S 42 SO 188/19 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
42
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 42 SO 188/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Die 1967 geborene Antragstellerin steht im laufenden Bezug von (aufstockenden) Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII bei der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin erhielt überdies seit 2016 Leistungen für hauswirtschaftliche Versorgung seitens der Antragsgegnerin. Diese hatte zuletzt mit Bescheid vom 20.11.2018 für die Zeit vom 01.08.2017 bis 31.03.2019 die Übernahme der Kosten für eine entsprechende Hilfskraft in einem Umfang von maximal 4,5 Stunden wöchentlich zu einem Stundenlohn von 10,00 EUR pro Stunde und mithin einem Monatsbetrag von 193,50 EUR bewilligt. Nachdem die Antragstellerin eine Erhöhung der Wochenstunden vor dem Hintergrund eines verschlechterten Gesundheitszustandes beantragte hatte, hatte die Antragsgegnerin sie mit Schreiben vom 08.03.2019 aufgefordert, einen Antrag bei der zuständigen Pflegekasse zu stellen. Aufgrund des Umstands, dass sie mitgeteilt habe, unter einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu leiden, komme die Zuerkennung eines Pflegegrades in Betracht. In diesem Fall bestünde dann auch Anspruch auf Zahlung von Pflegegeld gegenüber der Pflegekasse, welches gegenüber den Leistungen nach dem SGB XII eine vorrangige Leistung sei. Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 27.03.2019 mit, zu einer Antragstellung bei der Pflegekasse nicht bereit zu sein.

Mit Bescheid vom 17.04.2019 lehnte die Antragsgegnerin den Weiterbewilligungs- und Erhöhungsantrag für hauswirtschaftliche Hilfen nach § 70 SGB XII für die Zeit ab dem 01.04.2019 ab. Zur Begründung gab sie an, grundsätzlich hätten Leistungen der Pflegekasse Vorrang vor Leistungen nach dem SGB XII. In Pflegeleistungen seien auch solche der hauswirtschaftlichen Versorgung enthalten. Die Antragstellerin habe trotz entsprechender Aufforderung bis heute keinen Antrag bei der Pflegekasse gestellt. Die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB XII für die hauswirtschaftliche Versorgung komme somit nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 24.04.2019 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin ein. Die Antragstellerin führt unter den Aktenzeichen S 42 SO 117/19, S 42 SO 189/19 und S 42 SO 234/19 Hauptsacheverfahren gegen die Befristung der hauswirtschaftlichen Versorgung, gegen die Ablehnung der Stundenerhöhung sowie gegen die Ablehnung der Weiterbewilligung der Leistungen ab dem 01.04.2019.

Die Antragstellerin hat am 07.05.2019 das Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes erhoben, mit welchem sie das Ziel verfolgt, weiterhin Leistungen für die hauswirtschaftliche Versorgung seitens der Antragsgegnerin zu erhalten. Sie ist der Ansicht, die Antragsgegnerin müsse die Leistungen auch weiterhin zahlen. Eine Befristung sei nicht zulässig und auch gar nicht erfolgt. Es sei überdies gerichtlich nicht geklärt, ob überhaupt die Verpflichtung bestehe, bei der Pflegekasse einen Antrag zu stellen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Leistungen für Hilfe zur Pflege wegen vorhandenem Besitzstand (ugs. Bestandsschutz) weiterzuzahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt sie aus, die Antragstellerin habe schon keinen Anordnungsgrund dargelegt. Es sei nicht erkennbar, worin genau die dringliche Notlage liegen würde, welche indes für den Erlass einer einstweiligen Anordnung Voraussetzung sei. Die Antragstellerin sei jedenfalls ihrer Verpflichtung, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, nicht nachgekommen.

Das Gericht hatte unter dem 28.05.2019 vorgeschlagen, dass die Antragsgegnerin zunächst weiter Leistungen für die hauswirtschaftliche Versorgung auskehrt und die Antragstellerin im Gegenzug bis Juli 2019 die Antragstellung bei der Pflegekasse nachweist. Weiter hatte das Gericht vorgeschlagen, dass die Antragsgegnerin nach erbrachten Nachweis über die Antragstellung bei der Pflegekasse die Leistungen bis zur Entscheidung durch die Pflegekasse weitergewährt, um eine lückenlose Versorgung sicherzustellen. Die Antragsgegnerin erklärte sich mit Schriftsatz vom 29.05.2019 zu dieser Vorgehensweise bereit und wies zusätzlich darauf hin, dass die Leistungen für die Monate April und Mai ohnehin noch erbracht worden waren. Die Antragstellerin war mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise nicht einverstanden und wies darauf hin, Prozesskostenhilfe beantragt zu haben. Nachdem das Gericht erfragt hatte, welcher Rechtsanwalt der Antragstellerin beigeordnet werden sollte, erfolgte mit Beschluss vom 14.06.2019 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt I. Dieser beantragte Akteneinsicht und erhielt die Gerichtsakte zugeleitet. Unter dem 02.07.2019 und 05.07.2019 bat die Antragstellerin sodann um Entpflichtung von Herrn Rechtsanwalt I, da das Vertrauensverhältnis zerstört sei. Auch Herr Rechtsanwalt I beantragte mit Schreiben vom 02.07.2019 Entpflichtung. Das Gericht änderte den bewilligenden Beschluss vom 14.06.2019 daraufhin mit Beschluss vom 10.07.2019 entsprechend ab.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den für die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin geführten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein.

Vorliegend kann die Antragstellerin weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund ausreichend glaubhaft darlegen.

Ob die Antragstellerin tatsächlich weiterhin einen Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin auf Übernahme von Kosten für die hauswirtschaftliche Versorgung hat, vermag zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden zu können. Denn die Antragstellerin hat anlässlich ihres Erhöhungsantrages angegeben, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe und sie auf umfassendere Hilfe angewiesen sei. Es ist möglich, dass die Antragstellerin gegenüber der für sie zuständigen Pflegekasse einen Anspruch auf Feststellung eines Pflegegrades und daraus folgend auf die Zahlung von Pflegegeld bzw. die Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen hat. Sollte dies der Fall sein, wären durch diese Leistungen auch hauswirtschaftliche Hilfen abgedeckt. Die potentiellen Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind gegenüber den Leistungen der Sozialhilfe des SGB XII aufgrund des in § 2 SGB XII verankerten Nachrangprinzips vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin ist deshalb verpflichtet, einen Antrag bei ihrer Pflegekasse zu stellen, um dort mögliche Ansprüche überprüfen zu lassen. Dies weiß die Antragstellerin auch bereits seit Anfang März 2019, als die Antragsgegnerin ihr dies mit einem ersten diesbezüglichen Schreiben mitgeteilt hatte. Nachgekommen ist die Antragstellerin dem bis zum heutigen Tage nicht. Gründe, die gegen die Möglichkeit einer solchen Antragstellung sprechen hat die Antragstellerin weder vorgetragen, noch sind sie ersichtlich. Eine solche Antragstellung ist der Antragstellerin auch tatsächlich zumutbar, rechtlich möglich und wäre zeitlich ohne Verlust von Zahlungen hauswirtschaftlicher Versorgung möglich gewesen. Einen Anordnungsgrund vermag das Gericht ebenso wenig zu erkennen. Unabhängig davon, dass das Gericht keine existentielle Notlage mit nicht wieder gutzumachenden Nachteilen erkennen kann, ist die Antragstellerin in der Lage, eine Leistungsbewilligung herbeizuführen. Hier ist insbesondere zu beachten, dass das Gericht durch seinen Ende Mai 2019 erfolgten Vorschlag bezüglich der konkreten Vorgehensweise sichergestellt hatte, dass der Antragstellerin durchgehend Gelder für hauswirtschaftliche Leistungen zugeflossen wären. Dass die Antragstellerin nach wie vor den Antrag bei der Pflegekasse nicht stellt, muss sie sich hier nun entgegenhalten lassen. Es bedarf der Inanspruchnahme des Gerichts jedenfalls nicht und steht auch der Annahme eines Eilbedürfnisses entgegen, dass die Antragstellerin in der Lage ist, den entsprechenden Antrag zu stellen und eine Gewährung von Leistungen durch die Pflegekasse oder durch die hiesige Antragsgegnerin herbeizuführen, dies aber aus nicht erklärten Gründen nicht vornehmen möchte.

Raum für den Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht somit insgesamt nicht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183 Satz 1, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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