S 26 RJ 89/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 RJ 89/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RJ 141/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Der Bescheid der Beklagten vom 23.07.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 23.09.2004 werden aufgehoben. 2. Die Beklagten hat die außergerichtliche Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen verminder¬ter Erwerbsfähigkeit geltend.

Der Kläger beantragte - soweit aus der Verwaltungsakte ersichtlich - mit An¬trag vom 30.12.2002 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfä¬higkeit durch die Beklagte. Insoweit befinden sich in der Akte im wesentli¬chen Unterlagen und Vordrucke in spanischer Sprache und ein medizinisches Gutachten in spanischer Sprache, offenbar vom März 2003.

Mit Bescheid vom 23.07.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen Berufsunfähigkeit ab, weil der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Um¬fang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 23.10.2003 Widerspruch ein. Er be¬gründete ihn damit, dass keine ausreichende Einsetzbarkeit bestehe, wie sich aus beigefügten Bescheinigungen eines Arztes, eines Krankenhauses und eines Sanatoriums ergebe. Diese Unterlagen wurden als Anlage in spanischer Sprache beigefügt.

Der letzte Absatz der Bescheinigung von H N wurde übersetzt (Bl. 17 des medizinischen Teils

der Verwaltungsakte) und offenbar Auszüge aus dem Bericht von D C G (Bl. 22

ff des medizinischen Teils der Verwaltungsakte).

Den Bevollmächtigten des Klägers wurde mitgeteilt, das Gutachten ergebe keine erheblichen Einschränkungen für leidensgerechte Tätigkeiten und es wurde um Mitteilung gebeten, ob der Widerspruch aufrechterhalten bleibe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zu¬rück mit der Begründung, es bestehe kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder auch nur wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Aus dem Akteninhalt ergebe sich nämlich, dass der Klä¬ger als ungelernter bzw. angelernter Arbeiter zu beurteilen sei; zuletzt sei er als Schweißer beschäftigt gewesen. Er sei daher auf Tätigkeiten des allge¬meinen Arbeitsmarktes verweisbar, die er noch 6 Stunden und mehr täglich verichten könnte.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 04.10.2004 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Nach Eingang der Verwaltungsakte der Beklagten kündigte das Gericht der Be¬klagten an zu beabsichtigen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid ent¬scheiden zu wollen. Voraussichtlich sei damit zu rechnen, dass die angefoch¬tenen Bescheide aufgehoben würden (mit der Folge, dass die Beklagte dann ver¬pflichtet sei, den Rentenantrag erneut zu bescheiden, nach Durchführung weiterer erforderlicher Ermittlungen). Eine solche Vorgehensweise erscheine nach der neuen Vorschrift des § 131 Abs. 5 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geboten. Hier seien nämlich nicht alle spanischen Unterlagen, insbeson¬dere nicht die Unterlagen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens, vollständig übersetzt worden. Bei der auszugsweisen Übersetzung sei auch nicht eindeutig, auf welche Unterlage sich die von der Beklagten zur Akte genommene medizini¬sche Übersetzung beziehe. Es sei die Zurückweisung des Widerspruches erfolgt, ohne dass ersichtlich sei, daß die von dem Kläger eingereichten medizinischen Unterlagen auch vollständig und damit sachgerecht gewürdigt worden seien. Es sei nicht klar, ob der beratungsärztliche Dienst vollständig und ausreichend informiert worden sei über alle Diagnosen des Klägers und seine Beschwerden und sonstigen Kenntnisse der spanischen Ärzte. Die Beklagte habe im Verwaltungsverfahren eine völlig unzureichende Sachaufklärung betrieben, die weder den Belangen des Klägers gerecht werde noch dem für die Beklagte geltenden Amtsermittlungsprinzip. Es erscheine daher geboten, daß die Beklagte nach Aufhebung der angefochtenen Bescheide zunächst noch alle spanischen Unterla¬gen ihrer Akte zu übersetzen haben werde und auszuwerten haben werde und zu¬nächst selbst zu überprüfen haben werde, ob das bisher vorliegende spanische Rentengutachten dem Kläger gerecht werde. Ohne genaue Kenntnis der zu über¬setzenden spanischen ärztlichen Unterlagen und sonstigen Unterlagen sei nicht auszuschließen, daß noch ein weiteres Gutachten einzuholen sei. Das Gericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zu 16.11.2004.

Die Beklagte hat erwidert, nach ihrer Auffassung sei § 131 Abs. 5 SGG neuer Fassung schon nicht anwendbar. Diese Vorschrift, die sich an entsprechende Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung und der Finanzgerichtsordnung an¬lehne, sei beschränkt auf Anfechtungsklagen, wie sich aus der Kommentierung zur Verwaltungsgerichtsordnung ergebe. Bei Rentenklagen, die grundsätzlich Verpflichtungsklagen seien, sei eine Aufhebung ohne Sachentscheidung nicht sachdienlich, zumal sie eine gerichtliche Entscheidung in der Sache ver¬zögere. Außerdem müßten medizinische Unterlagen aus Spanien nicht vollständig ins Deutsche übersetzt werden, da die ärztlichen Berater der Beklagten, die die Fälle nach dem EWG-Verfahren bearbeiten, Kenntnisse der spanischen Sprache hätten. Außerdem stütze sich die medizinische Fachsprache im wesentlichen auf lateinische Ausdrücke, sodass auch in Fremdsprachen der Kern der Aussagen für Mediziner deutlich verständlich sei. Rein beschreibende Befunde seien daher im allgemeinen ohne Übersetzung verständlich. Die Familienanamnese sei nicht von Interesse. Die Beklagte argumentierte nunmehr ferner medizinisch. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegten weiteren medizinischen Unterlagen hätten keine wesentlichen Verschlechterungen ergeben. Die bisherige Übersetzung wurde nochmal mit Anmerkungen vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der erwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, nach¬dem die Beteiligten entsprechend schriftlich angehört wurden und weil die Beurteilung, ob ein Aufhebungsfall nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG vorliegt, keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und insoweit der Sachverhalt sich klar aus den Akten ergibt.

B. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erho¬ben.

C. Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide war hier auch nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes in der ab 01.09.2004 geltenden Fassung geboten. Diese Vorschrift besagt:

"Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakte und den Wider¬spruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderli¬chen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichti¬gung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist."

I. Diese Vorschrift ist anwendbar. Sie gilt für gerichtliche Entscheidungen ab dem 01.09.2004 (Art. 14 des 1. Gesetzes zur Modernisierung der Justiz - Bundesgesetzblatt Teil I 2004, 2197 ff, 2209). Die Vorschrift ist auch deshalb anwendbar, weil bisher noch keine 6 Monate seit Eingang der Verwaltungsakte der Beklagten (14.10.2004) vergangen sind, § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG. § 131 Abs. 5 SGG ist entgegen der Auffassung der Beklagten im sozialgericht¬lichen Verfahren auch auf Klagen anwendbar, die eigentlich auf eine Ver¬pflichtung der beklagten Behörde gerichtet sind. Der Vergleich der Beklagten mit der Kommentarliteratur zur Verwaltungsgerichtsordnung und der Praxis der Verwaltungsgerichte überzeugt hier für das sozialgerichtliche Verfahren nicht. Denn das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist - anders als das so¬zialgerichtliche Verfahren - wesentlich stärker geprägt von Anfechtungsklagen als Klagen gegen Akte der klassischen Eingriffsverwaltung; die überwiegende Anzahl der sozialgerichtlichen Verfahren entgegen sind typischerweise Klagen auf Erbringung einer Sozialleistung durch die Leistungsverwaltung. Würde man auch für das sozialgerichtliche Verfahren die Anwendbarkeit von § 131 Abs. 5 SGG, also der "Zurückverweisung" an die Verwaltung, nur auf Anfechtungsklagen beschränken, so würde damit die Sozialgerichtsbarkeit eines wichtigen Ver¬fahrensinstruments für die überwiegende Anzahl der Verfahren beraubt. Außer¬dem enthält der Gesetzeswortlaut des § 131 Abs. 5 SGG keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß diese Vorschrift sich nur auf klassische Anfechtungsklagen be¬schränken soll. Auch die Bundestags-Drucksache zur Neufassung des SGG (Drucksache 378/03 Seite 67) spricht dafür, § 131 Abs. 5 SGG auch auf Verpflichtungsklagen anzuwenden. Danach sollte die neue Vorschrift nämlich nunmehr auch für das so¬zialgerichtliche Verfahren geschaffen werden, um dem Gericht eigentlich der Behörde obliegende zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärung zu erspa¬ren, weil nach Beobachtung der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklä¬rung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe. Die typische Sach¬verhaltsaufklärung, gerade und auch was medizinische Ermittlungen und berufs kundliche Ermittlungen angeht, fällt aber typischerweise bei den üblichen Verpflichtungsklagen an, betreffend Klagen auf Gewährung von Sozialleistungen wie Rente, Arbeitslosengeld oder -hilfe, Krankengeld, Teilhabeleistungen, Behinderungsgrade und vieles mehr. Gerade diese Fälle muß der Gesetzgeber bei der Einführung von § 131 Abs. 5 SGG im Auge gehabt haben. Im übrigen scheint auch die finanzgerichtliche Kommentarliteratur zur paral¬lelen Zurückverweisungsvorschrift des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung nicht schlechthin eine Beschränkung nur auf Anfechtungsklagen anzunehmen (vgl. Tipke/Kruse Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, FGO § 100 Rd. Nr. 39 bis 48). Danach wird das Bedürfnis nach einer Zurückverweisung an die Ver¬waltung sogar für unabweislich gehalten, wenn die Behörde unter Verletzung der behördlichen Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt nicht zureichend aufgeklärt hat, weil die Gerichte die Arbeit der Behörden nachprüfen sollen, und nicht mehr oder weniger übernehmen sollen (Tipke/Kruse a. a. 0. zu Rd.Nr. 41). Hier läßt sich zum Beispiel der Rentenakte auch nicht ohne Übersetzung entnehmen, welche Berufe der Kläger bisher ausgeübt hat und vtl. bereits erlernt hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch kein relevanter Rechts¬nachteil für den Kläger, wenn bisher nur eine "Zurückverweisung" ohne Sach¬entscheidung ergeht. Denn diese Vorgehensweise hat für den Kläger auch den Vorteil, daß ihm quasi erneut das volle Rechtsmittelverfahren eröffnet wird, nämlich das Verwaltungsverfahren einschließlich Widerspruchsverfahren, ohne daß er jetzt schon die Kosten des Klageverfahrens einschließlich seiner au¬ßergerichtlichen Kosten zu tragen hätte. Es ist gerade sinnvoll, ihn nicht schon jetzt mit etwaigen Kosten des Klageverfahrens einschließlich seiner au¬ßergerichtlichen Kosten zu belasten, für eine Klage, die nur deshalb nötig war, weil die Beklagte im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren unzurei¬chend den Sachverhalt aufgeklärt hat. § 131 Abs. 5 SGG ist mithin hier also anwendbar. Es liegen auch die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG vor. Es sind nämlich nach Art und Umfang noch Ermittlungen erforderlich, um den Sachverhalt wirk¬lich sachgerecht und abschließend beurteilen zu können. Es ist nach dem Akteninhalt ohne Spanischkenntnisse schon nicht ohne weiteres ersichtlich, welche Berufsbiographie der Kläger hat, also welche Berufe er erlernt hat oder nicht erlernt hat und welche Berufe er zuletzt versiche¬rungspflichtig ausgeübt hat; in gegebenenfalls auch welcher tariflichen Ein-stufung, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Ar¬beiterrentensenate von Bedeutung sein kann. Es ist auch nicht ersichtlich, daß wirklich alle maßgeblichen medizinischen Erkenntnisse auch der den Kläger behandelnden Ärzte und Krankenhäuser ausrei¬chend dem beratungsärztlichen Dienst bekannt wurden, und auch der Sachbear- beitung und auch der Widerspruchsstelle der Beklagten. Um einen Widerspruchs¬vortrag einigermaßen angemessen würdigen zu können, auch durch die Sachbearbeitung und die Widerspruchsstelle der Beklagen, müssen zunächst die einge¬reichten Unterlagen in ins Deutsche übersetzter Form gewürdigt werden, und zwar nicht nur medizinische Unterlagen, sondern auch sonstige Unterlagen. Dies hat die Beklagte hier offenbar nicht getan, jedenfalls nicht durch die Sachbearbeitung und auch nicht durch die Widerspruchsstelle der Beklagten. Die Beklagte kann sich auch nicht allein auf ihr Argument berufen, die Ärzte ihres beratungsärztlichen Dienstes würden auch Spanisch verstehen bzw. Latei¬nisch und könnten somit den Kern von Unterlagen in spanischer Sprache auch verstehen. Es kann dahinstehen, ob die Spanisch-Kenntnisse und noch vorhan¬dene Latein-Kenntnisse auch für komplizierte Sachverhalte ausreichen und auch zur Würdigung des bisherigen Berufsverlaufes; denn auch die Sachbearbeitung und vor allem und gerade auch der Widerspruchsausschuss müssen wissen, wor¬über sie eigentlich entscheiden und ob hier eine Verweisung möglich ist oder nicht. Anderenfalls werden das Widerspruchsverfahren und der Widerspruchsaus¬schuss ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht, wenn sie ohne eigene Prüfung sich blind auf den beratungsärztlichen Dienst verlassen. Schließlich gilt für die Beklagte der Untersuchungsgrundsatz, wonach sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichti¬gen hat (§ 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X). Sie hat außerdem die Regelungen über die Vorlage von Unterlagen in fremder Sprache zu berücksichtigen (§19 Abs. 2 SGB X). Danach soll die Behörde unverzüglich die Vorlage von Übersetzungen verlangen, sofern sie nicht in der Lage ist, die Anträge oder Schriftstücke zu verstehen; gerade bei medizinischen Sachverhalten kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass alles Wesentliche schon vom beratungsärztlichen Dienst verstanden werden würde. So hat bei Nicht-Übersetzung von Unterlagen in einer fremden Sprache die Rechtsprechung dies auch schon für einen er¬heblichen Verfahrensfehler gehalten, der deswegen zur Zurückverweisung führen könne, sogar von einer zweiten Gerichtsinstanz zurück an die erste Gerichts¬instanz (OLG Zweibrücken, Urteil vom 20.01.1998 - 5 UF 12/97 in NJWE - FER 1998, 280 und in FamRZ 1998, 1445-1446). Dabei kommt es nicht einmal darauf an, wer eigentlich beweisbelastete Partei ist, weil nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB X eine Behörde grundsätzlich die Pflicht hat, zumindest zu¬nächst eine Übersetzung zu verlangen, und, wenn dies nicht geschieht, eine Übersetzung selbst zu veranlassen. Denn § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB X stellt eine Soll-Vorschrift dar und zur sachgerechten Bearbeitung eines Widerspruches ist es sogar zwingend erforderlich, den gesamten Sachvortrag eines Widerspruchs einschließlich aller Anlagen zu verstehen. Wie bereits oben ausgeführt, kann sich die Beklagte nicht einfach blind darauf verlassen, daß ihr beratungs¬ärztlicher Dienst schon alle Schriftstücke ausreichend verstehen werde. Die Beklagte hat hier weder von dem Kläger die Vorlage einer Übersetzung der von ihm eingereichten Unterlagen verlangt, obwohl das den Kläger vertretende Generalkonsulat dies möglicherweise ohne weiteres getan hätte, noch selbst eine auch vollständige Übersetzung aller medizinischen Unterlagen zum Wider spruch veranlaßt (§19Abs. 2 Satz 3 SGB X). Soweit die Beklagte offenbar auch einwenden will, die Familienanamnese sei für sie ohnehin nicht von Interesse, erscheint dies auch etwas überheblich gegenüber Gutachten und evtl. Berichten behandelnder Ärzte. Das Gericht weist darauf hin, daß auch nach den Begutachtungshinweisen der Rentenversicherungs¬träger die Anamnese generell zu den wichtigsten Bestandteilen eines Gutach¬tens zählt und daß bei sozialmedizinischen Gutachten auch stets eine Sozial- und Arbeitsanamnese vorhanden sein muß (Das ärztliche Gutachten für die ge¬setzliche Rentenversicherung, Hinweise zur Begutachtung, DRV-Schriften Bd. 21, herausgegeben vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger, Stand Juni 2000, Seite 20 ff). Welche Sozialanamnese und Arbeitsanamnese und auch Be¬rufsbiographie des Klägers vorliegen, läßt sich der Verwaltungsakte überhaupt nicht entnehmen, insoweit wurden offenbar keinerlei Übersetzungen gefertigt, es schien für die Beklagte eher von Desinteresse zu sein. Jedenfalls haben sich offenbar die Sachbearbeitung und die Widerspruchsstelle mit dem berufli¬chen Werdegang des Klägers überhaupt nicht auseinandergesetzt. Weshalb hier eine Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zulässig ist, ist der Ver¬waltungsakte ohne explizite Spanischkenntnisse nicht zu entnehmen.

Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die "Zurückverweisung" an die Beklagte ist hier auch sachdienlich im Sinne von § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, weil nur damit dem der Beklagten obliegenden Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X Genüge getan wird und weil dies im jetzigen frühen Verfahrensstand auch dem Kläger günstig ist, denn mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und der Zurückverweisung an die Beklagte erlangt er die Möglichkeit, nach Durchführung der noch erforderlichen Ermittlungen und nach Übersetzung der bisherigen Unterlagen und nach Feststellung der Berufsbiographie des Klägers im Falle einer erneuten Ablehnung des Rentenantrages erneut wieder alle Rechtsmittel wie Widerspruch und Klageerhebung auszuschöpfen, ohne dass ihm quasi schon die Vorinstanz des Widerspruchsverfahrens genommen wurde, wie die Beklagte dies bisher getan hat. Die Beklagte wird also nunmehr den Rentenantrag des Kläger erneut zu bearbei¬ten haben und nach § 19 SGB X zu verfahren haben; sie wird entweder von dem Kläger eine Übersetzung seiner Unterlagen verlangen müssen oder aber erfor¬derlichenfalls selbst die Übersetzung dieser und der anderen spanischen Un¬terlagen zu veranlassen haben, erforderlichenfalls auch durch einen Fragebo¬gen zu bisherigen Berufen festzustellen haben, welches der maßgebliche Haupt- ( beruf des Klägers ist und woraus bzw. aus welchen Unterlagen sich dies ergibt und dann nach Würdigung aller Daten und Angaben in den mit dem Widerspruch eingereichten ärztlichen Bescheinigungen zu prüfen haben, ob es noch eines weiteren Gutachtens oder weiterer Gutachten bedarf, um den Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen des Klägers objektiv festzustellen.

D. Demzufolge war hier zu entscheiden wie geschehen und zwar auch durch Ge¬richtsbescheid nach § 105 SGG. Denn von der "Zurückverweisung" an die Verwal¬tung nach § 131 Abs. 5 SGG kann nur sinnvoll Gebrauch gemacht werden, wenn dies zügig geschieht, auch im Interesse der Beteiligten (§131 Abs. 5 Satz 4 SGG). Die Zurückverweisung in geboten erscheinenden Fällen hat daher so schnell wie möglich entsprechend der Intention des Gesetzgebers zu erfolgen, und damit sinnvollerweise durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt (§105Abs. 3 SGG). Wäre angesichts der Überlastung der Gerichte erst ein zukünfti¬ger freier Kammertermin abzuwarten, so könnte der Ablauf der 6-Monats-Frist nach § 131 Abs. 4 Satz 4 SGG möglicherweise nicht eingehalten werden, und schließlich liegt es auch im Interesse der Beteiligten, dass möglichst früh¬zeitig über eine Zurückverweisung entschieden wird (und möglichst auch nicht erst kurz vor Ablauf der 6-Monats-Frist).

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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