S 8 U 114/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 114/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf den Antrag des Sachverständigen Dr. B. wird der Sachverständige für das Gutachten vom 2. Februar 2015 mit weiteren 198,02 EUR entschädigt.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren war die Gewährung einer Verletztenrente nach anerkanntem Arbeitsunfall vom 24. August 2007 umstritten. Im Klageverfahren hat das Gericht aus dem Institut für Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung (IMB) Kassel drei Gutachten eingeholt (unfallchirurgisches Gutachten von Dr. K., psychiatrisches Gutachten von Dr. B. und das HNO-ärztliche Gutachten des Antragstellers Dr. B. vom 2. Februar 2015). Das Gericht hat die Klage gestützt auf diese Gutachten mit Urteil vom 6. Oktober 2015 abgewiesen. Alle drei Gutachter haben Rechnungen unter dem Briefkopf des IMB Rechnungen erstellt, ohne diese unterschrieben zu haben. Der Antragsgegner hat die Tatsache der fehlenden Unterschriften in den Gutachten von Dr. K. und Dr. B. nicht gerügt.

Am 6. März 2015 hat der Antragsgegner eine Rechnung in Höhe von 2.347,04 EUR aufgemacht, von der letztlich nur noch 166,40 EUR zzgl. Umsatzsteuer im Streit stehen. Diesen Betrag hat der Antragsteller unter Berücksichtigung der GOÄ-Gebühren für folgende Positionen geltend gemacht:

Unbehaglichkeitsschwelle: 9,21 EUR

Tonschwellenaudiometrie: 9,21 EUR

Tinnitusverdeckungskurve: 9,21 EUR

Sprachaudiometrie: 9,21 EUR

Tympanometrie: 10,61 EUR

Reflexmessung-Stapedius: 10,61 EUR

Otoakustische Emissionen: 23,31 EUR

Vestibularisprüfung: 5,30 EUR

Elektro-/Videonystagmografie: 15,45 EUR

Binokularmikroskopie: 5,30 EUR

Nasenhöhlenendoskopie: 10,49 EUR

Laryngoskopie: 10,61 EUR

Gehörgangsreinigung: 35,26 EUR

Hirnstammaudiometrie: 30,60 EUR

insgesamt: 166,40 EUR.

Er hat hierzu ausgeführt, die Erstellung eines HNO-ärztlichen Gutachtens ohne die Vornahme der genannten physikalischen Untersuchungen könne kein verantwortungsvoll handelnder HNO-Arzt mehr Gutachten für die Sozialgerichtsbarkeit erstellen. Er habe die Leistungen nach § 10 Abs. 1 JVEG mit dem 1,0fachen Satz abgerechnet; eine Abrechnung mit dem 1,3fachen Satz nach § 10 Abs. 2 JVEG in Verbindung mit dem Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses der GOÄ verlange er nicht. Schließlich könne der Gutachter in Haftung genommen werden und durch die zumindest fahrlässige Unterlassung notwendiger Untersuchung unter Umständen auch den Versicherungsschutz seiner Arzthaftpflichtversicherung verlieren.

Der Antragsteller beantragt,

das Sachverständigengutachten vom 2. Februar 2015 mit weiteren 116,40 EUR zzgl. Umsatzsteuer, insgesamt 198,02 EUR zu entschädigen.

Der Antragsgegner hat erklärt, es fehle die Unterschrift unter der Rechnung, so dass diese nicht zu begleichen sei. Ferner sei eine Abrechnung nach GOÄ-Vorschriften im JVEG nur in den engen Grenzen des § 10 Abs. 2 JVEG möglich. Die dort genannte Anlage O der GOÄ bezeichne keine physikalischen Leistungen im Rahmen eines HNO-ärztlichen Gutachtens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung der Kammer.

II.

Der Antrag auf richterliche Festsetzung ist fristgerecht erhoben worden und damit zulässig.

Er ist auch begründet.

Zwischen den Beteiligten stehen die fehlende Unterschrift und die Abrechnung der physikalischen Zusatzuntersuchungen, wie sie in Abschnitt I. dieses Beschlusses genannt sind, im Streit.

Hinsichtlich der vom Antragsteller monierten fehlenden Unterschrift unter der Rechnung des Sachverständigen verweist das Gericht auf die Vorschrift des § 92 SGG, wonach eine fehlende Unterschrift unter einer Klageschrift nicht die Wirkungen des § 92 SGG (Unzulässigkeit) entfaltet, da es sich um eine Sollvorschrift handelt. Lässt die nicht unterschriebene Klageschrift deutlich machen, von wem sie stammt und sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Klageschrift ohne den Willen des Klägers in den Verkehr geraten ist, ist die Klage zulässig. Dass die Rechnung vom Sachverständigen stammt und dass es keine Anhaltspunkte gibt, dass er sie in den Verkehr bringen wollte, kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Die Rechnung trägt den Briefkopf des Instituts, für das der Sachverständige tätig ist. Außerdem ist allein die zeitliche Übereinstimmung von Gutachten und Rechnungsstellung ein klares Indiz für den tatsächlichen Willen des Sachverständigen. Darüber hinaus ist der konkret benannte Sachverständige auf ausdrückliche Beweisanordnung des Gerichts tätig geworden. Wenn das Gesetz also, was unter Datenschutzgesichtspunkten aus Sicht des erkennenden Gerichts problematisch ist, eine Klageerhebung ohne Unterschrift zulässt, so muss dies erst recht für eine Rechnungslegung eines Instituts für Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung für einen dort involvierten Arzt unter Nutzung des entsprechenden Briefkopfes und im Zusammenhang mit einer Gutachtenerstellung ausreichen. Es wird im vorliegenden Fall eine unerträgliche Förmelei aufgestellt, der das Gericht nicht zu folgen gewillt ist. Im Übrigen ist auffällig, dass der Antragsgegner die fehlende Unterschrift im Zusammenhang mit den anderen beiden Gutachten nicht gerügt hat.

Hinsichtlich der Abrechenbarkeit der physikalischen Untersuchungen verfolgt das Gericht eine an der Praxis orientierte Sichtweise. Die Erstellung eines HNO-ärztlichen Gutachtens ohne die entsprechenden physikalischen Untersuchungen ist schlechterdings nicht möglich, weil das Gutachten unbrauchbar wäre. Denn zunächst ist es Aufgabe des Gerichts, das Sachverständigengutachten auf seine Schlüssigkeit zu überprüfen. Hierfür sind die objektiven Befunde unerlässlich. Ferner trüge ein Gutachten ohne die entsprechenden Befunde nicht zur Überzeugung oder Befriedung der Beteiligten bei. Auch hier liegt der Grund in der fehlenden Überprüfbarkeit.

Darüber hinaus sind die physikalischen Untersuchungen nach Ziffer 302 des Abschnitts 3 der Anlage O der GOÄ ausdrücklich genannt. Diese Ziffer ist nach § 10 Abs. 1 JVEG und der in Bezug genommenen Anlage 2 ausdrücklich genannt. Der Sachverständige hat ausdrücklich nicht die Abrechnung nach dem erhöhten Satz nach § 10 Abs. 2 JVEG in Verbindung mit der Anlage O des Gebührenverzeichnisses der GOÄ verlangt. Für das Gericht ist schlicht unerfindlich, warum die Leistungen nach der Ziffer 302 nicht abrechnungsfähig sein sollen. Um den Streit der Vergleichbarkeit von Leistungen des Abschnitts O mit den hier erbrachten physikalischen Leistungen geht es im vorliegenden Fall nicht.

Der Antrag ist in vollem Umfang stattzugeben. Dem Antragsteller sind weitere 166,40 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer, d.h. insgesamt 198,02 EUR anzuweisen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, da mit 198,02 EUR der Beschwerdewert von 200,- EUR nicht erreicht wird (§ 4 Abs. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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