L 5 KR 123/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 161/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 123/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 22/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. März 2003 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 1. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2001 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechsstreits sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Beitragsforderungen nach einer Betriebsprüfung wegen Nichtanwendung des sog. Werkstudentenprivilegs.

Die 1944 geborene Klägerin betreibt als Einzelfirma einen Möbel-Großversandhandel, der im Wesentlichen auf den Verkauf von Büromöbeln für Geschäftskunden spezialisiert ist. Die Klägerin verfügt über einen angestammten Kundenkreis, den sie mit Regelmäßigkeit aufsucht, berät und dem sie anhand von Prospekten sowie Produktbeschreibungen Möbel verkauft. Diese ordert die Klägerin vom Hersteller und liefert sie sodann an die Kunden aus.

Die 1967 geborene Beigeladene zu 1) ist die einzige Tochter der Klägerin und zugleich deren einzige Mitarbeiterin. Sie erlernte zunächst den Beruf der Kauffrau, erwarb über den zweiten Bildungsweg die Hochschulreife und studierte seit 1993 an der Universität A. das Lehramt an Grundschulen. Dieses Studium schloss sie nach einem Wechsel des Hauptfaches nach 12 Semestern (zulässige Höchststudiendauer) erfolgreich ab und war in diesem Beruf kurzfristig tätig.

Während der Studienzeit war die Beigeladene zu 1) - ebenso wie davor und danach - bei der Klägerin beschäftigt. Ihre Aufgabe bestand darin, nach Einzelanweisung Möbel auszuliefern und den Empfang zu verbuchen, während der übrige Kundenkontakt der Klägerin selbst vorbehalten war.

Das Sommersemester 1996 (01.04. bis 30.09.1996) war für die Beigeladene zu 1) ein Urlaubssemester laut Immatrikulationsbescheinigung der Universität A. , weil die Klägerin, deren Gesundheitszustand sich im Frühjahr 1996 verschlechtert hatte, ein stationäres Heilverfahren für Sommer 1996 plante. Dieses fand vom 27.06. bis 18.07.1996 in Bad W. statt und wurde auf Wunsch der Klägerin nicht weiter verlängert. Sie nahm anschließend die Arbeit wieder in vollem Umfang auf.

Streit besteht über die Studenteneigenschaft der Beigeladenen zu 1) und die Anwendung des Werkstudentenprivilegs während dieses Urlaubssemesters sowie wegen einer Rechtsänderung über die Beitragspflicht in der Rentenversicherung für die Folgezeit. Im Wintersemester 1995/1996 arbeitete die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin maximal 20 Stunden/Woche bei einem Monatslohn von DM 1.852,00. Das gleiche gilt für die Monate September bis Dezember 1996 mit der Maßgabe, dass die Klägerin im Dezember eine Weihnachtsgratifikation zahlte. In der Folgezeit war die Beigeladene zu 1) nur in der vorlesungsfreien Zeit über 20 Stunden/ Woche tätig, in der Vorlesungszeit maximal 20 Stunden/Woche. Dies ergibt sich aus den Verwaltungsakten der Beklagten und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Am 04.11.1999 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Be- triebsprüfung für die Zeit 01.01.1996 bis 31.12.1998 durch. Mit Bescheid vom 01.02.2000 forderte sie Sozialversicherungsbeiträge in H.v. DM 26.651,62 nach mit der Begründung, die Beigeladene zu 1) sei im Sommersemester 1996 beurlaubt gewesen, weshalb deren Studenteneigenschaft hinter der in erweitertem Umfange ausgeübten Berufstätigkeit zurücktrete und die Klägerin für dieses Semester Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung nachzuentrichten habe. Weil die Beigeladene zu 1) am 30.09.1996 nicht in einem versicherungsfreien Beschäftigungs- verhältnis gestanden habe, sei ab 01.10.1996 sowie für die Fol- gezeit des Studiums Versicherungspflicht nach dem zum 01.10. 1996 in Kraft getretenen Recht anzunehmen und seien Versicherungspflichtbeiträge in der Rentenversicherung zu zahlen.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, die Beigeladene zu 1) habe im Sommersemester 1996 montags von 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr sowie von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr Vorlesungen in Sozialkunde sowie in Psychologie regelmäßig besucht. Weitere Veranstaltungen habe sie "besichtigt", jedoch nicht kontinuierlich besucht. Vorgelegt wurden eine Seminararbeit aus dem Wintersemester 1995/1996 mit Abgabetermin 29.04.1996 zum Thema "Aristoteles: Der Wissenschaftsbegriff und Konzeption des Wissens", Vorlesungsmaterialien unter der Überschrift "Anthropologische Voraussetzungen in der Erziehung", Studienplanungen sowie von Kommilitonen gefertigte handschriftliche Vorlesungs- skripten. Zum Urlaubssemester wurde ausgeführt, wegen der zutage getretenen gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin sei geplant gewesen, einen Kuraufenthalt im Sommer 1996 durchzuführen. Allein die Beigeladene zu 1) hätte als einzige Mitarbeiterin sowie als mit dem Kundenstamm vertraute und verlässliche Person, von der auch keine Abwerbung von Kunden zu erwarten gewesen sei, während der Kur die Vertretung ausführen können und sollen. Weil Beginn, Ende und Dauer der Kur nicht von vornherein festgestanden hätten, sei die Beurlaubung vorsorglich für das ganze Semester erfolgt. Tatsächlich sei die Klägerin nach Ende der Kur am 18.07.1996 nicht in ein Stadium der Rekonvaleszenz und schrittweisen Wiedereingliederung eingetreten, sondern habe sofort die Arbeit wie gewohnt in vollem Umfange wieder aufgenommen. Die Beklagte holte eine Bestätigung der Universität A. (16.05.2000) ein, wonach die Beigeladene zu 1) im Sommersemester 1996 aus familiären Gründen beurlaubt gewesen sei. Während dieser Zeit habe sie weiterhin den Status eines ordentlichen Studenten gehabt, ob sie entsprechend eigener Auskunft Veranstaltungen auch tatsächlich besucht habe, könne mangels Anwesenheitskontrolle nicht festgestellt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück im Wesentlichen mit der Be- gründung, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) habe während des Sommersemesters als Hauptbeschäftigung zu gelten, so dass das Werkstudentenprivileg nicht anwendbar sei. Die Beigeladene zu 1) sei während der gesamten Studienzeit für die Klägerin tätig gewesen und habe während dieser Zeit an der zeitlichen Grenze dessen gearbeitet, was dem Erscheinungsbild eines Studierenden, der nebenher arbeitet, entsprechen könne. Das Gleiche gelte für die erzielten Einkünfte, die bedeutend gewesen seien (1996 DM 28.806,01, 1997 DM 33.625,80, 1998 DM 29.440,00, 1999 DM 29.917,80). Es müsse ein Unterschied bestehen zwischen den regelmäßigen Studiensemestern, in denen die Werkstudenten- eigenschaft der Beigeladenen zu 1) noch anerkannt werden könne, und einem Urlaubssemester. Während diesem sei durch die Beurlaubung das Erscheinungsbild eines Studierenden weiter in den Hintergrund getreten, so dass die Beschäftigung im Vordergrund gestanden habe. Das Werkstudentenprivileg könne deshalb im Sommersemester vom 01.04. bis 30.09.1996 nicht anerkannt werden, so dass Beitragspflicht in der gesamten Sozialversicherung während dieses Zeitraums bestehe. Zusätzlich habe die Beigeladene zu 1) am Stichtag 30.09.1996 nicht in einer beitragspflichtfreien, sondern in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden, so dass ab 01.10.1996 bis zum Ende des Studiums Rentenversicherungspflicht nach dem zum 01.10.1996 in Kraft getretenen neuen Recht bestehe.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 01.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2001 aufzuheben, und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Beigeladene zu 1) sei auch im Sommersemester 1996 ordentliche Studierende an der Universität A. gewesen, so dass das Werkstudentenprivileg anzuerkennen sei. Sie habe das Studium - wie aus den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Dokumenten er- sichtlich - auch im Sommersemester 1996 weiterbetrieben; die Beurlaubung sei, anders als zunächst geplant, nur für die drei Wochen der tatsächlich durchgeführten Kur notwendig gewesen. Während dieses eng begrenzten Zeitraums sei die Beigeladene zu 1) für sie im weiteren Umfange als bisher tätig gewesen, im Übrigen Zeitraum jedoch nicht. Es habe keine vollständige Urlaubsvertretung vorgelegen, weil sie sich den Verkaufs-Kundenkontakt persönlich vorbehalten habe.

Mit stattgebendem Urteil vom 27.03.2003 hat das SG die ange- fochtene Verwaltungsentscheidung aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei als Studentin auch im Sommersemester 1996 versicherungsfrei gewesen, weil das Studium im Hinblick auf Zeitaufwand und Arbeitskraft den Schwerpunkt der Betätigungen der Beigeladenen zu 1) dargestellt habe. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) habe diese auch während des Urlaubssemesters das Studium weiter betrieben, die Beschäftigung habe sie nur nebenher ausgeübt. Die Beklagte habe den Besuch von Vorlesungen und Seminaren bezweifelt, dies jedoch nicht unter Beweis gestellt, so dass den von der Klägerin vorgelegten Dokumenten, die eine ernsthafte Studienführung bescheinigten, Glauben zu schenken sei.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt mit der Begründung, es müsse ein Unterschied bestehen zwischen einem normalen Semester und einem Urlaubssemester. Die Beigeladene zu 1) habe bereits vor dem Urlaubssemester Monatsbruttoentgelte zwischen DM 2.105,00 und DM 4.274,00 erzielt und damit die Grenze dessen erreicht, was als Nebentätigkeit anerkannt werden könne. Die Beigeladene zu 1) habe im Urlaubssemester mindestens im gleichen Umfang - bezogen auf Arbeitszeit und Entgelt - weitergearbeitet wie davor. Durch die Beurlaubung sei das Erscheinungsbild der Beschäftigung in den Vordergrund getreten, so dass die Beigeladene zu 1) nicht mehr als Studierende, die nebenher arbeitet, sondern als Beschäftigte, die nebenher studiert, anzusehen sei. Im Übrigen zeigten die vorgelegten Vorlesungsskripten jeweils unterschiedliche Handschriften, so dass sie jeweils von anderen Personen gefertigt seien. Damit sei erwiesen, dass die Beigeladene zu 1) nicht wie eine ordentlich Studierende die erforderlichen Vorlesungen persönlich besucht habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Augsburg vom 27.03.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2001 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Augsburg vom 27.03.2003 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.07. 2004 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Recht hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 01.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2001 Sozialversicherungsbeiträge über DM 26.651,62 nachgefordert. Das diese Entscheidung aufhebende Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.03.2003 wird aufgehoben und die Anfechtungsklage abgewiesen.

Wer einer nichtselbständigen Beschäftigung nachgeht, übt eine grundsätzlich sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aus, § 7 Abs.1 SGB IV. Als Ausnahme von diesem Grundsatz gelten Besonderheiten für Studenten, deren Status und Lebenssituation primär durch das Studium geprägt ist (ständige Rechtsprechung: BSG SozR § 1228 RVO Nr.3; BSG SozR 2400 § 2 Nr.3; BSG SozR 3-4100 § 169b Nr.1). Denn Studenten wollen nicht schon einen Beruf voll ausüben, sondern durch das Studium erst die Voraussetzungen für eine künftige berufliche Tätigkeit schaffen (BSGE 18, 254, 256). Deshalb enthält das Versicherungs- und Beitragsrecht spezifische Regelungen, die unter dem Stichwort "Werkstudentenprivileg" zusammengefasst werden und die sich in einer Versicherungsfreiheit gemäß § 6 Abs.1 Nr.3 SGB V (Krankenversicherungspflicht), § 27 Abs.4 Satz 1 Nr.2 SGB III, bzw. auf den streitgegenständlichen Fall bezogen § 169b AFG (Arbeitslosenversicherungspflicht) sowie § 20 Abs.1 Satz 1 SGB XI (Pflegeversicherung) niederschlagen. In der gesetzlichen Rentenversicherung galt gemäß § 5 Abs.3 SGB VI (in der Fassung vor der Änderung durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG - vom 25.09.1996 BGBl.I S.1461) ebenfalls Versicherungsfreiheit. Gemäß § 230 Abs.4 SGB VI gilt diese Regelung für Altfälle übergangsweise noch heute. Ab 01.10.1996 gilt in der Rentenversicherung das Werkstudentenprivileg im vormaligen Umfang nicht mehr.

Nach dem Sinn und Zweck des Werkstudentenprivilegs reicht die formelle Immatrikulation an einer Hochschule nicht aus, vielmehr muss sich der Student regelmäßig zurückmelden, einen akademischen Abschluss anstreben und seiner Arbeit an der Hochschule muss gegenüber der entgeltlichen Beschäftigung das größere Gewicht zukommen. Das Werkstudentenprivileg gilt nur für Studierende, die sich hauptsächlich dem Studium widmen, dem die entgeltliche Beschäftigung nach Zweck und Dauer untergeordnet sein muss (vgl. BSG SozR 3-2500 § 6 Nr.11). Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, die allein deshalb naturgemäß sind, weil ein Studium regelmäßig zu weiten Teilen aus häuslicher Vor- und Nachbereitung besteht, deren Umfang nur schwer in festen Arbeitsstunden zu beziffern ist (vgl. BSG SozR 2400 § 2 Nr.3), stellt die Rechtsprechung vorrangig auf den zeitlichen Umfang der Versichertentätigkeit ab. Ausgangspunkt ist der Grundsatz, dass ein Arbeitspensum von etwa 40 Wochenstunden im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt. Eine Tätigkeit von bis zu 20 Stunden in der Woche während des Semesters wird daher als Nebentätigkeit angesehen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteile vom 11.11.2003, B 12 KR 5/03 R, B 12 KR 24/03 R und B 12 KR 25/03 R). In den vorlesungsfreien Semesterferien hingegen darf die 20-Stunden-Grenze überschritten werden, wenn das Studium während des Semesters den Schwerpunkt der Tätigkeit dargestellt hatte, so dass das Erscheinungsbild des Studierenden nicht in den Hintergrund getreten ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1228 Nr.3, SozR 3-2500 § 6 Nr.11; vgl. auch Rolfs/de Groot, SGb 2004 S.443).

Im streitgegenständlichen Fall der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin hatte die Tätigkeit in den Monaten des Wintersemesters 1995/1996 Januar bis März 1996 die 20-Stunden-Grenze erreicht, aber nicht überschritten. Das Gleiche gilt für die Monate Oktober, November und Dezember 1996, die dem Wintersemester 1996/1997 zuzuordnen sind. Auch in der Folgezeit hat die Beschäftigung die 20-Stunden-Grenze nur während der Semesterferien überschritten. Die höheren Einkünfte der Beigeladenen zu 1) während der Dezembermonate resultierten nicht aus einer zeitlich umfangreicheren Tätigkeit, sondern aus der Zahlung eines Weihnachtsgeldes. Die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) hat damit während dieser Zeiten nicht die Grenzen überschritten, die zu einem Überwiegen der Beschäftigung im Verhältnis zum Studium führen würden. Während dieser Zeit war die Beigeladene zu 1) ihrem Erscheinungsbild nach Student geblieben, weil das Studium ihre Zeit und ihre Arbeitskraft überwiegend in Anspruch genommen hatte. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten, insbesondere aus den vorgelegten Lohnsteuerkonten; dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht strittig.

Etwas anderes gilt für das Sommersemester 1996 (01.04. bis 30.09.1996). In diesem Semester hat die Klägerin ein Urlaubssemester beantragt und auch durchgeführt. Eine Beurlaubung vom Studium ist auch bei Fortbestehen der Immatrikulation grundsätzlich als Unterbrechung der Ausbildung anzusehen (vgl. BSG SozR 3-5870 § 2 Nr.42). Dieser Grundsatz gilt im Falle der Beigeladenen zu 1) umso mehr, als diese im Monat Juli, also in der Vorlesungszeit DM 3.152,00 als Entgelt erhalten und den zeitlichen Rahmen der 20-Stunden-Grenze weit überschritten hatte. Auch hat die Beigeladene zu 1) nach ihren eigenen Angaben Vorlesungen lediglich montags durchgehend selbst besucht, die übrigen Vorlesungen hat sie insbesondere während des Kuraufenthalts der Klägerin, als die Beigeladene zu 1) die einzige im Betrieb verbliebene Person war, nicht regelmäßig besucht. Dadurch hat das Erscheinungsbild der Beigeladenen zu 1), das vor und nach dem Urlaubssemester gerade noch überwiegend durch das Studium geprägt war, eine Änderung erfahren. Die Beschäftigung ist in den Vordergrund getreten und hat dem Erscheinungsbild der Beigeladenen zu 1) das Gepräge gegeben. Dabei wird nicht übersehen, dass sich die Beigeladene zu 1) durch Mitschriften von Kommilitonen sowie durch anderweitige häusliche Arbeit für das Studium auf dem Laufenden gehalten hat. Ausmaß und Umfang der Erwerbstätigkeit lagen aber deutlich über dem der übrigen Zeit.

Diese Einschätzung gilt auch für den Monat April 1996, in welchem die Klägerin die Semesterarbeit (zu Aristoteles) abgegeben hat. Denn diese Semesterarbeit resultierte aus dem Wintersemester 1995/1996 und war zum 29.04.1996 abzugeben. Die Fertigung der Arbeit (Stoffsammlung, Themengliederung, Literaturstudium und Auswertung, Konzepterstellung sowie Ausführung der Arbeit und schließlich EDV-mäßige Erstellung und Ausdruck) lag nicht ausschließlich im April 1996, so dass es bei der Einordnung dieses Monats in das Gesamtsemester als Urlaubssemester verbleibt.

Allein die Tatsache, dass die Klägerin im September wiederum nur bis zu 20 Stunden wöchentlich gearbeitet hat, kann dem gesamten Sommersemester keine andere Prägung geben. Das Werkstudentenprivileg ist damit auf das gesamte Sommersemester 1996 nicht anzuwenden, Versicherungsfreiheit gemäß § 169b Abs.1 AFG, § 6 Abs.1 Nr.3 SGB V, § 1 Abs.2 Satz 1, § 20 Abs.1 Satz 1 SGB XI sowie gemäß § 5 Abs.3 SGB VI (in der bis zum 30.09.1996 geltenden Fassung) bestand somit nicht. Die Beklagte hat deshalb mit der streitigen Verwaltungsentscheidung zu Recht Sozialversicherungsbeiträge, die sie auch der Höhe nach zutreffend berechnet hat, für die Monate April bis September 1996 in der gesamten Sozialversicherung nachgefordert.

Damit war die Klägerin am Stichtag 30.09.1996 nicht versicherungsfrei, so dass für sie die Übergangsregelung in § 230 Abs.4 Satz 1 SGB VI (in der Fassung der Änderung durch das WFG) nicht gilt. Zwar enthält § 230 Abs.4 Satz 1 SGB VI als Stichtag den 01.10.1996. Jedoch bedeutet diese Übergangsregelung, dass die Personen, die am Stichtag in einer Beschäftigung als Studenten versicherungsfrei waren, in dieser Beschäftigung weiterhin versicherungsfrei bleiben sollen. Die Regelung setzt also die Fortsetzung einer am 30.09.1996 bestehenden Versicherungsfreiheit voraus. Denn am 01.10.1996 konnte Versicherungsfreiheit als Studierender nicht mehr bestehen. Bei der Stichtagsbenennung 01.10.1996 handelt es sich somit offensichtlich um ein Redaktionsversehen, weil eine Übergangsregelung sinnvollerweise nur an den letzten Tag der Geltung des alten Rechts anknüpfen kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 27.05.2002, L 5 KR 119/01; BSG Urteil vom 22.05.2003 - B 12 KR 24/02 R; Grintsch in Kreikebohm, Kommentar zum SGB VI, 2.Aufl., § 230 Rdnr.14; Marschner, Die Sozialversicherung 1997, 33; Gürtner in: Kasseler Kommentar, § 230 Rdnr.17; anderer Ansicht aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und aufgrund des Wortlautes wohl Zugmeier, SGb 1997, 258).

Die Beklagte hat mithin zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) am 30.09.1996 nicht in einem durch Anwendung des Werkstudentenprivilegs gemäß § 5 Abs.3 SGB VI alte Fassung versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte. Sie hat damit zu Recht Beitragspflicht in der Rentenversicherung für die Zeit des Studiums ab 01.10.1996 angenommen und die entsprechenden Beiträge zur Rentenversicherung auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt.

Die Berufung hatte damit in vollem Umfange Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.

Die Revision wird zugelassen. Zu einer anderen Beurteilung der Versicherungspflicht im September 1996 und damit zum Stichtag 30.09.1996 käme es, wenn die Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 11.11.2003 - B 12 KR 24/03 - "die Beschäftigung ist demgemäß nur versicherungsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt wird" dahin zu verstehen wären, dass jedenfalls für die Randmonate eines Semesters eine andere Beurteilung als in den übrigen Monaten des Semesters möglich ist. Denn im September 1996 hat die Beigeladene zu 1) wiederum die 20-Stunden-Grenze eingehalten, die Beschäftigung bei der Klägerin ist in den Hintergrund getreten und das Erscheinungsbild einer Studierenden war wiederum durch das Studium geprägt - wenn auch in nur einem vorlesungsfreien Monat des ganzen Semesters.
Rechtskraft
Aus
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