L 7 KA 40/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 KA 2509/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 40/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 1/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird auf die Anfechtungsklage gegen einen Bescheid über die Er-satzverpflichtung (Richtgrößenprüfung) dieser zwar durch Urteil voll-ständig aufgehoben, der Rechtsauffassung des Arztes/der Ärztin jedoch in den Entscheidungsgründen überwiegend nicht gefolgt, kann darin eine materielle Beschwer liegen, die Befugnis zur Berufung begründet.
2. Reine Ausführungsbescheide, die nach einem Urteil ergehen, werden nicht nach § 96 SGG Gegenstand der Berufung.
3. Der Rechtskraft unterliegen in Bescheidungsurteilen auch die Ent-scheidungsgründe.
4. Legt der Arzt/die Ärztin keine Berufung gegen das materiell beschwerende Urteil ein, kann er/sie gegen einen Ausführungsbescheid wegen entgegenstehender Rechtskraft nicht mit Aussicht Erfolg neu Klage erheben.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Regressbescheid für das Jahr 2003.

Sie nimmt als Hausärztin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Der Prüfungsausschuss setzte mit Beschluss vom 6. September 2007 im Rahmen der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2003 gegen die Klägerin eine Ersatzverpflichtung in Höhe von 69.971,50 EUR fest. Auf den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin reduzierte der Beschwerdeausschuss (Beklagter) den Betrag auf 50.022,12 EUR Beschluss vom 12. Mai 2009).

Mit der dagegen am 28. Juli 2009 erhobenen Klage zum Sozialgericht Berlin (S 79 KA 507/09) machte die Klägerin Praxisbesonderheiten geltend, so sei ihre Praxis durch eine Vielzahl von chronisch multimorbiden Patienten gekennzeichnet. Sie habe mehr als 100 Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen zu versorgen, die überwiegend in Pflegestufe 2 und 3 eingruppiert seien (nicht nur Pflegestufe 1 und 2 wie im Widerspruchsverfahren vom Beklagten angenommen). Sie habe bereits gegenüber der Regressfestsetzung für das Jahr 2002 ausgeführt, dass die zugrunde liegenden Datensätze in erheblichem Umfang fehlerhaft seien, da ihre eigene Praxissoftware mehr als die Hälfte geringere Verordnungskosten ausweise. Die verwendeten Daten seien auch 2003 zu mehr als 5 % fehlerhaft (nämlich zu 11,3 %). Außerdem bestehe eine wirksame Richtgrößenvereinbarung für 2003 wegen verspäteter Veröffentlichung nicht. Speziell für das Jahr 2003 sei keine Richtgrößenvereinbarung abgeschlossen worden und eine Fortgeltung einer früheren sei nicht angeordnet; § 89 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) beziehe sich nur auf Schiedsvereinbarungen. Der Fall, dass eine Richtgrößenvereinbarung gänzlich fehle, sei aber nicht mit dem vergleichbar, dass diese nur verspätet veröffentlicht werde (dazu B 6 KA 63/04 R). Die Veröffentlichung der Weitergeltung der Richtgrößenvereinbarung 2002 im KV-Blatt 5/2003 helfe nicht. Zudem bestünden durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Richtgrößenvereinbarung. Auch der Entscheidung des Beschwerdeausschusses liege das fehlerhafte Datenmaterial zugrunde. Die elektronisch übermittelten Datensätze wiesen weiter eine Fehlerquote von mehr als 5 % (nämlich 8,21 %) aus. Das Ausstellungsdatum von zugrunde gelegten Verordnungen sei teilweise nicht nachvollziehbar bzw. nicht angegeben (Versichertennummer oder Medikamentenbezeichnung fehlten). Die Prüfgremien seien deswegen verpflichtet, Originalverordnungsblätter anzufordern. Sie habe diese Datenfehler auch hinreichend konkretisiert. Die gesamten Verordnungskosten seien durch Praxisbesonderheiten bedingt, nicht nur in Höhe der im Widerspruchsverfahren anerkannten 23.628,57 Euro. Alle individuellen Umstände seien zu berücksichtigen, so auch eine Massierung bestimmter Krankheits- und Diagnosebilder, nicht nur die in Anlage 2 der Prüfvereinbarung genannten. Ihre Praxis weise einen großen Rentneranteil mit hohem Durchschnittsalter aus. Es liege ein überdurchschnittlich hoher Frauenanteil sowie von Patienten mit Dauerdiagnosen vor. Zu berücksichtigen sei ein hoher Anteil multimorbider Patienten mit Diabetes mellitus sowie Schmerzpatienten (Kosten der Schmerztherapie seien voll anzuerkennen, auch Vorstufen zu Betäubungsmitteln wie Durogesic® und Transtec®). Der Anteil an PVAK-Patienten sei mit 2,3 % überdurchschnittlich. Die Kosten für Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) seien im vollen Umfang anzuerkennen, außerdem betreue sie mit 66,9 % viele Hypertoniepatienten mit Begleiterkrankungen. Mehrkosten seien durch Diuretika, Beta-Blocker, Ca-Antagonisten, ACE-Hemmer und AT1-Blocker entstanden, diese sollten im Umfang von 48.416 EUR anerkannt werden. Es bestehe ein überdurchschnittlicher Anteil an Patienten mit Refluxkrankheit (Verordnung Nexium/Pantoprazol und Omeprazol im Verhältnis 2:1) sowie Hyperlipidämie (HLP), chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Osteoporose (mit Verordnungskosten für Alendronsäure und Calzium), außerdem von Patienten mit parenteraler Ernährung (PEG) bei demenzbedingten Schluckstörungen. Anzuerkennen seien Kosten für Heparine als Praxisbesonderheiten nach der Anlage 2. Sie habe zudem keine zu geringe Generikaquote. Auch sei nicht erkennbar, in welcher Höhe der Beklagte freiwillig versicherte Rentner und Rabatte berücksichtigt habe.

Mit Urteil vom 25. Januar 2012 hob das Sozialgericht Berlin den Beschluss des Beklagten vom 12. Mai 2009 auf. Zur Begründung führte es aus, der Beklagte habe zu Recht seiner Entscheidung die von den Beigeladenen vereinbarten Richtgrößen für das Jahr 2002 zugrunde gelegt. Diese seien mit Veröffentlichung der "Vereinbarung der Arznei- und Verbandmittel-Richtgrößen 2000 bis 2002" im KV Blatt Berlin 08/2002 in Kraft getreten und hätten bis zum Wirksamwerden der neuen Arzneimittel-Richtgrößenvereinbarung 2004 fortgegolten. Eine unzulässige Rückwirkung stelle die Richtgrößenvereinbarung nicht dar. Die Richtgrößen für das Jahr 2002 betrügen bei den Arzneimitteln für die Gruppe der Allgemeinmediziner/Praktische Ärzte 39,51 EUR für Mitglieder/Familienangehörige und 112,97 EUR für Rentner. Für Heilmittel lägen die Werte für die genannten Gruppen bei 5,66 EUR (Mitglieder/Familienangehörige) und 16,70 EUR (Rentner). Unter Zugrundelegung der Fallzahlen der Klägerin hätten die Prüfgremien somit eine Richtgrößensumme von 323.003,13 EUR errechnet. Die vom Beklagten für die Klägerin berücksichtigten Verordnungskosten i.H.v. 577.412,61 EUR seien zutreffend. Die Einwendungen gegen die Richtigkeit der elektronisch übermittelten Verordnungsdaten führten nicht zu einem anderen Ergebnis. Es sei nicht erforderlich, sämtliche Originalverordnungsblätter (bzw. die eingescannten Images) zum Nachweis der Höhe der tatsächlich veranlassten Verordnungskosten vorzulegen. Die Prüfgremien dürften vielmehr von der Richtigkeit der elektronisch übermittelten Verordnungsvolumina ausgehen. Im Fall der Klägerin sei es unter Berücksichtigung der Grundsätze des BSG (Urteil vom 16. Juli 2008 - B 6 KA 57/07 R) nicht erforderlich, dass der Beklagte hinsichtlich der übermittelten Verordnungsdaten weitere Ermittlungen anstelle. Soweit die Klägerin behaupte, dass nach ihren Unterlagen Medikamente nicht unter den jeweils ausgewiesenen Verordnungsdaten verordnet worden sein könnten (insbesondere am Wochenende), habe der Beklagte anhand einer Vielzahl von Beispielen belegt, dass Patienten, für welche Verordnungen im Datensatz mit einem vermeintlichen Ausstellungsdatum am Wochenende enthalten seien, auch an anderen Tagen Rezepte mit gleichen Verordnungen erhalten hätten. Dies spreche dafür, dass es in Einzelfällen, u.a. durch nichtlesbare Verordnungsdaten, zu Fehlern beim Einlesen des Datums gekommen sei. Im Übrigen habe die Klägerin auch nicht behauptet, die entsprechenden Verordnungen überhaupt nicht getätigt zu haben. Ihr weiterer Vortrag, ihre Praxissoftware habe für das Jahr 2003 nur Verordnungskosten i.H.v. 269.852,01 EUR ausgewiesen und diese hätten den in 1998 und 1999 veranlassten Kosten entsprochen, sei nicht durch geeignete Unterlagen bestätigt. Auch die Behauptung, acht Prozent der zugeordneten Kosten seien fehlerhaft, könne nicht nachvollzogen werden. Der Beklagte habe zudem die den Kassen gewährten Rabatte bei Zugrundelegung der Verordnungskosten berücksichtigt. Für das Begehren der Klägerin, Abzüge für freiwillig versicherte Rentner vorzunehmen, gebe es keine Rechtsgrundlage. Teilweisen Erfolg habe jedoch der klägerische Vortrag bezüglich der anzuerkennenden Praxisbesonderheiten. Der Beklagte habe insoweit einen Gesamtbetrag i.H.v. 110.195,53 EUR anerkannt. Er habe die in der Prüfvereinbarung aufgelisteten Praxisbesonderheiten berücksichtigt. Über die bereits vom Prüfungsausschuss anerkannten Praxisbesonderheiten hinaus ergäben sich weitere bereits anerkannte Kosten für enterale Ernährung (1.064,83 EUR), für Heparine und Verbandstoffe (17.249,53 EUR) sowie für BTM-Verordnungen (4.938,20 EUR). Bei den Kosten für verordnete TAH (=Thrombozytenaggregationshemmer) in Höhe von insgesamt 13.903,70 EUR habe der Beklagte nur 50 % anerkannt, insoweit erweise sich der angefochtene Beschluss als rechtswidrig. Die Begründung, der prozentuale Anteil dieser Mittel am Bruttoumsatz der Praxis habe, ausgehend von einer GKV-Frühinfo, bei 3 % gelegen, während er in der Fachgruppe nur 1,6 % betragen habe, sei nicht ausreichend. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Patientenklientel der klägerischen Praxis diese höheren Verordnungen gerechtfertigt hätte. Eine entsprechende Prüfung habe der Beklagte aber nicht vorgenommen. Die GKV-Frühinfo könne zwar ein Hinweis auf unwirtschaftliches Verhalten sein, sei ohne weitere Prüfung aber nicht ausreichend. Außerdem habe der Beklagte angegeben, dass bei den TAH-Präparaten unberücksichtigte Kosten von ASS-haltigen Präparaten in Höhe von 1.059,90 Euro anerkannt werden könnten. Bei zusätzlicher Berücksichtigung aller TAH verbleibe ein Regressbetrag in Höhe von 45.317,56 EUR. Ausgehend von diesen Berechnungen werde der Beklagte eine neue Entscheidung zu treffen haben. Das weitere Vorbringen der Klägerin zu Praxisbesonderheiten und noch weiter gebotener Abzüge führe dagegen nicht zum Erfolg. Soweit sie Kosten für parenterale Ernährung in Höhe von 27.190,00 EUR geltend mache, sei nicht erkennbar, dass hierfür überhaupt entsprechende Datensätze vorhanden seien. Datensätze für (belegte) Kosten seien vor dem Prüfungsausschuss lediglich für enterale Ernährung in Höhe von 1.064,83 EUR gefunden worden. Diese Kosten habe der Beklagte zur Gänze als Praxisbesonderheiten anerkannt. Das Gericht könne daher nicht anerkennen, dass weitere Kosten für parenterale Ernährung, insbesondere für die Betreuung von Heimpatienten anzuerkennen seien. Die von der Klägerin dagegen eingereichte Aufstellung von hohen Verordnungskosten bei einzelnen Patienten führe zu keiner anderen Betrachtung, denn multimorbide kostenintensive Patienten würden auch in allen anderen allgemeinmedizinischen Praxen behandelt. Auch die Behandlung von an Diabetes mellitus, Hypertonie, Refluxkrankheit, Asthma/COPD, HLP und Osteoporose erkrankten Patienten/Patientinnen bzw. solche, die Heparine benötigten, gehöre üblicherweise zum Patientenstamm der Hausarztpraxen. Die Behandlung einer überdurchschnittlichen Anzahl von Frauen sei keine Praxisbesonderheit, denn die Krankheitskosten von alten Männern und Frauen wiesen nur geringe Unterschiede auf.

Das Urteil wurde der Klägerin am 13. Februar 2012 und dem Beklagten am 9. Februar 2012 zugestellt. Der Beklagte legte gegen das Urteil am 5. März 2012 Berufung ein (L 7 KA 15/12), die Klägerin legte keine Berufung ein.

Mit seinem neu gefassten Beschluss vom 15. März 2012 änderte der Beklagte unter Bezugnahme auf den Widerspruch der Klägerin vom 29. November 2007 gegen den Beschluss des Prüfungsausschusses für die Wirtschaftlichkeitsprüfung vom 26. September 2007 sowie die Klage gegen den Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 12. Mai 2009 (S 79 KA 507/09) die festgesetzte Ersatzverpflichtung für 2003 und setzte diese in Höhe von 44.463,07 EUR fest. Den weitergehenden Widerspruch wies er zurück. Unter Berücksichtigung der Begründung des Urteils des Sozialgerichts erkenne er nach eingehender Beratung als weitere Praxisbesonderheiten die Differenz zu 100 % der Verordnungskosten für TAH in Höhe von 6.951,85 EUR an; Weiterhin würden ASS-haltige Präparate zu 100 % in Höhe von 1.059,90 EUR anerkannt. Somit würden zusätzliche Praxisbesonderheiten in Höhe von 8.011,75 EUR anerkannt. Die obere Interventionsgrenze werde damit weiter überschritten. Die Richtgrößensumme von brutto 323.003,13 EUR plus 25 %, damit brutto in Höhe von 403.753,91 EUR werde durch die belegten Verordnungskosten in Höhe von 577.412,61 EUR überschritten. Abzüglich der Praxisbesonderheiten in Höhe von 118.507,28 EUR würden sich Verordnungskosten in Höhe von 458.905,33 EUR ergeben, damit eine verbleibende Überschreitung der Richtgrößensumme um 42,07 %. Es ergebe sich ein Bruttomehraufwand in Höhe von 55.151,42 EUR. Unter Berücksichtigung der Brutto-Nettoquote (80,62 %) ergebe sich der zu erstattende Regressbetrag in Höhe von 44.463,07 EUR. Der Beschluss sei Gegenstand des Berufungsverfahrens gemäß § 96 SGG. Er wurde der Klägerin am 2. April 2012 zugestellt.

Die Klägerin erklärte daraufhin im Berufungsverfahren L 7 KA 15/12 den Teil der Klageforderung, der die Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 12. Mai 2009 zur Richtgrößenprüfung 2003 unter Anerkennung der Verordnungskosten für TAH in Höhe von 6.951,85 EUR und der Verordnungskosten für ASS-haltige Präparate in Höhe von 1.059,90 EUR fordert, für erledigt. Der neuerliche Beschluss sei nach Ablauf der Berufungsfrist ergangen. Hätte sie noch in der Berufungsfrist Kenntnis von ihm erlangt, hätte sie Berufung eingelegt. Angesichts des stattgebenden Urteils 1. Instanz habe für sie keine Veranlassung bestanden, Berufung einzulegen (Schriftsatz vom 9. Juli 2012). Der Senat erteilte in dem Berufungsverfahren am 20. November 2014 an den Beklagten den Hinweis, dass sich mit dem Beschluss vom 15. März 2012 das Berufungsverfahren erledigt habe, weil nach dem Ausführungsbescheid keine Beschwer des Beklagten mehr verbleibe, der Beschluss zudem wegen der Rechtskraftwirkung nicht eigenständig anfechtbar und nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei; Soweit das Urteil die Klägerin in den Entscheidungsgründen belaste, habe sie es nicht angefochten. Der Beklagte nahm daraufhin seine Berufung am 20. November 2014 zurück. Die entsprechende gerichtliche Mitteilung wurde der Klägerin am 26. November 2014 zugestellt. Die Klägerin hat am 27. Mai 2015 Klage gegen den Beschluss vom 15. März 2012, erhoben. Diese sei zulässig und nicht verfristet. Aufgrund der vollständigen Aufhebung des mit der Klage S 79 KA 507/09 angefochtenen Beschlusses des Beklagten vom 12. Mai 2009 habe sie in jenem Verfahren keine Berufung eingelegt, denn sie sei nicht beschwert gewesen. Ausweislich der Tenorierung des Sozialgerichts sei kein Bescheidungsurteil ergangen. Sie sei mit dem Beklagten davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 15. März 2012 Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 KA 15/12 geworden sei. Mit der Rücknahme der Berufung durch den Beklagten habe sie keine Möglichkeit mehr gehabt, sich gegen den Bescheid vom 15. März 2012 zu wehren. Aufgrund der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung seitens des Beklagten sei dieser bislang nicht mit einer Klage angegriffen worden. Soweit sich der Beklagte nunmehr auf die Verfristung der (neuen) Klage berufe, sei das treuwidrig. In materiell-rechtlicher Hinsicht sei der streitige Bescheid rechtswidrig, sie verweise dazu auf ihren Vortrag in dem Verfahren S 79 KA 507/09 und L 7 KA 15/12. Im Übrigen sei der Beschluss rechtswidrig, denn es gelte der Grundsatz "Beratung vor Regress", sie sei vor Erlass des Beschlusses nicht beraten worden (Hinweis auf B 6 KA 8/14 R). Zudem habe sie seit 2000 ihr Richtgrößenvolumen regelmäßig überschritten. Der Richtgrößenprüfungsbescheid für 2002 sei mit Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juni 2012 aufgehoben worden (S 22 KA 505/09). Ein ähnliches Bild zeige sich für das Jahr 2005. Die ursprüngliche Ersatzverpflichtung in Höhe von 11.415,13 EUR habe vor dem Beschwerdeausschuss auf einen Betrag von 2.903,17 EUR reduziert werden können. Im nachfolgenden Klageverfahren sei die Ersatzverpflichtung vollständig aufgehoben worden, der Beklagte habe wegen der Kosten für TAH ein Anerkenntnis abgegeben. Sie nehme insoweit Bezug auf ihre persönliche Stellungnahme zu den Praxisbesonderheiten für 2005 vom 22. Dezember 2015. Im Übrigen hat sie ihren Vortrag aus dem Verfahren L 7 KA 15/12 wiederholt und teilweise weiter konkretisiert.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 22. Mai 2017 die Klage als unzulässig abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob der angefochtene Beschluss vom 15. März 2012 Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 KA 15/12 geworden sei. Sei dies der Fall, sei die Klage bereits wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts im Verfahren S 79 KA 507/09 (L 7 KA 15/12) unzulässig. Im anderen Fall sei die Klage wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Sie sei erst am 27. Mai 2015, damit nach Ablauf der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG erhoben worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, denn der Antrag sei nach § 67 Abs. 3 SGG nicht innerhalb der Jahresfrist erhoben worden. Davon sei auch nicht aufgrund eines treuwidrigen Verhaltens des Beklagten eine Ausnahme zu machen. Die Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts in dem Verfahren S 79 KA 507/09 (L 7 KA 15/12) stehe einem erneuten Bescheid nur insoweit entgegen, wie Beurteilungsfehler in den Entscheidungsgründen genannt seien.

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 1. Juni 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. Juni 2017 Berufung eingelegt. Dem Beschluss des Beklagten stehe die Rechtskraft des Urteils S 79 KA 507/09 entgegen. Er sei Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 KA 15/12 geworden. Das LSG hätte selbst auf Klage hin über ihn entscheiden müssen. Daran sei es jedoch gehindert gewesen, weil der Beklagte die Berufung zurückgenommen habe. In Rechtskraft erwachsen sei die Entscheidung des Sozialgerichts und die sie tragenden Gründe. Es stelle sich zudem die Frage, inwieweit der Beklagte durch die Rücknahem seiner Berufung nicht auch den Beschluss vom 15. März 2012 zurückgenommen habe. Die Monatsfrist für die Klage beginne nur zu laufen, wenn eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung richtig erteilt worden sei. Sie sei hier unrichtig erteilt, so dass von einer einjährigen Klagefrist auszugehen sei. Diese sei aber bei Klageerhebung noch nicht verstrichen gewesen. In dem angefochtenen Beschluss sei der Hinweis auf § 96 SGG enthalten gewesen. Erst 31 Monate später sei das Verfahren mit der Berufungsrücknahme des Beklagten vor dem LSG beendet worden. Eine entsprechende Mitteilung darüber habe sie am 26. November 2014 erhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie daran gehindert gewesen, gegen den Beschluss vom 15. März 2012 eine selbständige Anfechtungsklage zu erheben. Der Zulässigkeit einer Klage hätte die anderweitige Rechtshängigkeit entgegengestanden. Mit der Einbeziehung des Beschlusses in das Berufungsverfahren L 7 KA 15/12 seien alle Fristen analog der Bestimmungen der §§ 203 ff. BGB bis zur Berufungsrücknahme gehemmt gewesen. Erst mit der Rücknahme der Berufung habe die Frist des § 66 Abs. 2 SGG zu laufen begonnen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 2017 und den Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 15. März 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakten – auch des Verfahrens L 7 KA 15/12 – und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Diese ist unzulässig (I.), jedenfalls aber nicht begründet (II.). Denn im letzteren Fall ist zumindest die Überprüfungskompetenz für die Regressfestsetzung für das Sozialgericht wie auch für den Senat wegen der Rechtskraft des Urteils des Sozialgerichts Berlin in der Sache S 79 KA 507/09 (L 7 KA 15/12) weitgehend eingeschränkt. Die demgegenüber erstmals mit der Klage vorgetragenen Argumente der Klägerin begründen eine Rechtswidrigkeit der Regressfestsetzung nicht I. Die Klage ist bereits verfristet (1.), ihre Erhebung aber zumindest verwirkt (2.). 1. Die Klägerin hat gegen den Beschluss des Beklagten vom 15. März 2012 erst am 27. Mai 2015, damit drei Jahre, nachdem dieser ihr bekanntgegeben worden war (2. April 2012) Klage erhoben. Die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) war abgelaufen. Grundsätzlich beträgt die Klagefrist gemäß § 87 Abs. 2 SGG einen Monat beginnend mit der Bekanntgabe des Beschlusses des Beschwerdeausschusses. Dieser tritt im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung, in welchem als Vorverfahren ein Beschwerdeverfahren zu durchlaufen ist, an die Stelle des Widerspruchsbescheides (vgl. § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V i.d.F. vom 19. Oktober 2012, die bis zum 31. Dezember 2016 galt). Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt aber nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist (§ 66 Abs. 1 SGG). Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Beschluss des Beklagten vom 15. März 2012 enthielt am Ende eine unrichtige Belehrung. Er wies darauf hin, dass der Verwaltungsakt nach § 96 SGG (i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG) Gegenstand des damals anhängigen Berufungsverfahrens L 7 KA 15/12 werde. Der Hinweis war unrichtig, worauf der Senat bereits in dem genannten Berufungsverfahren am 20. November 2014 gegenüber dem Beklagten aufmerksam gemacht hat. Der Hinweis des Beklagten war deshalb unrichtig, weil sein Beschluss ein Ausführungsbescheid zum gerichtlichen Urteil S 79 KA 507/09 ist, der nicht § 96 SGG unterfällt. Er erging zwar nach Einlegung der Berufung und änderte ausweislich seines Wortlauts auch den Beschluss des Beklagten vom 12. Mai 2009, der in dem Klageverfahren S 79 KA 507/09 angefochten war. Auch setzte er eine neue Regressforderung nicht nur vorläufig fest und enthielt daher eine (eigenständige) Regelung i.S. des § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Anders wäre es, wenn er erkennbar in der Absicht erfolgt wäre, einem Urteil nach § 153 Abs. 2 SGG einstweilen und nur so lange nachzukommen bis eine endgültige gerichtliche Entscheidung ergangen war. Der Beschluss erging in Umsetzung der Vorgaben im Urteil des Sozialgerichts (S 79 KA 507/09). Dies ergibt sich aus seiner Begründung, die unter II. auf die vom Sozialgericht in seinen Urteilsgründen anerkannten (weiteren) Praxisbesonderheiten explizit Bezug nimmt und diese Vorgaben auch in der Sache vollständig übernimmt. Der Beschluss ist jedoch ohne Vorbehalt ergangen und damit endgültig. Der Hinweis auf § 96 SGG ist auch eine Belehrung i.S. des § 66 SGG. Auch ein schlichter Hinweis auf § 96 SGG ist insoweit als eine "Rechtsbehelfsbelehrung" zu werten (BSG, Urteil vom 13. November 1996 – 6 RKa 15/96 Rn. 13). Dies führte dazu, dass die Klage innerhalb der Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG erhoben werden musste, und nicht dazu, dass für die Klägerin bis zur Grenze der Verwirkung überhaupt keine Klagefrist lief. Eine solche Ausdehnung der Klagemöglichkeit eröffnet § 66 Abs. 2 Satz 1, 3. Alt. SGG als qualifizierten Sonderfall der unrichtigen Belehrung, wenn eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahingehend erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Eine solche ausdrückliche Belehrung, dass eine Klage gegen den Beschluss vom 15. März 2012 nicht zulässig war, war mit dem Hinweis allein auf § 96 SGG nicht erfolgt. Die Belehrung, dass ein während des laufenden Berufungsverfahrens ergangener Bescheid kraft Gesetzes Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird, ist nicht einer Belehrung gleichzustellen, die einen Rechtsbehelf für nicht gegeben erachtet. Das gilt zumindest unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung. Die zeitliche Ausdehnung der Klagemöglichkeit soll Bürger davor schützen, aufgrund eines unzutreffenden behördlichen Hinweises, dass gegen die behördliche Entscheidung überhaupt kein Rechtsbehelf eröffnet ist, davon abgehalten zu werden, eine Anfechtung überhaupt in Betracht zu ziehen. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, dass grundsätzlich keine Frist zur Einlegung einer Klage läuft. Gleichzeitig hat diese Regelung für die Behörde Sanktionscharakter, denn sie "bestraft", dass eine Entscheidung nach außen als unanfechtbar dargestellt wird, obwohl sie es nicht ist. Sie erfasst wegen dieser Zielrichtung nicht den Fall, dass über einen nichtstatthaften Rechtsbehelf belehrt wird, obwohl ein anderer Rechtsbehelf gegeben ist. Hier wird für den Bürger (lediglich) ein unzutreffender Rechtsweg genannt, damit ein falscher Weg aufgezeigt. Er wird also nur verleitet, diesen unrichtigen Weg ggf. zu beschreiten, aber nicht dazu, von der Einlegung eines Rechtsbehelfs gänzlich Abstand zu nehmen. Die Frist von einem Jahr ist in diesem Fall gerechtfertigt, aber auch ausreichend, um den möglicherweise entstandenen Irrtum aufzuklären. Eine Aufklärung dürfte regelmäßig zu erwarten sein, wenn er den unzutreffenden Rechtsbehelf einlegt. Es ist vor diesem Hintergrund bereits nicht zutreffend, dass mit der Belehrung über einen nicht statthaften Rechtsbehelf zugleich der in Wahrheit statthafte Rechtsbehelf als nicht gegeben dargestellt wird und deshalb keine Klagefrist laufen darf (a.A. BSG Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/06 R, Rn. 54, juris; Timme in: LPK, SGB X, Anhang Gerichtsverfahren, Kap. 3.3.5.4. Rn. 140a. für den fehlerhaften Hinweis auf § 96 SGG). Das gilt auch für den unzutreffenden Hinweis auf § 96 SGG. Er führt dazu, dass Angriffe gegen einen Bescheid zumindest in einem Gerichtsverfahren vorgetragen werden können. Wird die Jahresfrist für die selbständige Anfechtung des Bescheides dann deshalb nicht eingehalten, weil das befasste Gericht erst nach Ablauf der Jahresfrist den richtigen Hinweis auf die statthafte Anfechtung erteilt, sind Kläger durch die Wiedereinsetzungsmöglichkeit des § 67 SGG ausreichend geschützt. Schließlich bliebe bei anderer Auslegung für die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG ein nur sehr schmaler Anwendungsbereich übrig. Er wäre nur eröffnet, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung missverständlich oder mehrdeutig ist oder unzutreffende Adressen für die Einlegung benennt (für die Geltung der Jahresfrist, BSG, Urteil vom 13. November 1996 – 6 RKa 15/96 Rn. 13, BSG, Urteil vom 27. Januar 1976 – 9 RV 796/64, Rn. 13, juris, jeweils ohne nähere Begründung).

Die Klägerin hat ausgehend davon nicht nur die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 SGG versäumt, es liegen auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 67 SGG nicht vor. Dies hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt. War die Klägerin infolge der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten in der berechtigten Annahme, der Beschluss vom 15. März 2012 werde Gegenstand der Berufungsverfahrens L 7 KA 15/12 und somit außer Stande, Klage zu erheben, so ist ein solches Hindernis mit dem Hinweis des Senats vom 20. November 2014 im Verfahren L 7 KA 15/12, spätestens aber mit Rücknahme der Berufung durch den Beklagten und Kenntnis der Klägerin (am 26. November 2014) weggefallen. Ausgehend davon hätte sie den Antrag auf Wiedereinsetzung und die versäumte Prozesshandlung, nämlich die Klage nach § 67 Abs. 2 SGG innerhalb eines Monats stellen bzw. nachholen müssen. Das hat sie nicht getan. Gründe für eine (weitere) Hemmung von Fristen entsprechend zivilrechtlichen Bestimmungen gibt es nicht. Das Regelwerk bestehend aus § 66 SGG i.V.m. § 67 SGG erfasst die Konstellation umfassend. Ein Bedürfnis (insbesondere eine Regelungslücke) für eine analoge Anwendung zivilrechtlicher Tatbestände besteht nicht.

2. Es spricht zudem einiges dafür, dass die erst am 27. Mai 2015 erhobene Klage verwirkt ist. Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (Roos/Wahrendorf/Jung, SGG, § 66 Rn. 31).

Die Klägerin hat einen längeren Zeitraum gewartet, bevor sie die Klage erhoben hat. Der Zeitablauf zwischen Zustellung des Beschlusses an sie am 2. April 2012 und der Erhebung der Klage am 27. Mai 2015 betrug über 3 Jahre (+ 1 Monat und 25 Tage), damit mehr als das Doppelte der Einjahresfrist, die § 66 Abs. 2 SGG für die Klageerhebung bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung vorsieht und auch mehr als die Zweijahresfrist des § 66 Abs. 2 i.V.m. § 67 Abs. 3 SGG als Höchstfrist für die Klage bei unrichtiger Belehrung und gleichzeitig bestehenden Wiedereinsetzungsgründen. Als Umstand, der berechtigtes Vertrauen des Beklagten begründen konnte, die Klägerin werde den Beschluss des Beklagte nicht eigenständig anfechten, wertet der Senat, dass die Klägerin gegen das Urteil im Verfahren S 79 KA 507/09 keine Berufung eingelegt hat, obwohl sie dazu befugt und ihr dies auch möglich war. Der Beschluss vom 15. März 2012 erging nach seinen Ausführungen, aber auch objektiv allein in Umsetzung der Entscheidung des Sozialgerichts. Die rechtskundig vertretene Klägerin hat im Berufungsverfahren L 7 KA 15/12 in ihrem Schriftsatz vom 9. Juli 2012 für den Beklagten zu erkennen gegeben, dass ihr die Problematik bekannt war, sie aber keine Veranlassung hatte, zumindest Berufung einzulegen, da sie nicht beschwert sei. Diese Einschätzung war unzutreffend, denn zur Anfechtung des Urteils im Verfahren S 79 KA 507/09 war auch sie befugt. Auch sie war – entgegen ihrer rechtsirrigen Auffassung – durch dieses Urteil beschwert und hätte das dem Urteil auch entnehmen können. Eine Beschwer wird im Allgemeinen bejaht, wenn eine gerichtliche Entscheidung Klägern etwas versagt, was diese beantragt haben. Ausgehend vom klägerischen Sachantrag in dem Verfahren S 79 KA 507/09 blieb der Tenor des Sozialgerichts dahinter nicht zurück. Dieser hat den Beschluss des Beklagten vom 12. Mai 2009 vollumfänglich aufgehoben. Die Klägerin war deshalb nicht formell beschwert. Sie war durch die Urteilsbegründung aber in materieller Hinsicht beschwert. Das Sozialgericht hat den Beklagten in den Entscheidungsgründen nur in einem geringen Umfang für nicht befugt gehalten, den Regress gegen die Klägerin in der angefochtenen Höhe festzusetzen. Im Übrigen aber hat es die von der Klägerin angeführten Gründe, konkret näher ausgeführte Praxisbesonderheiten sowie eine nicht wirksame Richtgrößenvereinbarung, für nicht durchgreifend und die Regressforderung (auch in ihrer Höhe im Übrigen) für rechtmäßig gehalten. Diese für die Klägerin nachteilige Rechtsauffassung der erstinstanzlichen Entscheidung konnte in Rechtskraft erwachsen. Gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten (und ihre Rechtsnachfolger), soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Konkret heißt das, die Rechtskraft schafft ein in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu beachtendes Hindernis für eine erneute Nachprüfung des Anspruchs, über den bindend entschieden worden ist. Die Bindungswirkung erfasst die Beteiligten und auch die Gerichte in einem späteren Prozess der Beteiligten über denselben Gegenstand (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 27/06 R Rn. 21 a.E., juris). Allgemein sind Kläger durch die Rechtskraftwirkung i.S. des § 141 Abs. 1 SGG nicht beschwert, wenn ein voll stattgebendes Urteil lediglich auf andere zur Stattgabe führende Gründe gestützt wird als die vom Kläger vorgetragenen. In Fällen eines Bescheidungsurteils gilt das aber nicht. Bei einem Bescheidungsurteil, in dem also nicht lediglich ein belastender Bescheid aufgehoben oder die Behörde zum Erlass des begehrten begünstigenden Bescheides verpflichtet wird, sondern die Behörde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheiden muss, kann der Umfang der Rechtskraftwirkung nicht allein aus der Urteilsformel entnommen werden. Für die Beteiligten ergibt sich die beachtenswerte Rechtsauffassung vielmehr erst durch die das Urteil tragenden Gründe (BSG, Urteil vom 27. Oktober 1976 – 2 RU 127/74, BSGE 43, 1, 3). Daraus folgt, dass sich bei Bescheidungsurteilen eine (materielle) Beschwer ggf. allein daraus ergeben kann, dass die von der Behörde zu beachtende Rechtsauffassung nicht der von dem Kläger/der Klägerin vertretenen entspricht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die unterschiedlichen Rechtsauffassungen bei einer Neubescheidung erheblich auswirken. Die bloße Möglichkeit, dass der Beklagte bei einer Neubescheidung dem klägerischen Begehren in vollem Umfang Rechnung tragen könnte, lässt die materielle Beschwer nicht entfallen (allgemein zur Bescheidungsklage ausgeführt von BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 6 KA 65/97 R, Rn. 14, juris).

Im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gilt nichts anderes. Bei nicht ordnungsgemäßer Ausübung des Beurteilungsspielraums durch die Prüfgremien, also auch den Beschwerdeausschuss, wird in der Rechtsprechung des 6. Senates des BSG auch das Ergehen eines Bescheidungsurteils in entsprechender Anwendung des § 131 Abs. 3 SGG für zulässig erachtet. Die Bindungswirkung des Urteils umfasst dann aber nicht allein die Gründe, aus denen die behördlich festgesetzte Regressforderung aufgehoben worden ist, sondern erstreckt sich auch auf alle Rechtsauffassungen, die das Bescheidungsurteil der Behörde bei Erlass des neuen Verwaltungsaktes vorschreibt (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 27/06 R, Rn. 22 und 25, juris). Wenn das Gericht den Beklagten zur Neubescheidung verurteilt, dabei aber der klägerischen Rechtsauffassung nicht zur Gänze folgt, können die Vertragsärzte bei einer erneuten Bescheidung mit denjenigen Einwendungen, die das erkennende Gericht nach seiner für die Neubescheidung maßgeblichen Rechtsauffassung nicht für durchschlagend gehalten hat, nicht mehr gehört werden. Dies gilt auch, wenn das Urteil zu einzelnen Einwendungen in seinen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich Stellung nimmt. Es ist dann davon auszugehen, dass das Gericht die Einwendungen zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung gewürdigt hat, sie aber nicht für maßgeblich gehalten hat (BSG, aaO, Rn. 23). Wollen Vertragsärzte demgegenüber eine andere Rechtsansicht für die Neubescheidung verbindlich machen, müssen sie Rechtsmittel einlegen. Nur das Rechtsmittelgericht kann der Behörde in Abweichung vom Bescheidungsurteil eine andere Rechtsauffassung zur Beachtung vorgeben (BSG, aaO, Rn. 23 und 24).

Unerheblich ist, dass das Sozialgericht im Fall der Klägerin in seinem Urteilstenor (S 79 KA 507/09) den Beklagten nicht ausdrücklich zur Neubescheidung verpflichtete, sondern allein den Beschluss vom 12. Mai 2009 aufhob. In der Sache liegt gleichwohl eine Verurteilung zur Neubescheidung vor. Der Urteilstenor ist insoweit entsprechend auszulegen. Nachdem das Sozialgericht die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Beklagten (ab S. 9) erläutert hat, führt es auf S. 10 der Urteilsgründe aus, der Beklagte werde ausgehend von den Berechnungen des Sozialgerichts eine neue Entscheidung zu treffen haben. Dies zeigt, dass das Gericht zu einer Neubescheidung unter Beachtung seiner Rechtsauffassung verurteilt hat. Selbst wenn das aber nicht der Fall sein sollte, wäre das unschädlich. Eine explizite gerichtliche Verpflichtung zur Neubescheidung im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist nicht zwingend notwendig (zu der von ihm für problematisch gehaltenen Rechtsfigur der "Anfechtungs-Neubescheidung", Clemens in: juris-PK, SGB V, 3. Auflage, § 106 SGB V Rn. 445 ff.). Eine solche Neubescheidungspflicht ergibt sich regelmäßig aus der Besonderheit des Beschwerdeverfahrens und dem Gesetz selbst. Sie folgt aus der Eigenständigkeit des Beschwerdeverfahrens der Wirtschaftlichkeit gegenüber dem allgemeinen Widerspruchsverfahren als eines zweiten umfassenden Verwaltungsverfahrens. Dieses weist deutliche Parallelen zum instanziellen Aufbau eines gerichtlichen Rechtsschutzverfahrens auf.

Das BSG führt dazu aus: "Steht dem Beschwerdeausschuss ein Ermessen oder Beurteilungsspielraum zu, so darf das Gericht nicht anstelle des Beschwerdeausschusses entscheiden. Dieser hat vielmehr nach Aufhebung seiner ersten Entscheidung erneut über die Beschwerde zu entscheiden unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts." (BSG, Urteil vom 21. April 1993 – 14a RKa 11/92 –, BSGE 72, 214-221, Rn. 28).

Die fristgerechte Einlegung der Berufung gegen das Urteil S 79 KA 507/09 war der Klägerin auch möglich. Das Urteil des Sozialgerichts wurde ihren Bevollmächtigten am 24. Februar 2012 mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung zugestellt.

Ausgehend davon war es aus Sicht des Beklagten jedenfalls am 27. Mai 2015 nicht mehr zu erwarten, dass die Klägerin gegen den Beschluss vom 15. März 2012 erneut Klage erheben würde, um ihre bereits in dem Klageverfahren S 79 KA 507/09 unterlegene Rechtsauffassung durchzusetzen.

Der Hinweis des Senats vom 20. November 2014 im Berufungsverfahren L 7 KA 15/12 an den Beklagten schließt die Verwirkung nicht aus. Zwar hatten beide Beteiligte erst dadurch Gewissheit, dass der Beschluss nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens L 7 KA 15/12 geworden ist. Der Hinweis war für die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts zur Wahrung ihrer Rechte Berufung einlegen musste, aber nicht von Bedeutung. Denn selbst bei einer (vermeintlichen) Einbeziehung des Beschlusses nach § 96 SGG konnte sie nicht darauf vertrauen, dem Beklagten in diesem Verfahren in Abweichung vom Bescheidungsurteil des Sozialgerichts (S 79 KA 507/09) eine andere Rechtsauffassung zur Beachtung vorgeben zu können und ihre Rechtsauffassung durchzusetzen. Sie war selbst nicht Berufungsführerin. Sie hätte als Berufungsbeklagte ihre Rechtsauffassung u.a. zu weiteren Praxisbesonderheiten nur zur Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils, soweit es sie begünstigte, in Stellung bringen können. Sie hätte dagegen keine weitere Reduzierung der Regressforderung über die in den Urteilsgründen vorgegebene erreichen können. Daher hätte sie auch in jenem Berufungsverfahren nach Ablauf der Berufungsfrist keine erneute Verpflichtung zur Neubescheidung unter Heranziehung aller ihrer im Klageverfahren eingebrachten Sachargumente erreichen können. Denn es galt für den berufungsführenden Beklagten das Verböserungsverbot. Schließlich konnte sie als bloße Berufungsbeklagte auch im Fall der Rücknahme der Berufung durch den Beklagten das Berufungsverfahren nicht alleine fortsetzen und auch kein Rechtsmittel einlegen. Der vermeintlich nach § 96 SGG zum Klagegegenstand gewordene Beschluss wäre bestandskräftig geworden.

II. Selbst wenn die Klage nicht verwirkt ist, so ist sie jedenfalls unbegründet. Die Klägerin kann nicht mehr mit Argumenten gehört werden, die sie bereits im Klageverfahren S 79 KA 507/09 vorgebracht hat. Eine neue gerichtliche Prüfung ist wegen des Umfangs der Rechtskraft dieser Entscheidung nicht eröffnet (Urteil des BSG vom 27. Juni 2007, B 6 KA 27/06 R, Rn. 18 ff, juris).

Zu den nicht mehr zu prüfenden Argumenten gehören die Unwirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung und Praxisbesonderheiten.

Mit den neu und erstmals im vorliegenden Klageverfahren vorgebrachten Einwendungen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass der Beschluss des Beklagten rechtswidrig ist. Das betrifft den Verweis auf den Grundsatz "Beratung vor Regress" (mit Hinweis auf B 6 KA 8/14 R). Die Klägerin kann sich nicht auf § 106 Abs. 5e (in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2011, gültig ab dem 1. Januar 2012) berufen. Zum einen gilt zwar die Pflicht zur individuellen Beratung, die nach § 106 Abs. 5e Satz 7 SGB V (in der Fassung vom 26. Oktober 2012) an die Stelle einer Regressverpflichtung nach § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V tritt, auch für (Prüf-)Verfahren, die am 31. Dezember 2011 noch nicht abgeschlossen waren. Das war bei der Klägerin im Hinblick auf das seinerzeit noch laufende Klageverfahren S 79 KA 507/09 der Fall. Da die rückwirkende Anordnung des § 106 Abs. 5e Satz 7 SGB V jedoch erst am 26. Oktober 2012 erfolgt ist, erfasst der Vorrang der individuellen Beratung nur Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die nach dem 25. Oktober 2012 ergangen sind (näher BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – B 6 KA 8/14 R – Rn. 27, juris unter Berufung auf die Grundsätze des intertemporalen Rechts). Der erst nach diesem Zeitpunkt ergangene Beschluss des Beklagten vom 15. März 2012 ist davon nicht erfasst. Zudem hat die Klägerin bereits seit 2000 ihr Richtgrößenvolumen überschritten und nicht erst im Jahr 2003, das erste Mal um mehr als 25 %. Soweit die Regressforderung für das Jahr 2002 in einem Parallelverfahren mit Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juni 2012 aufgehoben worden ist (S 22 KA 505/09), kann sich die Klägerin im hiesigen Verfahren darauf nicht berufen. Die Begründung der 22. Kammer des Sozialgerichts für das Bestehen von Beurteilungsfehlern für das Jahr 2002 kann wegen der Rechtskraft des Urteils der 79. Kammer für das Jahr 2003 vom Senat nicht berücksichtigt werden. Ausweislich des Urteils der 22. Kammer für 2002 sah das Gericht eine Multimorbidität der Patienten infolge der Betreuung in Wohnheimen bzw. wegen Pflegebedürftigkeit als Praxisbesonderheit an. Dem folgte die 79. Kammer für das Jahr 2003 ausweislich seiner Urteilsgründe in S 79 KA 507/09 nicht. Auch die im hiesigen Verfahren erstmals in der Klage in Bezug genommenen Darlegungen der Klägerin selbst vom 22. Dezember 2015 können keine Berücksichtigung finden. Mit ihnen versucht die Klägerin erneut eine besonders kostenintensive Patientenstruktur der Praxis zu belegen, welche die 79. Kammer in den Urteilsgründen aber bereits abgelehnt hat. Im Übrigen begründete die 22. Kammer des Sozialgerichts ihre Aufhebung des Beschlusses für das Jahr 2002 mit Begründungsmängeln gerade dieses Beschlusses. Der hier streitige Beschluss ist hingegen hinreichend begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, für die Beigeladenen i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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