L 8 KR 228/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3 R 258/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 228/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Klägerin zu 1) zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer (im Weiteren: Gesellschafter-GF) im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014 in Höhe vom 73.988,03 EUR streitig.

Am 16. April 2014 führte die Beklagte bei der Klägerin zu 1) eine Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – SGB IV) für den Zeitraum vom 7. September 2009 bis zum 30. Juni 2014 durch. Sie stellte dabei u.a. folgendes fest:

Die Klägerin zu 1) wurde am 29. Januar 2009 (Amtsgericht Fulda HRB xxx1) als Unternehmergesellschaft (UG) haftungsbeschränkt vom Kläger zu 2) und einer weiteren Personengesellschaft mit einem Stammkapital in Höhe von 500 EUR gegründet. Der Kläger zu 2) wurde als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen. Zunächst besaß er einen Anteil am Stammkapital der Klägerin zu 1) in Höhe von 75 %. Gegenstand der Klägerin ist die Beratung, Projektierung, Entwicklung, Vertrieb und Verkauf von IT-Lösungen, die Softwareentwicklung sowie die Entwicklung und Herstellung von Datenbanken und Internetportalen sowie deren Betrieb; des weiteren Online- und Privatagenturdienstleistungen.

Am 7. September 2009 veräußerte der Kläger zu 2) an D. und E. C. jeweils 25 % seines Anteils am Stammkapital der Klägerin zu 1). Der Kläger zu 2) behielt 25 % und die restlichen 25 % des Stammkapitals hielt die weitere Gründungsgesellschafterin.

Am 9. Februar 2012 schlossen die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) einen Geschäftsführervertrag (GF-Vertrag). Es wurde vereinbart, die Vergütung des Klägers zu 2) regele sich über den bereits zwischen der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) geschlossenen Beratungsvertrag (§ 6 Ziff. 1 GF-Vertrag), er sei alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (§ 2 Ziff. 1 GF-Vertrag) und benötige für bestimmte Rechts- und Geschäftsverhandlungen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 2 Ziff. 2 GF-Vertrag), der Kläger zu 2) sei in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei (§ 5 Ziff. 1 GF-Vertrag), auf eine Tantiemenvereinbarung werde verzichtet sowie auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (§ 6 Ziff. 2 und 3 GF-Vertrag). Die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1) erhöhte am 14. Februar 2012 ihr Stammkapital von 500 EUR auf 25.000 EUR. Die prozentualen Anteile des Klägers zu 2) und der übrigen Gesellschafter blieben unverändert. Nach § 6 Abs. 3 der damaligen Fassung der Satzung der Klägerin zu 1) sind alle Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen zu fassen, soweit nicht durch Gesetz oder Satzung andere Mehrheitsverhältnisse vorgeschrieben sind, wobei jeder Euro eines Geschäftsanteils bei der Beschlussfassung eine Stimme gewährt (§ 6 Abs. 4 der Satzung der Klägerin zu 1).

Am 28. Januar 2014 übernahmen der Kläger zu 2) sowie D. und E. C. den Geschäftsanteil des weiteren Gesellschafters der Klägerin zu 1), F. F. Der Anteil des Klägers zu 2) am Stammkapital der Klägerin zu 1) erhöhte sich damit auf insgesamt 8.250 EUR, des D. C. auf 8.250 EUR und des E. C. auf 8.500 EUR.

Im Rahmen der Betriebsprüfung der Beklagten gab der Kläger zu 2) an, im Jahr 2009 habe er für die Beratungstätigkeit keine Zahlungen erhalten. Laut Einkommenssteuerbescheide erzielte der Kläger zu 2) im Jahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 30.462 EUR, im Jahr 2011 i.H.v. 55.054 EUR. Das von der Klägerin zu 1) für den Kläger zu 2) geführte Lohnkonto weist für das Jahr 2013 ein Brutto-Entgelt i.H.v. 69.079 EUR aus. Laut Entgeltabrechnung der Klägerin zu 1) erzielte der Kläger zu 2) im Dezember 2013 ein Bruttoentgelt i.H.v. 3.793 EUR und im Juni 2014 i.H.v. 2.793 EUR.

Nach der Betriebsprüfung am 16. April 2014, einer Besprechung mit der Steuerberaterin der Klägerin zu 1) am 30. September 2014 und anschließendem fortlaufenden Kontakt zur Klägerin zu 1) wegen der Vorlage weiterer Unterlagen, setzte die Beklagte mit dem an die Klägerin zu 1) adressierten Bescheid vom 23. März 2015 eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung und Umlagen (U 1, U 2 und UI) i.H.v. insgesamt 79.591,78 EUR für die Tätigkeit des Klägers zu 2) als Minderheiten-Gesellschafter-GF im Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2014 fest. Die Beitragspflicht der Tätigkeit des Klägers zu 2) ergäbe sich aus seiner ab 7. September 2009 bestehenden abhängigen Beschäftigung. Aufgrund seiner 25prozentigen Beteiligung am Stammkapital der Klägerin zu 1) und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es dem Kläger zu 2) nicht möglich, die Geschicke der Klägerin zu 1) maßgeblich zu beeinflussen. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Tätigkeit ein "Dienst höherer Art" sei und damit seine Weisungsgebundenheit nicht durch konkrete Einzelweisungen gekennzeichnet sei, sondern verfeinert sei in Form der funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Im Zeitraum vom 29. Januar 2009 bis zum 6. September 2009 habe der Kläger zu 2) seine Tätigkeit als Gesellschafter-GF der A. UG mit einem Kapitalbeteiligung von 75 % nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Für den Zeitraum vom 7. September 2009 bis zum 30. Juni 2014 habe ein Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt bestanden, das die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung begründe. Der Kläger zu 2) habe in diesem Zeitraum lediglich eine Kapitalbeteiligung von 25 bzw. 33 % besessen. Die Beklagte setzte für das Jahr 2010 Beiträge fest zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen (U1, U2 und UI) für die Jahre 2011 2013 wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nur Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung und Umlagen sowie für den Zeitraum Januar bis einschließlich Juni 2014 erneut Beiträge und Umlagen wie für das Jahr 2010. Rechnungen wegen einer Beratertätigkeit seien nicht vorgelegt worden. Für die Jahre 2010 und 2011 seien Einkommensteuerbescheide vorgelegt worden, die eine Bemessungsgrundlage von 60.000 EUR (2010) und 55.054 EUR (2011) ergäbe. Für das Jahr 2012 sei eine Einnahmen-Überschussrechnung vorgelegt worden, die eine Beitragsbemessungsgrundlage von 66.046,64 EUR ergäbe. Für die Jahre 2013 und 2014 seien Lohnkonten vorgelegt worden.

Die Beklagte teilte dem Kläger zu 2) mit Schreiben vom 23. März 2015 u.a. mit, anlässlich der Betriebsprüfung bei der Klägerin zu 1) habe sie festgestellt, er sei vom 9. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2014 als Gesellschafter-GF versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Am 30. März 2015 ging bei der Beklagten der Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Bescheid vom 23. März 2015 ein. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2015 den Widerspruch zurück.

Die Kläger haben am Montag, den 28. Dezember 2015, Klage vor dem Sozialgericht Fulda erhoben mit dem Ziel der Aufhebung der Beitragsnachforderung und der Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, der Kläger zu 2) stehe in seiner Tätigkeit als geschäftsführender Geschäftsführer für die Klägerin zu 1) nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 12. April 2017 ihren Bescheid vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2015 insoweit zurückgenommen, als Beiträge zu den Umlageverfahren U1 und U2 festgesetzt wurden und die sich nunmehr ergebende Nachforderung auf 73.988,08 EUR festgesetzt.

Die Kläger haben vorgetragen, eine Sperrminorität ergebe sich bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 53 Abs. 2 GmbH-Gesetzes. Soweit ein Gesellschafter mehr als 25 % der Gesellschaftsanteile besitze und ein entsprechendes Stimmrecht ausüben könne, habe er eine Sperrminorität. Zudem sei nach dem Gesellschaftsvertrag die Arbeit der alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer - mit Ausnahme der gesetzlich vorgesehenen zwingenden Regelungen - nicht durch die Gesellschafterversammlung eingeschränkt. Die Geschäftsführer seien von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Arbeitszeit und der Arbeitsort könnten frei gestaltet werden. Ihnen obliege das gesamte wirtschaftliche und unternehmerische Risiko ihrer Tätigkeit. Es bestehe keine Weisungsgebundenheit des Klägers zu 2) mit Ausnahme der nach dem GmbH-Gesetz rechtlich bzw. gesetzlich vorgesehenen Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung. Außerdem habe der Kläger zu 2) der Klägerin zu 1) ein nicht unerhebliches Darlehen zur Verfügung gestellt. Die Tatsache, dass etwa Urlaubsansprüche oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle im Vertrag geregelt seien, seien Selbstverständlichkeiten und gehörten zur Absicherung des Unternehmers und deshalb für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unbeachtlich. Auch sei bei Gründung der Gesellschaft die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichtsgesetz (BSG) nicht bekannt gewesen; insofern hätten der Kläger zu 2) und die weiteren Geschäftsführer davon ausgehen können, dass ihre Tätigkeit als Geschäftsführer in ihrem eigenen Unternehmen eine Sozialversicherungspflicht nicht begründe. Die frühere Rechtsprechung des BSG begründe zumindest für die Vergangenheit einen Vertrauensschutz.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. Mai 2017 die Klagen abgewiesen. Neben der Klägerin zu 1) habe auch der Kläger zu 2) die erforderliche Klagebefugnis, auch wenn der streitgegenständliche Bescheid nicht an ihn, sondern an die Klägerin zu 1) adressiert sei. Es handele sich insoweit um Verwaltungsakte mit Drittwirkung. Die Bescheide der Beklagten beinhalteten die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung und der Sozialversicherungspflicht des Klägers zu 2). Die Klagen seien jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide in der Fassung des zuletzt erlassenen Bescheides vom 12. April 2017 seien rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Beklagte sei gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV für die Statusfeststellung des Antrags des Klägers zu 2) vom 1. August 2013 als auch gem. § 28p Abs. 1 SGB IV für die Betriebsprüfung zuständig gewesen. Die Beklagte habe rechtmäßig festgestellt, dass der Kläger zu 2) seine Tätigkeit seit dem 7. September 2009 (Reduzierung seiner Geschäftsanteile von 75 auf 25 %) als Gesellschafter-GF der Klägerin zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe und damit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Der Kläger zu 2) habe seine Tätigkeit als Gesellschafter-GF der Klägerin zu 1) seit dem 7. September 2009 nicht als Selbstständiger ausgeübt und sei dementsprechend sozialversicherungspflichtig gewesen. Er habe ab seiner Beteiligung im Umfang von 25 % am Stammkapital der Klägerin zu 1) und auch nach der Erhöhung auf 33 % ab 28. Januar 2014 durch den anteiligen Erwerb der Anteile des Herrn F. keine Möglichkeit besessen, wesentliche unternehmerische Entscheidungen zu verhindern, herbeizuführen oder ihm unangenehme Einzelweisungen zu verhindern. Der Auffassung der Kläger, eine Sperrminorität des Klägers zu 2) ergebe sich bereits aus § 53 Abs. 2 GmbH-Gesetz, weil insofern eine Abänderung des Gesellschaftervertrages nicht nur der notariellen Beurkundung, sondern einer zwingenden Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bedürfe, verfange nicht. Maßgeblich sei, ob ein Gesellschafter-GF die Möglichkeit habe, wesentliche unternehmerische Entscheidungen (allein) durchzusetzen oder ihm unangenehme Einzelweisungen zu verhindern. Auch bestehe für den Kläger zu 2) nach den in § 2 Abs. 2a bis i) des GF-Vertrages geregelten Rechts- und Geschäftsverhandlungen das Erfordernis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Die Befreiung des Klägers zu 2) von den Beschränkungen des § 181 BGB begründe nicht das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Auch die Regelung eines Urlaubsanspruchs und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle sprächen für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Aus dem Vortrag des Klägers zu 2), ihm obliege gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern das gesamte wirtschaftliche und unternehmerische Risiko seiner Tätigkeit, folge kein durchgreifendes Argument für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Dabei handele es sich lediglich um das Risiko, welches mit den Gesellschaftsanteilen der Gesellschafter stets verbunden sei. Auch die Darlehensgewährung des Klägers zu 2) zu Gunsten der Klägerin zu 1) begründe kein wirtschaftliches Risiko im Sinne eines selbständig Tätigen. Die Bürgschaft des Kläger zu 2) im Zusammenhang mit der Finanzierung der Klägerin zu 1) gegenüber kreditgebenden Instituten habe zu keiner rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke der Gesellschaft geführt. Soweit die Kläger darlegten, bei Gründung der Gesellschaft sei die neuere Rechtsprechung des BSG noch nicht bekannt gewesen, führe dies nicht zu einer abweichenden Einschätzung. Zu Gunsten des Klägers greife kein Vertrauensschutz ein. Auch die Höhe der geltend gemachten Nachforderung sei nicht zu beanstanden, nachdem die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 12. April 2017 die Nachberechnung der Umlagebeiträge zu den Umlageverfahren U1 und U2 nach § 7 Aufwendungsausgleichsgesetz zurückgenommen habe.

Gegen das am 23. Mai 2017 zugestellte Urteil haben die Kläger am 29. Mai 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Kläger tragen zur Berufungsbegründung ergänzend vor, in der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1) vom 4. Juli 2016 sei die Satzung neu gefasst worden. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 der neugefassten Satzung seien alle Beschlüsse der Gesellschaft mit 80 % aller vorhandenen Stimmen zu fassen. Mit dieser Satzungsänderung sei nur das vollzogen worden, was zuvor verabredet worden sei und zwar auch zu dem Zeitpunkt als der Kläger zu 2) mit einem Anteil von 25 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass am 28. Januar 2014 der Anteil des Klägers zu 2) am Stammkapital sich auf 33 % erhöht habe. Die Gesellschaft nehme ständig Bankkredite in Anspruch in einer Größenordnung von ca. 250.000 EUR und die geschäftsführenden Gesellschafter seien gegenüber den finanzierenden Banken eine selbstschuldnerischen Bürgschaft eingegangen. Dies führe zu einer rechtlichen und tatsächlichen Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft. Im Falle der Kündigung der übernommenen Verpflichtung, habe dies erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Zukunft der Gesellschaft. Da D. und E. C., der Neffe bzw. der Bruder des Klägers zu 2) seien, habe die Familie die Geschicke der Gesellschaft bestimmt, bestehe zumindest für die Vergangenheit Vertrauensschutz auf die frühere Rechtsprechung des BSG zur familiengeführten GmbH. Die frühere nicht familiär gebundene Beteiligung sei nur kurzfristig und zweckgerichtet gewesen.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. Mai 2017 und den Bescheid vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2015, beide in Gestalt des Bescheides vom 12. April 2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2) ab dem 7. September 2009 bis zum 30. Juni 2014 für die Klägerin zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer weder der Versicherungs- noch der Beitragspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1) vom 4. Juli 2016 ändere daran nichts. Dieser Beschluss betreffe nicht die mit den vorliegend angefochtenen Bescheiden festgesetzte Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014. Die angefochtenen Bescheide seien durch ihre Prüfstelle auf der Grundlage der Betriebsprüfung (§ 28p SGB IV) erlassen worden, deren Aufgabe die Beitragsüberwachung sei. Im Hinblick auf die angekündigte Betriebsprüfung sei der vom Kläger zu 2) am 1. August 2013 unterschriebene Antrag auf Statusfeststellung seiner Tätigkeit als Gesellschafter-GF der Klägerin zu 1) von der Clearingstelle an die Prüfstelle abgegeben worden. Ausgehend von dem Beginn der Betriebsprüfung am 16. April 2014 sei die Beitragsnachforderung für das Jahr 2009 verjährt.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben keine Anträge gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. März 2019 entscheiden. Sie wurden in der Terminsmitteilung vom 19. Dezember 2018 darüber informiert, dass der Senat auch in ihrer Abwesenheit entscheiden kann.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2015, beide in Gestalt des Bescheides vom 12. April 2017 mit dem die Klägerin zu 1) zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014 in Höhe von 73.988,08 EUR verpflichtet wurde.

Die Klage des Klägers zu 2) ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bereits unzulässig. Dem Kläger zu 2) fehlt die Klagebefugnis. Zwar kommt eine Drittbetroffenheit des Klägers zu 2) durch die gegen die Klägerin zu 1) festgesetzte Nachforderung von Gesamtsozialbeiträgen im Hinblick auf die Regelung des § 28g Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in Betracht. Denn da der Kläger zu 2) nach wie vor bei der Klägerin zu 1) tätig ist, hätte diese unter den Voraussetzungen des § 28g Satz 3 SGB IV jedenfalls theoretisch die Möglichkeit, den unterbliebenen Abzug des Anteils des Klägers zu 2) am Gesamtsozialversicherungsbeitrag noch nachzuholen. Im Hinblick auf die dadurch mögliche Beschwer sieht der Senat eine Drittanfechtungsbefugnis auch desjenigen, um dessen Status gestritten wird. Gleichwohl fehlt im vorliegenden Fall dem Kläger zu 2) die erforderliche Klagebefugnis, weil er in Kenntnis der Beitragsnachforderung mit Bescheid der Beklagten vom 23. März 2015 gegen diesen Bescheid selber keinen Widerspruch eingelegt hat. Damit wurde dieser Bescheid gegenüber dem Kläger zu 2) als Drittbetroffenen bestandskräftig.

Die von der Klägerin zu 1) erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) gegen den an sie adressierten Bescheid der Beklagten vom 23. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2015, beide in Gestalt des Bescheides vom 12. April 2017 ist zulässig, aber unbegründet. Diese Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin zu 1) nicht in ihren Rechten.

Die angefochtenen Bescheide sind formell nicht zu beanstanden. Die Beklagte war nach § 28p SGB IV für die Festsetzung der Beitragsnachforderung zuständig. Der vom Kläger zu 2) am 1. August 2013 unterzeichnete Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status als Gesellschafter-GF der Klägerin zu 1) steht der Befugnis der Beklagten nicht entgegen, aufgrund ihrer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV mit den angefochtenen Bescheiden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen festzusetzen und ihm Rahmen dieses Verfahrens über den versicherungsrechtlichen Status des Klägers als Vorfrage zu entscheiden.

Auch materiell sind die Bescheide rechtmäßig. Die von der Beklagten zuletzt gegen die Klägerin zu 1) festgesetzte Beitragsnachforderung in Höhe von 73.988,08 EUR für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014 ist nicht zu beanstanden.

Für den Kläger zu 2) bestand aufgrund seiner Tätigkeit als Gesellschafter-GF der Klägerin zu 1) in diesem Zeitraum Beitragspflicht zur Sozialversicherung auf der Grundlage einer abhängigen Beschäftigung als Minderheitengesellschafter-GF. Er übte im Zeitraum der Beitragsnachforderung vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014 seine Tätigkeit als Gesellschafter-GF für die Klägerin zu 1) mit einer Kapitalbeteiligung von unter 50 % als Minderheits-Gesellschafter im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit aus.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – SGB XI), der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in seiner bis heute unverändert fortgeltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRsprg., vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R – m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH, auch soweit diese in Form der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (§ 5a GmbHG) geführt wird, zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Die Versicherungspflicht des Geschäftsführers einer GmbH, der zugleich deren Gesellschafter ist, hängt davon ab, ob wegen seiner Kapitalbeteiligung noch ein Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit vorliegt. Hat ein solcher Geschäftsführer aufgrund seiner Kapitalbeteiligung einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann, so fehlt die das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis wesentlich kennzeichnende persönliche Abhängigkeit (stRsprg., vgl. BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R –). Dies ist immer der Fall, wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt (BSGE 42, 1, 2), und zwar auch dann, wenn er von der ihm zustehenden Rechtsmacht tatsächlich keinen Gebrauch macht und die Entscheidung anderen überlässt (BSG SozR 3-4100 § 168 Nrn. 5 und 8; BSGE 66, 69, 71 = SozR 4100 § 104 Nr. 19). Eine geringerer Kapitalanteil genügt, wenn der Gesellschafter-GF nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags über eine Sperrminorität verfügt, die sich u.a. darauf erstreckt, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern (vgl. BSG in SozR 3-4100 § 104 Nr. 8; in SozR 3-4100 § 168 Nr. 8).

Dagegen ist ein geschäftsführender Gesellschafter, der – wie vorliegend der Kläger zu 2) - weder über eine mindestens 50prozentige Kapitalbeteiligung und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, in aller Regel abhängig beschäftigt. Denn er unterliegt der Prüfung und Überwachung durch die Gesellschafterversammlung (§ 46 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG) und ist an deren Weisungen gebunden (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Deshalb machen selbst weitreichende Entscheidungsbefugnisse einen "leitenden Angestellten" diesen nicht zum Selbständigen, selbst wenn er innerhalb des Betriebs als "Chef" angesehen wird. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III). Diese Personen sind sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen; denn sie bleiben von der Entscheidungsbefugnis der Organe der Gesellschaft abhängig. Auch dann, wenn einer mit dem Firmeninhaber nicht identischen Person in der betrieblichen Realität ein weitreichender Einfluss auf die Firmenleitung eingeräumt ist, bleibt die Rechtsmacht des Betriebsinhabers maßgeblich, etwa im Fall eines Zerwürfnisses die betreffende Person zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der "Betriebsleiter" die Rechtsmacht hat, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R, Rn. 32).

Ein Gesellschafter-GF mit einer Beteiligung von weniger als 50 % am Stammkapital der Gesellschaft ist vor diesem Hintergrund nur dann selbständig, wenn der Gesellschaftsvertrag ihm eine Sperrminorität einräumt, d.h. gesellschaftsrechtlich diesem Gesellschafter-GF die notwendige Rechtsmacht einräumt, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 22). Eine selbständige Tätigkeit kommt bei einem GmbH-Geschäftsführer daher nur in Betracht, wenn die Weisungsunterworfenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung in rechtlich zulässiger Form abbedungen ist. Das war bei dem Kläger zu 2) in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht der Fall. Die Satzungsänderung der Klägerin zu 1) zum 4. Juli 2016 hat für den maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014 keine Bedeutung, da sie nur für die Zukunft wirkt. Soweit die Klägerin zu 1) vorträgt, dass diese Regelung bereits vor der notariellen Beurkundung zwischen ihren Gesellschaftern abgesprochen und geübt worden sei, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Der rechtsverbindlichen Wirksamkeit dieser Abrede steht § 53 Abs. 2 1. Halbsatz GmbHG entgegen. Danach bedarf die Abänderung des Gesellschaftsvertrags der notariellen Beurkundung. Eine formlose Verabredung zwischen den Gesellschaftern der Klägerin zu 1) vor der notariellen Beurkundung am 4. Juli 2016 hat keine rechtliche Bedeutung.

Soweit in der früheren Rspr. des BSG eine selbständige Tätigkeit auch dann für möglich erachtet wurde, wenn der Geschäftsführer als "Kopf und Seele" des Betriebs faktisch über eine dominante Position in der Gesellschaft verfügte und die Mehrheitsgesellschafter ihn agieren ließen, hat das BSG diese Rspr. ausdrücklich aufgegeben (vgl. BSG, Urteile vom 11. November 2015, B 12 R 2/14 R juris, Rn. 42; vom 19. August 2015, B 12 KR 9/14 R, juris, Rn. 35). Denn die Statuszuordnung kann nicht vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Gesellschafter abhängig gemacht werden; eine derartige bloße "Schönwetterselbständigkeit" ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (BSG a.a.O.).

Soweit die Klägerin zu 1) darauf hinweist, sie nehme ständig Bankkredite in Anspruch in einer Größenordnung von ca. 250.000 EUR in Anspruch und die geschäftsführenden Gesellschafter seien gegenüber den finanzierenden Banken eine selbstschuldnerische Bürgschaft eingegangen, ist dies für die Entscheidung ohne Belang. Für den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2) lässt sich daraus weder ein unternehmerisches Risiko noch seine beherrschende Stellung herzuleiten. Zum einen hat das BSG bereits mehrfach entschieden, dass die Gewährung eines Darlehens oder einer Bürgschaft nicht bereits ein eigenes Unternehmerrisiko begründet (vgl. BSG, Urteile vom 11. November 2015 - Az. B 12 KR 10/14 R – und vom 29. August 2012 - Az. B 12 KR 25/10 R -, beide juris). Zum anderen ist für den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Gesellschafter-GF allein sein gesellschaftsrechtlich verbrieftes Recht als Gesellschafter ausschlaggebend (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R, a.a.O.).

Die Klägerin zu 1) kann sich gegenüber der Beitragsnachforderung der Beklagten auch nicht auf einen durch Änderung der Rechtsprechung des BSG begründeten Vertrauensschutz berufen. Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1) ist der Senat nicht daran gehindert, seiner Entscheidung die zeitlich nach Ablauf des streitgegenständlichen Erhebungszeitraums ergangene Rechtsprechung des BSG zugrunde zu legen. Bezüglich der vorliegend einschlägigen gesetzlichen Bestimmung ist zwischenzeitlich keine Änderung der gesetzlichen Rechtslage eingetreten, die zu Gunsten der Kläger Vertrauensschutz in Form eines Rückwirkungsverbots entfalten könnte. Ein solches Rückwirkungsverbot lässt sich auch nicht im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren erfolgte Konkretisierung der Rechtsprechung des BSG zum versicherungsrechtlichen Status von Geschäftsführern von Gesellschaften begründen, da dem keine Änderung der gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen zugrunde liegt. Im Übrigen beschränkte sich die vom BSG aufgegebene "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" im Wesentlichen auf Alleingeschäftsführer von Ehegattengesellschaften und die hierbei maßgebliche familiäre Rücksichtnahme innerhalb der Gesellschaft. Die vorliegende gesellschaftsrechtliche Konstellation bei der Klägerin zu 1) (zwei Brüder und ein Sohn bzw. Neffe) im maßgeblichen Zeitraum ab Januar 2010 ist hiermit nicht vergleichbar. Zudem handelte es sich bei der vom BSG zwischenzeitlich aufgegebenen "Kopf-und-Seele-Rechtsprechung" seit jeher um eine Ausnahmekonstellation zu dem bereits vor dem streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Grundsatz, wonach bei einem Geschäftsführer, der am Kapital der Gesellschaft nicht beteiligt ist, in der Regel ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt (so bereits BSG im Urteil vom 24. Juni 1982, 12 RK 45/80 - USK 82160). Angesichts dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses hätte es der Klägerin zu 1) aber oblegen, den daraus resultierenden Zweifeln an der zutreffenden versicherungsrechtlichen Beurteilung des Status des Klägers zu 2) durch rechtzeitige Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV Rechnung zu tragen. Dieses Unterlassen schließt die Annahme schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin zu 1) hinsichtlich der Statusbeurteilung des Klägers zu 2) aus.

Die Beklagte hat zutreffend gegen die Klägerin zu 1) mit Bescheid vom 23. März 2015 ab 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2014 Beiträge einschließlich Umlage Ul festgesetzt. Grundlage sind die unstreitig nachgewiesenen Einkommen des Klägers zu 2) im streitigen Zeitraum sowie das Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze im Jahr 2013. Die Erhebung von Umlagen U1 und U2 nach § 7 Aufwandsausgleichgesetz hat die Beklagte mit Bescheid vom 12. April 2017 zurückgenommen.

Die darüber hinaus von der Klägerin zu 1) erhobene Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), dass die Tätigkeit des Klägers zu 2) ab dem 7. September 2009 bis zum 30. Juni 2014 für sie als Gesellschafter-Geschäftsführer weder der Versicherungs- noch der Beitragspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege, ist – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - unzulässig. Eine Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgt oder hätte verfolgen können (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 55 Rn. 19). Vorliegend hat die Klägerin zu 1) ihr Recht gegen die Nachforderung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags bereits mit Erhebung der Anfechtungsklage verfolgt. Innerhalb dieser Klageart ist das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung als Vorfrage zu klären. Einer zusätzlichen Feststellung bedarf es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Nach der Rechtsauffassung des BSG - welcher der Senat mittlerweile folgt - liegt in solchen Fällen eine subjektive Klagehäufung bei einem einheitlichen Streitgegenstand vor, weshalb die Anwendung des Gerichtskostengesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung bereits ausgeschlossen ist, wenn nur einer der Kläger - wie vorliegend der Kläger zu 2) - zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R –, juris Rn. 33).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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