L 3 R 437/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 48 R 386/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 437/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen werden zurückgewiesen. Beklagte und Beigeladene haben dem Kläger je zur Hälfte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Beginn der Regelaltersrente des Klägers. Während die Beklagte dem Kläger die Regelaltersrente ab dem 01. Januar 2016 gewährt hat, begehrt der Kläger deren Beginn erst ab dem 01. März 2016.

Mit Rentenauskunft vom 25. Juli 2014 teilte die Beklagten dem 1950 geborenen Kläger u. a. mit, dass er seine Regelaltersgrenze am 07. Dezember 2015 erreiche und Regelaltersrente ohne Abschläge - bei rechtzeitiger Antragstellung - ab dem 01. Januar 2016 in Anspruch nehmen könne.

Der Kläger bezog seit dem 31. Oktober 2015 von der Beigeladenen Krankengeld. Im Zeitraum vom 01. Januar bis einschließlich 01. März 2016 betrug dieses täglich 38,22 Euro.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2015 bat die Beigeladene den Kläger, bei seinem Rentenversicherungsträger bis zum 29. Februar 2016 eine Altersrente zu beantragen. Zugleich wies sie ihn darauf hin, dass - sollte er planen, - seinen Antrag zurückzuziehen, - dessen Leistungsumfang zu beschränken (z. B. weil er eine Teilrente beantragen möchte) oder - den Rentenbeginn zu verschieben - er die Beigeladene darüber informieren solle, da er hierzu deren Zustimmung benötige. Anderenfalls entfalle sein Krankengeldanspruch. Dieser entfalle auch, falls er den Antrag nicht innerhalb von 12 Wochen nach Erhalt dieses Schreibens stelle. Dem Schreiben beigefügt war ein Abdruck von § 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Beigeladene informierte die Beklagte über diese Aufforderung und bat um Beachtung des eingeschränkten Gestaltungsrechts.

Am 23. Februar 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten Regelaltersrente ab dem 01. März 2016 als Vollrente.

Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass der Kläger einen Antrag auf Regelaltersrente mit dem gewünschten Rentenbeginn 01. März 2016 gestellt habe und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür bereits mit dem Rentenbeginn 01. Januar 2016 erfüllt seien. Sie bat die Beigeladene um Mitteilung, ob diese dem vom Kläger gewünschten Rentenbeginn 01. März 2016 zustimme, was die Beigeladene unter dem 14. März 2016 ablehnte.

Mit weiterem Schreiben vom 14. März 2016 meldete die Beigeladene einen Erstattungsanspruch nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bei der Beklagten an, da das Krankengeld an den Kläger bereits bis einschließlich 01. März 2016 ausgezahlt war.

Mit Bescheid vom 04. April 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 01. Januar 2016 in Höhe von (i. H. v.) monatlich 743,17 Euro netto, bzw. ab dem 01. März 2016 i. H. v. monatlich 741,51 Euro netto – verbunden mit einer Nachzahlung i. H. v. 2.969,36 Euro - und verwies darauf, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab dem 07. Dezember 2015 erfüllt seien. Weiter teilte sie mit: "Die von Ihnen beantragte Altersrente beginnt am 1. Januar 2016 (regulärer Rentenbeginn), da die T Krankenkasse ihr Gestaltungsrecht eingeschränkt hat und einem späteren Rentenbeginn nicht zustimmt." Zugleich informierte sie die Beigeladene hierüber. Die Beigeladene bezifferte daraufhin mit Schreiben vom 14. April 2016 ihren Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01. Januar bis einschließlich 01. März 2016 auf 1.510,26 EUR, worauf die Beklagte diesen Betrag der Beigeladenen anwies.

Am 11. April 2016 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 04. April 2016. Der Rentenbeginn solle wie beantragt der 01. März 2016 sein. Er habe eine Zusage von seiner Krankenkasse, dass ihm Krankengeld bis zum 29. Februar 2016 gezahlt werde.

Mit Schreiben vom 17. Juni 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass von der einbehaltenen Rentennachzahlung 1.510,26 EUR an die Beigeladene zu erstatten seien und der Restbetrag in Höhe von 1.459,10 EUR in Kürze auf das Konto des Klägers überwiesen werde. Diesem Schreiben widersprach der Kläger mit Schreiben vom 03. Juli 2016. Es bestehe kein Anspruch der Beigeladenen auf Erstattung, da er die Rentenzahlung ab dem 01. März 2016 beantragt und die Beigeladene das Krankengeld bis zum 29. Februar 2016 geleistet habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Für Altersrenten könnten Versicherte zwar grundsätzlich nach der erfolgten Feststellung des (frühestmöglichen) Rentenbeginns den Beginn der Altersrente auf den Ersten eines jeden späteren Kalendermonats verlegen. Dieses Bestimmungs- bzw. Gestaltungsrecht trage der Regelung in § 77 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bei einer hinausgeschobenen Inanspruchnahme einer Altersrente Rechnung. Für den Fall, dass Versicherte Leistungen anderer Träger beziehen, könne das jeweilige Gestaltungsrecht bezüglich des Rentenbeginns jedoch eingeschränkt sein. Nach § 51 Abs. 1 SGB V hätten Krankenkassen die Möglichkeit, Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert sei, aufzufordern, einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zu stellen. Sei in diesen Fällen eine Umdeutung des Antrags auf Leistungen zur Teilhabe in einen Rentenantrag vorzunehmen, könnten die Versicherten der Umdeutung nur mit Zustimmung der Krankenkasse widersprechen. Eine entsprechende Einschränkung des Gestaltungsrechts könne von den Krankenkassen auch nachträglich und auch bezüglich eines bereits gestellten Rentenantrages ausgesprochen werden. Erfüllten die Versicherten die Voraussetzungen für den Bezug einer Regelaltersrente, könne die Krankenkasse nach § 51 Abs. 2 SGB V direkt auch zu einem Antrag auf Regelaltersrente auffordern. Es würden sich dann die gleichen Rechtsfolgen wie in den Fällen des § 51 Abs. 1 SGB V ergeben. Aufgrund dieses hier für den Kläger eingeschränkten Gestaltungsrechts habe die Beklagte angesichts des bereits ab dem 01. Januar 2016 möglichen Rentenbeginns um Einverständnis für einen späteren Rentenbeginn zum 01. März 2016 bei der Beigeladenen nachgefragt, die dem nicht zugestimmt habe. Der angefochtene Bescheid und die mit Datum vom 17. August 2016 erfolgte Abrechnung der einbehaltenen Nachzahlungsbeträge seien daher nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat der Kläger am 29. Juli 2016 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben. Er habe den Bezug von Altersrente ab dem 01. März 2016 beantragt. Da ihm anstandslos Krankengeld von der Beigeladenen bis zum 29. Februar 2016 gezahlt worden sei, habe auch kein Handlungsbedarf bestanden, die Rente ab dem 01. Januar 2016 zu beantragen. Seitens der Beigeladenen sei er auch nicht über mögliche Rückforderungen informiert worden. Alle ihm vorliegenden Schriftsätze ließen den Schluss zu, dass die Beigeladene mit dem Auslaufen der Krankengeldzahlung zum 29. Februar 2016 einverstanden gewesen sei.

Nach der von der Beklagten auf Anforderung des SG am 04. November 2016 erstellten Probeberechnung für die Regelaltersrente mit einem Rentenbeginn am 01. März 2016 ergäbe sich ab diesem Zeitpunkt ein monatlicher Rentenzahlbetrag von 752,79 Euro netto.

Das SG hat die Krankenkasse des Klägers durch Beschluss vom 02. März 2017 beigeladen und mit Urteil vom 04. Mai 2017 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2016 verpflichtet, dem Kläger Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit Rentenbeginn am 01. März 2016 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Ein Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente setze gemäß § 235 SGB VI das Erreichen der Regelaltersgrenze und die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voraus. Unstreitig hätten beide Voraussetzungen im Fall des Klägers ab dem 2015 (Vollendung des 65. Lebensjahres plus 4 Monate, vgl. § 235 SGB VI) vorgelegen. Damit wäre dem Kläger gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI ab dem 01. Januar 2016 eine Regelaltersrente zu leisten gewesen, wenn er diese bis spätestens 31. März 2016 beantragt hätte. Seinen innerhalb dieser Frist gestellten Rentenantrag habe der Kläger jedoch zulässigerweise auf eine Rentengewährung ab dem 01. März 2016 beschränkt. Versicherte könnten den Beginn der Altersrente auf den Ersten eines jeden, dem frühestmöglichen Rentenbeginn folgenden späteren Kalendermonats verlegen. Dieses Bestimmungsrecht trage der Regelung in § 77 Abs. 2 SGB VI bei einer hinausgeschobenen Inanspruchnahme einer Altersrente Rechnung. Der Kläger habe bei seiner Rentenantragstellung von diesem Bestimmungsrecht Gebrauch gemacht und einen auf Rentengewährung ab dem 01. März 2016 beschränkten Rentenantrag gestellt. Es fehle an einer gesetzlichen Grundlage dafür, diesen Rentenantrag als einen unbeschränkten Rentenantrag auszulegen, der Grundlage für eine Rentengewährung ab dem 01. Januar 2016 sein könne. Ebenso fehle es an einer gesetzlichen Grundlage dafür, vorliegend eine Rentenantragstellung ab dem 01. Januar 2016 zu fingieren. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen stelle auch § 51 Abs. 2 und 3 SGB V keine solche Rechtsgrundlage dar. Denn diese Vorschrift berechtigte die Krankenkasse lediglich, 1. den Versicherten, die die Voraussetzungen für den Bezug der Regelaltersrente oder Altersrente aus der Alterssicherung der Landwirte bei Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllten, eine Frist von zehn Wochen zu setzen, innerhalb der diese Versicherten den Antrag auf diese Leistung zu stellen hätten und 2. wenn die Versicherten innerhalb der Frist den Antrag nicht stellten, die Krankengeldzahlung mit Ablauf der Frist zu beenden, da der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist entfalle. Damit habe es trotz der Aufforderung der Krankenkasse weiter allein dem Bestimmungsrecht des Versicherten oblegen, ob er einen Rentenantrag und welchen Rentenantrag er stelle. Stelle er nicht den von der Krankenkasse geforderten Rentenantrag, entfalle bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen lediglich der Krankengeldanspruch mit Ablauf der Zehn-Wochen-Frist (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 31/13 R -; Brinkhoff in Schlege/Voelzke, jurisPK-SGB V, der unter Rn. 24 ausführe, dass § 51 Abs. 3 S. 1 SGB V den Fall einer unterbliebenen oder unzureichenden Antragstellung regele). Das oben genannte Bestimmungsrecht werde ersichtlich nicht durch die § 51 Abs. 2 und 3 SGB V eingeschränkt. Weder könne die Krankenkasse den Rentenantrag anstelle des Versicherten selbst stellen noch könne sie bewirken, dass der vom Versicherten gestellte Rentenantrag abweichend von seinem Wortlaut - anders als vom Versicherten beantragt - behandelt werde. Wenn die Beigeladene im vorliegenden Fall meine, der auf den Rentenbeginn 01. März 2016 gerichtete Rentenantrag sei nicht der von ihr mit Schreiben vom 18. Dezember 2015 geforderte Rentenantrag, hätte sie bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen gem. § 51 Abs. 3 SGB V die Krankengeldzahlung mit Ablauf der Zehn-Wochen-Frist (vorliegend mit Ablauf des 29. Februar 2016) beenden können. Nichts anderes ergebe sich aus der Rechtsprechung zur eingeschränkten Dispositionsbefugnis des Versicherten im Fall einer Aufforderung nach § 51 SGB V. Diese greife erst ein, wenn der Versicherte zunächst einen der Aufforderung durch die Krankenkasse entsprechenden Rentenantrag gestellt habe. In solchen Fällen werde dem Versicherten das Recht abgesprochen, im Nachhinein noch ohne Zustimmung der Krankenkasse über seinen Rentenantrag uneingeschränkt zu verfügen (vgl. z. B. BSG, Urteile vom 04. Juni 1981 - 3 RK 32/80 und 3 RK 50/80 -, beide ergangen zur Vorgängervorschrift des § 51 SGB V, und zwar zu § 183 Abs. 7 und 8 Reichsversicherungsordnung – RVO -). Denn eine nachträgliche Verschiebung des Rentenbeginns würde eine von der Krankenkasse bereits erworbene Rechtsposition beeinträchtigen. Dieses Ergebnis werde bestätigt durch die Systematik der §§ 50 und 51 SGB V. Entschließe sich der Krankengeld beziehende Versicherte, der Aufforderung der Krankenversicherung nicht nachzukommen, und stelle er deshalb keinen Antrag beim Rentenversicherungsträger, sei einzige Rechtsfolge, dass sein Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der von der Krankenkasse für die Antragstellung beim Rentenversicherungsträger gesetzten Frist, frühestens mit Ablauf von 10 Wochen seit der Aufforderung, entfalle. Es werde in diesem Fall keine Rentenantragstellung fingiert. Nichts anderes könne für den Fall gelten, in welchem der Versicherte sich entschließe, das Krankengeld bis zum Ablauf dieser Frist zu beziehen und beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Altersrente mit einem Rentenbeginn nach Ablauf dieser Frist zu stellen. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, den Versicherten im letztgenannten Fall schlechter zu behandeln und einen Rentenantrag zu einem früheren Rentenbeginn (im vorliegenden Fall mit der Folge einer geringeren monatlichen Rente) zu fingieren. Hier sei allein die Rechtsfolge des § 51 Abs. 3 SGB V einschlägig. Angesichts der klaren Regelung des Gesetzes bestehe keine Veranlassung, die Rechtsprechung zur eingeschränkten Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu erweitern, dass ein von Anfang an auf einen späteren Rentenbeginn beschränkter Rentenantrag in den von der Krankenkasse gewollten Rentenantrag umzudeuten sei, oder dass der von der Krankenkasse gewollte Rentenantrag zu fingieren sei, weil der Krankenkasse ansonsten ein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X i.V.m. § 50 Abs. 1 S. 1 SGB V verloren ginge. Eine derartige Rechtsansicht würde nicht nur die grundsätzliche Dispositionsfreiheit des Versicherten in Bezug auf seine Antragstellung verkennen, sondern auch sonst dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen. Mit der Vorschrift des § 51 SGB V bringe der Gesetzgeber klar zum Ausdruck, dass die Krankenkasse allein durch den Wegfall des Krankengeldes Einfluss auf die Rentenantragstellung des Versicherten nehmen könne. Lediglich in Fällen, in welchen ihr diese Einflussnahmemöglichkeit dadurch genommen werde, dass der Antrag zunächst aufforderungsgemäß gestellt und erst im Nachhinein beschränkt oder zurückgenommen werde, sei zum Schutz der berechtigten Interessen der Krankenkasse eine Einschränkung des an sich uneingeschränkten Dispositionsrechtes des Versicherten vorzunehmen, indem für eine nachträgliche Beschränkung oder Rücknahme des Antrages die Zustimmung der Krankenkasse zu fordern sei (vgl. BSG aaO).

Gegen das ihr am 18. Mai 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Mai 2017 Berufung eingelegt. Die Beigeladene, der das Urteil am 19. Mai 2017 zugestellt worden war, hat hiergegen am 14. Juni 2017 Berufung eingelegt.

Die Beklagte ist der Meinung, dass für die Verschiebung vom frühestmöglichen Rentenbeginn am 01. Januar 2016 auf den vom Kläger gewollten späteren Rentenbeginn das Einverständnis der Beigeladenen erforderlich sei. Hierzu wiederholt sie zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt dieses: Zur Auslegung des § 51 Abs. 2 SGB V sei die Regelung des § 50 Abs. 1 SGB V heranzuziehen. Danach ende der Anspruch auf Krankengeld, sobald eine "Vollrente wegen Alters" beginne. Hieraus sei der gesetzgeberische Wille zu erkennen, dass Krankengeld im Hinblick auf Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Altersrente nur subsidiär bezogen werden solle. § 50 Abs. 1 SGB V regele daher eine Rangfolge zwischen Krankengeld einerseits und Regelaltersrente andererseits, wie bereits im Urteil des BSG vom 26. August 2008 - B 13 R 141/07 R - zum Verhältnis Krankengeld und Rente wegen Erwerbsminderung ausgeführt sei. Da § 50 Abs. 1 SGB V beide Rentenarten erwähne, könne für die Regelaltersrente nichts anderes gelten. Nach Auffassung des BSG dürften Einschränkungen die Möglichkeit der Krankenkassen, den Anspruch auf Krankengeld durch Aufforderung der Stellung eines Antrags auf Regelaltersrente zu beenden, nicht ins Leere laufen lassen. Nach § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI werde eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt seien, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt werde, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Da diese Frist bis zum 29. Februar 2016 eingehalten worden sei, habe es daher der Aufforderung zur Rentenantragstellung, verbunden mit einem bestimmten Rentenbeginn, nicht bedurft.

Die Beigeladenen ist der Ansicht, dass dem Kläger nach der gesetzlichen Regelung des § 99 SGB VI nur ein Beginn der Regelaltersrente ab dem 01. Januar 2016 zugestanden hätte. Wegen der bereits bei Rentenantragstellung bestehenden Einschränkung der klägerischen Dispositionsfreiheit aufgrund ihres bestandskräftigen Bescheides vom 18. Dezember 2015 gemäß § 51 Abs. 2 SGB V habe der Kläger für einen von der gesetzlichen Norm abweichenden Rentenbeginn die Zustimmung der Beigeladenen benötigt, die nicht vorliege. Entgegen der Ansicht des SG könne der Kläger durch die Aufforderung nach § 51 SGB V und die damit bewirkte Einschränkung seiner Gestaltungsfreiheit auch über den Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht mehr frei und unabhängig entscheiden. Die vom SG vertretene Auffassung überzeuge nicht. Danach würde es auch genügen, wenn der Kläger die Rente mit einem gewählten Rentenbeginn z.B. ab dem 01. Mai 2016 beantragt hätte. Dann hätte die Beigeladene bis zum 30. April 2016 Krankengeld zahlen müssen, denn eine Sanktion nach § 51 SGB V wäre unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des SG nicht möglich, da der Antrag innerhalb der 10-Wochen-Frist und damit fristgerecht gestellt worden sei. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck des § 51 SGB V nicht vereinbar. Zu dieser Problematik bestehe bisher ausschließlich Rechtsprechung in Bezug auf die (längere Zeit rückwirkende) Feststellung der Erwerbsminderung und nachträgliche Änderung des Rentenbeginns. Der gesetzgeberische Wille liege aus Sicht der Beigeladenen in einer Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Leistungserbringern im System der Gesetzlichen Sozialversicherung. Trete, wie hier geschehen, der Rentenfall (egal ob Erwerbsminderungsrente oder Altersrente) ein, solle regelmäßig eine Überführung des Versicherten in diesen Zweig erfolgen. Ein Hinausschieben dieses Wechsels im Sozialversicherungssystem stelle den Ausnahmefall dar und bedürfe daher der Zustimmung der Beigeladenen. Die Rechtsmeinung des SG würde diesen Ausnahmefall aber zu einem Regelfall werden lassen. Der vom Gesetzgeber mit § 51 Abs. 2 SGB V verfolgte Zweck liefe - nach Auffassung der Beigeladenen - ins Leere.

Beklagte und Beigeladene beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 04. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen. Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 04. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2016 ist insoweit rechtswidrig und beschwert den Kläger, als ihm Regelaltersrente mit einem Rentenbeginn am 01. Januar 2016 gewährt wurde und nicht, wie es zutreffend gewesen wäre, erst ab dem 01. März 2016.

Der am 1950 geborene Kläger hat ein Stammrecht auf Regelaltersrente am 07. Dezember 2015 nach §§ 35 Satz 1, 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erworben. Nach diesen Vorschriften haben Versicherte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Das Stammrecht der Regelaltersrente entsteht, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen der Regelaltersrente - unabhängig vom Antrag - erfüllt sind (§ 40 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -).

Die Regelaltersgrenze war für den Kläger am 07. Dezember 2015 erreicht, vgl. die Rentenauskunft der Beklagten vom 25. Juli 2014. Da auch die allgemeine Wartezeit von 60 Beitragsmonaten nach §§ 50, 51, 54, 55, 250 SGB VI erfüllt war, stand ihm das Stammrecht auf Regelaltersrente ab diesem Zeitpunkt zu (Schmidt/Kador in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 99 Rn. 6). Das Entstehen des Stammrechts des Klägers auf Regelaltersrente ist im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig.

Von dem ab dem 07. Dezember 2015 bestehenden Stammrecht abzugrenzen sind die daraus resultierenden Einzelansprüche auf Auszahlung der Rente, deren Fälligkeitszeitpunkt sich nach dem in § 99 SGB VI, § 19 SGB Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verankerten Antragsprinzip ergibt (Schmidt/Kador in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 99 Rn. 6). Dem Rentenantrag des Versicherten kommt daher neben der verfahrensrechtlichen Bedeutung der Ingangsetzung des Rentenverfahrens eine maßgebliche materielle Bedeutung zu, da er die aus dem Stammrecht resultierenden Einzelansprüche auf Auszahlung der Rente zu dem sich aus § 99 SGB VI zu ermittelnden Zeitpunkt fällig werden lässt und für zurückliegende Zeiträume begrenzt (BSG, Urteil vom 02. August 2000 - B 4 RA 54/99 R -, in juris).

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Im Rahmen der Antragstellung nach § 99 SGB VI steht den Versicherten grundsätzlich eine Dispositionsfreiheit im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten des SGB VI insbesondere mit Blick auf den Zahlungsbeginn einer Regelaltersrente zu. So haben Versicherte im Geltungsbereich des SGB VI - somit seit dem 01. Januar 1992 - zwar nicht mehr die Möglichkeit zur Verschiebung des Versicherungsfalls wie vormals noch in § 1248 Abs. 6 RVO geregelt. Sie haben jedoch nunmehr im Rahmen der §§ 75, 77 SGB VI die Möglichkeit, durch die Wahl des Zeitpunktes der Antragstellung - quasi durch eine Nichtinanspruchnahme - auf den Beginn und die Höhe ihrer Regelaltersrente Einfluss zu nehmen (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 23/95 -, juris Rn. 28). Darüber hinaus haben Rentenversicherte im Rahmen des jeweiligen Rentenantragsverfahrens die Möglichkeit, weitere rentenrechtliche Dispositionen zu treffen, so u.a. den Rentenantrag zurückzunehmen oder inhaltlich der Höhe nach (nur Inanspruchnahme einer teilweisen Altersrente) zu beschränken (Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, 07/19, § 51 SGB V, juris Rn. 29).

Solche (nachträglichen) Dispositionen sind bis zum Eintritt der Bestandskraft des Reha- oder Rentenbescheides zulässig und kein unwirksamer Verzicht i. S. v. § 46 Abs. 2 SGB I (BSG in BSGE 37, 257, 258 ff., BSGE 46, 279, 280 f., BSGE 49, 202, 205 ff., BSGE 52, 26, 28). Nach Maßgabe dieser gesetzlichen Regelungen kann der Kläger, dessen Rentenantrag am 23. Februar 2016 bei der Beklagten einging und in welchem er – im Antragsformular der Beklagten danach befragt - als gewünschten Beginn-Zeitpunkt der Rentenzahlung den "01. März 2016" angegeben hatte, die Regelaltersrente - antragsgemäß - ab dem 01. März 2016 von der Beklagten beanspruchen. Dass dem Kläger damit – ausweislich der vom SG angeforderten Probeberechnung der Beklagten vom 04. November 2016 – dauerhaft ein höherer Auszahlungsbetrag (ab dem 01. März 2016 monatlich 752,79 Euro) zugute kommt als bei der ihm von der Beklagten ab dem 01. Januar 2016 gewährten Rente (monatlich 743,17 Euro, ab dem 01. März 2016: 741,51 Euro) ist rechtlich legitimiert durch die Regelungen in §§ 75, 77 SGB VI und Teil der rentenrechtlichen Dispositionsfreiheit des Klägers (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 23/95 -, juris Rn. 28).

Diese Dispositionsbefugnis des Klägers im rentenversicherungsrechtlichen Verhältnis zur Beklagten wurde nicht wirksam durch oder aufgrund Gesetzes dahingehend eingeschränkt, dass sein Rentenantrag mit beantragtem Rentenbeginn "01. März 2016" als ein Rentenantrag mit einem "beantragten" Rentenbeginn "01. Januar 2016" zu fingieren wäre. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den als zutreffend erachteten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils vom 04. Mai 2017 uneingeschränkt an und nimmt auf diese Bezug ( § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend hierzu weist er auf Folgendes hin:

Dem auf § 51 SGB V gestützten Aufforderungsschreiben der Beigeladenen vom 18. Dezember 2015, bei dem es sich zweifellos um einen - bestandskräftigen - Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Abs. 1 S. 1 SGB X handelt, lässt sich schon keine rechtsverbindliche Aufforderung an den Kläger zur Stellung eines Rentenantrages mit einem Rentenbeginn "01. Januar 2016" entnehmen. Zwar forderte die Beigeladene mit dem Verwaltungsakt vom 18. Dezember 2015 den Kläger auf, bei seinem Rentenversicherungsträger bis zum 29. Februar 2016 eine Altersrente zu beantragen. Soweit die Beigeladene den Kläger zusätzlich darauf hinwies, dass er ihrer Zustimmung bedürfe, um seinen Antrag zurückzuziehen, dessen Leistungsumfang zu beschränken (z. B. weil er eine Teilrente beantragen möchte) oder den Rentenbeginn zu verschieben, traf sie jedoch bereits inhaltlich - betrachtet vom maßgeblichen Standpunkt eines objektiven Empfängers aus - keine Regelung im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 1 SGB X dahingehend, dass damit dem Kläger aufgegeben worden wäre, den Rentenantrag von vornherein so zu stellen, dass damit von ihm ein Rentenbeginn zu dem für ihn frühestmöglichen abschlagsfreien Beginnzeitpunkt – hier zum 01. Januar 2016 - gewählt wird (zum objektiven Empfängerhorizont vgl. BSG, Urteil vom 04. September 2013 – B 10 EG 7/12 R –, juris Rn. 21; BSGE 62, 32, 36 mwN). Insbesondere lässt sich dem Aufforderungsschreiben keine allgemeinverständliche Aufforderung zur Beantragung einer Altersrente mit einem konkret bestimmten Rentenbeginn entnehmen. Von daher kann vorliegend auch offenbleiben, ob die Beigeladene aus § 51 SGB V überhaupt berechtigt wäre, ihre im Krankengeldbezug stehenden Versicherten rechtsverbindlich zur Stellung eines Rentenantrages mit einem konkret bestimmten Rentenbeginn aufzufordern.

Wie das SG bereits ausgeführt hat, fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die von der Beklagten und Beigeladenen angenommene Fiktion eines früheren Rentenbeginns als den vom Kläger im Rentenantrag konkret gewählten Beginnzeitpunkt. Insbesondere ergibt sich eine derartige Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Versicherten schon bei Rentenantragstellung, wie im hier konkret streitigen Rechtsverhältnis von der Beklagten und der Beigeladenen angenommen, nicht aus § 51 Abs. 2 SGB V bzw. i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, d.h. weder aus dem Gesetzestext noch aus dessen Auslegung.

Für SGB VI-Versicherte, die Krankengeld nach dem SGB V beziehen, bestimmt § 51 Abs. 2 SGB V in Bezug auf die Regelaltersrente:

"Erfüllen Versicherte die Voraussetzungen für den Bezug der Regelaltersrente oder Altersrente aus der Alterssicherung der Landwirte bei Vollendung des 65. Lebensjahres, kann ihnen die Krankenkasse eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie den Antrag auf diese Leistung zu stellen haben."

Für den Fall, dass Versicherte dieser Aufforderung nicht nachkommen, regelt die Norm in Abs. 3:

"Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist. Wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf. "

Die Regelung des § 51 Abs. 2 SGB V betrifft ausschließlich das Verhältnis der Krankenkasse - der hiesigen Beigeladenen - zum Kläger, als ihrem Krankenversicherten. Die in diesem Rechtsverhältnis vom Gesetzgeber vorgesehene Sanktion folgt ausschließlich aus Abs. 3 der Norm selbst und berechtigt die Krankenkasse/Beigeladene im Rechtsverhältnis zum Kläger, das Krankengeld nach Ablauf der 10-Wochen-Frist einzustellen, wenn der Antrag nicht innerhalb dieser Frist beim Rentenversicherungsträger gestellt wurde.

§ 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V regelt den Ausschluss und die Kürzung des Krankengeldes wie folgt:

"Für Versicherte, die 1. Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung, 2 ... beziehen, endet ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an; nach Beginn dieser Leistungen entsteht ein neuer Krankengeldanspruch nicht. Ist über den Beginn der in Satz 1 genannten Leistungen hinaus Krankengeld gezahlt worden und übersteigt dieses den Betrag der Leistungen, kann die Krankenkasse den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurück fordern. "

Diese Vorschrift betrifft ebenfalls nur das Verhältnis der Krankenkasse – der Beigeladenen – zu ihrem Versicherten – dem Kläger – und regelt ausschließlich die Dauer des Krankengeldanspruches im Falle des Bezugs einer der konkret benannten Rentenarten.

Unstreitig ist hier der persönliche Anwendungsbereich des § 51 Abs. 2 SGB V für den Kläger eröffnet, da er vor Entstehung seines Stammrechts auf Regelaltersrente (am 07. Dezember 2016) im Krankengeldbezug der Beigeladenen stand. In der Sache hat der Kläger das getan, was unter Bezugnahme auf § 51 Abs. 2 SGB V die Beigeladenen von ihm verlangen konnte: Er hat innerhalb einer Frist von 10 Wochen den Antrag auf Regelaltersrente bei der Beklagten gestellt. Dass - angesichts dessen - die Sanktionsbefugnis der beigeladenen Krankenkasse auf der Grundlage des § 51 Abs. 3 SGB V hier nicht zum Tragen kommt, wird von den Beteiligten in keiner Weise infrage gestellt.

Weitere Befugnisse im o.g. Sinne können jedoch weder Beklagte noch Beigeladene aus § 51 Abs. 2 SGB V ggf. i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V herleiten. Nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 2 SGB V wird die Dispositionsbefugnis der Klägers ausdrücklich nur dahingehend eingeschränkt, dass er innerhalb der Frist von 10 Wochen den Rentenantrag zu stellen hat. Damit erschöpft sich die Reichweite der Einschränkung der Dispositionsfreiheit bei der initialen und erstmaligen Antragstellung der Altersrente. Eine Sanktionsbefugnis des Rentenversicherungsträgers resultiert aus § 51 Abs. 2 und 3 SGB V nicht.

Auch Sinn und Zweck der Normen lassen eine weitergehende Auslegung nicht zu. Mit den §§ 49 bis 51 SGB V werden die Zuständigkeiten der unterschiedlichen Sozialleistungsträger und entsprechend deren Risikobereiche, wie sie sich in den Strukturen der einzelnen Leistungsansprüche niederschlagen, in ihrer Tragweite konkretisiert bzw. an ihren Schnittstellen voneinander abgegrenzt (Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 51, juris Rn. 5 unter Verweis auf BSGE 19, 28, 30; BSGE 49, 71,74). Dabei wird auf die Nahtlosigkeit der verschiedenen Leistungen geachtet und die Dispositionsfreiheit der Versicherten über die konkreten Leistungsansprüche berücksichtigt (Brandts, in Kassler Kommentar, SGB V, § 51 Rz. 2).

Während § 49 SGB V (Ruhen des Krankengeldes) und § 50 SGB V (Ausschluss und Kürzung des Krankengeldes) der zusätzliche spezifische Normzweck zugrunde liegt, Doppelleistungen, welche die gleiche Zweckrichtung haben, zu vermeiden, ist es die Funktion von § 51, diesen Zweck im Vor- und Übergangsbereich jener Normen zu unterstützen. Der spezifische Zweck von § 51 (insgesamt) ist es, der Krankenkasse die Befugnis zu geben, die Antragstellung durch Einwirkung auf die "Motivation" der Versicherten bzw. die Sanktionierung nicht rechtzeitiger Antragstellung effektiv veranlassen zu können, um auf diese Weise ihre leistungsrechtlichen Interessen zu schützen (Noftz in Hauck/Noftz, a.a.O.). Zwar ist damit auch eine Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Krankenversicherten verbunden, wie die Rechtsprechung des BSG zu § 51 Abs. 1 S. 1 SGB V anerkannt hat (u. a. BSG, Urteil vom 26. Juni 2008, B 13 R 141/07 R, juris Rn. 25; BSG im Urteile vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 31/13 R und B 1 KR 32/13 R –, juris). Jedoch reicht diese Einschränkung nicht so weit, dass der Rentenversicherungsträger berechtigt ist, abweichend vom konkret gestellten Rentenantrag einen anderen Rentenbeginn der Rentengewährung zugrunde zu legen.

So geht das BSG zu § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V davon aus, dass diese Norm, um den Vorrang der Rentenzahlungen vor Krankengeldleistungen bei dauerhafter Erwerbsminderung sicherzustellen, den Krankenkassen die Möglichkeit einräumt, ihre Versicherten zu veranlassen, lediglich mittelbar (wegen der Rentenantragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI) einen Rentenantrag zu stellen, hierdurch Einfluss auf den Beginn der antragsabhängigen Leistung (§ 19 SGB IV, § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 2 SGB VI) zu nehmen (§ 99 SGB VI) und einen Wegfall ihrer Leistungszuständigkeit für das Krankengeld schon vor Erreichen der Anspruchshöchstdauer (§ 48 SGB V) zu bewirken (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 31/13 R und B 1 KR 32/13 R -, in juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04. Juni 2009 - L 5 KR 44/07 -, in juris). Gleichzeitig wird die nicht rechtzeitige Antragstellung durch das Entfallen des Anspruchs auf Auszahlung von Krankengeld sanktioniert (§ 51 Abs. 3 S. 1 SGB V). Die Regelung in § 50 SGB V würde ohne Unterstützung durch § 51 SGB V unterlaufen werden können, wenn der Versicherte die erforderliche Antragstellung (willkürlich) unterlässt (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 31/13 R und B 1 KR 32/13 R -, BSGE 101, 86 = SozR 4-2500 § 51 Nr. 2, Rn. 24 f; BSGE 94, 26).

Auch legt die Rechtsprechung § 51 Abs. 1 S. 1 SGB V dahingehend aus, dass der Antrag ohne Einschränkungen gestellt werden muss und vom Rentenversicherungsträger bearbeitet werden kann. Ein Antrag, der nur "rein fürsorglich" und gleichzeitig "ruhend" gestellt wird, genügt diesen Anforderungen nicht. Dies ergibt sich, so das BSG in den Urteilen vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 31/13 R und B 1 KR 32/13 R –, in juris Rn. 27 bzw. 20, aus dem - bereits teilweise oben aufgezeigten - Sinn und Zweck der Norm. Denn – so das BSG - es liege auf der Hand, dass nur ein Reha-Antrag, der Teilhabeleistungen auslösen kann, diesem Zweck zu genügen vermag, nicht aber ein Antrag, über den der Rentenversicherungsträger gar nicht oder mangels Mitwirkung des Versicherten ablehnend entscheiden soll. Andernfalls läge es auch in der Hand des Versicherten, nach seinem Belieben die gesetzliche Risikozuordnung zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und gesetzlicher Rentenversicherung zu verschieben.

Dass die gesetzliche Risikozuordnung zwischen diesen beiden sozialen Leistungsträgern nicht der völlig freien Disposition des Versicherten unterliegt, zeigt sich auch in der von der Rechtsprechung anerkannten Rechtstatsache, dass dem Versicherten die Befugnis fehlt, einen nach Aufforderung seiner Krankenkasse gestellten Reha-Antrag später zurückzunehmen. Hierzu hat das BSG in ständiger Rechtsprechung bereits unter Geltung der RVO (§ 183 Abs. 7 RVO) entschieden, dass der Versicherte seinen Antrag wirksam nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse zurücknehmen oder beschränken kann (BSGE 52, 26, 29 ff). Es hat diese Rechtsprechung auch unter Geltung des § 51 SGB V aufrechterhalten (BSGE 76, 218, 223; BSGE 101, 86 ; BSGE 94, 26; BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 31/13 R und B 1 KR 32/13 R –, in juris).

Auf dieser Grundlage erweist sich die Argumentation des SG in der angegriffenen Entscheidung als schlüssig, dass nach der einmal innerhalb der 10-Wochen-Frist erfolgten Rentenantragstellung keine nachträglichen, rentenrechtlichen Dispositionen des Versicherten ohne eine Zustimmung der Krankenkasse getroffen werden können, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversichertengemeinschaft gehen würden. Die Rechtsprechung des BSG verdeutlicht das alleinige Sanktionsrecht der Krankenkasse auf der Grundlage des § 51 Abs. 2, 3 SGB V, ohne zugleich auf das rentenrechtliche Verhältnis des Klägers zur Beklagten Einfluss zu nehmen. Hätte der Gesetzgeber eine weiterreichende Beschränkung der Dispositionsfreiheit der Versicherten im Hinblick auf §§ 75, 77 SGB VI und die Wahl des Rentenbeginns - bei erstmaliger - Rentenantragstellung angestrebt, so hätte er dies zum Gegenstand der gesetzlichen Regelung machen müssen. Korrekturen am Gesetzeswortlaut, die derart einschränkende Wirkungen auf die Dispositionsbefugnis der Versicherten haben, sind nicht Aufgabe der Gerichte, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). So hat der Gesetzgeber im Bereich des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) mit § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II den SGB II-Leistungsträger berechtigt, ersatzweise einen Rentenantrag zu stellen, wenn der Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen entsprechenden Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellt (vgl. hierzu Skipka/Winkler, juris PK-SGB VI, § 99 Rn. 23.3). Damit werden dem SGB II-Leistungsträger vom Gesetzgeber ausdrücklich weiterreichende Befugnisse im Rechtsverhältnis des SGB II-Leistungsbeziehers zum Rentenversicherungsträger eingeräumt als der Krankenkasse mit § 51 Abs. 2 SGB V im Rechtsverhältnis des Krankenversicherten zum Rentenversicherungsträger. Mit der Regelung des § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II dürfte wohl dem Aspekt, dass es sich bei den Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II grundsätzlich um subsidäre Leistungen handelt (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, 07/18, § 5 Rn. 2 ff) und diese ausschließlich steuerfinanziert sind, Rechnung getragen worden sein. Dagegen handelt es sich bei den Krankengeldansprüchen wie auch bei den Altersrentenansprüchen um von den Beiträgen der Kranken- und Rentenversicherten (mit)finanzierte Lohnersatzleistungen, bei denen im Hinblick auf Art. 14 GG mehr Zurückhaltung hinsichtlich der beschränkenden Anspruchsgestaltung durch den Gesetzgebers geboten ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist mangels eines Zulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen; insbesondere weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG ab, sondern legt sie seiner Entscheidung zugrunde.
Rechtskraft
Aus
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