S 5 (5, 22) KR 250/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 (5, 22) KR 250/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 59/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung.

Der Kläger war Inhaber der Fa. I Bau Service in M und hatte vom 15.03.1991 bis 17.06.1993 bei der Beklagten versicherte Arbeitnehmer angemeldet.

Im Oktober 1993 wurde, nachdem der Kläger seinen Betrieb aufgegeben hatte, eine Betriebsprüfung durchgeführt, wobei festgestellt wurde, dass Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.060,93 Euro nachzuberechnen waren.

1993 erfolgte der erste Pfändungsversuch. Im weiteren Verlauf wurde der Kläger am 06.01.1994 über die Forderungshöhe sowie Nebenkosten (Gesamtbetrag in Höhe von 3.185,18 Euro) informiert, woraufhin der Kläger mit Schreiben vom 14.01.1994 mitteilte, dass er die Forderungen durch monatliche Raten in Höhe von 500,00 DM (255,55 Euro) ausgleichen wolle. Allerdings zahlte der Kläger lediglich die erste Rate. ln der Folgezeit versuchte die Beklagte den noch ausstehenden Beitrag zur Gesamtsozialversicherung anzumahnen. Da jedoch der Aufenthalt des Klägers unbekannt war, konnten entsprechende Schreiben nicht zugestellt werden. Die Beklagte schaltete das Bundeszentralregister und das Einwohnermeldeamt ein, um den Aufenthaltsort des Klägers zu erfahren. Auch eine im November 1996 und August 1997 beantragte Pfändungs- und Einziehungsverfügung bei der Deutschen Bank und bei der Sparkasse C blieb erfolglos. Ebenso brachten Vollstreckungsversuche der AOK I, die im Auftrag der Beklagten im Rahmen eines Amtshilfeersuchens tätig geworden war, keinen Erfolg.

In der Folgezeit ließ sich der Kläger anwaltlich vertreten. Allerdings kannte auch der bevollmächtigte Rechtsanwalt G den Aufenthaltsort des Klägers nicht, so dass im Rahmen des in diesem Zusammenhang geführten Schriftverkehrs gleichfalls der Wohnort des Klägers nicht ermittelt werden konnte. Ebenso wenig war der Mutter des Klägers der Aufenthaltsort bekannt. Am 22.05.2001 teilte der Rechtsanwalt sodann die aktuelle Anschrift mit, worauf der von der Beklagten beauftragte Vollziehungsbeamte der AOK X-M1 erfolglos am 02.07.2001 pfändete. Noch im März 1997 verlangte der Kläger über seinen Anwalt einen Zahlungsaufschub sowie Zahlungserleichterungen für die noch offenen Forderungen.

Nachdem der Bevollmächtigte des Klägers im Mai 2001 die aktuelle Anschrift des Klägers mitgeteilt hatte, erfolgte im Juli 2001 ein weiterer erfolgloser Pfändungsversuch.

Mit dem angefochtenen Haftungs- und Beitragsbescheid vom 03.01.2005 wurde der Kläger nochmals aufgefordert, das Beitragskonto der Fa. I Bau Service auszugleichen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, die Forderungen seien bereits verjährt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, eine Verjährung der Forderungen sei nicht eingetreten, da vor Ablauf der jeweils vierjährigen Verjährungsfrist Vollziehungsbeamte erfolglos gepfändet hätten. Auch im weiteren Verlauf habe die Beklagte kontinuierlich versucht, die Forderungen zu vollstrecken. Der Kläger könne sich daher nicht auf Verjährung berufen.

Hiergegen richtet sich die am 18.10.2005 erhobene Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Haftungs- und Beitragsbescheides begehrt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die von der Beklagten erhobenen Daten seien nicht richtig bzw. könnten nicht mehr nachvollzogen werden, da der Kläger die damaligen Firmenunterlagen nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vernichtet habe. Die Anschrift des Klägers sei der Beklagten bekannt gewesen. Im Übrigen habe sich der Kläger durch seinen Rechtsanwalt rechtlich vertreten lassen und sei über diesen erreichbar gewesen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Beklagte den Haftungs- und Beitragsbescheid erst im Jahre 2005 übersendet habe. Sie hätte wesentlich eher tätig werden können. Die letzte Vollstreckungshandlung am 02.07.2001 sei folglich vollzogen worden, als die Verjährung bereits eingetreten war, denn die Frist beginne nach der letzten Vollstreckungshandlung am 08.11.1996 bei der Deutschen Bank in Halle zu laufen und ende daher am 09.11.2000.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Ergänzend weist sie darauf hin, dass bei vorsätzlicher Vorenthaltung Forderungen erst in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, verjähren. Es sei aufgrund der eigenen Angaben des Klägers offensichtlich, dass er von seiner Beitragsschuld gewusst habe, sich aber bewusst den Vollstreckungshandlungen durch ständige Wohnortwechsel entzogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte den Rechtsstreit trotz Abwesenheit des Klägers im Verhandlungstermin vom 16.05.2007 entscheiden, da der Kläger auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§110 Abs. 1 SGG). Da der Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 23.04.2007 die Ladung erhalten hat und mitgeteilt hatte, dass er ab dem 23.05.2007 eine medizinische Vorsorgemaßnahme durchführt, konnte die Kammer davon ausgehen, dass er Kenntnis von dem Verhandlungstermin hatte.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 04.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig.

Gemäß § 28e Sozialgesetzbuch, 4. Buch (SGB IV) sind Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber an die zuständige Einzugsstelle zu zahlen, wobei der Arbeitgeber dafür verantwortlich ist, dass die von ihm zu entrichtenden Beiträge vollständig und rechtzeitig der Einzugsstelle zur Verfügung stehen.

Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sind (vgl. § 136 Abs. 3 SGG).

Auf Verjährung kann sich der Kläger nicht berufen.

Gemäß § 25 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.

Unabhängig davon, dass durch die vom Kläger mit Schreiben vom 05.08.1993 und 11.01.1994 gestellten Stundungsanträge die Verjährung unterbrochen wurde (§ 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV, § 208 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), verjähren Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, im Falle vorsätzlicher Vorenthaltung (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Dass der Kläger von seiner Beitragsschuld Kenntnis hatte, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er mit Schreiben vom 05.08.1993 und 11.01.1994 gegenüber der Beklagten die Beitragsschuld dem Grunde nach anerkannt und die Rückstellung bzw. die Ratenzahlung beantragt hat. Insbesondere kann er sich im Nachhinein nicht darauf berufen, von der Beitragsforderung keine Kenntnis gehabt zu haben, da ihm bei der Vollstreckung am 01.12.1993 der Vollstreckungsauftrag vorgelegt worden ist.

Vorsätzlich im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV handelt, wer in Kenntnis seiner Zahlungspflicht die Beitragsentrichtung willentlich unterlässt; vorsätzlich handelt aber auch derjenige, der seine Beitragspflicht für möglich hält, jedoch billigend in Kauf nimmt, dass die Beiträge nicht entrichtet werden (BSG, Urteil vom 21.06.1990, USK 90,106). Selbst dann, wenn der Beitragsschuldner bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig war und sich innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist sein Kenntnisstand ändert, wird die Verjährungsfrist rückwirkend in eine 30jährige umgewandelt (BSG, Urteil vom 30.03.2000, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7).

Seit der ersten Vollstreckung im Dezember 1993 hat der Kläger in der Folgezeit immer wieder Kenntnis von Vollstreckungsversuchen der Beklagten erhalten. Auch der Schriftverkehr über den von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt G verdeutlicht, dass er mit der Behörde in Kontakt stand und offensichtlich Kenntnis von der alten Beitragsforderung der Beklagten hatte. Vor diesem Hintergrund kann er sich nunmehr nicht darauf berufen, dass die Beklagte ihre Beitragsforderungen nicht zu einem früheren Zeitpunkt vollstreckt hat.

Zur weiteren Begründung nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen des Landessozialgerichts in seinem Beschluss vom 25.04.2006. Insbesondere hat der Kläger keine weiteren Aspekte vorgetragen, die gegen seine Absicht, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen, sprechen könnten.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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