L 2 SV 5/19 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SF 3/19 DS
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SV 5/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Für Klagen gegen den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Sozialdaten einen Verstoß gegen Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung rügen, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.
2. Wird mit der Klage Auskunft über den Kläger betreffende Daten begehrt, die in einem engen
Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen Rechtsverhältnissen erhoben wurden, ist die
Kostenentscheidung nach § 193 SGG zu treffen.
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 19. März 2019 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtswegbeschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.

III. Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird nicht zugelassen.

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dresden (SG) vom 19.03.2019, mit welchem die Unzulässigkeit des von ihm gewählten Rechtsweges festgestellt und der Rechtsstreit an das Amtsgericht B ... verwiesen wurde. Mit Schreiben vom 30.12.2018 hat er Klage vor dem SG mit dem Begehren erhoben, den Beschwerdegegner zu verpflichten, die bei diesem zu seiner Person gespeicherten Daten offenzulegen. Er habe schon mehrfach unter Berufung auf § 83 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. Art. 12 bis 21 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einen entsprechenden Antrag gestellt, ohne dass hierauf reagiert worden sei. Der Beschwerdegegner hat hierzu mit Schreiben vom 06.02.2019 ausgeführt, es treffe zu, dass der Beschwerdeführer am 26.07.2019 ein entsprechendes Ersuchen an ihn gestellt habe. Hierauf sei mit Schreiben vom 20.09.2018 reagiert und dem Beschwerdeführer die erbetene Auskunft unter Beifügung von Dokumenten erteilt worden. Das Schreiben vom 20.09.2018 nebst Anlagen sei in Kopie beigefügt. Bei den vom Beschwerdegegner an den Beschwerdeführer hiernach übermittelten Dokumenten handelt es sich um Unterlagen aus dem Jahr 2013, die eine Begutachtung bezüglich einer Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers betreffen; insoweit wird auf Bl. 15 bis 50 der Gerichtsakte verwiesen. Nachdem das SG die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung angehört hatte, hat der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 25.02.2019 ergänzend ausgeführt, er halte das klägerische Begehren zwar für nicht begründet, es werde jedoch von einer Zuständigkeit des SG für das Auskunftsverlangen ausgegangen. Er - der Beschwerdegegner - verarbeite Sozialdaten i.S.v. § 35 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). § 276 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) berechtige ihn ausdrücklich dazu, im Rahmen seiner Tätigkeit Sozialdaten zu erheben und zu speichern und an andere Dienste zu übermitteln, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sei. Die Datenerhebung erfolge vorliegend im Zusammenhang mit einer Angelegenheit, für die im Streitfall das Sozialgericht zuständig sei, so dass keine Zuständigkeit des Amts- bzw. Landgerichtes bestehe. Mit Beschluss vom 19.03.2019 hat das SG den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht B ... verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für Klagen wegen angeblichen Verstoßes gegen Vorschriften der DSGVO nach § 81b SGB X bestehe nur hinsichtlich der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit, für welche die Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig sei. Die Beschwerdegegnerin sei aber ein eingetragener Verein, der keine Sozialdaten im Sinne des § 35 SGB I verarbeite. Der Rechtsstreit habe an das sachlich und örtlich zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs verwiesen werden müssen. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 27.03.2019 zugestellten Beschluss am 24.04.2019 Beschwerde eingelegt. Ihm sei schleierhaft, wie das SG zu der Ansicht komme, dass der Beschwerdegegner keine Sozialdaten verarbeite. Der Beschwerdegegner hat hierzu mit Schreiben vom 29.05.2019 ausgeführt, auch wenn er kein eigenständiges Rechtsmittel gegen den Beschluss des SG vom 19.03.2019 eingelegt habe, werde der Beschwerde nicht entgegengetreten. Er gehe ebenso wie der Beschwerdeführer davon aus, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.

Gründe:

II.

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. §§ 172, 202 Satz 1 SGG vom Beschwerdeführer form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

§ 81b Absatz 1 SGB X bestimmt, dass für Klagen der betroffenen Person gegen einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der DSGVO oder der in ihr enthaltenen Rechte der betroffenen Person bei der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1, 2 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist.

Gemäß § 51 Abs. 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit u.a. über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte, 2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten, 3. in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, 4. in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit, 4a. in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 5. in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung, 6. in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen, 6a. in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, 7. bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, 8. die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen, 10. für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

In Absatz 2 der Vorschrift ist des Weiteren geregelt, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Dies gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit durch § 81b Abs. 1 SGB X, einer Regelung i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 10 SGG (vgl. hierzu Rombach in: Hauck/Noftz, SGB 08/19, § 81b SGB X; s. auch [zu § 81a SGB X] BT-Drs. 18/12611 S. 116) eröffnet.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers hat der Beschwerdegegner gegen Art. 15 DSGVO verstoßen und ihm keine bzw. nicht ausreichend Auskunft nach dieser Vorschrift erteilt. Dabei begehrt der Beschwerdeführer Auskunft über ihn betreffende Sozialdaten, die der Beschwerdegegner erhoben und gespeichert hat; Rechtsgrundlage insoweit ist § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die beim Beschwerdegegner gespeicherten Daten sind auch im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1, 2 SGG, nämlich einer Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 51 Abs.1 Nr. 2 SGG, erhoben worden, da sie zur Klärung einer Arbeitsunfähigkeit erhoben und gespeichert wurden. Da somit die in § 81b Abs. 1 SGB X normierten Voraussetzungen erfüllt sind, sind die Sozialgerichte zuständig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 183 SGG findet Anwendung, da der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als gesetzlich Krankenversicherter Klage erhoben hat. Zwar ist er als solcher nicht pauschal kostenprivilegiert. Vielmehr gilt die Kostenprivilegierung nur im Streit um bestimmte soziale Rechte, wobei maßgeblich ist, ob um das Bestehen eines Versicherungs- oder Sozialleistungsverhältnisses, um Rechte hieraus oder um spezifisch schwerbehindertenrechtliche Feststellungen gestritten wird (Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 183, Rn. 13). Da der Beschwerdeführer jedoch ein Auskunftsrecht im Zusammenhang mit einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit geltend macht und die insoweit erhobenen Daten in engem Zusammenhang mit seiner Eigenschaft als gesetzlich Krankenversicherter stehen, stellt sein Auskunftsrecht ein Recht aus einem Versicherungsverhältnis dar (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 02.11.2010 – B 1 KR 12/10 R – juris Rn. 12).

Das Beschwerdeverfahren erfordert eine isolierte Kostenentscheidung (zur Notwendigkeit einer Kostenentscheidung für das Verfahren der Rechtswegbeschwerde z.B. BSG, Beschluss vom 01.04.2009 – B 14 SF 1/08 R – juris RdNr. 19 m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 51 RdNr. 74a). Da vorliegend die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist, wäre es unbillig, einem der Beteiligten die Kostenlast aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten waren somit der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. hierzu auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29. Januar 2018 – L 5 KR 452/17 B – juris Rn. 12).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das BSG liegen nicht vor. Die Angelegenheit hat keine grundsätzliche Bedeutung und der Senat weicht weder von einer Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes noch des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab. Damit ist die Entscheidung endgültig.
Rechtskraft
Aus
Saved