L 10 BA 3565/19 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 BA 3105/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 BA 3565/19 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Festsetzung des Streitwerts bei einer Anfechtungsklage gegen einen Beitragbescheid nach Betriebsprüfung richtet sich nach den tatsächlich angefochtenen Beitragsfestsetzungen und nicht nach dem über die bescheidmäßig getroffenen Festsetzungen hinausgehenden Klageantrag.
2. Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes setzt voraus, dass tatsächlich im Vergleich eine über den eigentlichen Streitgegenstand hinausgehende Vereinbarung getroffen wurde. Inhaltliche Deckungsgleichheit (im Vergleich aufgehobene bescheidmäßige Erhebung einer Beitragsforderung wegen Beschäftigung und im Vergleich daneben erfolgte Anerkennung von Selbstständigkeit für denselben Zeitraum) genügt nicht.
Auf die Beschwerde der Klägerin und im Rahmen dieser Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.09.2019 abgeändert.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 3.823,17 EUR und der Vergleichsmehrwert auf 2.503,66 EUR festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Über Beschwerden gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist, entscheidet der 10. Senat durch den Einzelrichter, weil die Entscheidung von der Kammervorsitzenden erlassen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -). Gründe für eine Übertragung auf den Senat liegen nicht vor.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 68 Abs. 1 Satz 3 und 6 GKG) und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 EUR (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Die Beschwerde ist auch teilweise begründet, da ein Vergleichsmehrwert festzusetzen ist. In Bezug auf den eigentlichen Streitwert entscheidet der Senat im Rahmen der erhobenen Beschwerde von Amts wegen.

Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG setzt das Prozessgericht - hier also das Sozialgericht - den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Hierauf beruht der angefochtene Beschluss, denn das Klageverfahren hat sich durch Vergleich erledigt.

Allerdings kann nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG die Festsetzung von Amts wegen von dem Rechtsmittelgericht, hier also vom Senat, geändert werden, wenn das Verfahren (u.a.) wegen der Entscheidung über den Streitwert der Rechtsmittelinstanz schwebt. Zwar ist dies nach Satz 2 der Regelung nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Da der verfahrensbeendigende Vergleich vom 12.09.2019 datiert, ist eine Änderung des vom Sozialgericht festgesetzten Streitwerts möglich.

In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ist der Streitwert für das Klageverfahren auf 3.823,17 EUR festzusetzen.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist (u.a.) in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Hier hat die Klägerin zwar im Antrag den streitigen Zeitraum vom 01.10.2013 bis 05.06.2014 bestimmt. Allerdings regelt § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG in Abweichung zu Abs. 1, für den Fall, dass der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe maßgebend ist. So liegt der Fall hier. Gegenstand des klägerischen Antrages ist der Beitragsbescheid vom 28.8.2017 gewesen. Damit ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG die dort gestellte Forderung maßgebend.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Klägerin ist aber nicht der ausgewiesene Gesamtbetrag der Forderung im Bescheid vom 28.08.2017 in Höhe von 4.214,97 EUR Gegenstand des Klageverfahrens (Streitgegenstand) gewesen, sondern nur der auf den Geschäftsführer M. entfallende Anteil. Nicht Gegenstand des Klageverfahrens, weil bereits im Widerspruchsverfahren und auch im Klageverfahren selbst nicht angegriffen, ist die Nacherhebung von Beiträgen zur Pflegeversicherung für einen angestellten Mitarbeiter gewesen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Klagebegründung, die sich auf den Geschäftsführer M. beschränkt. Ebenfalls nicht Gegenstand des Klageverfahrens sind die im Bescheid vom 28.08.2017 für einen Teil des Monats Juni 2014 (ab Bekanntmachung der Änderung des Gesellschaftsvertrages) erfolgten Beanstandungen von Sozialversicherungsbeiträgen geworden. Denn insoweit hat die Klägerin den Bescheid, weil ihr günstig, ebenfalls nicht angegriffen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst Nr. 1 des Vergleiches auch nur diesen Streitgegenstand und damit nur diesen, auf den Geschäftsführer M. entfallenden Teil der Nachforderung. Dies kommt in Nr. 1 des Vergleichs bereits im Wortlaut dadurch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sich die vereinbarte Aufhebung auf "den streitgegenständlichen Bescheid" bezieht.

Die auf den Geschäftsführer M. bezogene Forderung betraf zum einen die Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung in Höhe von 3.607,17 EUR, und zwar nur für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis 31.12.2013 (vgl. die entsprechende Anlage). Soweit die Klägerin auch den Zeitraum bis 04.06.2014 als Streitgegenstand behauptet, war eine solche Beitragsforderung nicht Gegenstand des Bescheides (sondern diese Beiträge wurden von der Klägerin von sich aus der Einzugsstelle gezahlt) und damit auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens (vgl. die bereits zitierte Regelung des § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG). Zum anderen betraf die im Bescheid festgesetzte Forderung entsprechende Säumniszuschläge in Höhe von 216,00 EUR, die im Rahmen der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen sind. Dies wird von § 43 Abs. 1 GKG - danach werden neben dem Hauptanspruch ebenfalls streitige Nebenforderungen (Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten) nicht berücksichtigt - nicht ausgeschlossen (Beschluss des Senats vom 26.01.2009, L 10 R 5795/08 W-B, in juris).

Zutreffend macht die Klägerin allerdings geltend, dass ein sog. Vergleichsmehrwert festzusetzen ist.

Wie bereits dargelegt, ist nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG der Wert für die zu erhebenden Gebühren festzusetzen. Da nach der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) - Kostenverzeichnis (KV) - Nr. 7600 eine Gerichtsgebühr bei Abschluss eines Vergleichs, soweit ein Vergleich über nicht gerichtlich anhängige Gegenstände geschlossen wird, in Höhe von 0,25 anfällt, ist in diesem Fall der Wert dieses, über den anhängigen Prozessstoff hinausgehenden Gegenstandes festzusetzen.

Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass ein Vergleich in diesem Sinne geschlossen worden ist, wenn auch nicht in dem von ihr behaupteten Ausmaß. In Nr. 2 des Vergleiches hat die Beklagte für den Zeitraum von Oktober 2013 bis Februar 2014 anerkannt, dass eine selbstständige Tätigkeit des Geschäftsführers M. vorliegt. Dies stellt gegenüber dem eigentlichen Streitgegenstand des Klageverfahrens hinsichtlich des Zeitraum Januar und Februar 2014 - da der Beitragsbescheid diese Monate nicht umfasst - einen zusätzlichen Regelungsgegenstand dar. Dies gilt indessen nicht für das letzte Quartal 2013, denn insoweit enthielt der Beitragsbescheid - auf Grund der Annahme von Beschäftigung - eine Beitragsforderung. Damit ist insoweit - drittes Quartal 2013 - der eigentliche Regelungsgegenstand in Nr. 1 und Nr. 2 des Vergleiches deckungsgleich. Die Monate März bis 04.06.2014 werden im Vergleich nicht geregelt, so dass insoweit ebenfalls kein Mehrwert besteht. Die Behauptung der Klägerin, der Vergleich umfasse auch diese Monate, findet im Vergleich keine Stütze. Vielmehr ist der von der Klägerin vorgetragene Umstand, es habe zwischen den Beteiligten Einigkeit geherrscht, dass in diesem Zeitraum Versicherungspflicht beim Geschäftsführer M. bestanden habe, nicht in den Vergleich eingeflossen, was sich schon dadurch erklärt, dass für diesen Zeitraum von der Klägerin bereits Beiträge gezahlt waren, also in Bezug auf die eigentliche Frage noch bestehender Beitragsforderung kein der Einigung bedürftiger Dissens bestand.

Die Frage der Versicherungspflicht oder des Vorliegens selbstständiger Tätigkeit des Geschäftsführers Lang ist weder im Beitragsbescheid (abgesehen von der nicht angefochtenen - s.o. - Beanstandung von Sozialversicherungsbeiträgen ab 05.06.2014) noch im Vergleich geregelt, sondern lediglich Gegenstand eines Hinweises der Kammervorsitzenden geworden. Dies erfüllt keinen Gebührentatbestand.

Hinsichtlich der Höhe des Vergleichsmehrwerts stellt der Senat auf die für die Monate Januar und Februar 2013 entrichteten Beiträge für den Geschäftsführer M. ab. Damit ist der Vergleichsmehrwert auf 2.503,66 EUR festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 68 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
Saved