L 9 KR 263/14 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 263/14 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Schiedsspruch der Beklagten, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).

Die Klägerin brachte als pharmazeutische Unternehmerin am 15. März 2013 das Antidiabetikum Lyxumia® (Wirkstoff: Lixisenatid, 10 bzw. 20 Mikrogramm Injektionslösung) in Deutschland in den Verkehr. Lyxumia® verfügt seit 1. Februar 2013 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung. Zulassungsinhaberin ist die S G in P. Inhaberin der alleinigen Vertriebsrechte für Deutschland und nationaler Ansprechpartner ist die Klägerin.

Lyxumia® dient der Add-on-Therapie zur Behandlung des Typ-2-Diabetes; die arzneimittelrechtliche Zulassung definiert als Anwendungsgebiet (vgl. Fachinformation mit Stand September 2013):

Lyxumia wird angewendet bei Erwachsenen zur Behandlung des Typ-2-Diabetes mellitus in Kombination mit oralen blutzuckersenkenden Arzneimitteln und/oder Basalinsulin, wenn diese zusammen mit Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senken.

Lyxumia® ist eine in einem Fertig-Pen abgefüllte Injektionslösung und wird einmal am Tag subkutan durch den Patienten selbst gespritzt. Lixisenatid ist ein aus 44 Aminosäuren bestehendes Peptid und ein GLP-1-Rezeptor-Agonist, der ein Darmhormon imitiert. Es wirkt blutzuckersenkend und damit antidiabetisch.

Schon vor der Zulassung von Lyxumia® erbat die Klägerin beim Beigeladenen zu 2., dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), eine Beratung nach § 8 AM-NutzenV u.a. zur Frage der zweckmäßigen Vergleichstherapie. In seiner Sitzung vom 20. Feb-ruar 2012 legte der Unterausschuss Arzneimittel die zweckmäßige Vergleichstherapie fest. Das Beratungsgespräch fand am 22. Februar 2012 statt.

Im Rahmen der nach § 35a Abs. 1 SGB V durchzuführenden frühen Nutzenbewertung reichte die Klägerin bei dem Beigeladenen zu 2. am Tag des erstmaligen Inverkehrbringens (15. März 2013) ein abschließendes Dossier für den Wirkstoff Lixisenatid ein. Unmittelbar danach beauftragte der Beigeladene zu 2. das I mit der Bewer-tung dieses Dossiers. Seine Dossierbewertung übermittelte das I dem Beigeladenen zu 2. am 13. Juni 2013, woraufhin dieser ein Stellungnahme- und Anhörungsverfahren einleitete.

Durch Beschluss vom 5. September 2013, geändert durch Beschluss vom 23. Januar 2014, hat der Beigeladene zu 2. auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Lixisenatid bewertet. Auf der Grundlage der Dossierbewertung durch das IQWiG führte der Beigeladene zu 2. die Nutzenbewertung durch, indem Lixisenatid in vier Konstellationen in Beziehung zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie gesetzt wurde:

Gruppe Therapie und Jahrestherapiekosten

zweckmäßige Vergleichstherapie und Jahrestherapiekosten Patientenanzahl (ca.) Ergebnis

a Add-on Kombinationstherapie mit Metformin, wenn Metformin den Blutzucker zusammen mit einer Diät und Bewegung nicht ausreichend senkt

Jahrestherapiekosten: 1.305,63 Euro – 1.371,77 Euro

Metformin + Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid)

Jahrestherapiekosten: 46,02 Euro – 176,90 Euro bzw. 62,58 Euro – 251,34 Euro

634.600

(= 70,21 %) "Ein Zusatz-nutzen ist nicht belegt."

b Add-on Zweifach-Kombination mit einem oralen Antidiabetikum (außer Metformin), wenn dieses zusammen mit einer Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senkt

Jahrestherapiekosten: 1.285,50 Euro – 1.350,24 Euro (Lixisenatid + Glibenclamid) bzw. 1.302,06 Euro – 1.424,68 Euro (Lixisenatid + Glimepirid)

Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimeperid) + Metformin

Jahrestherapiekosten: 46,02 Euro – 176,90 Euro bzw. 62,58 Euro – 251,34 Euro

35.900

(= 3,98 %) "Ein Zusatz-nutzen ist nicht belegt."

c

Add-on Dreifach-Kombination mit oralen Antidiabetika, wenn diese zusammen mit einer Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senken

Jahrestherapiekosten: (Lixisenatid+Metformin+ Glibenclamid bzw. Glimepirid)

1.318,58 Euro – 1.449,46 Euro bzw. 1.335,13 Euro – 1.523,90 Euro

Metformin + Humaninsulin

Jahrestherapiekosten:

408,21 Euro – 849,49 Euro 62.400

(= 6,91 %)

"Ein Zusatznutzen gilt als nicht belegt."

d

Add-on Kombination mit einem Basalinsulin mit oder ohne Metformin, wenn Basalinsulin (mit oder ohne Metformin) zusammen mit einer Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senkt

Jahrestherapiekosten: (Lixisenatid+Humaninsulin) 1.647,69 Euro – 2.022,82 Euro bzw. (Lixisenatid+Humaninsulin+Metformin) 1.680,76 Euro – 2.122,04 Euro

Metformin + Humaninsulin

Jahrestherapiekosten:

408,21 Euro – 849,49 Euro

170.100

(= 18,84 %) "Ein Zusatznutzen ist nicht belegt."

Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 änderte der Beigeladene zu 2. seinen Beschluss vom 5. September 2013 und ergänzte den Abschnitt "4. Therapiekosten" um Kosten in Höhe von 83,22 Euro pro Jahr für Einmalnadeln bei Anwendung von Lixisenatid.

Einen Antrag der Klägerin, den Anwendungsbereich von Lixisenatid auf die Patientengruppen c) und d) zu beschränken, lehnte der Beigeladene zu 2. mit Schreiben vom 27. November 2013 ab. Ein dafür notwendiger Verordnungsausschluss von Lixisenatid in den Patientengruppen a) und b) sei rechtlich nicht machbar.

Von Oktober 2013 bis Februar 2014 führten die Klägerin und der Beigeladene zu 1. (GKV-Spitzenverband) Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag und die darüber zu schließende Vereinbarung. Eine Einigung kam über alle sonstigen vertraglichen Regelungen zustande, jedoch nicht in Bezug auf die Höhe des Erstattungsbetrages.

Am 6. März 2014 rief der Beigeladene zu 1. die Beklagte als Schiedsstelle an und beantragte, die Höhe des Erstattungsbetrages durch Schiedsspruch festzusetzen.

In dem Schiedsverfahren (konkretisierende Anträge vom 31. März 2014) beantragte der Beigeladene zu 1. zunächst die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 0,00274 Euro je Bezugsgröße (Erstattungsbetrag pro Packung von 0,04 Euro [3 ml] bzw. 0,23 Euro [6 x 3 ml]); später (Schiedsverhandlung vom 15. Mai 2014) beantragte der Beigeladene zu 1. die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 0,10137 Euro je Bezugsgröße (Erstattungsbetrag pro Packung von 1,42 Euro [3 ml] bzw. 8,52 Euro [6 x 3 ml]).

Auf der anderen Seite beantragte die Klägerin die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 1,80 Euro je Bezugsgröße (Erstattungsbetrag pro Packung von 25,20 Euro [3 ml] bzw. 151,20 Euro [6 x 3 ml]). Die Preisvorstellung der Klägerin lag damit etwa um das 18-fache über derjenigen des Beigeladenen zu 1. Die Klägerin vertrat u.a. die Auffassung, für die Berechnung der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie dürften nur die Patientengruppen c) und d) herangezogen werden.

Nach Verhandlung am 15. Mai 2014 traf die Beklagte folgenden Schiedsspruch (schriftliche Fassung vom 18. Juni 2014):

1) Die zwischen den Parteien konsentierten Vertragsinhalte werden entsprechend der Anlage 1 des Schiedsspruchs festgesetzt. 2) § 3 Abs. 3 wird wie folgt festgesetzt: Der einheitliche Erstattungsbetrag je Bezugsgröße beträgt ab dem 15. März 2014 0,54795 Euro.

Unter 3) befüllte die Beklagte folgende Tabelle:

PZN Betrag und Einheit der Bezugsgröße Anzahl und Einheit des Packungsinhalts Wirkstärke pro Einheit Anzahl Bezugsgrößen Abgabepreis pro Packung Erstattungsbetrag Rabatt

09940555 1 tgl. zu applizierende Dosis entspricht 10 µg 3 ml 10 µg/ 0,2ml 14 41,30 Euro 7,67 Euro 33,63 Euro

09940578 1 tgl. zu applizierende Dosis ent-spricht 20 µg 2x3ml 20 µg/ 0,2ml 28 82,60 Euro 15,34 Euro 67,26 Euro

09940584 1 tgl. zu applizierende Dosis entspricht 20 µg 6x3 ml 20 µg/ 0,2ml 84 247,80 Euro 46,03 Euro 201,77 Euro

Zur Begründung heißt es in dem Schiedsspruch im Wesentlichen: Der Beschluss des Beigeladenen zu 2. über die Nutzenbewertung binde die beklagte Schiedsstelle in jeder Hinsicht, mithin auch im Hinblick auf die Einteilung in die Patientengruppen a) bis d). Für eine von der Klägerin begehrte Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von Lixisenatid auf die Patientengruppen c) und d) sei die Schiedsstelle nicht zu-ständig. Der Änderungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. vom 23. Januar 2014 zur zusätzlichen Einbeziehung von Begleitkosten habe keine Berücksichtigung gefunden, weil er erst während der Vertragsverhandlungen nach Durchführung von vier Verhandlungsrunden zustande gekommen sei. Ihrer Festsetzung des Erstattungsbetrages und insbesondere der Berechnung der Jahrestherapiekosten für Lixisenatid habe die Schiedsstelle (1.) die maximale, dem GBA-Beschluss entsprechende Dosierung zugrunde gelegt, (2.) die häufigste Einnahmefrequenz entsprechend des GBA-Beschlusses berücksichtigt und (3.) die Obergrenzen der Spannen des Sulfonylharnstoffs aus der zweckmäßigen Vergleichstherapie zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung dieser Variablen und ohne Berücksichtigung des Änderungsbeschlusses des GBA hätten sich folgende Werte einschließlich Gewichtung je nach Größe der Patientenpopulation ergeben:

Patientengruppe a), Jahrestherapiekosten von 105 Euro, gewichtet 73 Euro Patientengruppe b), Jahrestherapiekosten von 34 Euro, gewichtet 1 Euro Patientengruppe c), Jahrestherapiekosten von 749 Euro, gewichtet 51 Euro Patientengruppe d), Jahrestherapiekosten von 408 Euro, gewichtet 76 Euro Daraus ergäben sich Jahrestherapiekosten in Höhe von gerundet 200 Euro sowie der einheitliche Erstattungsbetrag je Bezugsgröße von 0,54795 Euro. Bereits zum 1. April 2014 – nach dem Scheitern der Vertragsverhandlungen und noch vor dem streitgegenständlichen Schiedsspruch hatte die Klägerin Lyxumia® außer Vertrieb genommen. Eine Preismeldung nach § 131 Abs. 4 Satz 2 SGB V unterblieb. In anderen EU-Ländern wird Lyxumia® weiter vertrieben.

Am 18. Juli 2014 hat die Klägerin gegen den Schiedsspruch vom 15. Mai 2014 sowie gegen die Nutzenbewertungsbeschlüsse vom 5. September 2013 und 23. Januar 2014 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage gegen den Schiedsspruch bringt sie vor:

Bedenken an der Zulässigkeit der Klage seien unbegründet, denn sie werde Lyxumia® nach Vereinbarung eines angemessenen Erstattungsbetrages wieder in Deutschland verfügbar machen. Zu dem festgesetzten Erstattungsbetrag sei ein Vertrieb in Deutschland nicht kostendeckend. Es stehe ihr zu, sich gegen die staatliche Preisfestsetzung zur Wehr zu setzen. Ihre Vorbehalte richteten sich in erster Linie gegen die Nutzenbewertungsbeschlüsse des Beigeladenen zu 2. Diese seien in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden:

Es sei schon zu bezweifeln, ob Lixisenatid nach dem konkreten Text der arzneimittel-rechtlichen Zulassung für die Patientenpopulationen a) und b) eingesetzt werden dürfe. Der mit dem Wort "wenn" eingeleitete Halbsatz des Anwendungstatbestandes mache zur Voraussetzung, dass Lixisenatid erst dann angewendet werden dürfe, wenn Diät und Bewegung und die orale Therapie aus mindestens zwei blutzucker-senkenden Arzneimitteln den Blutzucker nicht mehr ausreichend senkten. Unabhängig davon beruhten die in den vier Patientengruppen genutzten Patienten-zahlen auf "bloßen Prävalenzen" und entsprächen nicht der Versorgungsrealität; den "wirklichen" Lixisenatid-Patienten habe der Beigeladene zu 2. nicht identifiziert, so dass die Beklagte ihren Schiedsspruch auf bloß theoretische Rechengrößen gestützt habe. Denn aufgrund der Rahmenvorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des GKV-Spitzenverbandes nach § 84 Abs. 6 SGB V für die Inhalte der regionalen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 SGB V werde der Vertragsarzt den Einsatz von Lyxumia® in den Patientengruppen a) und b) aus Kostengrün-den und wegen der Verordnungshöchstquote üblicherweise nicht erwägen. Daher habe Lyxumia® aufgrund der Einflussnahme der Trägerorganisationen des Beigeladenen zu 2. tatsächlich in den Patientengruppen a) und b) keine Verbreitung gefunden. Die bestehende Verordnungsregulierung dürfe nicht ignoriert werden. Das Außerachtlassen der Patientengruppen a) und b), auf die 75 Prozent der Gesamtpatientenanzahl entfielen, hätte massive Auswirkungen auf die Höhe des Erstattungsbetrages, weil dadurch die Patientenpopulationen mit den geringsten Jahrestherapiekosten wegfielen. Die Arithmetik der Mischpreisbildung werde dem tatsächlichen, praktisch überwiegenden Einsatz von Lyxumia® in den Patientenpopulationen c) und d) nicht gerecht. Die vom Beigeladenen zu 2. vorgenommene Festlegung von Vergleichsgrößen erweise sich im Rahmen der Verhandlungen über den Erstattungsbetrag als grob sachwidrig.

Unrichtig sei auch die vom Beigeladenen zu 2. bestimmte jeweilige zweckmäßige Vergleichstherapie. Er habe schon lange verfügbare generische Therapien als Vergleichstherapie festgesetzt, was zu einer sehr niedrigen Preisobergrenze führe; den Zulassungsstudien des Klägers, die größtenteils vor dem Inkrafttreten des AMNOG abgeschlossen gewesen seien, habe aber aufgrund der Zulassungsregularien des EMA ein anderer Komparator zugrunde gelegen, nämlich Placebo und Exenatide ggf. in Kombination mit Insulin. Die vom Beigeladenen zu 2. in den dortigen Verfahren (Nutzenbewertungsbeschlüsse vom 1. Oktober 2013) mit einem Zusatznutzen bewerteten Substanzen Saxagliptin/Metformin (Kombinationspräparat), Sitagliptin bzw. Saxagliptin (alle Genannten: DPP-4-Hemmer) und der Wirkstoff Exenatide (erster Vertreter der GLP-1-Rezeptor-Agonisten) hätten als Vergleichstherapie nicht au-ßer Betracht bleiben dürfen. Die Entscheidungen zu Sitagliptin bzw. Saxagliptin vom 1. Oktober 2013 hätte der Beigeladene zu 2. im Beschluss vom 23. Januar 2014 berücksichtigen müssen. Der Beigeladene zu 2. hätte im Rahmen seiner Nutzenbewertung nicht sämtliche der Arzneimittelzulassung zugrunde liegenden Studien ausblenden dürfen. Insbesondere einen Vergleich zu dem therapeutisch relevanten Exenatide hätte der Beigeladene zu 2. anstellen und dabei den Therapiehinweis vom 19. Juni/16. Oktober 2008 in Erwägung ziehen müssen. In der einseitigen Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie durch den Beigeladenen zu 2. liege ein gravierendes Verfahrensdefizit und damit eine Grundrechtsverletzung. In allen anderen europäischen Ländern seien die GLP-1-Rezeptor-Agonisten als relevante Vergleichstherapie festgelegt worden, nur in Deutschland nicht. Zu beklagen sei im Nutzenbewertungsverfahren auch ein einseitiger Informationsvorsprung des Beigeladenen zu 1., der zu den Trägerorganisationen des Beigeladenen zu 2. gehöre.

Gleichheitswidrig und nicht wettbewerbsneutral habe der Beigeladene zu 2. die Klägerin benachteiligt, indem er bei der Nutzenbewertung von Vildagliptin andere Maßstäbe angelegt habe als bei derjenigen von Lixisenatid.

Der Beigeladene zu 2. habe auch die für die zweckmäßige Vergleichstherapie entstehenden tatsächlichen Kosten nicht zutreffend ermittelt:

Der Ermittlung der Kosten für die Insulin-Therapie hätte der Beigeladene zu 2. als Durchschnittspatienten keinen solchen mit einem BMI von nur 25 zugrunde legen dürfen; realistisch sei vielmehr ein BMI von 30 bis 35.

Die Kostenberechnung hätte nicht nur den Festbetrag für Insulin-Patronen berück-sichtigen dürfen, sondern hätte auch Fertigpens in Rechnung stellen müssen.

Für Patientengruppe d) hätte berücksichtigt werden müssen, dass zusätzlich zur Basalinsulintherapie eine Therapie mit kurzwirksamen Insulinen zu den Mahlzeiten er-folge, was die Kosten erheblich steigere; in dieser Patientengruppe hätte auch der Teststreifenverbrauch einkalkuliert werden müssen.

Schließlich habe der Beigeladene zu 2. den Generikaabschlag umfassend berücksichtigt, obwohl dieser nur bei Humaninsulinen von B- und L anfalle und damit nur für einen kleinen Marktanteil.

Der Änderungsbeschluss vom 23. Januar 2014 schließlich habe die Jahrestherapie-kosten ohne vorherige Anhörung in mehrfacher Hinsicht geändert und sei aus diesem Grunde rechtswidrig.

Der Schiedsspruch selbst sei schon insoweit rechtswidrig, als er auch den zuvor konsentierten Vertragsinhalt festgesetzt habe; nur über die dissenten Teile der Vereinbarung hätte die Beklagte entscheiden dürfen. Im Übrigen folge die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Schiedsspruchs aus den bezeichneten Mängeln des Nutzenbewertungsbeschlusses vom 5. September 2013, an den die Beklagte sich gebunden gesehen habe. Der von der Schiedsstelle aus den vier Patientenpopulationen gebildete Mischpreis basiere auf nicht tragfähigen Prämissen in Bezug auf die Größe der vier Patientengruppen, ihre Gewichtung und die Versorgungsrealität; die Beklagte habe verkannt, dass sie bei Bildung des Mischpreises keiner schematischen Bindung an den Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. unterliege. Insoweit leide der Schiedsspruch an Ermessensnichtgebrauch. Ferner habe die Beklagte die selbst gewählte Methodik zur Ermittlung der Jahrestherapiekosten unrichtig an-gewandt. Richtig hätte sie wie folgt vorgehen müssen:

Patientengruppe a), Jahrestherapiekosten von 139 Euro, gewichtet 98 Euro; hier habe die Beklagte die Kosten für Metformin i.H.v. 34 Euro übersehen.Patientengruppe b), Jahrestherapiekosten von 139 Euro, gewichtet 6 Euro; hier habe die Beklagte die Kosten für Sulfonylharnstoffe unberücksichtigt gelassen. Patientengruppe c), Jahrestherapiekosten von 749 Euro, gewichtet 51 Euro (keine Änderungen).Patientengruppe d), Jahrestherapiekosten von 558 Euro, gewichtet 105 Euro (Summe der Kosten für Humaninsulin i.H.v. 524 Euro und Metformin i.H.v. 34 Euro).Selbst unter Zugrundelegung des Rechenmodells der Beklagten ergäben sich daher in der Summe Jahrestherapiekosten von 260 Euro und nicht von 200 Euro; hieraus errechne sich ein einheitlicher Erstattungsbetrag von 0,71233 Euro je Bezugsgröße. Soweit die Beklagte bei Ermittlung der Jahrestherapiekosten Saldierungen vorgenommen und in Patientengruppe a) Metformin sowie in Patientengruppe b) Sulfonylharnstoff auf beiden Seiten "herausgerechnet" habe, entbehre dies einer Rechtsgrundlage und sei rechtswidrig. Der Wert von 203,82 Euro als Preisobergrenze hätte beim Ansatz der Jahrestherapiekosten mit 200 Euro nicht unterschritten werden dürfen. Insgesamt mangele es dem Schiedsspruch an entscheidender Stelle auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an einer nach-vollziehbaren Begründung.

Die Klägerin beantragt,

1. den Schiedsspruch der Beklagten vom 15. Mai 2014 (schriftlicher Bescheid vom 18. Juni 2014) zur Festsetzung des Vertragsinhalts für Lyxumia® aufzuheben.

2. festzustellen, dass die Nutzenbewertungsbeschlüsse des Beigeladenen zu 2. vom 5. September 2013 und vom 23. Januar 2014 zu Lixisenatid rechtswidrig und nichtig sind,

hilfsweise

3. den Schiedsspruch der Beklagten vom 15. Mai 2014,n zugestellt mit Schreiben vom 18. Juni 2014, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Schiedsantrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie betont, der Schiedsspruch habe sich an den Vorgaben im Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. orientieren müssen; zur Rechtmäßigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses werde nicht Stellung genommen. Die Ermittlung der Jahrestherapiekosten sei nicht zu beanstanden. Bei Patientengruppe a) hätten die Kosten für Metformin außer Betracht bleiben dürfen, weil Metformin sowohl bei Lixisenatid als auch bei der zweckmäßigen Vergleichstherapie Anwendung finde. Entspre-chendes gelte für Sulfonylharnstoff in der Patientengruppe b). Grundsätzlich gelte dies ähnlich bei Patientengruppe d). Hier habe man sich dafür entschieden, Metformin auf beiden Seiten zu saldieren, obwohl Lixisensatid hier mit und ohne Metformin zur Anwendung gelange. Das liege im Ermessen der Schiedsstelle und sei rechtmäßig. Bei exakter Berechnung ergäben sich zwar Jahrestherapiekosten von insgesamt 203,82 Euro. Dieser Betrag habe aber nur als Obergrenze fungiert; eine Mehrheitsentscheidung der Schiedsstelle sei nur mit der Absenkung dieses Betrages auf 200 Euro erzielbar gewesen, was auch im Entscheidungsspielraum der Schiedsstelle liege. Zwischen den Beteiligten sei unstrittig, dass sich auf der Basis von Jahrestherapiekosten in Höhe von 200 Euro ein Erstattungsbetrag je Bezugsgröße in Höhe von 0,54795 Euro ergebe; Einzelheiten der Rechenoperation seien nicht zwingend offen zu legen. Das Verfahren der Beklagten sei auch und gerade im Lichte der Urteile des Bundessozialgerichts vom 4. Juli 2018 (B 3 KR 20/17 [Albiglutid] und B 3 KR 21/17 [Idelalisib]) rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Beigeladene zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zweifel bestünden schon am Rechtsschutzbedürfnis und damit an der Zulässigkeit der Klage, weil die Klägerin das Produkt bereits zum 1. April 2014 vom deutschen Markt genommen habe. In der Sache verkenne die Klägerin, dass die beklagte Schiedsstelle inhaltlich an den Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. gebunden sei; im Übrigen beurteile die Schiedsstelle den Umfang ihrer inhaltlichen Bindung an einen Nutzenbewertungsbeschluss in verschiedenen anderen Verfahren unterschiedlich, was eine gerichtliche Entscheidung zu dieser Frage umso dringender mache. Unrichtig sei auch die Auffassung der Klägerin, die Schiedsstelle könne den Erstattungsbetrag unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalles festsetzen, denn sie unterliege der Gesetzesbindung und müsse gemäß § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V den Preis bei einem Arzneimittel ohne Zusatznutzen an den Kosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie orientieren. Nachdem das Bundessozialgericht am 4. Juli 2018 entschieden habe, dass das von der Schieds-stelle gefunden Ergebnis nur "andeutungsweise" zu begründen und ein Mischpreis nicht rechtswidrig sei, gebe es keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schiedsspruchs.

Auch der Beigeladene zu 2. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er teile die Auffassung des Beigeladenen zu 1., wonach es der Klage an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ungeachtet dessen sei die Klage jedenfalls unbegründet. An der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Nutzenbewertungsbeschlüsse könne kein Zweifel bestehen.

Von der am 22. Februar 2012 durchgeführten Beratung sei der Nutzenbewertungsbeschluss nicht maßgeblich abgewichen. Es sei nur zu Klarstellungen und Präzisie-rungen gekommen.

Unrichtig sei die Auffassung der Klägerin, wonach Lixisenatid nach dem konkreten Text der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht für die Patientenpopulationen a) und b) eingesetzt werden dürfe. Die Klägerin missverstehe den Anwendungstatbestand sprachlich, denn die Formulierung "wenn diese" lasse nicht die Schlussfolgerung zu, dass Lixisenatid erst zur Anwendung kommen solle, wenn eine Kombination mehrerer (zweier) antidiabetischer Arzneimittel versagt habe. Zu Recht habe der Beigeladene zu 2. Exenatide und DPP-4-Hemmer (Gliptine) nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt. Exenatide erfülle nicht die Voraus-setzungen zur Eignung als zweckmäßige Vergleichstherapie. Dem Therapiehinweis für Exenatide aus dem Jahre 2008 sei zu entnehmen, dass für diesen Wirkstoff keine kontrollierten Langzeitstudien mit klinischen Endpunkten vorlägen, so dass der Stellenwert in der Behandlung des Typ-2-Diabetes unklar sei. Der Therapiehinweis formuliere für Exenatide als Folge der Prüfung von Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit lediglich eine enge Ausnahmeindikation. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 3, 5. Kapitel der Verfahrensordnung des Beigeladenen zu 2. habe Exenatide daher nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie in Erwägung gezogen werden dürfen. Mit dem Therapiehinweis sei davon auszugehen, dass der Einsatz des hochpreisigen Exenatide in der Regel unwirtschaftlich sei. Auch Sitagliptin und Saxagliptin hätten nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie herangezogen werden müssen. Zwar habe der Beigeladene zu 2. für diese beiden Wirkstoffe zunächst mit Beschlüssen vom 1. Oktober 2013 in der Kombinationstherapie mit Metformin im Vergleich zu einer Monotherapie mit Metformin einen Zusatznutzen festgestellt. Damit sei der Beigeladene zu 2. aber nicht gehalten gewesen, ein erneutes Nutzenbewertungsverfahren für Lixisenatid einzuleiten. Einen Antrag auf erneute Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 5 SGB V habe die Klägerin nicht gestellt. Der Klägerin sei daher der Einwand verwehrt, der Beigeladene zu 2. habe eine Anpassung der zweckmäßigen Vergleichstherapie für Lixisenatid pflichtwidrig unterlassen. Mit den Nutzenbewertungsbeschlüssen vom 1. Oktober 2013 zu Sitagliptin und Saxagliptin sei keine neue Sachlage eingetreten, die das Ermessen des Beigeladenen zu 2., von Amts wegen in eine erneute Sachprüfung einzutreten, auf Null reduziert hätte. Denn der Beigeladene zu 2. habe dort lediglich einen "Anhaltspunkt" für einen Zusatznutzen der beiden Wirkstoffe festgestellt, verbunden mit einer Befristung der Nutzenbewertungsbeschlüsse. Ein bloßer Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen reiche nicht aus, um zur Feststellung zu gelangen, dass ein Arzneimittel nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse einen therapierelevant höheren Nutzen habe und deshalb als zweckmäßige Vergleichstherapie heranzuziehen sei. Nichts anderes ergebe sich aus dem Ergebnis der erneuten Nutzenbewertung der beiden genannten Gliptine am 15. Dezember 2016. Für Saxagliptin habe der Beigeladene zu 2. darin nicht einmal mehr einen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen gesehen, für Sitagliptin sei lediglich wieder ein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen festgestellt worden.

Der Beigeladene zu 2. habe die Klägerin bei Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie im Vergleich zur Nutzenbewertung von Vildagliptin auch nicht gleichheitswidrig benachteiligt. Die jeweiligen Therapiesituationen seien nicht vergleichbar, weil sich aus den Fachinformationen für Lixisenatid und Vildagliptin unterschiedliche Anwendungsvoraussetzungen ergäben. Für Vildagliptin sei als Therapiesituation nämlich neben der unzureichenden Blutzuckerkontrolle mit einem Sulfonylharnstoff zusätzlich noch die Ungeeignetheit von Metformin aufgrund Kontraindikation oder Unverträglichkeit als Anwendungsvoraussetzung formuliert, anders als bei Lixisenatid in Bezug auf Patientengruppe b). Das rechtfertige die unterschiedlichen Bestimmun-gen zur zweckmäßigen Vergleichstherapie bei beiden Wirkstoffen.

Schließlich seien auch die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie zutreffend ermittelt worden:

Um auch indikationsübergreifend eine standardisierte und willkürfreie Berechnung von Therapiekosten zu gewährleisten, lege der Beigeladene zu 2. im Rahmen seines Gestaltungsspielraums keine indikationsspezifischen Körpergewichte fest, sondern die Standardwerte der Gesamtbevölkerung mit einem Durchschnittsgewicht von 75,6 kg.

Zu Recht habe der Beigeladene zu 2. bei der Kostenberechnung nur den Festbetrag für Insulin-Patronen berücksichtigt. Denn die Verwendung von Insulinpatronen in Mehrweg-Pens sei gegenüber der Verwendung von nur einmal nutzbaren und dann zu entsorgenden Fertigpens die wirtschaftlichere Alternative.

Soweit die Klägerin meine, für Patientengruppe d) hätte berücksichtigt werden müssen, dass zusätzlich zur Basalinsulintherapie eine Therapie mit kurzwirksamen Insulinen zu den Mahlzeiten erfolge, bleibe sie eine schlüssige medizinische Erklärung schuldig. Zu Recht habe der Beigeladene zu 2. den Teststreifenverbrauch in dieser Patientengruppe nicht einkalkuliert, denn Teststreifen fänden sowohl auf Seiten der Therapie einer Add-on-Kombination von Lixisenatid mit einem Basalinsulin als auch auf Seiten der Vergleichstherapie von Metformin und Humaninsulin Verwendung, so dass keine Kostenunterschiede bestünden.

Den Generikaabschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V habe der Beigeladene zu 2. um-fassend berücksichtigen dürfen; für die Behauptung der Klägerin, dieser spiele nur für die Vermarktungskooperation von B- und L eine Rolle, fehle es an einer nach-prüfbaren Datengrundlage.

Am 15. Februar 2018 hat der Beigeladene zu 2. beschlossen, von Amts wegen eine erneute Nutzenbewertung von Lixisenatid zu veranlassen, weil mit der Phase III-Studie ELIXA neue und relevante wissenschaftliche Erkenntnisse gesehen wurden. Die Klägerin hat hierzu erklärt, bislang kein neues Dossier eingereicht zu haben, so dass es auch zu keinem neuen Nutzenbewertungsverfahren gekommen sei.

Am 14. November 2018 hat der Berichterstatter den Rechtsstreit mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung mündlich erörtert.

Der Senat hat bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Auskunft zu der Frage erbeten, ob die im Nutzenbewertungsbeschluss vom 5. September 2013 aufgeführten Patientengruppen a) und b) von der Arzneimittelzulassung für Lyxumia® erfasst sind. Das BfArM hat die Anfrage mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 dahingehend beantwortet, dass die Patientengruppen a) und b) von der Arzneimittelzulassung erfasst seien; wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 429 bis 520 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Klägerin hat hierauf entgegnet, die Auskunft sei nicht nachvollziehbar begründet, weil nur auf Studien Bezug genommen werde und die Studien- und die Zulassungspopulationen nur selten identisch seien. Gleichwohl nehme die Klägerin die Auskunft des BfArM "für die Zwecke dieses Verfahrens" hin und akzeptiere diese.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und der vom Beigeladenen zu 2. vorgelegten Normsetzungsdokumentation Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 130b SGB V im ersten Rechtszug sachlich zuständig.

B. Die Klage ist mit beiden Hauptanträgen zulässig, denn die gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

I. Der Hauptantrag zu 1. (Anfechtung des Schiedsspruchs) ist als (isolierte) Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft, denn der angefochtene Schiedsspruch ist gegenüber den Partnern der Erstattungsvereinbarung, die durch den Schiedsspruch ersetzt wird, ein Verwaltungsakt i.S.v. § 31 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X; vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17 [Albiglutid]).

Der pharmazeutische Unternehmer ist als Partner der Erstattungsvereinbarung klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Ein vorheriges Widerspruchsverfahren war nach § 130b Abs. 4 Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht durchzuführen. Die Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist mit Klageerhebung am 18. Juli 2014 gewahrt.

Die Klägerin verfügt auch über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Sie hat nachvollziehbar erklärt, dass die Klage ihr im Falle der Stattgabe einen relevanten rechtlichen Vorteil verschaffen kann: Zwar hat sie den Vertrieb von Lyxumia® in Deutschland zum 1. April 2014 eingestellt, während sie das Arzneimittel in anderen Ländern weiter vertreibt; nach ihrem weiteren Vorbringen im Klageverfahren ist aber davon auszugehen, dass sie das Arzneimittel bei erfolgreicher Klage unverzüglich wieder zu dem von ihr bestimmten Herstellerpreis in Deutschland in den Verkehr bringen will (vgl. auch Beschluss des Senats vom 10. Mai 2016, L 9 KR 513/15 KL ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27 [Betmiga]).

Unerheblich für das Rechtsschutzbedürfnis ist weiter, dass der Beigeladene zu 2. zwar durch Beschluss vom 15. Februar 2018 eine erneute Nutzenbewertung von Lixisenatid für ein näher bezeichnetes Anwendungsgebiet veranlasst, die Klägerin aber das auf der Grundlage von § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderte Dossier nicht ein-gereicht hat. Hintergrund der von Amts wegen eingeleiteten neuen Nutzenbewertung ist das Vorliegen der Phase-III-Studie ELIXA, welche nach der Einschätzung des Beigeladenen zu 2. neue wissenschaftliche Erkenntnisse für den Wirkstoff Lixisenatid formuliert. Zwar erschließt sich dem Senat nicht, warum die Klägerin nicht die Möglichkeit ergreift, die Nutzenbewertung einem günstigeren Ergebnis zuzuführen; allerdings hat sich damit die vorliegend beanstandete Nutzenbewertung, die u.a. durch die Bildung bestimmter Vergleichsgruppen für die Zukunft wichtige Prämissen setzt, nicht erledigt. Vielmehr ist einzige Folge der Nichtvorlage eines (neuen) Dossiers, dass ein Zusatznutzen in Bezug auf das im Beschluss vom 15. Februar 2018 bezeichnete Anwendungsgebiet als nicht belegt gilt (§ 35a Abs. 1 Satz 5 SGB V).

II. Der Hauptantrag zu 2. (Rechtswidrigkeit der Beschlüsse zur Nutzenbewertung vom 5. September 2013 und 23. Januar 2014) ist als Feststellungsklage statthaft (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Zwar ist ein Beschluss zur Nutzenbewertung nicht isoliert anfechtbar, was § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V unmissverständlich regelt. Diese Regelung verstößt nicht gegen die in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verbriefte Rechtsschutzgarantie, denn im Rahmen oder bei Gelegenheit der gerichtlichen Kontrolle eines Schiedsspruchs ist regelmäßig auch die zumindest inzidente rechtliche Überprüfung eines vorangegangenen Nutzenbewertungsbeschlusses des GBA nach § 35a Abs. 3 Satz 3 SGB V möglich (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz [AMNOG], BT-Drucks. 17/2413 S. 32 zu Nr. 17 zu Abs. 4; BSG, Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17 [Albiglutid]).

Gleichzeitig spricht viel dafür, § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V so auszulegen, dass lediglich eine vorweggenommene Klage gegen einen Nutzenbewertungsbeschluss aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung ausgeschlossen sein soll. Rechtsklarheit sowie das Gebot effektiven Rechtsschutzes sprechen dafür, einen vorangegangenen Nutzenbewertungsbeschluss im Zuge der Klage gegen einen Schiedsspruch nach § 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V einer gesonderten, mit eigenständigem Klageantrag versehenen rechtlichen Überprüfung zugänglich zu machen, denn nur auf diese Weise käme seine Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit gegebenenfalls auch im Entscheidungstenor zum Ausdruck und nur so wäre es dem Beigeladenen zu 2. auch unproblematisch möglich, aufgrund formeller Beschwer ein eigenständiges Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts einzulegen.

In Bezug auf den Nutzenbewertungsbeschluss vom 5. September 2013 ist die Fest-stellungsklage auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, dass die Nutzenbewertung des streitgegenständlichen Arzneimittels bestimmte Prämissen für die nachfolgende Festsetzung eines Erstattungsbetrages setzt, die für sich genommen Rechte der Klägerin als pharmazeutische Unternehmerin verletzen können.

Kein Rechtsschutzbedürfnisbesteht allerdings im Hinblick auf den von der Klägerin zugleich beanstandeten ergänzenden Nutzenbewertungsbeschluss vom 23. Januar 2014 (Ergänzung der Therapiekosten um Kosten in Höhe von 83,22 Euro pro Jahr für Einmalnadeln), denn diesen Beschluss hat die Beklagte ausdrücklich nicht für die im Schiedsspruch vorgenommene Preisfindung verwertet, weil er erst während der Vertragsverhandlungen nach Durchführung mehrerer Verhandlungsrunden ergangen ist. Insoweit entfaltet der Nutzenbewertungsbeschluss vom 23. Januar 2014 im vor-liegenden Zusammenhang keine relevante Beschwer.

C. Die Klage ist mit beiden Hauptanträgen unbegründet.

Weder die vom Beigeladenen zu 2. vorgenommene Nutzenbewertung des Wirkstoffs Lixisenatid im Beschluss vom 5. September 2013 (dazu unten I.) noch der nachfolgende Schiedsspruch der Beklagten vom 15. Mai 2014 (dazu unten II.) begegnen rechtlichen Bedenken.

I. Zur Überzeugung des Senats ist der Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. vom 5. September 2014 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Rechtsgrundlage der frühen Nutzenbewertung selbst ist § 35a SGB V in der durch das AMNOG eingeführten Fassung. Nach § 35a SGB V hat der GBA den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu bewerten. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB V regelt, dass zur Nutzenbewertung insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie gehört. Nach § 5 Abs. 1 der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) vom 28. Dezember 2010 ist der Zusatznutzen vom pharmazeutischen Unternehmer im Dossier nach § 4 nachzuweisen; der GBA hat insoweit keine Amtsermittlungspflicht. Gemäß § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V erfolgt die Nutzenbewertung auf Grund von Nachweisen des pharmazeutischen Unternehmers, die er einschließlich aller von ihm durchgeführten oder in Auftrag gegebenen klinischen Prüfungen spätestens zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens sowie vier Wochen nach Zulassung neuer An-wendungsgebiete des Arzneimittels an den GBA elektronisch zu übermitteln hat.

In der AM-NutzenV hat das Bundesministerium für Gesundheit die Grundsätze für die Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie und die Voraussetzungen, unter denen Studien bestimmter Evidenzstufen zu verlangen sind, festgelegt. Grundlage sind nach der Ermächtigungsnorm die internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin und der Gesundheitsökonomie. Weitere Einzelheiten hat der Beigeladene zu 2. nach § 35a Abs. 1 Satz 8 SGB V durch seine Verfahrensordnung (VerfO) zu bestimmen. Dieser hat die Kriterien in § 6 Abs. 3 VerfO weiter konkretisiert:

Die zweckmäßige Vergleichstherapie muss eine nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zweckmäßige Therapie im Anwendungsgebiet sein (§ 12 SGB V), vorzugsweise eine Therapie, für die Endpunktstudien vorliegen und die sich in der praktischen Anwendung bewährt hat, soweit nicht Richtlinien nach § 92 Absatz 1 SGB V oder das Wirtschaftlichkeitsgebot dagegen sprechen. Bei der Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie sind insbesondere folgende (aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot abgeleitete) Kriterien zu berücksichtigen:

(1) Sofern als Vergleichstherapie eine Arzneimittelanwendung in Betracht kommt, muss das Arzneimittel grundsätzlich eine Zulassung für das An-wendungsgebiet haben.

(2) Sofern als Vergleichstherapie eine nichtmedikamentöse Behandlung in Betracht kommt, muss diese im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbringbar sein.

(3) Als Vergleichstherapie sollen bevorzugt Arzneimittelanwendungen oder nichtmedikamentöse Behandlungen herangezogen werden, deren patientenrelevanter Nutzen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bereits festgestellt ist.

(4) Die Vergleichstherapie soll nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zur zweckmäßigen Therapie im Anwendungsgebiet gehören.

Das Bewertungsverfahren nach § 35a Abs. 2 SGB V ist selbst kein Verwaltungsverfahren. Die Nutzenbewertung ist isoliert betrachtet lediglich eine gutachterliche Stellungnahme und daher nach dem Willen des Gesetzgebers rechtlich nicht bindend (vgl. Hess in Kass. Komm., § 35a Rz. 47, Beck/Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 35a SGB V, Rdnr. 26 unter Bezugnahme auf BT 17/2413 S. 22). Der Beschluss des Beigeladenen zu 2. ist allerdings rechtlich verbindlich, denn er ist nach § 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V ausdrücklich Teil der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, allerdings ohne dass – im Gegensatz zu anderen Teilen der Arzneimittelrichtlinie – zum Wirksamwerden eine Vorlage beim Bundesgesundheitsministerium nach § 94 SGB V erforderlich ist. In den Gesetzesmaterialien heißt es hierzu (BT-Drucksache 17/2413, Seite 20):

"Verantwortlich für die Nutzenbewertung ist der Gemeinsame Bundesausschuss. Er wird durch Gesetz legitimiert, nach Vorlage eines Dossiers durch den pharmazeutischen Unternehmer und einer nachfolgenden Nutzenbewertung, wofür das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen als wissenschaftliches Institut der Selbstverwaltung zur Verfügung steht, abschließend über den Nutzen nach Anhörung der Fachkreise zu beschließen."

Der Vorgang der Nutzenbewertung ist primär in § 35 a Abs. 2 SGB V geregelt. Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 SGB V entscheidet der Beigeladene zu 2., ob er die Nutzenbewertung selbst durchführt oder hiermit das I beauftragt. Die Nutzenbewertung ist spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung der Unterlagen durch den pharmazeutischen Unternehmer abzuschließen und im Internet zu veröffentlichen, § 35a Abs. 2 Satz 3 SGB V.

Der Nutzenbewertungsbeschluss ist in § 35a Abs. 3 SGB V normiert. Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien:

"Der Beschluss über die Nutzenbewertung ist eine Feststellung über die Zweckmäßigkeit des Arzneimittels im Sinne des § 12 und entfaltet daher Wirkung für den Vertragsarzt bei der Verordnung. Dem Vertragsarzt soll aber nicht die Kenntnis aller Einzelheiten der Nutzenbewertung zugemutet werden. Daher soll der Gemeinsame Bundesausschuss in seinem Beschluss ausdrücklich klarstellen, welche Feststellungen bei der Verordnung zu beachten und daher Teil der Arzneimittelrichtlinien sind." (BT-Drucksache 17/2413, Seite 22)

2. Über die Konkretisierung dieser rechtlichen Vorgaben entscheidet der Beigelade-ne zu 2. im Zuge der Nutzenbewertung als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der durch den Beigeladenen zu 2. zu treffenden Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den normgeberischen Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014, B 6 KA 21/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 32 [Buscopan]; Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25 [Linola u.a.]; Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 10/10 R zitiert nach juris, dort Rdnr. 38 [Atorvastatin]). 3. Hieran gemessen hält der Nutzenbewertungsbeschluss vom 5. September 2013 einer rechtlichen Überprüfung stand.

a) Der Beigeladene zu 2. hat die der Nutzenbewertung zugrunde gelegten Vergleichsgruppen rechtlich beanstandungsfrei gebildet. Insbesondere darf Lixisenatid auf der Grundlage seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung auch für die Patientenpopulationen a) und b) eingesetzt werden.

Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats schon aus dem Wortlaut der Arzneimittelzulassung: Auch die Patientengruppen a) und b) sind von der Arzneimittelzulassung von Lixisenatid erfasst. Der Wortlaut der Zulassung (" in Kombination mit oralen blutzuckersenkenden Arzneimitteln und/oder Basalinsulin, wenn diese zusammen mit Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senken") dürfte die Bildung der Populationen a) und b) geradezu erzwingen. Die Auffassung der Klägerin, der mit dem Wort "wenn" eingeleitete Halbsatz des Anwendungstatbestandes mache zur Voraussetzung, dass Lixisenatid erst dann angewendet werden dürfe, wenn Diät und Bewegung und die orale Therapie aus mindestens zwei blutzuckersenkenden Arzneimitteln den Blutzucker nicht mehr ausreichend senkten, geht fehl, denn sie miss-achtet das "und/oder" im Wortlaut der Zulassung, aus dem sich ergibt, dass Lixisenatid zur Anwendung kommt, wenn orale blutzuckersenkende Arzneimittel und/oder Basalinsulin den Blutzucker nicht ausreichend senken, also entweder je für sich oder in gemeinsamer Anwendung.

Aus der nationalen Versorgungs-Leitlinie "Therapie des Typ-2-Diabetes" ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin nichts Gegenteiliges abzuleiten. Auffällig ist insoweit, dass Lixisenatid in der genannten Leitlinie vom August 2013, deren Gültigkeit abgelaufen ist und die sich in der Überprüfung befindet, nur ganz am Rande Erwähnung findet, nämlich in Kapitel H 6.6.3 (Unterpunkt E, S. 167) als Arzneimittel "ohne gesicherte günstige Beeinflussung klinischer Endpunkte". Dort heißt es u.a.: Lixisenatid ist mit oralen Antidiabetika und mit Basalinsulin zugelassen." Diese Passage bleibt hinter dem Wortlaut der maßgeblichen Arzneimittelzulassung zurück und wollte bzw. konnte diese auch nicht etwa modifizieren. Im Sinne der Klägerin lässt sich daraus jedenfalls nichts weiter ableiten.

Entscheidend sind weiter die Ausführungen in der Auskunft des BfArM vom 17. Dezember 2018: Dort wird nachvollziehbar eingeschätzt, dass die Patientengruppen a) und b) zutreffend gebildet worden sind, weil sie den Inhalt der Phase III-Studien ab-bilden, auf deren Grundlage Lixisenatid zugelassen wurde.

b) Ins Leere geht der Einwand der Klägerin, der Beigeladene zu 2. habe sich bei der Einteilung der vier Patientengruppen von "bloßen Prävalenzen" leiten lassen und ignoriere die Versorgungsrealität. Eine solche kann sich im Stadium der Nutzenbewertung noch nicht verlässlich herausgebildet haben, Versorgungsdaten sind noch nicht verfügbar. Sollten Nutzenbewertung bzw. Erstattungsbetrag die Versorgungsrealität nicht hinreichend spiegeln, steht es den Vertragsparteien offen, die Vereinbarung oder den Schiedsspruch schon nach einem Jahr zu kündigen (§ 130b Abs. 7 Satz 1 SGB V). Die regelmäßig kurzen Vertragslaufzeiten einschließlich außerordentlicher Kündigungsmöglichkeiten bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bildung einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs. 1 SGB V sowie bei Veröffentlichung eines neuen Beschlusses zur Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V oder zur Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b SGB V (§ 130b Abs. 7 Satz 3 SGB V) sorgen für zeit-nahe Anpassungsmöglichkeiten an eine verbesserte Datenlage. Jede Vertragspartei kann zudem nach einem ergangenen Schiedsspruch nach § 130b Abs. 4 SGB V beim GBA eine Kosten-Nutzen-Bewertung nach § 35b SGB V beantragen (vgl.§ 130b Abs. 8 Satz 1 SGB V). Da mit diesem Gesamtsystem den Versicherten innovative Arzneimittel schon in einem möglichst frühen Stadium nach der Markteinführung bei häufig noch unsicherer Datenlage zur Verfügung stehen und die Erstattungsbeträge dennoch möglichst nah am Zusatznutzen orientiert sein sollen, sind gewisse Unwägbarkeiten bei der Nutzenbewertung und auch bei Festsetzung des Erstattungsbetrages in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen hinzunehmen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 43 [Albuglutid]).

c) Beurteilungsfehlerfrei hat der Beigeladene zu 2. Exenatide sowie Sitagliptin und Saxagliptin nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie angesehen.

Exenatide ist nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie geeignet. Dem Therapiehin-weis für Exenatide aus dem Jahre 2008 kann entnommen werden, dass für diesen Wirkstoff keine kontrollierten Langzeitstudien mit klinischen Endpunkten vorliegen, so dass der Stellenwert in der Behandlung des Typ-2-Diabetes unklar bleibt. Der Therapiehinweis formuliert für Exenatide als Folge der Prüfung von Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit lediglich eine enge Ausnahmeindikation. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 3, 5. Kapitel der Verfahrensordnung des Beigeladenen zu 2. durfte Exenatide daher nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie in Erwägung gezogen werden. Mit dem Therapiehinweis ist davon auszugehen, dass der Einsatz dieses hochpreisigen Arzneimittels in der Regel unwirtschaftlich ist.

Auch Sitagliptin und Saxagliptin mussten nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie herangezogen werden. Bei Erlass des streitgegenständlichen Schiedsspruchs am 5. September 2013 war das Nutzenbewertungsverfahren in Bezug auf diese beiden Wirkstoffe ohnehin noch nicht abgeschlossen. Zwar hat der Beigeladene zu 2. später für diese beiden Wirkstoffe mit Beschlüssen vom 1. Oktober 2013 in der Kombinationstherapie mit Metformin im Vergleich zu einer Monotherapie mit Metformin einen Zusatznutzen festgestellt. Das zwang den Beigeladenen zu 2. aber nicht, ein erneu-tes Nutzenbewertungsverfahren für Lixisenatid einzuleiten, zumal die Klägerin, die sich offenbar einer Aktualisierung der Nutzenbewertung von Lixisenatid verschließt, keinen Antrag auf erneute Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 5 SGB V gestellt hat. Mit den Nutzenbewertungsbeschlüssen vom 1. Oktober 2013 zu Sitagliptin und Saxagliptin ist auch keine neue Sachlage eingetreten, die das Ermessen des Beigeladenen zu 2., von Amts wegen in eine erneute Sachprüfung einzutreten, auf Null reduziert hätte. Denn der Beigeladene zu 2. hat dort lediglich einen "Anhaltspunkt" für einen Zusatznutzen der beiden Wirkstoffe festgestellt, verbunden mit einer Befristung der Nutzenbewertungsbeschlüsse. Ein bloßer Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen reicht indessen nicht aus, um zur Feststellung zu gelangen, dass ein Arzneimittel nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse einen therapierelevant höheren Nutzen hat und deshalb als zweckmäßige Vergleichstherapie heranzuziehen ist. Unabhängig davon hat die erneute Nutzenbewertung der beiden Gliptine vom 15. Dezember 2016 sogar dazu geführt, für Saxagliptin nicht einmal mehr einen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen zu sehen, während für Sitagliptin lediglich wieder nur ein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen festgestellt worden ist. Ein bloßer "Anhaltspunkt" für einen Zusatznutzen, der unter Umständen auf nicht randomisierten Studien beruht, beinhaltet im Gegensatz zum Beleg und zum Hinweis auf einen Zusatznutzen die schwächste Aussagesicherheit (vgl. IQWiG, Allgemeine Methoden, Version 5.0 vom 10.07.2017, Seite 48, 67).

Sowohl Exenatide als auch den beiden genannten Gliptine fehlt danach die notwendige Therapierelevanz im Sinne von § 6 Abs. 2 der AM-NutzenV; es handelt sich nicht um Therapien, die sich in der praktischen Anwendung bewährt haben. Die vom Beigeladenen zu 2. getroffenen Wertungen sind frei von Beurteilungsfehlern.

d) Ebenso wenig muss der Beigeladene zu 2. sich entgegen halten lassen, bei der Nutzenbewertung von Lixisenatid willkürlich andere Maßstäbe angelegt zu haben als bei derjenigen von Vildagliptin. Der Beigeladene zu 2. hat nachvollziehbar aufgezeigt, dass dieses Gliptin andere Anwendungsvoraussetzungen besitzt und daher keine zweckmäßige Vergleichstherapie darstellt. Denn für Vildagliptin ist als Therapiesituation neben der unzureichenden Blutzuckerkontrolle mit einem Sulfonylharnstoff zusätzlich noch die Ungeeignetheit von Metformin aufgrund Kontraindikation oder Unverträglichkeit als Anwendungsvoraussetzung formuliert ("Vildagliptin ist an-gezeigt zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 bei Erwachsenen: Als Monotherapie bei Patienten, die durch Diät und Bewegung allein nicht ausreichend therapiert sind und für die Metformin aufgrund von Gegenanzeigen oder Unverträglichkeiten nicht geeignet ist").

e) Schließlich ist auch die vom Beigeladenen zu 2. vorgenommene Ermittlung der Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Beigeladene zu 2. der Kostenermittlung Wertungen zugrunde gelegt hat, bewegen sich diese im Rahmen seines Beurteilungsspielraums; die umfangreichen Rügen der Klägerin gehen ins Leere:

aa) Rechtlich vertretbar hat der Beigeladene zu 2. der Ermittlung der Kosten für die Insulin-Therapie als Durchschnittspatienten einen solchen mit einem Body-Mass-Index von 25 zugrunde gelegt. Der Beigeladene zu 2. musste hier notwendiger Weise standardisieren und durfte daher im Rahmen seines normgeberischen Ermessens vom Durchschnittsgewicht der Bevölkerung ausgehen.

bb) Fehl geht die Auffassung der Klägerin, die Kostenberechnung hätte nicht nur den Festbetrag für Insulin-Patronen berücksichtigen dürfen, sondern hätte auch Fertigpens in Rechnung stellen müssen. Zu Recht hält der Beigeladene zu 2. dem entgegen, dass die Verwendung von Insulin-Patronen in Mehrweg-Pens wirtschaftlicher und daher in die Berechnung einzubeziehen ist.

cc) Soweit die Klägerin meint, für Patientengruppe d) hätte berücksichtigt werden müssen, dass zusätzlich zur Basalinsulintherapie eine Therapie mit kurzwirksamen Insulinen zu den Mahlzeiten erfolge, was die Kosten erheblich steigere, hat sie dies nicht weiter medizinisch belegt. Soweit sie anführt, in dieser Patientengruppe hätte auch der Teststreifenverbrauch einkalkuliert werden müssen, begründet auch dies keinen Beurteilungsfehler. Teststreifenverbrauch ist sowohl bei Lixisenatid als auch bei der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu verzeichnen und durfte damit im Wege der Saldierung auf beiden Seiten außer Betracht bleiben.

dd) Soweit die Klägerin rügt, der Beigeladene zu 2. habe den Generikaabschlag umfassend berücksichtigt, obwohl dieser nur bei Humaninsulinen von Berlin-Chemie und Lilly anfalle und damit nur für einen kleinen Marktanteil, fehlt es an einer nach-vollziehbaren Datengrundlage. Ein Beurteilungsfehler ist auch insoweit weder dargetan noch sonst ersichtlich.

II. Der Schiedsspruch vom 15. Mai 2014 basiert damit auf einer Nutzenbewertung für Lixisenatid, die rechtlich nicht zu beanstanden ist. Er durfte sich daher einschränkungslos am Ergebnis der frühen Nutzenbewertung orientieren und die Nutzenbewertung zur "Grundlage" der Festsetzung des Erstattungsbetrages machen (vgl. § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Unabhängig davon ist dieser Schiedsspruch auch für sich genommen weder formell noch materiellrechtlich zu beanstanden.

Schiedssprüche sind im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle grundsätzlich nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die zwingenden rechtlichen Vorgaben einerseits in inhaltlicher Hinsicht (unten 1.)und andererseits in verfahrensrechtlicher Hinsicht ein-schließlich der grundlegenden Anforderungen an die Begründung (unten 2.)eingehalten haben (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Folgenden BSG, Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19 ff. [Albiglutid]). Das ist hier der Fall.

1. Der auf § 130b Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 5 SGB V beruhende Schiedsspruch der Beklagten ist beanstandungsfrei unter Zugrundelegung der im Ausgangspunkt maßgebenden allgemeinen materiell-rechtlichen Vorgaben (unten a) ergangen. Dem Schiedsspruch steht nicht schon eine etwaige generelle rechtliche Unzulässigkeit der Mischpreisbildung entgegen (unten b). Er ist auch im Übrigen unter Einhaltung zwingender rechtlicher Vorgaben und unter Beachtung des sich daraus für die Beklagte ergebenden Beurteilungsspielraums ergangen (unten c).

a) Die gemeinsam vom GKV-Spitzenverband und den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmen gebildete Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Satz 1 SGB V setzt dann, wenn eine Vereinbarung nach Abs. 1 oder 3 der Regelung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Beschlusses des GBA nach § 35a Abs. 3 oder nach § 35b Abs. 3 SGB V zustande kommt, nach § 130b Abs. 4 SGB V den Vertragsinhalt innerhalb von drei Monaten fest. Die Schiedsstelle entscheidet dabei im Ausgangspunkt - neben weiter zu beachtenden Kriterien (dazu näher unten c) - unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und berücksichtigt die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes (§ 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V).

Der auf dieser gesetzlichen Basis ergehende Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der fachkundigen und teils paritätischen, teils unparteiischen Zusammensetzung der Schiedsstelle will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen nutzen (vgl. Gesetzesbegründung zum AMNOG, BT-Drucks. 17/2413 S. 32 zu Nr. 17 zu den Abs. 5 und 6). Der durch die Mehrheit der Mitglieder zustande gekommene Schiedsspruch ist durch seinen Kompromisscharakter geprägt und nicht immer die einzig sachlich vertretbare Entscheidung. Deshalb ist der Schiedsstelle ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Dies hat das Bundessozialgericht zuletzt in den Urteilen vom 4. Juli 2018 (B 3 KR 20/17 R [Albiglutid, dort Rdnr. 22] und B 3 KR 21/17 R [Idelalisib, dort Rdnr. 32]) ausdrücklich hervorgehoben und zugleich betont: Die Vertragsgestaltungsfreiheit der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung. Deshalb unterliegen auch Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle darauf, ob die Schiedsstelle zwingendes Gesetzesrecht beachtet, den bestehenden Beurteilungsspielraum eingehalten und den zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs hinreichend ermittelt hat b) Die auch hier von der Beklagten vorgenommene Bildung eines ("kleinen") Mischpreises verstößt – entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im vorliegenden Verfahren vertretenen Auffassung – nicht gegen zwingendes Gesetzes-recht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die allen Beteiligten bekannten Urteile des Bundessozialgerichts vom 4. Juli 2018 Bezug (B 3 KR 20/17 R [Albiglutid, dort Rdnr. 23ff.] und B 3 KR 21/17 R [Idelalisib, dort Rdnr. 18ff.]). Anzumerken bleibt lediglich, dass die Beklagte auch im vorliegenden Zusam-menhang einen Mischpreis gebildet hat, selbst wenn Lixisenatid in allen vier Patientengruppen kein Zusatznutzen beigemessen worden ist, anders als in den vom Bundessozialgericht am 4. Juli 2018 entschiedenen Fällen: Dort blieben die streitigen Wirkstoffe in einzelnen Patientengruppen ohne Zusatznutzen, während in anderen Patientengruppen ein Zusatznutzen zuerkannt worden war, so dass sich die Frage der Preisermittlung und vor allem der Monetarisierung des Zusatznutzens in gravierendem Maße entscheidungserheblich stellte. Auch vorliegend war eine Mischpreisbildung erforderlich, denn die Jahrestherapiekosten sind in den vier Gruppen der zweckmäßigen Vergleichstherapie unterschiedlich und fließen je nach Größe der jeweiligen Population in die Preisbildung ein, was dazu führt, dass etwa Patienten-gruppe a) mit relativ preiswerten Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie und zugleich besonders hoher Populationsgröße bei der Preisbildung relativ stark ins Gewicht fällt.

c) Zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte den Erstattungsbetrag für Lyxumia®/Wirkstoff Lixisenatid unter Einhaltung zwingender rechtlicher Vorgaben und ihres sich daraus ergebenden Beurteilungsspielraums rechtmäßig festgesetzt.

aa) Nach § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V ist der Erstattungsbetrag zunächst im Wege vertraglicher Vereinbarungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer (im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung) auszuhandeln. Grundlage dieses Aushandlungsprozesses - und daran an-schließend auch der Festsetzung des Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle bei Nichteinigung - ist die vom GBA (vorliegend rechtlich beanstandungsfrei, vgl. hierzu oben I.) durchgeführte Nutzenbewertung durch Beschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V. Der Erstattungsbetrag muss daher in erster Linie an dem im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie festgestellten Zusatznutzen orientiert sein (vgl. Gesetzesbegründung zum AMNOG, BT-Drucks 17/2413 S. 20 f zu Nr. 5 zu Abs. 1, S. 23 zu Nr. 5 zu Abs. 8; S. 31 zu Nr. 17 zu Abs. 1). Gemäß § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V in der bis zum 12. Mai 2017 geltenden Fassung durfte der Erstattungsbetrag bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen (wie im Falle von Lixisenatid) nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die zweckmäßige Vergleichstherapie. Die Schieds-stelle entscheidet nach § 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V unter freier Würdigung aller Um-stände des Einzelfalls und berücksichtigt dabei die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes.

Diese Bestimmungen belassen der Schiedsstelle einen weiten Beurteilungsspielraum. Der Gesetzgeber misst der Struktur des Einigungs- und Aushandlungsprozesses besondere Bedeutung bei. Dieser Prozess soll in erster Linie zu einer Einigung zwischen den Beteiligten führen. Kommt eine Einigung nicht zustande, führt die paritätisch und sachkundig besetzte Schiedsstelle zunächst als Vermittlerin den Verhandlungsprozess fort, um noch auf diesem Weg eine einvernehmliche Lösung zu erwirken. Erst wenn auch dieses Vorgehen gescheitert ist, ersetzt die Schiedsstelle durch eine Mehrheitsentscheidung der Mitglieder die offen gebliebenen konsensualen Regelungen. Dieses austarierte Verhandlungssystem bietet vor allem durch seine an vertraglichen Vereinbarungen orientierten strukturellen Vorgaben sowie die sach-kundig und teils paritätisch, teils unparteiisch besetzte Schiedsstelle eine hinreichen-de Gewähr dafür, zu akzeptablen Inhalten der Schiedssprüche zu gelangen. Unter Berücksichtigung der materiell-rechtlichen gesetzlichen und untergesetzlichen Vor-gaben bildet diese Verfahrensweise ein gegen willkürliche Entscheidungen der Schiedsstelle hinreichend abgesichertes Gesamtsystem; gewisse Unwägbarkeiten bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages sind in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen hinzunehmen.

bb) Der angefochtene Schiedsspruch der Beklagten vom 15. Mai 2014 bewegt sich innerhalb des durch diese rechtlichen Vorgaben gesteckten Rahmens für den Gestal-tungsspielraum der Schiedsstelle. Die Beklagte hat sich an den durch die Nutzenbewertung vorgegebenen Prämissen orientiert und sich bei Festlegung des Erstattungsbetrages an dem durch die Angebote der Verhandlungspartner eröffneten Korridor orientiert. Der sich einer rechtlichen Überprüfung weitestgehend entziehende Kompromisscharakter des Schiedsspruchs liegt insoweit offen zutage, denn er bewegt sich mit festgelegten 0,54795 Euro je Bezugsgröße etwa bei einem Drittel der klägerischen Preisvorstellung (1,80 Euro je Bezugsgröße) und bei dem 5,4-fachen der Preisvorstellungen des Beigeladenen zu 1. (0,10137 Euro je Bezugsgröße).

Die konkrete Höhe des geschiedsten Erstattungsbetrages ist nicht weiter angreifbar. Die Klägerin rügt insoweit die Unrichtigkeit einzelner Berechnungsschritte. Diese Rüge könnte nur dann zum Erfolg führen, wenn die Beklagte ersichtlich von den durch die Nutzenbewertung gesetzten Prämissen abgewichen wäre oder materielles Recht verletzt hätte. Das ist aber nicht der Fall. Bei exakter Berechnung auf der Grundlage der Nutzenbewertung müsste zwar der Erstattungsbetrag je Bezugsgröße auf der Grundlage von 203,82 Euro als Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie berechnet werden. Insoweit hat aber die Beklagte beanstandungsfrei angeführt, nur bei Absenkung dieses Betrages auf 200,00 Euro sei eine Mehrheitsentscheidung der Schiedsstelle überhaupt erzielbar gewesen. Weil zugleich gesetzlich lediglich vorgegeben war, dass der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten als die zweckmäßigen Vergleichstherapie führen durfte (§ 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V), der geschiedste Erstattungsbetrag sich aber geringfügig darunter bewegt, ist insoweit rechtlich nichts gegen den Schiedsspruch zu erinnern. Die Rüge der Klägerin zielt hier vielmehr in den gerichtsfreien Kern des Schiedsspruchs als Kompromissentscheidung. Das ist, gemessen an den oben formulierten Maßstäben, mit der jüngsten Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts nicht machbar. Unabhängig davon dürfen bei Entscheidungen mit Kompromisscharakter, die durch die Mehrheit von Mitgliedern eines hierzu berufenen pluralistischen Gremiums getroffen werden, die Begründungsanforderungen innerhalb des eröffneten Beurteilungsspielraums nicht überspannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018, B 3 KR 20/17 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 55 [Albiglutid]).

Der von der Klägerseite erhobene Vorwurf, die Beklagte habe sich bloß "schema-tisch" an den Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. gebunden gesehen und sei deshalb einem Ermessensausfall erlegen, greift nicht. Die Beklagte hatte sich, gesetzlich zwingend, an den Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu orientieren, die der festzulegende Erstattungsbetrag nicht übersteigen durfte (§ 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V in der bis zum 12. Mai 2017 geltenden Fassung). Dabei hatte die Beklagte die im Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. vom 5. September 2013 vorgegebene Struktur anzunehmen und umzusetzen, also etwa mit vier Patientengruppen und den jeweils ermittelten Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu operieren. Insoweit entfaltete die Nutzenbewertung Bindungswirkung, über die die Beklagte sich nicht hinwegsetzen durfte; der Nutzenbewertungsbeschluss des GBA ist als Teil der Arzneimittel-Richtlinie (§ 35a Abs. 3 Satz 6 SGB V) auch für die Beklagte normativ verbindlich. Der Gestaltungsspielraum der Beklagten geht nicht so weit, dass sie die verbindlichen strukturellen und inhaltlichen Festlegungen der Nutzenbewertung übergehen dürfte. Jede andere Sichtweise würde die gesetzlich vorgegebene Aufgabenverteilung mit dem ersten Schritt der Nutzenbewertung durch den Beigeladenen zu 2. und dem zweiten Schritt der Preisfestsetzung, im Konfliktfall durch die Beklagte, unterlaufen.

Ins Leere geht auch der Vorhalt der Klägerin, die Beklagte habe die Jahrestherapie-kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie unrichtig ermittelt, indem bestimmte Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie (etwa für Metformin in Patientengrup-pe a) herausgerechnet worden seien. Hier hat die Beklagte nachvollziehbar entgegen gehalten, dass etwa Metformin sowohl bei Lixisenatid als auch bei der zweck-mäßigen Vergleichstherapie außer Betracht geblieben sei, weil dieses Arzneimittel gleichermaßen auf beiden Seiten zur Anwendung gelange und die Saldierung daher ergebnisneutral sei. Dieses Vorgehen bietet, auch und gerade unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Beklagten, keinen Ansatzpunkt für rechtliche Beanstandung.

Die Klägerseite rügt überdies, in dem angefochtenen Schiedsspruch sei auch der schon konsentierte Vertragsinhalt festgesetzt worden, wozu die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei. Der Senat sieht nicht, wieso dies auf Seiten der Klägerin mit einer Rechtsverletzung verbunden sein sollte, denn letztlich hat der Schiedsspruch, soweit er bereits Geeintes wiederholt, nur deklaratorischen Charakter.

2. Der Schiedsspruch ist schließlich auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. In Betracht kommen hier ohnehin nur Begründungsmängel. Solche sind indessen bei der gebotenen zurückhaltenden Überprüfung durch den Senat nicht zu erkennen. Allgemein gilt, dass der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis nur wenigstens andeutungsweise erkennen lassen muss; bei Entscheidungen mit Kompromisscharakter, die durch die Mehrheit von Mitgliedern eines hierzu berufenen pluralistischen Gremiums getroffen werden, dürfen die Begründungsanforderungen innerhalb des eröffneten Beurteilungsspielraums nicht überspannt werden (BSG, a.a.O., Rdnr. 55). Einer besonders intensiven Begründung bedarf es mit Rücksicht auf das Zustandekommen einer Mehrheitsentscheidung in einem Aushandlungsprozess nicht (a.a.O., Rdnr. Rn 49).

Hieran gemessen ist der angefochtene Schiedsspruch formell rechtmäßig. Zwar ist der Senat außerstande, den Rechenweg zum geschiedsten Erstattungsbetrag je Bezugsgröße, ausgehend von Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie in Höhe von 200,00 Euro, vollständig nachzuvollziehen. Gemessen an der wiederholt zitierten Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts zur rechtlichen Kontrolle von Schiedssprüchen der vorliegenden Art ist dies jedoch nicht erforderlich. Der Senat sieht dies zwar nach wie vor kritisch, schließt sich aber letztlich dem vom Bundessozialgericht gebildeten sehr weiten Prüfungsmaßstab an. An die gerichtsfeste Festsetzung von Erstattungsbeträgen im Rahmen des Gestaltungsspielraums einer sachkundig und teils unparteiisch, teils paritätisch besetzten Schiedsstelle dürfen keine überspitzten Anforderungen gestellt werden.

D. Erweist sich der angefochtene Schiedsspruch als in jeder Hinsicht rechtmäßig, musste auch der auf Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung gerichtete Hilfsantrag der Klägerin ohne Erfolg bleiben. E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision hat der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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