S 8 U 1827/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Heilbronn (BWB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1827/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 25.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung festzustellen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit der Nummer 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; im Folgenden als BK 5101 bezeichnet).

Er ist im Jahr XXX geboren worden und hat von 1968 bis 1971 erfolgreich eine Lehre als Koch absolviert. Nach Abschluss der Ausbildung war er -unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit- bis Ende August 2016 für verschiedene Arbeitgeber als Koch angestellt, wobei er faktisch zuletzt im Juli 2016 arbeitete.

Mit Bericht vom 19.03.2015 zeigte der Hautarzt des Klägers, XXX, bei der Beklagten den Ver-dacht des Vorliegens einer BK an. Beim Kläger habe er ein allergisches Kontaktekzem der Hände und Unterarme, sowie eine Typ-IV-Allergie gegen einen Thiuram-Mix diagnostiziert. Die Er-krankung sei erstmals im Februar 2015 an den Händen aufgetreten. Der Kläger arbeite mit Ge-würzen, Reinigungs- und Desinfektionsmitteln. Er verrichte 8 Stunden pro Tag Feuchtarbeit und sei dabei auch Schmutz ausgesetzt. Die konkrete Tätigkeit habe er am 01.09.2014 aufgenommen. Zuvor sei er ein Jahr lang arbeitslos gewesen, davor 13 Jahre lang als Koch in der Schweiz tätig gewesen.

Die Beklagte veranlasste ein dermatologisches Gutachten durch Dr. XXX (vom 16.07.2016). Dieser stellte auf seinem Fachgebiet einerseits die Diagnosen einer Psoriasis vulgaris und eines kumulativ subtoxischen Handekzems fest (Bl. 119 der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakte). An einer anderen Stelle des Gutachtens stellte er dagegen ausschließlich Verdachtsdiagnosen (Bl. 120 Rückseite der Verwaltungsakte). Die Hautveränderungen seien nicht wesentlich durch die berufliche Tätigkeit ausgelöst worden. Nach Angaben des Klägers sei es an den Wochenenden, während eines zweiwöchigen Weihnachtsurlaubes, sowie während weiterer Urlaube zu keinerlei Besserung gekommen, was gegen eine berufliche Verursachung spreche.

Die Beklagte erließ daraufhin einen Bescheid vom 25.08.2016, mit welchem eine "Entschädigung wegen einer Hauterkrankung" abgelehnt wurde. Eine BK Nr. 5101 liege nicht vor, weil kein Zusammenhang zwischen der Hauterkrankung des Klägers und der beruflichen Tätigkeit bestehe.

Der Kläger erhob Widerspruch gegen diese Entscheidung. Das Gutachten sei ein Witz. Bei der Arbeit sei es nach mehreren Tagen stets zu einem Aufflammen der Erkrankung gekommen. Wie der Gutachter zu der Aussage gekommen sei, dass es über die Wochenenden nicht zu einer Besserung gekommen sei, könne der Kläger nicht verstehen. Dies habe er so nicht gesagt. Das Begutachtungsgespräch habe er auch gar nicht mit Dr. XXX geführt, sondern mit einer Assistenz-ärztin, deren Name im Gutachten nicht genannt werde. Dr. XXX habe sich nur zweimal gezeigt, ohne den Kläger zu untersuchen. Die schwere Allergie gegen Gummiinhaltsstoffe, die von Dr. XXX festgestellt worden sei, sei auch nicht gewürdigt worden. Nachdem der Kläger seine Tätigkeit in der Küche zwischenzeitlich beendet habe, sei er nun ohne Hautbeschwerden.

Dr. XXX hat zu dem klägerischen Vorbringen ergänzend Stellung genommen. Alle im Gutachten genannten anamnestischen Angaben entsprächen der Wahrheit, seien mit dem Kläger besprochen und in seiner Anwesenheit diktiert worden. Es sei auch ein Test auf die vom Kläger angesprochenen Gummiinhaltsstoffe durchgeführt worden, dieser habe aber keine positive Reaktion ergeben.

Die von der Beklagten beauftragte Beratungsärztin Dr. XXX gelangte zu der Einschätzung, dass eine erneute Begutachtung sinnvoll sei (Stellungnahme vom 20.01.2017). Wegen der fehlenden Benennung der Assistenzärztin sei das eingeholte Gutachten zumindest anfechtbar. Zudem ergäben sich erhebliche Widersprüche zwischen der Anamnese im Gutachten und den Angaben des Klägers, bzw. den Angaben von Dr. XXX. Auch die Tests auf allergische Reaktionen bezüglich Gummiinhaltsstoffen seien widersprüchlich.

Daraufhin veranlasste die Beklagte ein weiteres dermatologisches Gutachten (vom 06.04.2017, Dr. XXX). Laut der Gutachterin ist es nach Beendigung der letzten Tätigkeit in der Küche noch nicht zu einer kompletten Abheilung gekommen, aber zu einer erheblichen Besserung. Diagnostisch lägen noch ein Zustand nach allergischem Kontaktekzem an den Händen/Unterarmen mit Streureaktionen bei Typ IV-Sensibilisierungen gegenüber Thiuram-Mix und Latex, ein subtoxisch-kumulatives Handekzem und der dringende Verdacht auf eine Psoriasis vulgaris vor. Das allergische Kontaktekzem sei beruflich verursacht worden, die Sensibilisierungen seien auf das Tragen der Handschuhe zurückzuführen. Das subtoxisch-kumulative Handekzem sei durch die berufliche Tätigkeit wesentlich mitverursacht worden und die vermutlich bestehende Psoriasis-Erkrankung sei durch den Beruf "getriggert" worden. Abgesehen vom Unterlassungszwang lägen die Voraussetzungen der BK 5101 vor. Ein Unterlassungszwang sei noch nicht anzunehmen, weil der Kontakt mit den festgestellten Allergenen vermieden werden könne. Entsprechende Präventionsmaßnahmen seien bislang nicht ausgeschöpft worden. Auch ein stationäres Heilverfahren sei dringend zu empfehlen. Sollte sich nach Durchführung der zuletzt genannten Maßnahmen erneut ein Handekzem zeigen, müsste auch der Unterlassungszwang festgestellt werden.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Bescheid vom 18.05.2017). Nach dem zuletzt eingeholten Gutachten liege zwar eine schwere Hauterkrankung mit über sechsmonatiger Behandlungsbedürftigkeit vor. Es bestehe aber kein objektiver Unterlassungszwang aufgrund dieser Hauterkrankung.

Der Kläger hat am 12.06.2017 Klage beim Sozialgericht Heilbronn erhoben. Selbst die zuletzt beauftragte Gutachterin der Beklagten habe mitgeteilt, dass nach Durchführung weiterer Schritte ein Unterlassungszwang festgestellt werden müsse. Eine stationäre Behandlung dürfte keine Besserung mehr bringen, die ambulanten Heilbehandlungsleistungen seien ausgeschöpft und die im Gutachten genannten Präventionsmaßnahmen seien allesamt erfolglos durchgeführt worden. Auch Vermeidungsstrategien und Schutzmaßnahmen seien ohne Erfolg geblieben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 25.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die von Dr. XXX angeregten weiteren Präventionsmaßnahmen seien nicht mehr durchführbar, weil der Kläger nicht mehr als Koch arbeite. Der im Klageverfahren erfolgte Vortrag des Klägers dürfte daher unzutreffend sein. Der Beklagte sei aber zur Durchführung des von der Gutachterin angeregten stationären Heilverfahrens bereit, sobald der Kläger wieder als Koch arbeite.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger mitgeteilt, dass eine Wiederaufnahme der Tätigkeit als Koch bislang nicht abzusehen sei. An der angesprochenen Reha-Maßnahme werde er aber selbstverständlich mitwirken.

Die Beklagte hat erklärt, dass ein stationäres Heilverfahren bei berufsbedingter Hauterkrankung nur dann Sinn mache, wenn der Kläger direkt danach wieder im Beruf tätig sei und das Erlernte anwende. Ohne Wiederaufnahme der Tätigkeit sei ein solches Verfahren nicht möglich.

Das Gericht hat daraufhin ein dermatologisches Gutachten bei Dr. Haußmann (vom 31.03.2018) eingeholt. Er hat folgende Diagnosen gestellt:

1. Beruflich provoziertes und intensiviertes chronisches allergisches Kontaktekzem der Handrücken und Fingerseitenflächen, zeitweilig auch der Unterarme (aktuell noch reizlose Schuppung sowie lichenifizierte Haut an den Händen) 2. Beruflich erworbene Kontaktsensibilisierung vom Typ IV gegen Thiurame und (genauer bezeichnete) Gummibestandteile bei beruflich nicht konsequent vermeidbaren Kontakten zu Gummiprodukten 3. Kontaktallergie vom Typ IV gegen Dibromdicyanobutan und (anamnestisch) Bronopol unbekannter Akquisition und unbekannter klinischer Relevanz

Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Ekzemerkrankung der Hände und Unterarme monokau-sal durch die berufliche Exposition verursacht, unterhalten und chronifiziert worden sei. Anhalts-punkte für einen außerberuflichen Erwerb der relevanten Allergien oder andere relevante außer-berufliche Umstände lägen insoweit nicht vor. Auch ein Unterlassungszwang sei gegeben, weil die Tätigkeit eines Kochs nicht praktikabel ohne Exposition gegen die fraglichen Noxen organisiert werden könne. Ansonsten wäre es bereits zu einer entsprechenden Organisation durch den Kläger gekommen. Beim Kläger seien erstmals im Jahr 2005 Hauterscheinungen während seiner Tätigkeit in der Schweiz aufgetreten. Damals habe er sich 5 bis 20mal täglich die Hände gewaschen und bei hautbelastenden Reinigungsarbeiten Gummihandschuhe getragen. Die Tätigkeit sei saisonbezogen gewesen, wobei immer wieder vier Wochen bis zwei Monate frei gewesen seien. Die Hautbeschwerden hätten sich in diesen Ruhephasen nie vollständig zurückgebildet und innerhalb der ersten zwei Wochen nach Saisonbeginn regelmäßig verschlimmert. Dass die Beschwerden bereits seit 2005 bestünden ergebe sich nicht nur aus den aktuellen Angaben des Klägers, sondern auch aus einem Allergiepass (Bl. 75 der Verwaltungsakte). Auch nach Aufnahme der Tätigkeit in Deutschland habe sich der Zustand nach ca. 14 Tagen verschlechtert. Nachdem die Tätigkeit als Koch beendet worden sei, bestehe nun ein erheblich gebesserter Hautbefund. Der Verlauf beim bis zum 52. Lebensjahr hautgesunden Kläger sei geradezu klassisch für ein durch eine Kontaktsensibilisierung verursachtes allergisches Kontaktekzem. Die Voraussetzungen der BK Nr. 5101 lägen vor, eine Reha-Maßnahme sei überflüssig.

Die Beklagte hat erklärt, das Gutachten hinsichtlich der Ausführungen zum Unterlassungszwang nicht für überzeugend zu halten. Es seien zunächst alle präventiven Maßnahmen auszuschöpfen. Insoweit bestehe die Möglichkeit eines stationären Heilverfahrens, dessen Durchführung von Dr. XXX ohne weitere Begründung als überflüssig angesehen worden sei. Zudem seien auch Thiuram- und carbamatfreie Handschuhe erhältlich. Diese Stoffe könnten also gemieden werden. Carbamatfreie Handschuhe seien vom Kläger nicht mehr ausprobiert worden. Der Befund habe sich beim Tragen thiuramfreier, aber carbamathaltiger Handschuhe bereits verbessert gehabt (Verweis auf einen Bericht von Dr. XXX vom 04.06.2016). Es sei bei bestehender Carbamatsensibilisierung zu erwarten, dass sich die Beschwerden durch carbamatfreie Handschuhe weiter gebessert hätten. Der Gutachter habe in seinem Gutachten auch selbst darauf hingewiesen, dass eine frühere Versorgung mit solchen Handschuhen womöglich erhebliche Auswirkungen auf die Grundlagen seines Gutachtens gehabt hätte. Daher sei die Einschätzung des Gutachters nicht nachvollziehbar. Unsicherheiten hinsichtlich des Unterlassungszwangs gingen zu Lasten des Klägers. Das bloße Auslaufen seines Arbeitsvertrages könne nicht dazu führen, dass frühzeitig ein Unterlassungszwang angenommen werde. Die Beratungsärztin Dr. XXX hat im Rahmen einer Stellungnahme vom 16.05.2018 eine Reha-Maßnahme aus zwei Gründen für sinnvoll gehalten: Erstens bestünden nach wie vor berufsbedingte Hautveränderungen die therapiebedürftig seien. Zweitens sei vor der Tätigkeitsaufgabe die Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten vorgeschrieben.

Der Kläger hat erklärt, dass ihm eine weitere Testung neuer Handschuhe nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Im Übrigen sei eine Tätigkeit als Koch mit Handschuhen per se nicht praktikabel, da je nach Handlungsschritt gegebenenfalls die Handschuhe gewechselt werden müssten. Dazu komme noch das vermehrte Schwitzen unter den Handschuhen.

Dr. XXX hat zu den Ausführungen der Beklagten ergänzend Stellung genommen. Dass die Ausschöpfung aller präventiven Maßnahmen Voraussetzung der Annahme des (objektiven) Unterlassungszwangs sei, sei dem Gutachter bekannt. Es liege aber an ihm, zu beurteilen, ob diese Maßnahmen medizinisch geeignet und erfolgversprechend seien. Es bestehe vorliegend keine medizinische Indikation für ein stationäres Heilverfahren. Nach der langen Laufzeit und Chronifizierung der Hauterkrankung sei von einer dauerhaft persistierenden Minderbelastbarkeit der Haut gegenüber Feuchtarbeit auszugehen. Dies betreffe auch die Arbeit mit Arbeitsschutzhandschuhen. Auch unter Allergenfreien Gummihandschuhen werde der Kläger schwitzen. Daran könne auch eine stationäre Maßnahme nichts mehr ändern. Dass die Durchführung einer solchen Maßnahme einen Verbleib im Beruf möglich gemacht hätte, habe die Beklagte selbst nicht postuliert. Die zuletzt noch bestehenden diskreten Hautveränderungen seien im Übrigen weder stationär behandlungsbedürftig, noch könne allein aus formalen juristischen Gründen (also wegen der Anforderungen der Beklagten an den Unterlassungszwang) eine Reha-Indikation bestehen. Der Kläger könne bei einer Tätigkeit als Koch auch nicht den Kontakt mit allen festgestellten Allergenen vermeiden. Das Vorkommen von Thiuramen in Gummiartikeln aller Art sei insoweit hervorzuheben. Hier gehe es nicht nur um Handschuhe, sondern auch um Wasserschläuche, Ab-zieher für Fußböden. Dichtungsgummis an Kühlschranktüren und Kühlraumtüren (die täglich gereinigt werden müssten), Gummispachtel, Gummikörbe, Gummiformen und Abtropfunterlagen. Dass carbamatfreie Handschuhe zu einer Verbesserung hätten führen können, sei zwar zutreffend. Die entsprechende Sensibilisierung sei aber nur zeitweilig relevant gewesen. Im Rahmen einer Ekikutantestung bei Dr. XXX habe sich für die die Carbamat-Kontaktallergie kein Nach-weis mehr ergeben. Wäre diese Allergie langfristig relevant gewesen, hätte sie sich nicht relativ kurzfristig unter die Nachweisgrenze zurückgezogen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf eine weitere Stellungnahme von Dr. XXX weiterhin die Abweisung der Klage beantragt. Die Auffassung des Gutachters zu einer dauerhaften Minderbelastbarkeit der Haut sei nicht nachvollziehbar. Selbst schwere Handekzeme heilten nach Meidung der Noxen ab. Selbstverständlich sei eine persistierende Minderbelastbarkeit möglich, dies ergebe sich aber erst nach einer Erprobung. Ein kurzfristiger Kontakt mit thiuramhaltigen Kochutensilien werde in der Regel nicht zu klinisch relevanten Hauterscheinungen führen. Einschränkend sei auszuführen, dass Dr. XXX den Kläger nicht persönlich untersucht habe, weshalb ihr der klinische Augenschein fehle. Daher sei ihr die Einschätzung, ob eine Reha-Maßnahme prognostisch sinnvoll sei, nur mit Einschränkung möglich.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen. Diese waren Gegenstand der Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, insbesondere ist sie statthaft.

Der Versicherte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge der Expositionen im Rahmen einer versicherten Tätigkeit ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG geltend machen, sondern wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus einer An-fechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (BSG, Urteil vom 05. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – Rn. 12).

2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 25.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 18.05.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens des BK 5101.

a.) Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.

b.) Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-Berufskrankheit im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Berufskrankheit einer Modifikation bedürfen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2012 -L 3 U 99/11-, Rn. 30 in Juris): Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Ein-wirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Ein-wirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden.

c.) Aufgrund der nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ist das Gericht davon überzeugt, dass beim Kläger eine BK 5101 vorliegt. Die Schwere bzw. die wiederholte Rückfälligkeit der Hauterkrankung sowie deren berufliche Verursachung werden von der Beklagten auch nicht mehr in Frage gestellt. Vielmehr wurden diese Tatbestandsvoraussetzungen bereits im Widerspruchsbescheid, sowie in den letzten Schriftsätzen im Gerichtsverfahren zugestanden. Nach Auffassung der Beklagten war der Kläger jedoch nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, da noch nicht alle Präventionsmaßnahmen ausgeschöpft gewesen seien. Dem kann das Gericht nicht folgen.

Das besondere versicherungsrechtliche Tatbestandsmerkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv auf-gegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (BSG, Urteil vom 22. August 2000 – B 2 U 34/99 R –, Rn. 24 m.w.N.).

Der Unterlassungszwang hat zwei Funktionen: Zum einen soll damit eine typisierende Festlegung des Schweregrades der Krankheit erfolgen, um Bagatellerkrankungen, auch wenn sie kausal auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen sind, von einer Anerkennung und Entschädigung als BK auszuschließen (vgl. hierzu und im Folgenden Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 25. Mai 2011 – L 2 U 1/10 –, Rn. 22, juris). Vor allem soll ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz verhindert und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungspflicht verhütet werden. Der zuletzt ge-nannte Zweck wird nicht nur dann erreicht, wenn der Versicherte seine Berufstätigkeit aufgibt, sondern auch dann, wenn die schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz durch geeignete Schutzmaßnahmen beseitigt werden und deshalb die Gefahr einer Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit durch Fortsetzung der Berufstätigkeit nicht mehr droht (BSG, Urteil vom 09.12.2003 – B 2 U 5/03 R).

Fest steht, dass es sich bei der Hauterkrankung des Klägers nicht um eine Bagatellerkrankung handelt und bei einem Verbleib am bisherigen Arbeitsplatz – ohne Schutzmaßnahmen – eine Verschlimmerung der Krankheit zu erwarten gewesen wäre. Dies wird von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gericht auch davon überzeugt, dass es keine Schutzmaßnahmen gibt, die geeignet gewesen wären, die schädigenden Einwirkungen am Arbeitsplatz vollständig zu beseitigen und somit eine Fortsetzung der Berufstätigkeit zu ermöglichen.

Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, dass es ihm unmöglich ist, bestimmte Arbeiten mit Handschuhen durchzuführen, z.B. das feine Würfeln von Zwiebeln. Dem Gericht erscheint es nachvollziehbar, dass der Kläger mit Handschuhen kein ausreichendes Gespür bzw. Feingefühl mehr für bestimmte Arbeiten hätte. Schon allein deshalb kann der Kläger eine Exposition gegen zu vermeidende Noxen nicht vermeiden. Insoweit wird auf die Vielzahl an potentiellen Gefahrenquellen verwiesen, die Dr. XXX zutreffend benannt hat (Wasserschläuche, Abzieher für Fußböden. Dichtungsgummis an Kühlschranktüren und Kühlraumtüren, Gummispachtel, Gummikörbe, Gummiformen und Abtropfunterlagen). Zudem führen Gummihandschuhe erfahrungsgemäß zu verstärkter Schweißbildung. Im Hinblick auf die erhebliche Vorschädigung der Haut des Klägers hält das Gericht die Einschätzung von Dr. XXX für nachvollziehbar, dass schon allein durch den Schweiß eine Verschlechterung des Hautzustandes des Klägers eintreten wird. Die Schweißbildung kann auch durch allergenfreie Handschuhe oder eine Rehabilitationsmaßnahme nicht verhindert werden. Im Hinblick darauf, dass die Tatbestandsvoraussetzung des Unterlassungszwangs vor allem ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz verhindern soll, hält das Gericht die von der Beklagten im vorliegenden Fall angelegten Maßstäbe für überspannt und zu formal.

3. Der Klage war daher stattzugeben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schrift-lich, als elektronisches Dokument oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Eine Einlegung per E-Mail ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de beschrieben.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozi-algericht Heilbronn, Paulinenstr. 18, 74076 Heilbronn, schriftlich, als elektronisches Dokument oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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