L 11 AL 46/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 147/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 46/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rücknahme der Sperrzeitbescheide vom 28.01.1987 und 29.08.1989.

Mit Bescheiden vom 28.01.1987/29.08.1989/12.12.1994 stellte die Beklagte den Eintritt von Sperrzeiten für die Zeit vom 16.08.1986 bis 07.11.1986/01.08.1989 bis 23.10.1989/16.11.1994 bis 07.02.1995 fest, weil der Kläger sein Arbeitsverhältnis durch vertragswidriges Verhalten verloren, ein Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst und eine vom Arbeitsamt angebotene Tätigkeit als gewerblicher Arbeitnehmer abgelehnt habe.

Am 26.02.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung von Sperrzeiten und Auszahlung einbehaltener Leistungen. Die Beklagte ging davon aus, dass der Kläger den Sperrzeitbescheid vom 12.12.1994 meine und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.02.2001/Widerspruchsbescheid vom 22.03.2001 ab.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und in der mündlichen Verhandlung des SG vom 11.02.2003 klar gestellt, dass er die Überprüfung der Sperrzeitbescheide vom 28.01.1987/29.08.1989 wünsche. Daraufhin hat die Beklagte ausweislich der Sitzungsniederschrift erklärt, auch bei Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 28.01.1987/29.08.1989 sei eine Leistungsnachzahlung nicht mehr möglich. Ferner bestünden Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis.

Der Kläger hat beantragt, den Bescheid vom 28.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag vom 26.02.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Mit Urteil vom 11.02.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar habe die Beklagte irrtümlich den Antrag des Klägers vom 24.02.2001 (26.02.2001) hinsichtlich des zu überprüfenden Sperrzeitbescheides falsch ausgelegt. Die neuerliche Durchführung eines verwaltungsinternen (Vor-) Verfahrens durch die Beklagte sei jedoch entbehrlich, da der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2003 deutlich gemacht habe, dass auch ein neuerliches Verwaltungsverfahren keinen Erfolg im Sinne des Klagebegehrens des Klägers haben würde. Den Beteiligten sei in der mündlichen Verhandlung zum neuen Streitgegenstand umfassend rechtliches Gehör gewährt worden.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Er beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.02.2003 sowie die Bescheide vom 28.01.1987/29.08.1989 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet, denn das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

Soweit gegen den Bescheid vom 28.02.2001/Widerspruchsbescheid vom 22.03.2001 Klage erhoben wurde, hat diese der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11.02.2003 mit der Erklärung, er habe nicht die Überprüfung des Bescheides vom 12.12.1994, sondern die der Bescheide vom 28.01.1987/29.08.1989 beantragt, zurückgenommen. Zwar hat der Kläger die Klagerücknahme nicht ausdrücklich erklärt. Eine wirksame Klagerücknahme liegt aber auch schon dann vor, wenn ein Kläger seinen Antrag beschränkt (BSG SozR § 102 Nr 10) oder die Klage ändert (BSG SozSich 93, 378). Vorliegend hatte der Kläger kein Interesse mehr an eine Überprüfung des Sperrzeitbescheides vom 12.12.1994, wie sich aus seiner am 11.02.2003 protokollierten Erklärung ergibt, so dass insoweit eine wirksame Klagerücknahme erfolgt ist.

Allerdings hätte das SG im Rahmen des anhängigen Verfahrens nicht über die Rücknahme der Sperrzeitbescheide vom 28.01.1987/ 29.08.1989 entscheiden dürfen. Insoweit handelte es sich um einen vom bisherigen Klageverfahren abweichenden völlig anderen Streitgegenstand. Nicht mehr der Sperrzeitzeitraum vom 16.11.1994 bis 07.02.1995 war nunmehr streitig, sondern die Sperrzeitzeiträume 16.08.1986 bis 07.11.1986/01.08.1989 bis 23.10.1989. Insoweit war aber eine Verwaltungsentscheidung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) noch nicht ergangen.

Die Einlassungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass selbst für den Fall einer Rechtswidrigkeit der zu überprüfenden Bescheide vom 28.01.1987/29.08.1989 wegen der Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB X eine Leistungsnachzahlung nicht in Betracht komme, ersetzt eine Entscheidung der Beklagten in Form eines Verwaltungsaktes nicht.

Auf die Entscheidung der Beklagten durch Verwaltungsakt kann auch nicht unter Berufung auf die Rechtsprechung des BSG zur (ausnahmsweisen) Entbehrlichkeit eines Widerspruchsverfahrens verzichtet werden. Das BSG hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass ein Widerspruchsbescheid aus prozessökonomischen Gründen nicht mehr erforderlich sein kann, wenn sich aus der Klageerwiderung ergibt, dass die Behörde die Sache erneut überprüft hat und im Widerspruchsbescheid voraussichtlich nichts anderes sagen wird als in der Klageerwiderung (BSG SozR 1500 § 78 Nr 8; vgl. auch BVerwGE 15, 307; Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl. § 78 RdNr 3 d). Diese Rechtsprechung erlaubt jedoch nicht den Verzicht auf die bescheidmäßige Entscheidung der Behörde. Die Äußerung eines Sitzungsvertreters über den eventuellen Ausgang eines Verwaltungsverfahrens ersetzt den Bescheid nicht (Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 3.Aufl, RdNr 42).

Es lag auch keine wirksame Klageänderung (§ 99 SGG) vor. Zwar ist gemäß § 99 Abs 2 SGG von der erforderlichen Einwilligung der Beklagten auszugehen. Aber auch bezüglich der geänderten Klage müssen die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen, denn diese können durch eine Klageänderung nicht umgangen werden. Insbesondere muss über den neuen Streitgegenstand bereits durch Verwaltungsakt entschieden worden sein (Niesel aaO RdNr 233). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das SG hätte somit die Klage als unzulässig abweisen müssen. Mit der Abweisung der Klage hat das SG im Ergebnis jedoch zutreffend entschieden (Meyer-Ladewig aaO § 157 RdNr 4).

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.02.2003 ist somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1, 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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