L 1 KR 16/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 569/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 16/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 40/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine von der Lufthansa wegen Fluguntauglichkeit vorzeitig gewährte Firmenrente ist kein Versorgungsbezug wegen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2017 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 8. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2017 wird geändert. Die Beklagten werden verpflichtet, ihre Bescheide vom 27. November 2015, 18. Januar 2016 und 2. April 2016 zurückzunehmen und an die Klägerin die von ihr in der Zeit vom 1. Juli 2015 bis 30. September 2016 und vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2016 gezahlten Beiträge zu erstatten, die auf die von der Deutschen Lufthansa gewährten Firmenrente erhoben worden sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagten haben der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob von der L AG gewährte Leistungen wegen dauernder Flugunfähigkeit zur Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung der sozialen Pflegeversicherung heranzuziehen sind.

Die im Februar 1963 geborene Klägerin war bis zum 30. Juni 2015 bei der Deutschen L als Flugbegleiterin beschäftigt und bei den Beklagten pflichtversichert. Vom 1. Juli 2015 bis zum 30. September 2016 bezog sie Arbeitslosengeld. Anschließend war sie bis zum 31. Oktober 2016 als freiwilliges Mitglied bei den Beklagten versichert. Danach gewährte ihr die gesetzliche Rentenversicherung Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung, welche erneut eine Pflichtversicherung bei den Beklagten begründeten. Zum 31. Dezember 2016 kündigte die Klägerin ihre Mitgliedschaft bei den Beklagten.

Nachdem das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Deutschen LAG wegen dauernder Flugdienstunfähigkeit beendet worden war, gewährte der ehemalige Arbeitgeber ihr ab dem 1. Juli 2015 eine Firmenrente gemäß § 2 Tarifvertrag Übergangsversorgung Flugbegleiter in Höhe von zunächst 1.611,03 EUR. Durch Bescheid vom 27. November 2015 setzten die Beklagten von der Klägerin aus der Firmenrente zu zahlende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2015 in Höhe von monatlich 249,71 EUR und 37,86 EUR fest. Durch weiteren Bescheid vom 18. Januar 2016 erhöhten sie den Beitrag zur Krankenversicherung wegen einer Veränderung des Zusatzbeitrags ab dem 1. Januar 2016 auf 254,54 EUR. Nach Erhöhung der Firmenrente bestimmten die Beklagten durch Bescheid vom 2. April 2016 die von der Klägerin ab dem 1. Januar 2016 zu zahlenden Beiträge nunmehr in Höhe von 260,14 EUR und 38,69 EUR. Ab dem 1. Oktober 2016 berechneten die Beklagten die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mit 296,04 EUR und 44,03 EUR. Die von der Deutschen L an die Klägerin gezahlte Firmenrente wurde als Einkommen berücksichtigt.

In einem Schreiben vom 18. Juli 2016 hatte sich die Klägerin an die Beklagten gewandt und auf das Urteil des BSG vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 4/14 R verwiesen, wonach die Bezieher von Überbrückungsgeld beim Arbeitslosengeldbezug keine Beiträge entrichten müssten. Die Klägerin bat um Rückerstattung der von ihr seit Juli 2015 gezahlten Beiträge.

Am 8. September 2016 antworteten die Beklagten. Sie hätten von der Zahlstelle der Firmenrente die Auskunft erhalten, dass es sich bei der Übergangsversorgung wegen dauernder Flugdienstuntauglichkeit um eine Invaliditätsleistung handele, die der Sicherung des Lebensstandards diene. Entsprechend seien die monatlichen Zahlungen der L an die Klägerin als Versorgungsbezug und nicht als Übergangsgeld zu werten.

Die Klägerin legte Widerspruch ein, der von den Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2017 zurückgewiesen wurde. Das von der Klägerin genannte Urteil sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, weil die Übergangsbezüge nicht aufgrund des Erreichens eines bestimmten Alters, sondern wegen einer dauernden Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gezahlt würden. In Falle der Klägerin stelle das Übergangsgeld einen Versorgungsbezug dar, so dass die angegriffene Entscheidung korrekt und nicht zu beanstanden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende, am 23. März 2017 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der die Klägerin sich gegen die Erhebung von Beiträgen auf die ihr wegen Fluguntauglichkeit gewährten Übergangsbezüge wendet und die Erstattung der bereits geleisteten Beiträge verlangt.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 15. Dezember 2017 den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2017 aufgehoben und die Beklagten verurteilt, der Klägerin ihre in der Zeit vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2016 auf die von ihrem ehemaligen Arbeitgeber gewährten Firmenrente geleisteten Beiträge zu erstatten. Die von dem früheren Arbeitgeber zugewandten Geldzahlungen seien keine beitragspflichtigen Versorgungsbezüge in Form einer Rente der betrieblichen Altersversorgung. Für die Einordnung als Rente der betrieblichen Altersversorgung komme es nicht darauf an, ob es sich um eine Leistung im Sinne des BetrAVG handele. Der zuständige Senat des BSG habe sich für die Abgrenzung zwischen Überbrückungsgeldern, Überbrückungshilfen und Übergangsleistungen auf der einen und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf der anderen Seite an der Rechtsprechung des BAG orientiert. Danach komme es vor allem auf den objektiven Inhalt der Leistung und den vereinbarten Leistungsbeginn an. Eine Versorgungsleistung liege dann nicht vor, wenn für den Leistungsbeginn auf ein Lebensalter abgestellt werde, das nach der Verkehrsanschauung typischerweise noch nicht als Beginn des Ruhestands gelte, und die Zuwendung bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand befristet sei. Ein Lebensalter von 50 und 55 Jahren sei vom BSG bereits als Lebensalter angesehen worden, das noch nicht typischerweise als Beginn des Ruhestands angesehen werde. Ein fester Zeitpunkt lasse sich aber nicht bestimmen, weil wegen besonderer Beanspruchungen die Wahl einer niedrigeren Altersgrenze für bestimmte Berufsgruppen auch auf sachlichen Gründen beruhen könne. Die der Klägerin gewährte Firmenrente verfolge nach den genannten Maßstäben keinen Versorgungs-, sondern lediglich einen Überbrückungszweck. Sie solle den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis oder den Ruhestand erleichtern. Das Anknüpfen der einfachen Firmenrente an das Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis, das Erreichen des 55. Lebensjahres und ihr Ende im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente zeige, dass diese Zahlung zur Absicherung der Zeit vor dem Eintritt in das Rentenalter diene. Zur Absicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben seien Leistungen aus dem Tarifvertrag L Betriebsrente vorgesehen. Aufgrund der Flugdienstuntauglichkeit erhalte die Klägerin Firmenrente bereits ab dem 52. Lebensjahr. Dieses Alter gelte nach der Verkehrsanschauung noch nicht als Beginn des Ruhestands. Das zeige sich etwa daran, dass die Klägerin mittlerweile wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Bei der gewährten Firmenrente handele es sich auch nicht um eine Rente wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Trotz Flugdienstuntauglichkeit sei auf Wunsch des Betroffenen eine Weiterbeschäftigung am Boden möglich. Zudem würden Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis zum Teil auf die gewährte Firmenrente angerechnet.

Gegen das ihr am 22. Dezember 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Januar 2018 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, dass die dauernde Flugunfähigkeit als Einschränkung der Erwerbsfähigkeit anzusehen sei, ohne dass es auf eine Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ankomme. Die Rechtsprechung des BSG zu Übergangszahlungen zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem gesetzlichen Renteneintritt sei nicht übertragbar. Bei wegen dauernder Flugunfähigkeit gewährten Leistungen werde der Beginn maßgeblich vom Eintritt einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bestimmt. Der Versorgungscharakter entfalle nicht, weil die Leistung vor Beginn des üblichen Rentenalters bezogen werde. Das sei bei den meisten wegen Erwerbsminderung gewährten Leistungen der Fall. Leistungen, die wegen dauernder Flugunfähigkeit gewährt würden, seien deswegen als Versorgungsbezüge anzusehen. Die monatliche gezahlte Firmenrente behalte ihren Charakter als Versorgungsbezug auch für die Zeit, in der ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf altersbedingte Übergangsversorgung bestehe. Der Versorgungscharakter der Leistung gehe auch nicht durch die Begründung eines anderen Beschäftigungsverhältnisses verloren. Denn die Klägerin dürfe die Leistung selbst dann behalten, wenn sie wieder eine Beschäftigung für ihren ehemaligen Arbeitgeber am Boden ausüben würde. Ergänzend sei auf den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Februar 2018 – S 89 KR 569/17 ER hinzuweisen. Die verfolgte Rechtsauffassung entspreche schließlich dem Besprechungsergebnis des GKV-Spitzenverbandes, das in dem Rundschreiben 2018/491 vom 13. September 2018 veröffentlicht sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die dauernde Flugunfähigkeit sei keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Die Erwerbsfähigkeit sei die Fähigkeit, die Arbeitsgelegenheiten zu nutzen, die sich nach den Kenntnissen sowie den körperlichen und geistigen Fähigkeiten bieten würden. Es sei auf das gesamte Erwerbsleben abzustellen und nicht nur auf Teilbereiche des Arbeitsmarkts. Die 89. Kammer des Sozialgerichts ziehe eine unzulässige Parallele zur Berufsunfähigkeit. Zutreffend habe das erkennende Sozialgericht darauf hingewiesen, dass abweichend von der Berufsunfähigkeit weder eine weitere Tätigkeit am Boden noch der Wunsch nach einer solchen Beschäftigung eine Leistung wegen dauernder Flugunfähigkeit ausschließe. Die Beklagten würden auch nicht berücksichtigen, dass es sich bei der Firmenrente nicht um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung handele.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Akte der Beklagten über den Verwaltungsvorgang verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts erweist sich im Ergebnis überwiegend als zutreffend. Zu Unrecht haben die Beklagten mit Bescheiden vom 27. November 2015, 18. Januar 2016 und 2. April 2016 die von der L AG an die Klägerin gezahlte Firmenrente während der Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld der Beitragsbemessung unterworfen. Die Klägerin hat am 18. Juli 2016 sinngemäß die Rücknahme dieser Entscheidungen gemäß § 44 Abs. 1 SGB X beantragt, was von der Beklagten durch Bescheid vom 8. September 2016 und Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2017 zu Unrecht abgelehnt worden ist. Da die Beitragsbescheide rechtswidrig waren und der Aufhebung unterliegen, sind Beiträge auf die Firmenrente zu Unrecht von der Klägerin eingefordert worden, die nunmehr nach § 26 Abs. 2 SGB IV an die Klägerin zu erstatten sind. Soweit die Beklagte durch Bescheid vom 21. November 2016 die Beiträge für die freiwillige Versicherung der Klägerin festgesetzt hat, ist die Berücksichtigung der Firmenrente bei der Beitragsbemessung dagegen nicht zu beanstanden. Zu Unrecht haben die Beklagten aber während des nachfolgenden Zeitraums des Bezugs von Übergangsgeld die an die Klägerin gezahlte Firmenrente weiter der Beitragsbemessung unterworfen. Auch insoweit sind die Beklagten nach § 26 Abs. 2 SGB IV zur Erstattung verpflichtet.

Während des Bezugs von Arbeitslosengeld kommt als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen auf die an die Klägerin gezahlte Firmenrente nur § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit §§ 232a Abs. 3, 226 SGB V in Betracht. § 232a SGB V regelt, was beitragspflichtige Einnahmen für die Bezieher von Arbeitslosengeld sind. § 232a Abs. 3 SGB V erklärt in diesem Zusammenhang § 226 SGB V ausdrücklich für anwendbar. Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V gehören zu den beitragspflichtigen Einnahmen auch Versorgungsbezüge. Der Begriff der Versorgungsbezüge wird in § 229 SGB V näher bestimmt. In Betracht von den dort genannten Leistungsarten kommt hier allein die Einordnung der Firmenrente als Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. In dieser Vorschrift ist bestimmt, dass zu den mit der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, auch Renten der betrieblichen Altersversorgung gehören. Dabei ist der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 229 SGB V nicht gleichbedeutend mit dem Inhalt des Gesetzes zu Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). § 229 SGB V enthält einen eigenständigen Begriff der Versorgungsbezüge, so dass es nicht darauf ankommt, ob es sich bei einer vom Arbeitgeber gewährten Leistung um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 1 BetrAVG handelt (zuletzt BSG v. 20. Juli 2017 – B 12 KR 12/15 R – juris Rn 13). Als Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 229 SGB V gelten (u.a.) Versorgungsleistungen, welche der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen. Durch diese Zwecksetzung unterscheidet sich die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers, etwa solchen zur Überbrückung erwarteter Arbeitslosigkeit oder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes.

Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind abzugrenzen von anderen Leistungen wie Überbrückungsgeldern, Überbrückungshilfen und Übergangsleistungen, die nicht der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (BSG v. 29. Juli 2015 – B 12 KR 18/14 R – juris Rn 17, 19). Das BSG stellt für die Abgrenzung auf den objektiven Inhalt der Leistung und den Leistungsbeginn ab. Für die Abgrenzung der beitragspflichtigen Versorgungsleistungen zur Altersversorgung von anderen Leistungen hat das BSG für wesentlich gehalten, ob die fragliche Leistung ab einem Lebensalter gezahlt wird, das typischerweise bereits als Beginn des Ruhestands angesehen werden kann und ob die Leistung bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand befristet ist (zuletzt BSG v. 20. Juli 2017 – B 12 KR 12/15 R – juris Rn 14). Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass nach diesen Maßstäben die der Klägerin gewährte Firmenrente nicht als eine Leistung zur Altersversorgung angesehen werden kann. Dagegen spricht bereits, dass die Firmenrente der Klägerin gewährt worden ist, als sie 52 Jahre alt und damit noch nicht in einem Lebensalter war, das typischerweise als Beginn des Ruhestands angesehen werden kann. Auch nach der Systematik der vom Arbeitgeber der Klägerin gewährten zusätzlichen Leistungen kann die Firmenrente nicht als Leistung der Altersversorgung eingeordnet werden. Der Tarifvertrag Übergangsversorgung kennt als mögliche Leistungen die Auszahlung einer Versicherungssumme bei Eintritt von Flugdienstuntauglichkeit vor Vollendung des 45. Lebensjahres (§ 17 Tarifvertrag Übergangsversorgung, vgl. BAG v. 19. Mai 2016 – 3 AZR 6/15 – juris Rn 19), weiter nach § 2 Abs. 2 Tarifvertrag Übergangsversorgung die Zahlung einer Firmenrente ab dem 55. Lebensjahr, bei Eintritt der Flugdienstuntauglichkeit gem. § 2 Abs. 4 Tarifvertrag Übergangsversorgung schon ab dem 45 Lebensjahr, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahrs sowie schließlich nach § 6 Abs. 2 Tarifvertrag Übergangsversorgung eine lebenslänglich zu leistende zusätzliche betriebliche Altersrente nach Auslaufen der Firmenrente. Der Umstand, dass eine nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber gewährte zusätzliche Leistung mit Eintritt in das Rentenalter endet, belegt gerade ihren Übergangscharakter (BSG v. 29. Juli 2015 – B 12 KR 18/14 R - juris Rn 20, 22; a.A. LSG Berlin-Brandenburg v. 22. Oktober 2003 – L 9 KR 410/01 – juris Rn 33). Da die der Klägerin gewährte Firmenrente nach §§ 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 des Tarifvertrags Übergangsversorgung für Flugbegleiter spätestens mit dem vollendeten 63. Lebensjahr einzustellen war, diente sie nicht der Versorgung im Alter. Die von der L AG gewährte Firmenrente ist grundsätzlich eine Übergangsversorgung (BAG v. 19. Mai 2016 – 3 AZR 6/15 – juris Rn 19). Sie unterfällt damit nicht dem Begriff einer der Rente vergleichbare Einnahme zur Altersversorgung im Sinne des § 229 SGB V. Das stellen auch die Beklagten nicht in Frage. Sie sind aber der Auffassung, dass die Firmenrente als Versorgungsleistung anzusehen ist, welche wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit gewährt wird.

Das BSG hat sich – soweit ersichtlich – noch nicht mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine betriebliche Leistung als Versorgung wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit anzusehen ist. Auch insoweit sind zunächst die allgemeinen aus § 229 SGB V abzuleitenden Voraussetzungen zu beachten. Folglich muss eine Abgrenzung gegenüber sonstigen Leistungen vorgenommen werden, die lediglich den Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen sollen. Maßgeblich für das Vorliegen einer Versorgungsleistung ist nach § 229 Abs. 1 SGB V, inwieweit die vom Arbeitgeber gewährten Bezüge mit einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sind (BSG v. 20. Juli 2017 – B 12 KR 12/15 R – juris 16).

Das SGB VI verwendet den Begriff einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht. Die gesetzliche Rentenversicherung gewährt eine Erwerbsminderungsrente, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung nur noch eingeschränkt unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einsetzbar sind (§ 43 SGB VI). Ergänzend bestimmt § 240 SGB VI für vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte, dass diese Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben, wobei die Berufsunfähigkeit dadurch gekennzeichnet ist, dass die Erwerbsfähigkeit der Versicherten wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Die Gewährung einer Rente für Bergleute bei verminderter Berufsfähigkeit gem. § 45 SGB VI hängt davon ab, ob von vergleichbaren Personen noch eine andere wirtschaftlich gleichwertige knappschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden könnte. Eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung setzt demnach zunächst voraus, dass ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Maßstab der Erwerbsfähigkeit sind aber nicht die konkreten Anforderungen der letzten Beschäftigung, sondern die Fähigkeit, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Selbst für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder verminderter Berufsfähigkeit kommt es nicht darauf an, ob die bisherige Tätigkeit weiter fortgesetzt werden kann, sondern wie sich das Restleistungsvermögen zu den Fähigkeiten von Versicherten verhält, welche nach Ausbildung, Kenntnissen und beruflichen Erfahrungen vergleichbar sind. Insoweit wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass die 1963 geborene Klägerin wegen ihres Alters keinen Anspruch auf Rente bei Berufsunfähigkeit haben kann, welche eine auslaufende Leistungsart der gesetzlichen Rentenversicherung darstellt, so dass sie erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nur wäre, wenn sie auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kein oder nur ein vermindertes Einkommen mehr erzielen könnte. Sie gehört auch nicht zu den knappschaftlich Versicherten.

Vergleichbar ist die der Klägerin gewährte Firmenrente mit einer Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung nur insoweit, als die Fluguntauglichkeit der Klägerin, welche Voraussetzung für die Rentengewährung gewesen ist, nach § 20 Manteltarifvertrag Kabine an das auf einem körperlichen Mangel beruhende dauernde Unvermögen anknüpft, eine fliegerische Tätigkeit weiter auszuüben. Die Firmenrente ist der Klägerin also gewährt worden, weil bei ihr ein regelwidriger ihre berufliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigender Körper- oder Geisteszustand vorgelegen hat. Anders als bei den Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es für die Firmenrente aber allein auf das Fehlen der Fähigkeit an, die letzte berufliche Tätigkeit weiter ausüben zu können. Das unterscheidet die der Klägerin gewährte Firmenrente auch von den Renten wegen Berufsunfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Inhalt des Begriffs einer Versorgungsleistung wegen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit wird auch im Rahmen des § 229 SGB V durch das Rentenversicherungsrecht geprägt. Die der Klägerin gewährte Firmenrente ist mit einer Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung in wesentlichen Teilen nicht vergleichbar. Die Firmenrente wird nicht gezahlt wegen des Verlusts oder einer erheblichen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit als solcher, sondern zum Ausgleich des Verlusts des fliegerischen Arbeitsplatzes. Dass es bei der Firmenrente allein auf den Verlust des konkreten Arbeitsplatzes und nicht auf den Fortbestand der Erwerbsfähigkeit als solcher ankommt, zeigt sich besonders an den Anrechnungsvorschriften in dem Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter. Nach § 3 Abs. 2 besteht der Anspruch auf Firmenrente dem Grunde nach selbst dann weiter, wenn anderweitig wieder eine Tätigkeit als Flugbegleiter aufgenommen wird. Erwerbseinkommen aus einer anderen Beschäftigung wird lediglich zur Hälfte angerechnet, neben Arbeitslosengeld wird die Firmenrente ohne Anrechnung gezahlt. Demnach geht der Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter für den Fall einer Firmenrente davon aus, dass die Erwerbsfähigkeit trotz Verlusts der Flugtauglichkeit noch weiter fortbesteht. Das spricht dagegen, die gewährte Leistung als Versorgungsleistung wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit anzusehen (a.A. LSG Berlin-Brandenburg v. 1. März 2019 – L 9 KR 13/19 B ER – juris Rn 15). Eine Versorgungsleistung im Sinne des § 229 SGB V liegt erst vor, wenn der Versicherte aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Maßstab dafür ist der Arbeitsmarkt, nicht die letzte Tätigkeit (BSG v. 20. Juli 2017 – B 12 KR 12/15 R - juris Rn 21). Ist die der Klägerin gewährte Firmenrente danach keine Versorgungsleistung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, durfte sie von den Beklagten nicht zur Beitragsbemessung während des Bezugs von Arbeitslosengeld herangezogen werden.

Anders stellt sich die Rechtslage für die nachfolgende Zeit der freiwilligen Versicherung vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Oktober 2016 dar. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung während dieses Zeitraums war § 240 SGB V. § 240 SGB V über die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder bestimmt, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen soll. Dabei sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen wären. § 3 Abs. 1 Satz 1 der vom Vorstand des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen auf der Grundlage des § 240 Abs. 1 SGB V beschlossenen Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bestimmt, dass für die freiwillige Versicherten der Beitragsbemessung als Einnahmen zugrunde zu legen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verwandt werden können ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Demnach reicht es für die Beitragspflichtigkeit der von der Klägerin erhaltenen Firmenrente während ihrer freiwilligen Versicherung aus, dass die Einnahmen geeignet waren, für den Lebensunterhalt verwandt zu werden. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass es sich bei der Firmenrente um einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 Abs. 1 SGB V handelt. Angesichts der Höhe der an die Klägerin gewährten Firmenrente war diese geeignet, den laufenden Lebensunterhalt der freiwillig versicherten Klägerin zu finanzieren. Damit bestimmte die Firmenrente mit über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin. Mit Recht haben demnach die Beklagten in ihrem Bescheid vom 21. November 2016 die Firmenrente bei der Beitragsbemessung für die freiwillige Versicherung berücksichtigt. Fehler bei der Berechnung der Beiträge sind weder ersichtlich noch geltend gemacht worden.

Zu Unrecht haben die Beklagten aber weiter Beiträge auf die Firmenrente erhoben, nachdem die Klägerin ab dem 1. November 2016 nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V als Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wieder pflichtversichert war. Gemäß § 235 Abs. 4 SGB V ist für den Personenkreis der nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V pflichtversicherten über § 226 SGB V wieder § 229 SGB V anzuwenden, so dass die Beitragspflicht voraussetzt, dass es sich bei der Firmenrente um eine Versorgungsleistung im Sinne des § 229 SGB V handelt. Das ist aber – wie bereits erörtert – nicht der Fall.

Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts abzuändern. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2017 war teilweise aufzuheben und die Beklagte - klarstellend - zur Rücknahme der Bescheide vom 27. November 2015, 18. Januar 2016 und 2. April 2016 und zur Rückzahlung der in der Zeit vom 1. Juli 2015 bis 30. September 2016 und vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2016 auf die von der Deutschen L gezahlten Firmenrente erhobenen Beiträge zu verurteilen. Im Übrigen, soweit die Beiträge für den Monat Oktober 2016 betroffen sind, war dagegen auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und orientiert sich an dem Ergebnis in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen mit der Rentenversicherung vergleichbare betriebliche Versorgungsleistungen wegen Erwerbsminderung im Sinne des § 229 SGB V anzunehmen sind, liegt soweit ersichtlich noch nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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