L 16 R 5084/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 1328/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 5084/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Flugbegleiterinnen bei einem Flugdienst im Anforderungsverkehr ohne feste Abflugzeiten sind abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Flugbegleiterinnen sind nicht mit Piloten vergleichbar, weshalb sie nicht als sogenannte „Freelancer“ selbständig tätig sind.
I. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13. Mai 2016 werden zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 86.437,51 EUR für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.10.2011.

Die Klägerin meint, dass die Beigeladenen zu 1) bis 7) in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als "Chef de Cabine" (CdC) nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien, deshalb nicht der Beitragspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen haben und keine Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten seien. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie im Rahmen der Betriebsprüfung bei der Berechnung der Beiträge die Mehrfachbeschäftigung der Beigeladenen zu 4) nicht beachten muss und deshalb die Nachforderung nicht zu reduzieren ist.

Die Klägerin ist eine GmbH; sie firmierte zunächst als GmbH & Co.KG und entstand durch eine formwechselnde Umwandlung im Jahr 2018. Die Klägerin beschäftigte im Schnitt etwas mehr als 220 Mitarbeiter. Neben der Wartung von Kleinflugzeugen am Flughafen A-Stadt und dem Betrieb von vier Ambulanzflugzeuge betreibt die Klägerin einen Flugdienst im Anforderungsverkehr ohne feste Abflugzeiten mit sechs Kleinflugzeugen mit einer Reichweite von bis zu 11.000 Kilometern und einer Zulassung von bis zu 19 Passagieren. Im Flugbereich arbeiteten für die Klägerin die sogenannten Operations (OPS). Dabei handelt es sich um ein Team von Mitarbeitern der Klägerin, die am Boden des Heimatflughafens tätig waren und Flugaufträge annahmen, Einsatzpläne erarbeiteten sowie Flugrechte klärten. An den Zielflughäfen arbeitete die Klägerin zur Abwicklung der Flüge mit Dienstleistern vor Ort, dem sogenannten Handling, zusammen. Die Piloten arbeiteten als sog. Freelancer. Die Klägerin verfügte über einen Pool von Servicekräften, den CdC, auf die sie zurückgriff, wenn ein Kunde einen Flug mit Flugbegleitung gebucht hatte.

Die Klägerin schloss mit den Beigeladenen zu 1) bis 7) nahezu inhaltsgleiche Verträge über den Einsatz als CdC ab:

Nach der "Vereinbarungen über den Einsatz als Chef de Cabine (CdC)" steht die CdC nach vorheriger Terminvereinbarung der Klägerin freiberuflich zur Betreuung von Fluggästen auf nationalen und internationalen Flügen zur Verfügung. Die CdC ist nicht Besatzungsmitglied im Sinne von Luftverkehrsgesetz, untersteht aber während der Tätigkeit der Verantwortlichkeit des Kapitäns, im Verhinderungsfall dem First Officer. Die Aufgaben sind in der Arbeitsplatzbeschreibung geregelt, die Bestandteil der Vereinbarung ist. Das Vorliegen und Fortbestehen einer abgeschlossenen Zulässigkeitsüberprüfung gem. § 7 Abs. 6 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) ist Voraussetzung für den Einsatz (§ 1 Vertragsgegenstand). Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden (§ 2). Die Vergütung erfolgt pro Einsatztag (z.B. 200 Euro zzgl. MwSt) bzw. pro Stand-by-Tag (z.B. 100 Euro zzgl. MwSt). Spesen werden bei einem Einsatz gemäß den jeweils gültigen Reisekostenrichtlinien vergütet und einsatzbedingt erforderliche Übernachtungskosten übernommen, ebenso dienstliche Telefongespräche gegen Einzelgesprächsnachweis. Für das "Proceeding" gilt zusätzlich, dass die CdC soweit möglich mit dem Piloten proceeden werde. Falls dies nicht möglich ist, werden nach Genehmigung durch den Flugbetriebsleiter die Kosten für einen Mietwagen übernommen. Der Spesensatz wird gemäß den gültigen Reisekostenrichtlinien erstattet, anfallende Übernachtungskosten trägt die Klägerin. Weitere Auslagen sind vorab mit dem PIC (Pilot in command) oder OPS zu klären. Die CdC stellt zu Beginn des Folgemonats eine Rechnung. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass kein Arbeitsverhältnis zustande kommt (§ 3 Honorar). Die CdC ist für eine ordnungsgemäße und sorgfältige Ausführung der Aufträge verantwortlich, insbesondere ist sie zur Einhaltung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet. Sie muss die erteilten Flugaufträge höchstpersönlich ausführen und darf diese nicht an Dritte delegieren (§ 4). Die CdC kann für andere Arbeitgeber tätig sein; allerdings bedarf die Tätigkeit für einen unmittelbaren Wettbewerber der Klägerin der vorherigen Zustimmung (§ 6). Die Klägerin stellt der CdC eine Uniform nach der Trageanweisung aus der Flugbetriebsordnung Nr. 001/00 zur Verfügung. Anforderungsberechtigte für Einsätze sind Herr M., Herr D. und Herr M. (§ 7).

In der vorgelegten und für alle CdC gleichlautenden "Stellenbeschreibung" sind die Stellenbezeichnung (CdC), der Bereich (Flugbetrieb), die Stellenbezeichnung des direkten Vorgesetzten (Flugbetriebsleiter), die Personen von denen die CdC zusätzliche fachliche Anweisungen erhält (Kapitän, Ground Operations Manager) und die Kurzdefinition (Betreuung der Passagiere) festgehalten. Die Verantwortlichkeit der CdC umfasst die Ausstattung der Kabine (Kissen, Decken, Blumen, Musik, Film, Zeitungen), die Sauberkeit der Kabine sowie die Ausstattung der Galley mit Geschirr, Gläsern, Ausrüstungsgegenständen. Oberste Aufgabe ist die Sicherheit und das Wohlergehen der Passagiere der Klägerin. Dazu gehören folgende Aufgaben: "Absprache der Cateringbestellung mit Herrn M., Check-in 90 Minuten vor Abflug, Vorbereitung der Kabine für den Flug, Entgegennahme und Überprüfung des Caterings, Begrüßung der Passagiere, Saftey-Briefing, Betreuung der Passagiere, Verbindung Cockpit/Passagiere, Toilettenservice in Absprache mit PIC, Nachbestellung verbrauchter Sachen über PIC bei Handling bzw. an Homebase bei Landung über Ground OPS, Meldung von Defekten (Inventar/Kabinentechnik) an PIC, Vernichtung von nicht gebrauchtem Catering (Entgegennahme für Privatgebrauch ist strikt untersagt), Vorreinigung von Kabine und Galley." Die CdC verhält sich gegenüber Passagieren zuvorkommend, nicht aufdringlich. Gespräche über private Belange sind zu unterlassen. Die Bekanntgabe der Identität der Passagiere gegenüber Dritten ist auf das für die Durchführung der Aufgabe notwendige Mindestmaß zu beschränken; über alle von den Passagieren erlangten Informationen ist strengstes Stillschweigen zu bewahren. Die Kleidung sollte ordentlich und sauber, dabei konservativ bis elegant sein (ADN-Uniform; Anm: ADN steht für Aero Dienst). Die notwendige Qualifikation lautet: Ausbildung als Flugbegleiter/-in sowie Erfahrung in vergleichbarer Tätigkeit, Safety- und Emergency-Training on Type.

Die "Ergänzung zur Vereinbarung über den Einsatz als Chef de Cabine (CdC)" ergänzt § 3 der Vereinbarung. Diese wurde jeweils mit den Beigeladenen zu 1) bis 7) abgeschlossen. Die Vergütung erfolgt pro Einsatztag mit 200 EUR zzgl. MwSt, pro Stand-by-Tag zu Hause mit 75 EUR zzgl. MwSt, pro Stand-by-Tag mit Büroeinsatz in A-Stadt oder B-Stadt mit 100 EUR zzgl. MwSt. Die Vergütung der Sätze erfolgt gemäß dem jeweils vereinbarten Einsatzplan, für den Spesensatz bei Einsatz gelten die jeweils gültigen Reisekostenrichtlinien, die Kosten für Übernachtungen während eines Einsatzes werden soweit einsatzbedingt erforderlich übernommen und dienstliche Telefongespräche werden gegen Einzelgesprächsnachweis vergütet. Ergänzend wird für das Proceeding geregelt, dass neben den Kosten für einen Mietwagen auch eine Bahnfahrkarte oder ein Flugticket übernommen werden. Weiter stellt die Klägerin der CdC monatlich einen Betrag von 1000 EUR zur Verfügung. Dieser Betrag wird treuhänderisch für Cateringkosten und andere in diesem Zusammenhang entstehende auftragsbedingte Auslagen, die die Klägerin zu tragen hätte, verwendet. Zu Beginn des Folgemonats erstellt die CdC eine gesonderte Rechnung über Cateringkosten und sonstige auftragsbedingte Auslagen. Übersteigen die Auslagen den Betrag von 1000 EUR, so wird der Fehlbetrag im Folgemonat ausbezahlt; sind die Auslagen geringer als 1000 EUR, so wird der Restbetrag von dem im Folgemonat zu erbringenden Betrag abgezogen.

Die 1980 geborene Beigeladene zu 1) war im Hauptberuf "Promotionsstudentin". Vertragsbeginn war der 01.11.2008. Für weitere Auftraggeber war sie nicht tätig.

Die 1958 geborene Beigeladene zu 2), die 1979 ihre Ausbildung zur Flugbegleiterin absolvierte, hatte ein Gewerbe "Abhalten von Ernährungstreffen sowie Verkauf von abgepackten Lebensmitteln, Büchern, Küchenzubehör" angemeldet. Sie war Filialleiterin bei "B. ". Der Vertrag mit der Klägerin datierte vom 15.04.2008, die Stellenbeschreibung wurde am 06.05.2008 unterschrieben. Die Ergänzungsvereinbarung datiert vom 08.10.2009. Der Vertrag enthält abweichend von den übrigen Verträgen eine Ergänzung, wonach für Dispositions- und Organisationstätigkeiten bezüglich Vorbereitung der Einsätze, Bevorratung Catering Gegenstände einschließlich Geschirr, Handtücher, Bettwäsche etc. eine Vergütung von 15 EUR zzgl. MwSt. pro Stunde gezahlt wird. Weitere Auftraggeber hatte sie nicht. Der Einnahme-/Überschussrechnung für 2007 ist zu entnehmen, dass die Beigeladene zu 2) 1309 EUR aus "Praxiseinnahmen" und 2420 EUR aus der Tätigkeit bei der Klägerin erzielte.

Die 1977 geborene Beigeladene zu 3) verfügte seit November 2008 über eine Gewerbeanmeldung als "Flugbegleiterin". Der Vertrag begann am 13.10.2008. Neben der Tätigkeit bei der Klägerin arbeitete sie auch für T. / J. und B. GmbH.

Die 1957 geborene Beigeladene zu 4), die 1984 eine Ausbildung zur Flugbegleiterin absolvierte, hatte ein Gewerbe "Vermittlung von Versicherungen" angemeldet. Sie war bei der L. / C. seit 1984 als Stewardess beschäftigt. Seit 1997 arbeitete sie zu 50% bei der L., d.h. sie flog einen Monat in Vollzeit und pausierte einen Monat. In den "freien Monaten" war sie für die Klägerin tätig. Die Vereinbarung mit der Klägerin datiert vom 15.04.2008, die Ergänzungsvereinbarung vom 08.10.2009.

Die 1968 geborene Beigeladene zu 5) war für die Klägerin insgesamt nur fünf Mal im Einsatz. Der Vertrag galt ab dem 01.02.2009 und datierte vom 28.01.2009.

Die 1948 geborene Beigeladene zu 6) war für die Klägerin nach der Vereinbarung vom 15.04.2008 tätig. Es wurde folgende ergänzende Regelung getroffen: Soweit bei Einsätzen mit 1 bis 3 Tagen geplanter Dauer ein Proceeding erforderlich ist, beträgt die Vergütung für das Proceeding 100 EUR pauschal zzgl. MwSt. Für Einsätze mit 4 und mehr Tagen erfolgt keine Proceeding Vergütung. Die Ergänzungsvereinbarung datiert vom 08.10.2009. Zudem war die Beigeladene zu 6) sporadisch für die S. GmbH B-Stadt, Schweiz, im Einsatz. Dabei übte sie für die Schweizer Firma keine Tätigkeit an Bord eines H. Schiffes aus, sondern sie begleitete die Kreuzfahrt-Passagiere von Deutschland aus zum Schiff. Gegebenenfalls betreute sie auch die Rückreise der Passagiere vom Schiff nach Deutschland. Die Tätigkeit für H. und die Klägerin war etwa ähnlich verteilt. Mehr als 12 bis 15 Tage pro Monat war sie insgesamt nicht unterwegs. Die übrige Zeit verbrachte sie zu Hause und wartete auf einen Auftrag.

Die 1975 geborene Beigeladene zu 7) verfügte über eine Gewerbeanmeldung als "Flugbegleiterin". Der Vertrag datiert vom 01.04.2009, die Ergänzungsvereinbarung vom 08.10.2009. Weiter war sie für D., M., im Einsatz.

Bei der Vergabe und der Durchführung der Einsätze, die für alle CdC im Wesentlichen gleich abgewickelt wurden, kam es der Klägerin darauf an, ihrem Kunden den Flug und bei Wunsch eine dazugehörige Servicekraft anzubieten. Die OPS der Klägerin waren für die Abwicklung und Organisation der Flüge inklusive Flugplan, Handling, Kundenkontakt zuständig. Wenn ein Kunde der Klägerin bei einem Auftrag eine Servicekraft für den Flug buchte, kontaktierte ein Mitarbeiter von OPS eine CdC per E-Mail oder telefonisch. Dem Mitarbeiter der Klägerin war teilweise bekannt, welche CdC wann verfügbar war (z.B. nur am Wochenende, nur in ungeraden Monaten); im Übrigen versuchte er die CdC gleichmäßig einzusetzen. Der CdC wurde zunächst der zeitliche Umfang (Flugdatum) angegeben, soweit bekannt auch schon Details. Die geplante Einsatzdauer, die den CdC bei Auftragsannahme bekannt war, variierte stark von manchmal drei Stunden, bis zehn Stunden oder auch mehrtätig. Bei Änderungen kontaktierte OPS die CdC abermals. Führte eine Änderung zu einer gravierenden Abweichung, konnte die CdC den Einsatz absagen. Ein Ersatz wurde von OPS gesucht. In einer finalen E-Mail teilte OPS Abflugzeit, Rückflugzeit (soweit bekannt), Passagiere, Piloten, Hotel, Kundenwünsche und Angabe, wer das Handling (ein von der Klägerin zu gebuchter Dienstleister) am Zielflughafen übernimmt, mit. Hotelkosten wurden teilweise direkt von der Klägerin gezahlt, andernfalls erstattet. Die Vorlieben des sehr kleinen Kundenkreises waren der Klägerin bekannt und wurden von der Klägerin an die CdC weitergegeben; bei einer erstmals für die Klägerin tätigen CdC gab es eine Einweisung, ebenso wurden bei Neukunden Vorlieben/Allergien etc. abgefragt und an die CdC weitergegeben. Bei erfahrenen CdC wurde die Cateringbestellung nicht mit dem Mitarbeiter der Klägerin abgesprochen. Die CdC gab die Cateringbestellung auf Kosten/Rechnung der Klägerin auf. In A-Stadt gab es dafür zwei Caterer auf die die CdC zurückgreifen konnten; ein Caterer wurde von den OPS empfohlen. Falls erforderlich kaufte die CdC ebenfalls auf Kosten/Rechnung der Klägerin weitere Bedarfe (Blumen, Zeitungen) ein. Die CdC sollte, wenn möglich gemeinsam mit der restlichen Crew proceeden. Wurde ein Mietwagen (hierfür gab es einen Rahmenvertrag der Klägerin mit einer Autovermietung), eine Bahnfahrkarte oder ein Flugticket benötigt, um anzureisen, erfolgte die Genehmigung durch den Flugbetriebsleiter der Klägerin. Während der Durchführung des Fluges übernahmen und gestalteten die CdC den Service an Bord. Bei Zwischenstopps reinigte die CdC die Kabine und kümmerte sich, wenn notwendig, um die Auffrischung des Caterings. Bei einer negativen Rückmeldung eines Kunden suchte ein Mitarbeiter von OPS das Gespräch mit der Servicekraft und versuchte eine Lösung zu finden. In einem Fall wurde die Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang beendet.

Die CdC mussten einen Ausweis beim Flughafen beantragen, um in den Sicherheitsbereich zu gelangen. Hierfür bestätigte die Klägerin die Tätigkeit der CdC. Zudem verfügten die CdC über einen Dienstausweis, einen sogenannten Crew-Ausweis von der Klägerin. Dieser war notwendig, damit die CdC nicht die normalen Sicherheitskontrollen am Flughafen passieren mussten. Des Weiteren benötigten die CdC regelmäßig eine Zuverlässigkeitsprüfung nach § 7 Abs. 6 LuftSiG. Die Klägerin ist gesetzlich verpflichtet sich eine Flugbetriebsordnung zu geben; darin war die Dienstkleidung der CdC, die von der Klägerin kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, festgelegt.

Die Beigeladenen zu 1) bis 7) stellten der Klägerin Rechnungen. Die Beigeladenen zu 1), 2), 4) und 6) benutzten dafür ein Rechnungsformular der Klägerin. Den Rechnungen ist die Reiseroute bzw. der Zielort, das Datum bzw. der Monat, ob es sich um einen Flugeinsatz oder Standby handelte, zu entnehmen. Weiter finden sich folgende Positionen auf einzelnen Rechnungen: Bewerbungsgespräch und Anprobe der Uniform und Einweisung mit 67,50 EUR (privat PKW), 12,26 EUR für Ausweis, Visaantragsgebühr 89,08 EUR, Proceeding mit Air Berlin 30 EUR, Training Chef de Cabine mit Frau H. (Beigeladene zu 6)) 100 EUR, Fahrtkosten für Vorstellungstermin/ Anprobe/ Uniform/ Training. Auf einer Rechnung wurde die von der CdC veranschlagte Trennungszulage gekürzt. Bei der Abrechnung fand die Dienstreiserichtlinie der Klägerin Anwendung.

Aufgrund eines Hinweises des Finanzamts I-Stadt am 23.11.2010 führte das Hauptzollamt am 17.03.2011 eine Prüfung gem. § 2 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) zur Prüfung des Status sogenannter Flugbegleiterinnen durch. Nachdem das Hauptzollamt die Beklagte um Durchführung eines Verfahrens zur Klärung des Status der Flugbegleiterinnen gebeten hatte, wertete diese die vom Hauptzollamt vorgelegten Ermittlungsunterlagen (Verträge, Stellenbeschreibungen, Fragebögen der Flugbegleiterinnen, Protokolle über Zeugenvernehmungen der Beigeladenen zu 2) und 4)) aus.

Nach Anhörung am 27.11.2012 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18.11.2013 von der Klägerin Beiträge zur Sozialversicherung inklusive Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 119.657,26 EUR (davon Säumniszuschläge 31.554,06 EUR) für die Zeit vom 01.01.2007 bis 31.10.2011. Mit der Übernahme des Auftrags hätten sich die Flugbegleiterinnen hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort in das Unternehmen der Klägerin integriert. Der Arbeitsbereich sei detailliert beschrieben gewesen und Vertragsbestandteil geworden. Nach der Einweisung durch die Klägerin hätten sich die Aufgaben aus der Natur der Sache ergeben und hätten keiner weiteren Weisungen bedurft. Übernachtungskosten, Fahrkosten, Reisespesen und sonstige Auslagen einschließlich der Berufskleidung seien von der Klägerin getragen worden. Die Bezahlung nach den tatsächlich absolvierten Flugeinsätzen sowie Stand-by-Tagen belege, dass keinerlei Unternehmerrisiko gegeben gewesen sei. Sämtliche Auslagen seien erstattet und sogar ein Vorschuss geleistet worden. Die Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung spreche ebenfalls für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Grundsätzlich dürften die Flugbegleiterinnen zwar für andere Auftraggeber tätig sein, allerdings habe bei unmittelbaren Konkurrenten die Pflicht bestanden, vorab bei der Klägerin eine Genehmigung einzuholen. Es werde nicht verkannt, dass die Aufträge nach Vereinbarung ausgeführt worden seien. Dies sei jedoch auch das typische Merkmal vieler Aushilfsbeschäftigungen auf Abruf (z.B. Servicepersonal im Gastronomiebereich je nach Kundenfrequenz oder Veranstaltungen) und kein zwingendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Die nachgeforderten Beiträge wurden von der Klägerin gezahlt.

Am 17.12.2013 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Sie machte geltend, dass die Flugbegleiterinnen hinsichtlich der Art der Ausführung ihrer Tätigkeit vollkommen weisungsfrei gewesen seien. Bei Linienflügen sei alles bis ins kleinste Detail vorgegeben. Nur bei Sicherheitsfragen sei den Pilotenanweisungen Folge zu leisten gewesen, was eine luftrechtliche Notwendigkeit sei. Zwar seien bei der Verpflegung der Passagiere gewisse Standards einzuhalten, jedoch seien die Flugbegleiterinnen völlig frei im Rahmen der individuellen Gestaltung des Fluges und Präsentation. Dass die Flugbegleiterinnen eine gewisse Zeit vor dem Abflug am Flughafen sein müssten, sei wiederum nur die unschädliche Festlegung gewisser Eckpunkte, um den reibungslosen Flug sicherstellen zu können. Es gebe auch keine vereinbarte Mindestdauer der Tätigkeit, es werde keine ständige Dienstbereitschaft erwartet, und die Flugbegleiter seien völlig autonom in ihrer Entscheidung, ob sie einen einzelnen Auftrag annähmen oder nicht. Die Flugbegleiterinnen seien auch nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Auch müssten sie die jeweiligen Aufträge nicht höchstpersönlich erbringen. Es sei völlig unproblematisch, Dienste zu tauschen, wobei lediglich eine Abstimmung zwischen den Flugbegleiterinnen erfolge und noch nicht einmal eine Informationsmail an die Klägerin übermittelt werde. Ein unternehmerisches Risiko liege darin, dass eine Pauschalvergütung pro Einsatz erfolge, unabhängig davon, wie lange der Einsatz dauere, ferner darin, dass keine Garantie auf einen Mindestumsatz bestanden habe. Auch sei die Qualität der Arbeit wichtig gewesen für die weitere Beauftragung, was typisch für einen Selbständigen sei. Der Einsatz eigenen Kapitals sei für Flugbegleiter im vorliegenden Fall von untergeordneter Bedeutung, ein hoher Betriebsmitteleinsatz sei nicht erforderlich. Soweit die Uniformen von der Klägerin gestellt worden seien, könne hierin kein Kriterium für die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und nichtselbständiger Tätigkeit gesehen werden. Für die Klägerin sei aus geschäftlichen Gründen, wie auch zum Zwecke der Repräsentation, ein einheitliches Erscheinungsbild ihrer Flugbegleiterinnen erforderlich gewesen. Nachdem diese Uniformen selbst auf dem freien Markt nicht verfügbar gewesen seien, sei die Beschaffung dieser durch die Flugbegleiterinnen selbst nicht in Betracht gekommen. Verwiesen werde auch auf die sog. Freelancer-Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28.05.2008 (Az. B 12 KR 13/07 R). Hilfsweise wurde ausgeführt, dass auch die Berechnung falsch sei. Eine Prüfung der Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenzen bei der Berechnung des Schadens sei unterblieben und für eine exakte Berechnung seien weitere Arbeitsverhältnisse und die hieraus resultierenden Einkommen festzustellen.

Das Strafverfahren wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a Strafgesetzbuch) gegen den (früheren) Geschäftsführer und Zeugen L. wurde gegen Zahlung einer Geldbuße von 16.000 EUR gemäß § 153a Strafprozessordnung eingestellt.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass eine Berücksichtigung von Mehrfachbeschäftigungen und ein etwaiges Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenzen im Rahmen einer Betriebsprüfung von ihr nicht zu berücksichtigen sei. Um eine anteilige Erstattung der bereits gezahlten Beiträge müsse sich die Klägerin im Nachgang zu diesem Verfahren selbst kümmern.

Das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 22.01.2016 nahm die Klägerin an. Mit Ausführungsbescheid vom 10.02.2016 reduzierte die Beklagte die Forderung um die Säumniszuschläge sowie die Beiträge für das Jahr 2007 auf 86.437,51 Euro.

Mit Urteil vom 13.05.2016 hob das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid insoweit auf, als bei der Beigeladenen zu 4) bei der Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die Mehrfachbeschäftigung nicht berücksichtigt worden sei. Im Übrigen wies es die Klage ab. Für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche, dass in der Stellenbeschreibung, auf die die schriftlichen Verträge Bezug nehmen, detailliert aufgeführt sei, welche Aufgaben die Flugbetreuerin zu übernehmen habe. Die Stellenbeschreibung gebe dabei bezüglich Catering und Betreuung der Fluggäste einen Rahmen vor und nenne auch, was mit der Klägerin insoweit abzusprechen sei (z.B. Menge, Art und Lieferant der Cateringbestellung). Geregelt werde auch, dass die Flugbegleiterin eine bestimmte Zeit vor dem Abflug am Flughafen zu sein habe, und vieles mehr. In den schriftlichen Verträgen sei geregelt, dass die Flugbegleiterin der Verantwortlichkeit des Kapitäns unterstehe, im Verhinderungsfall dem First Officer. Damit lägen durchaus Weisungen vor, wobei sich solche in Form detaillierter Arbeitsanweisungen auch schon aus der Stellenbeschreibung ergeben würden. Die Flugbegleiterinnen seien auch in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Der Betrieb der Klägerin bestehe dabei gerade in der Beförderung von Fluggästen. Ihrem Arbeitseinsatz stünden auch keine echten unternehmerischen Chancen gegenüber, zumal die Flugbegleiterinnen verpflichtet seien, ihre Arbeit höchstpersönlich zu erbringen. Dass die Bezahlung nach Tagessätzen und nicht nach Stunden erfolge, stelle demgegenüber kein echtes wirtschaftliches Risiko dar, da die Bezahlung der Arbeit der Flugbegleiterinnen damit gewährleistet sei. Dass keine Pflicht zur Annahme eines bestimmten Termins bestehe, ergebe sich, wie bei anderen Abrufarbeitsverhältnissen auch aus der Natur der Sache. Auch dass kein Anspruch auf einen bestimmten Mindesteinsatz bestehe, sei unschädlich. Die jeweilige Flugbegleiterin habe kein eigenes Kapital eingesetzt, mache keine Werbung, investiere allein ihre Arbeitskraft, und auch die Uniformen würden von der Klägerin gestellt, um ein einheitliches Erscheinungsbild der Flugbegleiterinnen zu gewährleisten. Es würden nach alldem die Indizien für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwiegen. Soweit die Beklagte sich weigere, die Mehrfachbeschäftigung zu berücksichtigten, die bei der Beigeladenen zu 4) zum Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenzen in der Kranken- und Pflegeversicherung führe, sei der Klage stattzugeben. Die Beigeladene zu 4) habe in etwa zehn Monaten in den Jahren 2008 bis 2011 die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung überschritten, wenn man ihre Einkünfte bei der L. und diejenigen, die sie bei der Klägerin erzielt habe, zusammenrechne. Insoweit habe die Beklagte eine Korrektur der Beitragsberechnung bezüglich der für die Beigeladene zu 4) geforderten Beiträge vorzunehmen, bezogen auf diejenigen Monate, in welchen es zu einem Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze käme. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, Mehrfachbeschäftigungen müssten im Rahmen von Betriebsprüfungen nicht berücksichtigt werden, finde sich für ein solches zweistufiges Verfahren, wonach erst im Rahmen einer Betriebsprüfung sehenden Auges zu hohe Beiträge gefordert werden dürften und der Arbeitgeber sich dann in einem zweiten Schritt an die Einzugsstelle wenden müsse, die dann den überhöhten Teil der Beitragsforderung wieder zurückzuzahlen hätte, keine gesetzliche Grundlage. Soweit die Beklagte Pflegezuschläge für Kinderlose auch für die Beigeladenen zu 4) und 7) gefordert habe, seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden, da § 55 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) diesen Zuschlag erst ab dem Folgemonat nach Vorlage eines Nachweises über die Elterneigenschaft bei der beitragsabführenden Stelle, hier also bei der Klägerin, entfallen lasse. Da vorliegend aber keine Lohnunterlagen bei der Klägerin geführt worden seien, weil diese von einer selbständigen Tätigkeit der Flugbegleiterinnen ausgegangen sei, und auch sonst nicht vorgetragen worden sei und auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass die Elterneigenschaft der Beigeladenen zu 4) und 7) der Klägerin bereits aus anderen Gründen bekannt gewesen sei, habe die Beklagte zu Recht die Pflegezuschläge für Kinderlose auch für die Beigeladenen zu 4) und 7) erhoben. Auch die Beigeladene zu 6) habe im streitgegenständlichen Zeitraum dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterlegen. Maßgebend für diese Beurteilung sei die VO (EG) 1408/71. Auf die Ausführungen im gerichtlichen Schreiben vom 08.02.2016 und die näheren Ausführungen der Beigeladenen zu 8) im Schriftsatz vom 04.02.2016 werde insoweit Bezug genommen.

Gegen das der Klägerin am 24.05.2016 und der Beklagten am 20.05.2016 zugestellte Urteil haben beide am 07.06.2019 sowie am 13.06.2019 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sie keine Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten müsse, weil die CdC als selbständig Tätige zu qualifizieren seien und begründet dies im Wesentlichen mit dem im Klageverfahren vorgebrachten Argumenten. In der Gesamtabwägung würden die Argumente, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen überwiegen. Die Klägerin betont, dass ein Weisungsrecht nicht bestanden habe. Der Ablauf der Betreuung der Gäste sei von der Klägerin nicht vorgegeben worden. Die CdC hätten trotz gewisser Rahmenvorgaben (Betreuung der Gäste, Ausräumen des Fliegers von gebrauchtem Geschirr, etc.) völlig eigenständig entschieden, welche Getränke und Speisen sie servierten und auf welche Art und Weise sie den Flug für die Gäste so angenehm wie möglich gestalteten. Die Vorgabe die Kunden zufriedenzustellen, sei keine inhaltliche Weisung, sondern im Dienstleistungsgewerbe eine Selbstverständlichkeit. Es fehle an einem Vorgesetzten, der Einzelanordnungen erteile. Eine Eingliederung sei nicht erfolgt. Das gemeinsame Proceeden stelle keine Eingliederung dar. Eine Verpflichtung hierzu habe nicht bestanden. Die CdC der Klägerin hätten keine mehrwöchige Ausbildung für ihre Tätigkeit durchlaufen müssen. Gleiches gelte für regelmäßige Schulungen der Crew. Ein Unternehmerrisiko ergebe sich aus der Pauschalvergütung, da der umgerechnete Stundenlohn unterschiedlich hoch ausfalle. Die Vergütung sei jeweils individuell ausgehandelt worden. Es hätte keine Regelungen für Urlaub, Krankheit etc. bestanden. Ebenso sei der Parteiwille beachtlich. Die administrative Abwicklung (Rechnungsstellung, steuerliche Behandlung) führe zu einer selbständigen Tätigkeit. Zur Berufung der Beklagten hat die Klägerin auf den Amtsermittlungsgrundsatz hingewiesen.

Die Beklagte hat sich mit der Berufung gegen die Stattgabe der Klage hinsichtlich des vorzunehmenden Beitragsausgleichs nach § 22 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) wegen Mehrfachbeschäftigung der Beigeladenen zu 4) gewendet. Das Sozialgericht habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Beklagte eine Korrektur der Beitragsberechnung bezüglich der Beigeladenen zu 4) vorzunehmen habe, soweit es zu einem Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze gekommen sei. Der Rentenversicherungsträger sei im Rahmen der Betriebsprüfung aufgrund der Vorlage- und Auskunftspflicht des zu prüfenden Arbeitgebers zur Prüfung der Beitragsansprüche allein aufgrund der Verhältnisse in diesem Betrieb berufen. Nur dieses Prüfergebnis halte er in einem Bescheid fest. Die Beitragsansprüche nach § 22 Abs. 1 SGB IV bestünden, sobald die erforderlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen. Beitragspflichtig würden dabei alle Einnahmen aus aus jeder Beschäftigung bzw. den sonstigen Versicherungsverhältnissen bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Der Beitragsausgleich nach § 22 Abs. 2 SGB IV erfolge regelmäßig erst nachdem aus jeder Beschäftigung bzw. den sonstigen Versicherungsverhältnissen die Beiträge bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze gezahlt worden seien. Dies sei allein Aufgabe der Einzugsstelle, da nur sie die gesamten Versicherungsverhältnisse ihres Mitglieds nach §§ 173 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) überwachen könne, während der Rentenversicherungsträger nur dem aktuell geprüften Arbeitgeber eine Auskunfts- und Vorlageverpflichtung auferlegen könne. Auskunftsansprüche gegen weitere mögliche Arbeitgeber habe er nicht. Die Herausgabeverpflichtung sei durch den Sozialdatenschutz ausgeschlossen. Nur die Einzugsstellen hätten das Recht, Ermittlungen bei allen Arbeitgebern ihres Mitglieds durchzuführen. Die Projektgruppe Beitragsüberwachung habe sich bereits in der Sitzung 3/2002/TOP 6 mit der Frage befasst, ob der Rentenversicherungsträger im Rahmen der Erteilung des Bescheids nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 SGB IV prüfen muss. Sie habe hierzu beschlossen: "Wird bei einer Betriebsprüfung erkennbar, dass § 22 Abs. 2 SGB IV anzuwenden ist, sind die Beiträge nicht nachzuberechnen. Der Rentenversicherungsträger stellt hierfür der Einzugsstelle die anlässlich der Betriebsprüfung festgestellten Erkenntnisse zur Verfügung. Soweit Beiträge aus versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen mit Beiträgen nach § 212 SGB VI zusammentreffen, erfolgt der Beitragsausgleich in Zusammenarbeit der Einzugsstelle mit dem nach § 126ff SGB VI kontoführenden Rentenversicherungsträger." Im Rahmen der Besprechung der Spitzenorganisation der Sozialversicherung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 18./19.11.2002 habe der Verband der Rentenversicherungsträger mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Bundesagentur für Arbeit das Beratungsergebnis der Projektgruppe erörtert. Die Spitzenverbände der Krankenkassen hätten den Vorschlag der Projektgruppe wegen des damit für die Krankenkassen entstehenden erheblichen Aufwandes abgelehnt. Die Besprechungsteilnehmer hätten sich deshalb auf folgende Vorgehensweise verständigt: "Der Rentenversicherungsträger hat im Rahmen der Prüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV Beiträge ohne Rücksicht auf eine etwaige Anwendung des § 22 Abs. 2 SGB IV erhoben. Er teilte dem geprüften Arbeitgeber mit, dass ein etwaiger Beitragsausgleich auf Antrag von der zuständigen Einzugsstelle durchgeführt wird. Eine Benachrichtigung des "anderen" Arbeitgebers durch den Rentenversicherungsträger wurde als nicht erforderlich angesehen, da diese durch die Einzugsstelle veranlasst wurde." Hinsichtlich der Berufung der Klägerin hält die Beklagte das Urteil des Sozialgerichts insoweit für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung haben die befragten CdC, die Beigeladenen zu 2) und 4) bis 7), und der Zeuge M. übereinstimmend erklärt, dass bei einer Verhinderung einer CdC der Ersatz von OPS organisiert wurde. Die CdC selbst haben sich nicht darum gekümmert. Weiter wurde ein für das Proceeding erforderlicher Mietwagen oder ein erforderliches Bahn-/Flugticket durch den Flugbetriebsleiter, ein Mitarbeiter der Klägerin, genehmigt. Der Zeuge M. hat weiter ausgesagt, dass bei der Abrechnung der CdC die Reisekostenrichtlinie der Klägerin zur Anwendung gekommen sei.

Nach Aufforderung durch den Senat hat die Beklagte errechnet, dass unter Anwendung des § 22 Abs. 2 SGB IV sich die Beitragsforderung für die Beigeladene zu 4) um 636,36 EUR reduzieren würde. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass die Berufung der Beklagten unzulässig sei, weil der Wert der Beschwer nicht erreicht werde. Die Beklagte hat hierzu erwidert, dass sich der Wert der Beschwer der Beklagten nach der Höhe des Auffangstreitwerts von 5000 EUR bemesse und die Berufung daher zulässig sei. Hilfsweise hat die Beklagte beantragt, die mit Schriftsatz vom 13.06.2016 eingelegte Berufung in eine Anschlussberufung umzudeuten.

Die Klägerin hat beantragt:
1. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.05.2016 wird abgeändert.
2. Der Bescheid vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18.11.2013, geändert durch Bescheid vom 10.02.2016, wird aufgehoben.
3. Die (Anschluss-)Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.05.2016 aufzuheben, insoweit der Klage hinsichtlich des vorzunehmenden Beitragsausgleichs nach § 22 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) wegen Mehrfachbeschäftigung der Beigeladenen zu 4) stattgegeben wurde, und die Klage insoweit abzuweisen.
2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft A-Stadt (Az. 509 Js 1012/13) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, die der Beklagten ist als sog. unselbständige Anschlussberufung zulässig. Die Berufungen wurden form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung der Beklagten ist wie von der dieser hilfsweise beantragt als sogenannte unselbständige Anschlussberufung zu führen. Als eigenständige Berufung ist sie unzulässig, weil der Wert der Beschwer von 750 EUR nicht erreicht wird (§§ 143, 144 SGG). Es ist nicht auf den Auffangstreitwert in Höhe von 5000 EUR zur Bestimmung des Werts der Beschwer abzustellen, sondern auf den wertmäßig ermittelten Betrag von rund 636 EUR. Für die Anschlussberufung ist nicht erforderlich, dass diese selbst zulässig ist. Eine Verwerfung der eigenständigen Berufung der Beklagten als unzulässig hat nicht zu erfolgen (Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 524 Rn. 1; Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 143 Rn. 5b). Die Berufung und die Anschlussberufung sind nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beigeladenen zu 1) bis 7) bei der Klägerin als CdC abhängig beschäftigt waren, deshalb der Sozialversicherungspflicht unterlagen und die Klägerin hierfür Sozialversicherungsbeiträge entrichten muss. Weiter hat das Sozialgericht zu Recht die Beitragsforderung um den Teil der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge reduziert, die auf die Beigeladene zu 4) aufgrund einer Mehrfachbeschäftigung entfallen. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit im Berufungsverfahren neue Argumente vorgetragen bzw. Argumente besonders hervorgehoben worden sind, weist der Senat zur Berufung der Klägerin auf Folgendes hin:

Die CdC waren nach Überzeugung des Senats abhängig beschäftigt. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zwischen Merkmalen die für eine abhängige Beschäftigung sprechen und solchen, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, überwiegen sehr deutlich die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Dies hat die Anhörung der Beigeladenen zu 2) und 4) bis 7), des Geschäftsführers und der Personalleiterin der Klägerin und die Einvernahme der beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Insbesondere haben die Angaben aller Beteiligten - im Einklang mit den Verträgen - ergeben, dass die Auftragsabwicklung zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 7) identisch verlief. Ausgangspunkt der Betrachtung sind zunächst die zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 7) geschlossenen Verträge. Die getroffenen Vereinbarung - die nach den Feststellung des Senats im Wesentlichen auch so gelebt wurden - sprechen eindeutig für eine abhängige Beschäftigung, da die CdC der Verantwortlichkeit des Kapitäns bzw. First Officers untersteht, bei einem eigenen Proceeden (ohne die restliche Crew) der Mietwagen/das Bahnticket/das Flugticket nur nach vorheriger Genehmigung durch einen Mitarbeiter der Klägerin übernommen wurde, die interne Reisekostenrichtlinie Anwendung findet und die Arbeitsleistung höchstpersönlich geschuldet ist. Die Angaben der Klägerin im Verfahren sind insoweit falsch und wurden insbesondere durch die Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung und des Zeugen M. widerlegt. Bei einer Verhinderung teilte die CdC dies lediglich mit; um einen Ersatz kümmerte sich OPS. Dies leuchtet auch mit Blick auf die luftsicherheitsrechtlichen Notwendigkeiten ein. Die Aufgabe ist in der Vereinbarung nur grob umrissen (Betreuung von Fluggästen im nationalen und internationalen Flugverkehr) und die Details sind in einer "Arbeitsplatzbeschreibung" aufgelistet. Die Arbeitsplatz- bzw. Stellenbeschreibung entspricht dem, was in Arbeitsverträgen üblich ist. Dort wird die Aufgabe detailliert geregelt, der direkte Vorgesetzte benannt sowie die weiteren Personen, die fachliche Anweisungen erteilen können. Weiter ist vorgegeben, welche Tätigkeiten in Absprache mit Mitarbeitern der Klägerin zu erfolgen haben (z.B. Cateringbestellung). Das von der CdC an den Tag zu legende Verhalten wird genau vorgegeben. Die CdC schuldete gerade nicht nur, dem Kundenwunsch zu entsprechen. Wie dies zu geschehen hatte, war genau vorgeschrieben. Weiter waren die CdC weisungsgebunden, in die organisatorischen Abläufe der Klägerin eingegliedert und sie trugen kein Unternehmerrisiko. Die CdC unterlagen fachlichen Weisungen. Richtig ist zunächst, dass die CdC in der Annahme eines einzelnen Auftrags frei waren. Allerdings hatten die CdC mit der "Vereinbarung über den Einsatz als CdC" einen Rahmenvertrag geschlossen und sich damit verpflichtet nach vorheriger Terminabsprache Fluggäste der Klägerin zu betreuen. Bei Annahme eines Auftrags war die CdC an die Vorgaben der Klägerin gebunden und musste Weisungen von Mitarbeitern der Klägerin folgen. Die Aufgabenbeschreibung war im Bereich Service so detailliert vorgegeben, dass kaum ein Freiraum verblieb bei der Ausübung der Tätigkeit. Dass die CdC die Kabine nach eigener Vorstellung dekorieren konnte und bei der Reihenfolge der Bewirtung an Board oder der Gestaltung des Service frei war, ist von nur untergeordneter Bedeutung. Insoweit ist noch zu beachten, dass sie verpflichtet war, die Kundenwünsche - die ihr zu Beginn der Tätigkeit von der Klägerin bzw. vor jedem Flug in einer finalen E-Mail mitgeteilt wurden - zu beachten hatte. Mithin war die CdC selbst bei der behaupteten freien Gestaltung nicht "frei". Die Vorgabe den Kundenwünschen zu entsprechen und dabei nicht aufdringlich zu sein sowie elegant gekleidet, ist eine inhaltliche Weisung.

Die CdC waren in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingegliedert. Sie arbeiteten mit anderen Mitarbeitern (insbesondere OPS und Flugbetriebsleiter) und Partnern der Klägerin (Kapitän, First Officer, Handling) zusammen und waren Teil der Flugorganisation und Flugdurchführung der Klägerin. Sie nutzten die Infrastruktur der Klägerin (Caterer/Metzger mit direkter Rechnungsstellung an die Klägerin, Hotel-/Mietwagenbuchung über die Klägerin, Nutzung der Küche und sonstigen Infrastruktur an Board, teilweise Abrechnungsformulare). Die Uniform, welche in einer internen Flugbetriebsordnung der Klägerin festgelegt war, wurde kostenlos gestellt; es wurden Dienstausweise zur Verfügung gestellt. Auch erfolgte die Abrechnung der CdC nicht mit den Kunden direkt, sondern der Kunde rechnete das inklusive Servicekraft gebuchte Flugzeug mit der Klägerin ab. Ein weiterer Aspekt der Eingliederung ist das gemeinsame Proceeden. Ohne die von der Klägerin vorgehaltenen Betriebsmittel, Organisation und den Kundenstamm wäre die Tätigkeit der CdC nicht möglich gewesen.

Die CdC trugen kein Unternehmerrisiko. Sie setzten ihre Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Eine echte Gewinnchance durch einen eigenen Gestaltungsspielraum hatten die CdC nicht. Die Preise waren vorgegeben worden. Die CdC erhielten bis auf eine kleine Abweichung bei der Beigeladenen zu 6) identische Vergütungen. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass in der Pauschalvergütung das unternehmerische Risiko läge, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Zwar war die Einsatzdauer unterschiedlich, so dass der umgerechnete Stundensatz variieren konnte. Jedoch wussten die CdC vor Zusage einer Flugbegleitung, welcher zeitliche Umfang sie erwarten würde und damit auch, für welchen "Preis" sie arbeiten würde. Das Risiko der unterschiedlichen Stundenvergütung trugen die CdC, ohne durch eigenes unternehmerisches Geschick, eine echte unternehmerische Chance auf einen höheren Verdienst zu haben. Schließlich handelt es sich nicht um eine echte Pauschale, die die CdC anhand einer eigenen Kostenanalyse vorgeschlagen haben. Die Erstattung von weiteren Spesen oder Aufwänden neben der Pauschale spricht ebenfalls gegen ein unternehmerisches Risiko. Eigenes Kapital in Form eigener Betriebsmittel mit Verlustgefahr kam nicht zum Einsatz. Das Vorhalten und die Nutzung eines heimischen Büro-/PC-Arbeitsplatz mit einer dem alltäglichen Gebrauch entsprechenden Ausstattung fällt nicht ins Gewicht bzw. ist nicht als Einsatz von Betriebsmitteln zu werten, weil eine eigene Telefonanlage bzw. ein eigenes Mobiltelefon und ein eigener PC mit Internet-/E-Mail-Anschluss der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 KR 17/11 R, Rn. 38 zitiert nach juris). Auch fehlende Regelungen zu Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsanspruch oder - entgelt sprechen nur vordergründig für eine selbständige Tätigkeit. Denn die Überbürdung von sozialen Risiken, abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung, ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächlich Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind. Notwendig ist eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten, welche hier fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009, Az. B 12 KR 21/07 R; Landessozialgericht NRW, Urteil vom 02.07.2014, Az. L 8 R 368/12). Aus der sog. Freelancer-Entscheidung des BSG (Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R) ergibt sich keine andere Bewertung. Die CdC sind nicht mit Piloten vergleichbar, insbesondere liegt bei ihnen kein unternehmerisches Risiko in Form der Gefahr des Verlusts einer Lizenz vor. Bei der Ausbildung zur Flugbegleiterin handelt es sich nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf. Die Ausübung der Tätigkeit ist nicht an die Anzahl der Flugstunden oder ähnliches geknüpft. Zudem hatten die CdC - anders als vom BSG für Piloten entschiedenen - ein überwiegendes wirtschaftliches Interesse an der Tätigkeit.

Zur Anschlussberufung der Beklagten weist der Senat daraufhin, dass das Prüfrecht der Rentenversicherung bei einer Betriebsprüfung umfassend ist und Prüfgegenstand alle Fragen der Versicherungs- und Beitragspflicht, der Beitragshöhe und Beitragsberechnung sind (vgl. Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 98 Rn. 12). Auch die nunmehr im Berufungsverfahren gemachten detaillierten Angaben zur Historie der Anwendung des § 22 Abs. 4 SGB IV rechtfertigen keine andere Beurteilung. Das Sozialgericht hat zu Recht den Bescheid insoweit aufgehoben, als die Mehrfachbeschäftigung der Beigeladenen zu 4) bei der L. sowie bei der Klägerin bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt wurde und dies zu einer Reduzierung der Beitragsforderung von 636,36 EUR führt. Der im streitigen Zeitraum gültigen Vorschrift des § 22 Abs. 2 S. 1 SGB IV in den Fassungen vom 23.01.2006, 21.12.2008 und 12.01.2009 ist weder ihrem Wortlaut noch ihrer Stellung im Gesetz zu entnehmen, dass sie auf eine Anwendung durch die Einzugsstelle beschränkt ist. Die Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag von den Arbeitgebern geschuldet (§ 28d SGB IV). Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Einzugsstelle zu zahlen (§ 28h, 28i SGB IV). Nach § 28h Abs. 2 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Demgegenüber regelt § 28p SGB IV, dass die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern prüfen, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlung und der Meldungen alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelten insoweit nicht (vgl. § 28p Abs. 1 S. 5, 2. Halbsatz SGB IV). § 28h Abs. 2 SGB IV und § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV regeln inhaltsgleich den Prüfungsumfang (Versicherungspflicht und Beitragshöhe) und den Erlass von Widerspruchsbescheiden gegenüber dem Arbeitgeber. Für den Fall der Betriebsprüfung ist nach § 28p Abs. 1 S. 5, 2. Halbsatz SGB IV die Zuständigkeit der Einzugsstelle ausgeschlossen. Das Einzugsstellenverfahren nach § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV und das Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV haben den gleichen Inhalt und sind rechtlich gleichwertig (vgl. BSG, Urteil vom 04.09.2018, B 12 KR 11/17 R, Rn. 12 zitiert nach juris). Daraus folgt, dass der Prüfungsumfang und die anzuwendenden Vorschriften gleichwertig sind. Dem Wortlaut des Gesetzes ist gerade nicht zu entnehmen, dass die Einzugsstellen § 22 Abs. 2 S. 1 SGB IV anzuwenden haben, die Rentenversicherung demgegenüber nicht.

Auch Sinn und Zweck des Gesetzes in den maßgeblichen Fassungen sprechen für eine Anwendung von § 22 Abs. 2 S. 1 SGB IV durch die Beklagte im Falle einer Betriebsprüfung. Für den geprüften Betrieb sollen eine korrekte sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Beschäftigten sowie eine rechtmäßige Beitragserhebung erfolgen. Insoweit widerspricht es dem Gesetzeszweck "sehenden Auges" einen falschen Bescheid zu erlassen, diesen ggf. im Instanzenzug rechtskräftig werden zu lassen und den Arbeitgeber danach auf ein Verfahren bei der Einzugsstelle zu verweisen, um die rechtskräftig festgestellte Beitragsnachforderung wieder zu korrigieren. Weiter steht der Geltendmachung des Anspruchs der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Die Beklagte erhebt Beiträge für einen zu prüfenden Sachverhalt in Kenntnis der Tatsache nach, dass die Klägerin diese Beiträge von der Einzugsstelle für denselben Sachverhalt wiedererstattet bekommt (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.11.206, L 2 R 579/16, Rn. 211 zitiert nach juris; BSG, Urteil vom 01.03.1963, 2 RU 152/60, Rn. 20 zitiert nach juris).

Eine zu schließende Regelungslücke - im Sinne einer Ausnahme - ist ebenfalls nicht erkennbar. Erst zum 01.01.2015 wurde § 26 Abs. 4 SGB IV, der ausdrücklich eine Erstattungsregelung für § 22 SGB IV vorsieht, eingeführt. Danach hat die Einzugsstelle in den Fällen, in denen eine Mehrfachbeschäftigung vorliegt und nicht auszuschließen ist, dass die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 SGB IV vorliegen, nach Eingang der Entgeltmeldungen von Amts wegen die Ermittlung einzuleiten, ob Beiträge zu Unrecht entrichtet wurden. Ein der Beitragserhebung bei Betriebsprüfung nachgelagerter Mechanismus dieser Art war vor dem 01.01.2015 nicht im Gesetz geregelt. Daher kann die Beklagte die Klägerin für vor dem 01.01.2015 liegende Abrechnungszeiträume nicht auf ein nachgelagertes Verfahren bei der Einzugsstelle verweisen. Praktikabilitätsgründe sprechen ebenfalls nicht dafür, dass die Beklagte bei einer Betriebsprüfung davon befreit wäre § 22 Abs. 4 SGB IV anzuwenden. Die Regelung zu Auskunftspflichten der Beteiligten spricht zudem für die Anwendung des § 22 Abs. 2 SGB IV durch die Beklagte im Rahmen einer Betriebsprüfung angeführt werden, weil die Beklagte in die Lage versetzt wird, vergleichbare Ermittlungen anzustellen wie die Einzugsstelle. Richtig ist zwar, dass die Beklagte eine Prüfung bei dem Arbeitgeber durchführt, mithin dieser Arbeitgeber mitwirken muss (§ 28p Abs. 5 SGB IV sowie Verordnung nach § 28p Abs. 9 SGB IV). Allerdings räumt § 98 SGB X der Beklagten ein umfassendes Recht auf Auskunft bei Arbeitgebern ein, das durch die Regelungen nach § 28p SGB IV verschärft wird, mithin aber daneben anwendbar ist. Das Auskunftsrecht der Einzugsstelle wird in Fällen der Betriebsprüfung nach § 98 Abs. 1a SGB X demgegenüber eingeschränkt. Die Auskunftspflicht wegen der Entrichtung von Beiträgen ist nicht durch § 98 Abs. 2 SGB X begrenzt. Die Beklagte kann daher bei Arbeitgebern wegen der Beitragsentrichtung Auskunft verlangen. Damit korrespondiert die Pflicht von Beschäftigten nach § 28o SGB IV gegenüber Sozialversicherungsträgern auf Verlangen Auskunft zu erteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO. Das Sozialgericht hatte bereits eine Kostenteilung ausgeurteilt und dabei insbesondere das angenommene Teilanerkenntnis berücksichtigt. Summenmäßig fällt die Anschlussberufung der Beklagten nicht ins Gewicht. Die Kosten der zulässigen unselbständigen Anschlussberufung treffen grundsätzlich den Rechtsmittelkläger (vgl. Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 516 Rn. 10f).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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