L 4 KR 537/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 401/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 537/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
- Gemäß § 46 S.2 SGB V in der ab 23.07.2015 geltenden Fassung bleibt ein Anspruch auf Krankengeld bestehen, wenn nach dem Ende der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen derselben Krankheit erst am nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, festgestellt wird.
- Bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss es sich hierbei um eine Folgebescheinigung handeln, mit der eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit festgestellt wird. Eine Erstbescheinigung, mit der Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Krankheit bescheinigt wird, reicht hingegen nicht aus.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. Oktober 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 06.06.2017 bis 13.08.2017.

Der 1954 geborene Kläger war aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld I bei der Beklagten gesetzlich versichert. Ab 26.07.2016 erkrankte er arbeitsunfähig und erhielt von der Agentur für Arbeit bis 05.09.2016 Leistungsfortzahlung. Anschließend bezog er Krankengeld.

Arbeitsunfähigkeit wurde zunächst wegen somatoformer Störung und Kopfschmerzen bescheinigt, später kamen Diagnosen betreffend das rechte Sprunggelenk und teilweise die linke Schulter hinzu. Am 03.02.2017 wurde von der orthopädischen Praxisklinik Dr. H. Arbeitsunfähigkeit wegen Gelenkschmerz Knöchel und Fuß festgestellt. Am 16.03.2017 erfolgte eine Operation am rechten Sprunggelenk. Die orthopädische Praxisklinik Dr. H. stellte Arbeitsunfähigkeit ab 16.03.2017 und mit Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.05.2017 bis zum 05.06.2017 wegen der Diagnosen M24.0 G R (Sonstige näher bezeichnete Gelenkschädigungen - freier Gelenkkörper rechts) und Z48.9 G R (Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff, nicht näher bezeichnet) fest.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte in einer Stellungnahme vom 22.05.2017 aus, eine telefonische Rücksprache mit Dr. H. habe ergeben, dass Arbeitsunfähigkeit abschließend bis 05.06.2017 attestiert worden sei. Mit Bescheid vom 30.05.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Dr. H. habe dem MDK gesagt, dass der Kläger sich ab dem 06.06.2017 für leichte Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen könne. Er erhalte bis zum 05.06.2017 Krankengeld. Spätestens am 06.06.2017 solle er sich wieder bei der Agentur für Arbeit melden. Der Kläger legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Internisten Dr. N. vom 06.06.2017 vor, mit der dieser wegen der Diagnose G44.2 (Spannungskopfschmerz) Arbeitsunfähigkeit bis 09.06.2017 feststellte. Am 09.06.2017 bescheinigte ein Arzt des MVZ S. Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen M75.0 LG (Adhäsive Entzündung der Schultergelenkkapsel), M19.9 LG (Arthrose, nicht näher bezeichnet), M25.4 G (Gelenkerguss), M75.5 LG (Bursitis im Schulterbereich) und M75.1 LG (Läsionen der Rotatorenmanschette) bis 23.06.2017. Nach einem Arztbrief des MVZ vom 09.06.2017 habe sich der Kläger wegen seit längerer Zeit bestehender Beschwerden in der Schulter und seit einigen Wochen deutlicher Beschwerdezunahme und Bewegungseinschränkung vorgestellt.

Nach einem in der Verwaltungsakte befindlichen Telefonvermerk vom 27.06.2017 habe man den Kläger über den Inhalt des Bescheides vom 30.05.2017 informiert, den dieser nicht erhalten habe. Mit Schreiben vom 03.07.2017 legte die Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.05.2017 ein und führte aus, dass es sich ab dem 06.06.2017 um eine andere Erkrankung handele. Sie bat um die Zahlung von Krankengeld ab 06.06.2017.

Mit Bescheid vom 04.08.2017 teilte die Beklagte mit, dass ab dem 06.06.2017 eine Erstbescheinigung mit neuer Diagnose vorliege. Zum Zeitpunkt 06.06.2017 bestehe keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld des Klägers mehr. Die Arbeitsunfähigkeit wegen eines freien Gelenkkörpers rechts sei in Absprache mit dem behandelnden Arzt am 05.06.2017 beendet worden, daher habe auch die Mitgliedschaft zum 05.06.2017 geendet. Eine weitere Zahlung von Krankengeld ab dem 06.06.2017 sei ausgeschlossen. Der Kläger erhob Widerspruch. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2017 zurück. Die Diagnose der Erstbescheinigung vom 06.06.2017 stehe nicht in Zusammenhang mit der Diagnose bis zum 05.06.2017 (freier Gelenkkörper). Daher handele es sich bei der Diagnose ab dem 06.06.2017 um eine neue Erkrankung. Durch den Bezug von Krankengeld habe die Mitgliedschaft bis 05.06.2017 fortbestanden. Ab dem 06.06.2017 bestehe kein Versicherungsverhältnis mehr, das einen Anspruch auf Krankengeld begründe.

Hiergegen hat die Klägerbevollmächtigte am 19.12.2017 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Unzutreffend sei davon ausgegangen worden, dass die neue Diagnose und Erstbescheinigung keine Relevanz mehr habe. Die zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung habe im Übrigen bereits vorab bestanden. Die Leistungen seien zu Unrecht zum 05.06.2017 eingestellt worden. Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Sie gehe von einer Arbeitsfähigkeit vom 06.06.2017 0:00 Uhr bis zur neuen Attestierung einer Arbeitsunfähigkeit aus.

Das SG hat mit Urteil vom 12.10.2018 die Bescheide vom 30.05.2017 und vom 04.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 06.06.2017 bis 13.08.2017 Krankengeld nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren sowie dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die zulässige Klage sei begründet. Die Bescheide vom 30.05.2017 und vom 04.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten auf Grund der Versicherungspflicht nach § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V sei gemäß § 192 Abs.1 Nr.2 SGB V über den 05.06.2017 hinaus bis zum 13.08.2017 erhalten geblieben. Gemäß § 46 S.2 SGB V bleibe der Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt werde, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolge. Voraussetzung des Bestehenbleibens sei jedoch, dass eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit vorliege. Dieselbe Krankheit liege bei einem einheitlichen Krankheitsgeschehen im ursächlichen Sinn vor. Voraussetzung sei ferner, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit festgestellt werde. Der Kläger sei im Zeitraum vom 06.06.2017 bis zum 13.08.2017 aufgrund fortbestehender Schulterbeschwerden in der linken Schulter und dem Spannungskopfschmerz arbeitsunfähig gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten lägen die Voraussetzungen von § 46 S.2 SGB V vor. So ergebe sich aus der dem Gericht vorgelegten Bescheinigung vom 09.06.2018 zum einen, dass bereits seit einigen Wochen deutliche Beschwerden in der linken Schulter vorlägen sowie ein deutlicher Erguss in der Bursa subacromiale. Es sei für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers am 06.06.2017 von 0:00 Uhr bis zu Attestierung des Spannungskopfschmerzes ausgehe. Es hätten neben der bis 05.06.2018 gestellten Diagnose des freien Gelenkkörpers zumindest zu diesem Zeitpunkt auch schon die Schulterbeschwerden vorgelegen, und es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass diese noch nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers geführt hätten. Damit lägen die Voraussetzungen des § 46 S.2 SGB V vor. Zudem finde diese Vorschrift nach ihrer Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/5123, S. 121 zu Nr. 15) auch auf den Fall Anwendung, dass "von einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit auch dann auszugehen ist, wenn zwischen dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit und der ärztlichen Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit ein Wochenende liegt, an dem eine Krankheit hinzugetreten und die Arbeitsunfähigkeit nur noch von der hinzugetretenen Krankheit verursacht ist und zu keinem Zeitpunkt Arbeitsfähigkeit vorlag". Damit sei Mindestvoraussetzung der Anwendung des § 46 S.2 SGB V, dass eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit über das Wochenende hinaus vorliege, unabhängig davon, ob diese Arbeitsunfähigkeit von der zunächst vorliegenden Krankheit oder der hinzugetretenen Krankheit verursacht werde. Mit dieser Regelung einschließlich der Klarstellung bezüglich des Samstags werde der nahtlose Leistungsbezug sichergestellt und für die Versicherten bleibe darüber hinaus ihre Mitgliedschaft als Versicherungspflichtiger aufgrund des Krankengeldbezuges nach § 192 Abs.1 Nr.2 SGB V erhalten.

Die Beklagte hat am 05.12.2018 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Sie hat ausgeführt, nach § 5 Abs.2 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien hätten Ärzte eine Erstbescheinigung auszustellen, wenn zwei getrennte Arbeitsunfähigkeitszeiten mit unterschiedlichen Diagnosen unmittelbar aufeinander folgten. Die auf der Erstbescheinigung vom 06.06.2017 angegebene Diagnose stehe nicht im Zusammenhang mit der Diagnose, die zur Arbeitsunfähigkeit bis 05.06.2017 geführt hätte. Es handle sich daher ab dem 06.06.2017 um eine neue Erkrankung. Durch den Krankengeldbezug habe die Mitgliedschaft bis zum 05.06.2017 fortbestanden. Ab dem 06.06.2017 habe kein Mitgliedschaftsverhältnis bestanden, das einen Anspruch auf Krankengeld begründe. Daran ändere auch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 09.06.2017 nichts. Allein das Vorliegen von Beschwerden führe nicht zu einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit. Wenn Arbeitsunfähigkeit wegen Beschwerden in der linken Schulter vorgelegen hätte, hätten die Ärzte diese Diagnose zur Begründung der Arbeitsunfähigkeit heranziehen müssen. Stattdessen seien andere Diagnosen genannt worden. Es habe vorliegend nicht ein Wochenende zur Unterbrechung des Arbeitsunfähigkeitsnachweises geführt. Wäre die Arbeitsunfähigkeit ab dem 06.06.2017 mit der ursprünglichen Diagnose begründet worden, wäre eine Lücke nicht entstanden.

Der Kläger hat ausgeführt, eine Lücke sei nicht gegeben, auch bei unterschiedlicher Diagnose entstehe ein Anspruch auf Krankengeld nach § 46 S.1 Nr.2 SGB V vom Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Auch eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit am Folgetag wegen einer anderen, neu hinzugetretenen Erkrankung habe eine lückenlose Arbeitsunfähigkeit zur Folge. Es habe beim Kläger zu keinem Zeitpunkt Arbeitsfähigkeit vorgelegen. In der Realität lägen im Übrigen im Regelfall mehrere Diagnosen parallel vor und es werde lediglich eine attestiert.

In der mündlichen Verhandlung am 14.05.2019 wurde mit den Beteiligten erörtert, dass Bedenken hinsichtlich der Anwendung des § 46 Satz 2 SGB V auf den hier zu entscheidenden Fall bestehen. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich darauf berufen, dass auch bis zum 05.06.2017 weitere orthopädische Beschwerden bestanden hätten, für die allerdings keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfolgt sei.

Der Senat hat zu bedenken gegeben, dass der Hinweis im Bescheid vom 30.05.2017, dass er sich bei der Agentur für Arbeit melden solle, dem Kläger nach eigenen Angaben nicht zugegangen und ein Zugang nicht nachzuweisen sei und ihm erst im Telefonat vom 27.06.2017 die Information erteilt worden sei. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung ist auch begründet. Die Bescheide vom 30.05.2017 und vom 04.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2017 sind rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 06.06.2017 bis 13.08.2017 nicht zu. Sein Anspruch auf Krankengeld endete am 05.06.2017. Nach § 44 Abs.1 S.1 SGB V haben Versicherte u.a. dann Anspruch auf Krankengeld, wenn sie mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert und wenn sie arbeitsunfähig sind. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt. Nach § 46 S.1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld bleibt nach Satz 2 jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insofern nicht als Werktage. Der Kläger war bis zum 05.09.2016 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld I bei der Beklagten gesetzlich versichert. Da ein neues Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld nicht entstanden ist, konnte der weitere Krankengeldanspruch nur aus dem Fortbestehen der Mitgliedschaft wegen eines Anspruches auf Krankengeld begründet werden, § 192 Abs.1 Nr.2 SGB V. Nach § 192 Abs.1 Nr.2 SGB V bleibt der Versicherungsschutz erhalten, solange ein Anspruch auf Krankengeld besteht. Der Anspruch auf Krankengeld setzt neben dem Bestehen von Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Feststellung voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfolgt die Bewilligung von Krankengeld entsprechend den ärztlichen Feststellungen regelmäßig abschnittsweise. Veranlasst der Versicherte keine weitere Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit, ohne dass es eines Entziehungsbescheides nach § 48 SGB X bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R). Entsteht eine Lücke in den Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit, führt dies zu einer Beendigung des Krankengeldanspruches und damit bei einer Mitgliedschaft, die nach § 192 Abs.1 Nr.2 SGB V nur noch über einen Anspruch auf Krankengeld aufrechterhalten wird, auch zu einer Beendigung der Mitgliedschaft selbst. Eine spätere Feststellung von Arbeitsunfähigkeit kann den Krankengeldanspruch dann nicht mehr wieder aufleben lassen. Die Mitgliedschaft des Klägers bestand nicht über den 05.06.2017 hinaus fort. Vielmehr stellte der behandelnde Orthopäde Dr. H. eine letzte Folgearbeitsbescheinigung aufgrund der Diagnosen "sonstige näher bezeichnete Gelenkschädigungen - freier Gelenkkörper rechts" und "Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff, nicht näher bezeichnet" am 12.05.2017 aus und bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 05.06.2017. Der MDK führte nach telefonischer Rücksprache mit Dr. H. aus, dieser habe Arbeitsunfähigkeit bis 05.06.2017 abschließend bescheinigt, ab dem 06.06.2017 könne der Kläger sich für leichte Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Damit endete mit Ablauf des 05.06.2017 der Anspruch des Klägers auf Krankengeld und damit auch die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten. Auf den Nachweis des Zeitpunktes des Zugangs des Bescheides vom 30.05.2017 kommt es insofern nicht an.

Die Erstbescheinigung des Internisten Dr. N., der am 06.06.2017 Arbeitsunfähigkeit wegen Spannungskopfschmerzen bescheinigte, sowie die weitere Erstbescheinigung des MVZ S. vom 09.06.2017, mit der Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen "Adhäsive Entzündung der Schultergelenkkapsel", "Arthrose, nicht näher bezeichnet", "Gelenkerguss", "Bursitis im Schulterbereich" und "Läsionen der Rotatorenmanschette" bis 23.06.2017 bescheinigt wurde, können keinen neuen Krankengeldanspruch begründen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vorgängerfassung von § 46 SGB V, nach der der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an entstand, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt, mussten Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung des Ablaufs dieses Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R).

Mit der Änderung des § 46 S.2 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) vom 16.07.2015 mit Wirkung zum 23.07.2015 wurde geregelt, dass der Anspruch auf Krankengeld bestehen bleibt, wenn nach dem Ende der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen derselben Krankheit erst am nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, ärztlich festgestellt wird. Nach der Gesetzesbegründung werden damit die Probleme gelöst, die sich in der Praxis bei der verspäteten Ausstellung von Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigungen zeigten. Versicherte sollten den Anspruch auf Krankengeld behalten, soweit die Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigung am nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, ausgestellt werde; damit werde der nahtlose Leistungsbezug sichergestellt und für die Versicherten bleibe darüber hinaus ihre Mitgliedschaft als Versicherungspflichtige aufgrund des Krankengeldbezugs nach § 192 Absatz 1 Nr.2 SGB V erhalten (vgl. BT-Drs.18/4095, S.80 f).

Ein solcher Fall ist aber vorliegend gerade nicht gegeben. Zwar wurde die am 06.06.2017 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am nächsten Tag, der ein Werktag war, ausgestellt. Es handelt sich aber gerade nicht um eine Folgebescheinigung, mit der eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit festgestellt worden ist. Vielmehr handelt es sich um eine Erstbescheinigung, mit der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer anderen Krankheit - nämlich Spannungskopfschmerz - bescheinigt wird. Die bis zum 05.06.2017 festgestellte Arbeitsunfähigkeit wegen "sonstiger näher bezeichneter Gelenkschädigungen - freier Gelenkkörper rechts" und "Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff, nicht näher bezeichnet" war beendet. Der behandelnde Orthopäde hatte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen dieser Diagnose ausgestellt und gegenüber dem MDK mitgeteilt, die Arbeitsunfähigkeit sei beendet. Eine Arbeitsunfähigkeit wegen anderer Erkrankungen hatte er nicht bescheinigt. Die neue Krankheit "Spannungskopfschmerz" ist nicht zu der zuletzt als Arbeitsunfähigkeitsursache festgestellten Diagnose hinzugetreten, so dass der vom SG zitierte Anwendungsfall aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/5123) nicht einschlägig ist.

Entgegen der Ausführungen des SG handelt es sich auch bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 09.06.2017, mit der Arbeitsunfähigkeit wegen der Diagnosen "Adhäsive Entzündung der Schultergelenkkapsel", "Arthrose, nicht näher bezeichnet", "Gelenkerguss", "Bursitis im Schulterbereich" und "Läsionen der Rotatorenmanschette" bis 23.06.2017 bescheinigt wurde, nicht um eine Folgebescheinigung zu der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.05.2017. Diese Bescheinigung wurde schon nicht am nächsten Tag, der ein Werktag war, ausgestellt. Im Übrigen handelt es sich - wie auch auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vermerkt - um eine Erstbescheinigung mit einer neuen Diagnose. Weder hatte der den Kläger bis zum 05.06.2017 behandelnde Orthopäde eine Arbeitsunfähigkeit wegen entsprechender Beschwerden der Schulter ausgestellt, noch lässt sich aus der anamnestischen Angabe in dem Arztbrief des MVZ vom 09.06.2017, nach der sich der Kläger wegen seit längerer Zeit bestehender Beschwerden in der Schulter und seit einigen Wochen deutlicher Beschwerdezunahme und Bewegungseinschränkung vorgestellt hat, schließen, dass eine Arbeitsunfähigkeit wegen der Schulterbeschwerden schon vor dem 09.06.2017 bestanden hätte. Auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 06.06.2017 erfolgte nicht aufgrund von Schulterbeschwerden. Ein Anspruch auf Krankengeld über den 05.06.2017 hinaus konnte sich auch nicht aus der Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Bezug auf den Zeitpunkt des Hinweises an den Kläger, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden, ergeben. Schon von der Rechtsfolge ergäbe sich jedenfalls kein Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld durch die Beklagte.

Der Anspruch des Klägers auf Krankengeld endete daher am 05.06.2017. Damit endete auch der Versicherungsschutz des Klägers, die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 06.06.2017 konnte keinen Krankengeldanspruch mehr begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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