S 10 RJ 220/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 RJ 220/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 (14) R 40/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahren trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen streitig, insbesondere, ob der Beigeladene zu 1) zur Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand.

Die Klägerin betreibt ein Dentallabor. Sie hat mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, die in ihren Betriebsräumen - der Werkstatt - Zahntechnikerarbeiten ausführen. In der Verfangenheit ließ die Klägerin die hierzu erforderlichen Vorbereitungsarbeiten nicht durch die in ihren Betriebsräumen tätigen Arbeitnehmer ausführen, sondern durch den Beigeladenen zu 1). Diese Vorbereitungsarbeiten führt der Beigeladene zu 1) nicht in der Werkstatt der Klägerin aus, sondern zunächst in einer angemieteten Werkstatt {Mietvertrag vom 09.10.1992 über einen Büroraum in der Cstraße. 00 in T für 150 DM Miete monatlich), später in einer Heämwerkstatt. Der Beigeladene zu 1) hat keinen Meistertitel und bei der Stadt S ein Gewerbe zum Verleih von Arbeitskräften in eigener Person - hier: Erbringung zahntechnischer Dienstleistungen unter direkter Aufsicht eines hierzu befähigten Meisters - angemeldet. Auf seine jeweilige Werkstatt wies kein Werbeschild hin und der Beigeladene zu 1) betrieb auch im Übrigen keine Werbung, um auf seine Tätigkeit hinzuweisen. Er erhielt seine Aufträge nahezu ausschließlich von der Klägerin. Er führte lediglich für ein weiteres Unternehmen (E1 L) Arbeiten im Umfang eines Volumens von ca. 10 Arbeiten aus. Zur Ausführung seiner Aufträge schaffte sich der Beigeladene zu 1) Werkzeuge - zum Teil gebraucht - für ca. 2000 - 3000 Euro an und hielt ferner Materialien vor. Seine ausgeführten Aufträge rechnete der Beigeladene zu 1) regelmäßig mit der Klägerin ab, wobei seine Rechnungen nicht nach den einzelnen Arbeiten und auch nicht nach den Materialkosten aufgeschlüsselt sind. Eigene Arbeitnehmer stellte der Beigeladene zu 1) nicht ein. Er erhielt keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und musste sich seinen Urlaub von der Klägerin nicht genehmigen lassen. Der Beigeladene zu 1) war privat krankenversichert und verfügte seit 11.12.1992 über eine private Rentenversicherungspolice beim E2 I, aus der sich zum Stichtag 01.12.1997 eine voraussichtliche Rente i. H. v. 252,20 DM (128,95 Euro) ergibt bei monatlichen Beiträgen von 100 DM. Seit dem 01.12.1999 steht der Beigeladene zu 1) zur Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Er führt seit dem seine Arbeiten in den Betriebsräumen der Klägerin aus. Hierzu wurde er von der Klägerin geschult.

In der Zeit vom 26.09.2001 bis 20.02.2002 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 01.01.1997 bis 30.06.2001 durch. Mit Prüfbescheid vom 26.02.2002 forderte die Beklagte von der Klägerin für den vorgenannten Prüfzeitraum hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) Sozialversicherungsabgaben i. H. v. insgesamt 20 798,48 Euro nach. Für den Beigeladenen zu 1) seien Sozialversicherungsabgaben nachzuentrichten, da er bis zum 31.01.1999 zur Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Der Beigeladene zu 1) sei ausschließlich für die Klägerin tätig geworden, wobei er zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auch gewerberechtlich nicht befugt gewesen sei, da er keinen Meistertitel habe und entsprechend seiner Gewerbeanmeldung nur unter Meisteraufsicht tätig werden durfte. Der Beigeladene zu 1) habe auch keine eigene Betriebsstätte vorgehalten und auch keine anderen Auftraggeber gehabt. Er habe sich lediglich {erfolglos) um solche bemüht.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, der Beigeladene zu 1) sei selbständig tätig geworden und hierzu auch gewerberechtlich befugt gewesen, da er über eine entsprechende Gewerbeanmeldung verfüge. Der Beigeladene zu 1) habe über eine eigene Betriebsstätte verfügt; er sei überwiegend im häuslichen Bereich unter Einsatz eigener Arbeitsausstattung tätig geworden. Im Übrigen könnten Sozialversicherungsabgaben für die Vergangenheit nicht gefordert werden. § 7 b Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erlaube die Forderung von Sozialversicherungsabgaben erst mit dem Tag der Bekanntgabe der Versicherungspflicht.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2002 zurück. Sozialversicherungsabgaben seien zu Recht nachgefordert worden, da der Beigeladene zu 1) zur Klägerin in einem abhängigen Beschäftägungsverhältnis gestanden habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.10.2002 Klage erhoben.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, der Beigeladene zu 1) sei selbständig Tätig geworden. Dabei komme es auf das Vorliegen eines Meistertitels aus europarechtlichen Gründen nicht an. Im Übrigen seien die Arbeiten des Beigeladenen zu 1) immer zur vollsten Zufriedenheit der Klägerin ausgeführt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26.02.2002 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 05.09.2002 aufzuheben. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die getroffene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben keinen Klageantrag gestellt. Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gericht- und beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten hingewiesen; diese Akten sind Gegenstandt der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.02.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2002 beschwert die Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen ist § 28 p SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbetrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Dabei erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Dabei besteht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV Sozialversicherungspflicht, soweit die betroffende Person gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zur selbständigen Tätigkeit hat die Rechtsprechung weitere Grundsätze herausgearbeitet. Danach ist für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass diese in persönliche Abhängigkeit verrichtet wird. Die persönliche Abhängigkeit äußert sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einem fremden Betrieb. Typisches Merkmal eines Abhängigkeitsverhältnisses ist die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit. Dem gegenüber kennzeichnet die selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsfreiheit über die Arbeitskraft sowie die im wesentlichen freigeschtaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Bedeutsam ist dabei, ob eigenes Kapital und/oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr auch eines Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen und/oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Weist eine Tätigkeit im Einzelfall Merkmale der Abhängigkeit und der selbständigen Tätigkeit auf, kommt es bei der Beurteilung des Gesamtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen (BSG Soz.R. 2400 § 2 Nr. 16; 2400 § 165 Nr. 45, 2400 § 166 Nr. 5, § 1127 Nr. 98).

Dies berücksichtigend hat die Beklagte von der Klägerin zu Recht Sozialversicherungsabgaben für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nachgefordert. Die Kammer ist zunächst zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin im Zeitraum 01.01.1997 bis 31.01.1999 gestanden hat. Die überwiegenden Einzelumstände der Tätigkeit sprechen hierfür. Zwar liegen auch Merkmale für eine selbständige Tätigkeit vor. So konnte der Beigeladene zu 1) selbst bestimmen, wann er die ihm aufgetragenen Dentalarbeiten ausführt. Auch hat der Beigeladene zu 1) eigenes Kapital eingesetzt, in dem er sich Werkzeug angeschafft und Material vorgehalten hat. Der Beigeladene zu 1) erhielt ferner keine Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall und musste sich seinen Urlaub auch nicht genehmigen lassen. Schließlich hat der Beägeladene zu 1) Rechnungen geschrieben, was arbeitnehmeruntypisch ist. Diese Rechnungen begründen aber zugleich Zweifel daran, dass der Beigeladene zu 1) selbständig tätig geworden ist. Die Rechnungen sind nämlich nicht nach den einzelnen Auftragsarbeiten aufgeschlüsselt und weisen auch nicht die Materialkosten aus. Die Ausweisung dieser Umstände liegt aber zur Überzeugung der Kammer bei einer Handwerkerrechnung nahe. Deswegen stellen sich die in Rede stehenden Rechnungen vielmehr als Gehaltsabrechnungen dar. Entscheidend für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht zudem, dass hinsichtlich des Beigeladenen zu 1) kein unternehmerisches Handeln zu erkennen ist. Er hat keine eigenen Betriebsräume im eigentlichen Sinne vorgehalten und insbesondere auch nicht durch ein Werbeschild oder ähnliches auf seine Dienste hingewiesen. Er ist auch im,Übrigen nicht werbend am Markt aufgetreten und hat sich nicht mit Erfolg um andere Auftraggeber bemüht. Er ist im Wesentlichen nur für die Klägerin tätig geworden und hierbei von dieser Monat für Monat regelmäßig mit Arbeiten betraut worden. Zugleich hat der Beigeladene zu 1) keine eigenen Arbeitnehmer eingestellt und ist im Wesentlichen so tätig geworden, wie die übrigen Arbeitnehmer zu der Klägerin, die ihre Arbeiten in der dortigen Werkstatt verrichten haben. Neben der eigenen Arbeitskraft hat der Beigeladene zu 1) eigenes Kapital ebenfalls nur mit minimalen Verlustrisiko eingesetzt. Der Beigeladene zu 1) hat sich lediglich - zum Teil gebraucht - Werkzeuge für 2000 bis 3000 Euro angeschafft und Materialien vorgehalten. Diese Materialien konnte er stets verbrauchsabhängig bei der Klägerin abrechnen. Dies berücksichtigend stellt sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Heimarbeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis dar, zumal der Beigeladene zu 1) die Arbeiten im Wesentlichen nach Weisungen ausgeführt hat. Dass der Beigeladene zu 1) dabei gewisse Freiheiten hatte steht für die Kammer außer Zweifel, begründet aber keine unternehmerischen Freiheiten, da die in Rede stehende Tätigkeit {Zahntechnik) denknotwendig mit gewissen Freiräumen verbunden ist. Gegen Abhängigkeit des Beigeladenen zu 1) spricht auch nicht der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) im Wesentlichen Vorbereitungsarbeiten ausgeführt hat. Diese Spezialisierung und Arbeitsteilung ist für ein Dentallabor üblich; in einem solchen Labor haben die Arbeitnehmer regelmäßig spezielle Aufgabengebiete zugewiesen. Schließlich spricht entscheidend für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Zeitraum 01.01.1997 bis 31.01.1999, dass der Beigeladene zu 1) seit Februar 1999 unstreitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin steht und seine Arbeit seitdem in der Werkstatt der Klägerin ausführt. Dabei unterscheidet sich diese Tätigkeit zur Überzeugung der Kammer nicht wesentlich von der, die der Beigeladene zu 1) zuvor ausgeübt hat. Seine jetzige Tätigkeit ist lediglich etwas hochwertiger, weswegen der Beigeladene zu 1) noch intern geschult worden ist.

Neben der Annahme, dass der Beigeladene zu 1) im Zeitraum 01.01.1997 bis 31.01.1999 zur Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, hat die Beklagte auch zu Recht für die Vergangenheit - also für den vorgenannten Zeitraum - Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert. Dem steht die Vorschrift aus § 7 b SGB IV nicht entgegen. Danach dürfen Beitragsrückstände nur dann nicht gefordert werden, wenn ein Versicherungsträger außerhalb des Status - Feststellungsverfahrens nach § 7 a SGB IV feststeht, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, und der Beschäftigte - erstens - zustimmt, - zweitens - für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht, und - drittens - der Beschäftigte oder sein Arbeitgeber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zum Einen hat der Beigeladene nicht in ausreichenden Umfang Altersvorsorge betrieben. Von einer ausreichenden Altersvorsorge ist nur dann auszugehen, wenn für die private Versicherung mindestens Prämien entrichtet werden, die der Flöhe des jeweils geltenden Mindestbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen (Hauk/Fleines, SGB IV § 7 a Rd. Nr. 37). Der Mindestbeitrag für freiwillig Versicherte zur gesetzlichen Rentenversicherung betrug im fraglichen Zeitraum zwischen 123,83 DM und 127,98 DM, während der Beigeladene zu 1) lediglich 100 DM monatlich in seine private Rentenversicherung eingezahlt hat. Zugleich ist zur Überzeugung der Kammer sowohl der Klägerin als auch dem Beigeladenen zu 1) grobe Fahrlässigleit vorzuwerfen, indem sie von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind. Sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 1) hätten aus den vorstehenden Gründen erkennen müssen, dass der Beigeladene zu 1) abhängig tätig geworden ist. Ferner ist zu berücksichtigen, dass für beide erkennbar war, dass der Beigeladene aus gewerberechtlichen Gründen nicht selbständig am Markt tätig werden konnte. Der Beigeladene zu 1) hat keinen Meistertitel und seine Gewerbeerlaubnis gibt ihm nur das Recht, unter direkter Aufsicht eines Meisters tätig zu werden, also in Abhängigkeit von einem Meister.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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