache ist insoweit ausreichend (BSG, Beschluss vom 06.09.2007 – B 3 SF 1/07 R – juris Leitsatz 2, Rn. 14). Soweit sich für Rechtswegbeschwerden die Gerichtsgebühr gemäß Nr. 7504 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) nicht nach einem Streitwert richtet, sondern vielmehr eine Festgebühr von 60,00 EUR erhoben wird, ist dies vorliegend nicht einschlägig, da die Regelung nur dann gilt, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 51 RdNr. 74a).
Rechtskraft
Aus
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