L 2 R 250/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 597/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 250/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die bestandskräftige Aufhebung einer Arbeitslosenhilfebewilligung beseitigt den gesamten Bezug von Beginn an und es besteht ein Rechtszustand, als wäre der Leistungsbezug nie erfolgt.
2. Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Leistungsbezug liegen damit nicht vor.
3. Die Bundesagentur für Arbeit ist nicht berechtigt, diese ursprünglich im Versicherungsverlauf verzeichneten Pflichtbeitragszeiten zu beseitigen.
4. Die Aberkennung von rentenrechtlichen Zeiten durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung setzt eine Beanstandung dieser Zeiten voraus.
5. Die Rücknahme des Rentenbescheides beinhaltet als Begründungselement die Rücknahme der Beitragszeiten nach § 45 SGB X. Eine nachträgliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X liegt damit nicht vor.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2018 sowie der Bescheid vom 13. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2015 teilweise aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 28. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2005 zurückzunehmen, soweit eine Aufhebung der Rentengewährung im Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis 31. August 2004 und eine Erstattung i.H.v. 54.627,49 EUR verfügt worden ist.

II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu je ½ zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rücknahme eines Bescheides über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und über die Erstattung dieser Rente im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Die 1953 in der Türkei geborene Klägerin besuchte in der Türkei für drei Jahre eine Schule und erzielte dort eine grundständige Sprachbildung der türkischen Sprache. Eine Berufsausbildung durchlief sie nicht. Sie ist Mutter dreier Kinder und übersiedelte 1972 in die BRD. Sie war von 1972 bis 1973 im Gartenbau, von 1973 bis 1977 als Reinemachefrau und von 1977 bis 1993 als Montagearbeiterin beschäftigt, wobei sie - entsprechend ihrer Angaben – überwiegend türkische Kollegen hatte. Sie war ab 1994 arbeitslos und bezog zunächst Arbeitslosengeld. Die Klägerin beantragte ab 22. August 1996 Arbeitslosenhilfe und stellte sich dem Arbeitsmarkt und der Arbeitssuche ohne Einschränkungen zur Verfügung. Sie verfügte zum Zeitpunkt der Antragsstellung über ein Konto bei der Türkischen Nationalbank, welches ein Guthaben i. H. v. 100.000,- DM aufwies, was sie bei Beantragung der Arbeitslosenhilfe nicht angab. Dieses Guthaben resultierte aus einer Abfindung und Geschenken von Verwandten anlässlich der Hochzeit eines ihrer Kinder. Sie bezog vom 22. August 1996 bis 6. April 1998 sowie vom 14. Mai 1998 bis 11. Dezember 1998 Arbeitslosenhilfe.

Im Herbst 1998 beging der älteste Sohn der Klägerin mittels Kopfschuss Selbstmord in der gemeinsamen Wohnung. Im Anschluss daran war die Klägerin in Behandlung bei der Neurologin und Psychiaterin C., wie auch schon für einen früheren Zeitraum. Die Klägerin war vom 30. August bis 8. Oktober 1993, vom 1. November 1993 bis 31. Mai 1994 und vom 20. März bis 18. April 1995 unter anderem wegen Depression arbeitsunfähig geschrieben gewesen. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit bestand vom 2. November bis 8. Dezember 1998.

Die Klägerin beantragte im Juni 1999 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klägerin hatte zuvor kein Kontenklärungsverfahren durchlaufen und keinen Vormerkungsbescheid erhalten. Im Antrag gab die Klägerin an, dass sie sich seit 1994 für erwerbsunfähig halte. Die Neurologin und Psychiaterin C. gab in ihrem Befundbericht von Mai 1999 an, dass sich die Klägerin seit April 1995 regelmäßig in ihrer Behandlung befinde. Die Klägerin habe Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und es liege eine depressive Entwicklung vor. Die Psychologin und Psychotherapeutin D. gab in einem Befundbericht an, dass sich die Klägerin seit 1998 in ihrer Behandlung befinde. Es handele sich um eine mittelgradige depressive Episode. Die Klägerin leide seit einigen Jahren unter orthopädischen Beschwerden. Mit dem Tod des Sohnes als Hoffnungsträger sei die Klägerin aufgrund einer Trauerreaktion in eine schwere depressive Krise gestürzt. Sie habe eine Todessehnsucht entwickelt. Der medizinische Dienst der Beklagten gelangte in seiner auf dieser Grundlage erstellten Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keine Arbeiten mehr ausüben könne. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit Mai 1999. Mit Bescheid vom 15. Juli 1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klägerin bezog bis August 2004 Rentenzahlungen i. H. v. 54.627,49 EUR.

Nach Erlangung der Kenntnis vom Guthaben der Klägerin bei der Türkischen Nationalbank hob die Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 16. September 2003 die gesamte Bewilligung der Arbeitslosenhilfe auf und forderte die Erstattung in Höhe von 9.726,86 EUR. Zudem stornierte sie die gemeldeten Pflichtbeitragszeiten für den Bezug der Arbeitslosenhilfe. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde bestandskräftig.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. Oktober 2004 hob die Beklagte nach vorheriger Anhörung der Klägerin die Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente vom 15. Juli 1999 mit Wirkung ab 1. Juni 1999 auf. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien aufgrund des Wegfalls der sich durch den Bezug von Arbeitslosenhilfe ergebenden versicherungsrechtlichen Zeiten zum Zeitpunkt des Leistungsfalls im Mai 1999 nicht gegeben. Die Zeiten der Arbeitslosenhilfe könnten nicht als Anrechnungszeiten gewertet werden, da durch sie keine Beschäftigung unterbrochen worden sei; ab 1993 befänden sich im Versicherungskonto der Klägerin lediglich 16 Pflichtbeitragsmonate. Die Aufhebung werde auf § 45 SGB X gestützt. Die Klägerin sei im Bescheid vom 15. Juli 1999 darauf hingewiesen worden, dass die Rentengewährung auf dem aktuellen Versicherungsverlauf beruhe. Die Klägerin habe bei der Beantwortung der Fragen beim "Arbeitsamt" wider besseres Wissen falsche Angaben bzgl. ihres Vermögens gemacht. Ihr Vertrauen in den Bestand der Rentenbewilligung sei daher nicht schutzwürdig. Auch in Ausübung des Ermessens ergebe sich kein anderes Ergebnis. Hierbei sei insbesondere berücksichtigt worden, dass die Klägerin über Vermögen verfüge. Sie sei zur Rückzahlung der Rente i. H. v 54.627,49 EUR nach § 50 SGB X verpflichtet.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. März 2005). Die Klägerin habe dem Versicherungsverlauf vor Bewilligung entnehmen können, dass es auf die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe angekommen sei. In der Ermessensausübung sei das Interesse der Versichertengemeinschaft gegen das Interesse der Klägerin abzuwägen. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, dass der Klägerin durch die Rücknahme andere Versicherungsleistungen für den Zeitraum entgangen wären. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az. S 10 R 256/05) nahm die Klägerin im Jahr 2009 zurück.

Am 5. März 2010 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 28. Oktober 2004. Sie führte zur Begründung an, dass zum einen die Feststellung des Zeitpunkts des eingetretenen Versicherungsfalls willkürlich und ohne fachärztliche Untersuchung erfolgt sei. Man habe sich ausschließlich auf die Befundberichte der behandelnden Ärzte berufen. Die Klägerin habe sich jedoch bereits seit 1994 für erwerbsunfähig gehalten. Zumindest sei das Leistungsvermögen bereits vor Herbst 1998 auf unter drei Stunden täglich gesunken. Zum anderen könne die Aufhebung nur auf § 48 SGB X gestützt werden, weshalb eine rückwirkende Aufhebung nicht möglich sei.

In einem angeforderten Befundbericht von Mai 2010 gab die psychologische Psychotherapeutin D. an, dass es sich weiterhin um eine mittelgradige depressive Episode und zudem um eine generalisierte Angststörung bei der Klägerin handele. Bezüglich des Zeitraums vor September 1997 gab die damals behandelnde Neurologin C. in ihrem Befundbericht vom 7. Juni 2010 an, dass die Klägerin an migranoiden Kopfschmerzen und Beschwerden in der Halswirbelsäule gelitten habe. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter Dr. E. kam aufgrund einer ambulanten Untersuchung im Juli 2010 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin seit Herbst 1998, dem Suizid des Sohnes, leichte Tätigkeiten weniger als drei Stunden täglich ausüben könne. Der Suizid habe eine massive Verschlechterung des psycho-physischen Zustandes bewirkt. Der Gutachter gab an, dass die bei der Untersuchung anwesende Schwiegertochter auf Nachfrage eine starke Veränderung der Klägerin nach dem Tod des Sohnes bestätigt habe; vorher sei sie lebensfroh gewesen. Die Klägerin habe zögerlich angegeben, dass es mit dem Tod des Sohnes zu einer massiven Verschlechterung des psycho-physischen Befindens gekommen sei.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2010 wurde der Überprüfungsantrag abgelehnt. Der Bescheid vom 28. Oktober 2004 sei rechtmäßig, eine Aufhebung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X komme daher nicht in Betracht. Die Überprüfung habe ergeben, dass die Erwerbsunfähigkeit allenfalls seit Herbst 1998, dem Suizid des Sohnes der Klägerin, vorgelegen habe. Zu diesem Zeitpunkt seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch ebenfalls nicht erfüllt gewesen. Die Klägerin habe gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bei der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe falsche Angaben gemacht und damit auch in Kauf genommen, dass letztlich die Gewährung der Rente auf diesen falschen Angaben beruhe.

Hiergegen legte die Klägerin am 28. Juli 2010 Widerspruch ein und führte aus, dass 1993 ihr Bruder verstorben sei, zu dem sie ein besonders inniges Verhältnis gehabt habe, daher sei es ihr auch 1994 schon psychisch schlecht gegangen. Zudem sei die Aufhebung rechtswidrig, da sie auf § 45 SGB X gestützt worden sei. Zutreffend wäre jedoch § 48 SGB X gewesen, wobei eine Aufhebung dann erst ab der Aufhebung der Arbeitslosenhilfe durch Bescheid vom 16. September 2003 möglich gewesen sei.

Im erneut angeforderten Befundbericht der psychologischen Psychotherapeutin D. von September 2010 wurde ausgeführt, dass die Klägerin sich im Herbst 1997 oder 1998 erstmals in ihre Behandlung begeben habe. Ihr Bruder sei verstorben und sie habe sich nach zwei bis drei Jahren nicht sammeln können, dann habe sich ihr Sohn im Zimmer neben ihr umgebracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2015 wurde der Widerspruch zurückgewiesen; ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ergebe sich auch nicht aus § 241 Abs. 2 SGB VI (in der vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung), da die Klägerin den Zeitraum nach dem 31. Dezember 1983 nicht lückenlos mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. August 2015 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Die Klägerin hat weiterhin behauptet, dass der Leistungsfall schon vor Oktober 1997 eingetreten gewesen sei. Zudem ist sie der Ansicht gewesen, dass eine Aufhebung nicht auf § 45 SGB X gestützt werden könne. Sie hat die Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides und die Weiterzahlung der Rente begehrt. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht gewesen, dass die Bewilligung von Beginn an rechtswidrig gewesen sei und die Klägerin sich unlauter verhalten habe. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 18. Juni 2018 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 28. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2005 nach § 44 SGB X. Der Bescheid vom 13. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2015 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte habe die Aufhebung für die Zukunft sowie für die Vergangenheit zutreffend auf § 45 SGB X gestützt, dessen Voraussetzungen im Übrigen vorlägen. Für die vorliegende Fallgestaltung, dass durch einen anderen Träger nach Bewilligung der Rente eine Entscheidung getroffen werde, die aufgrund der ex-tunc-Wirkung der Aufhebung der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe zu einer Veränderung hinsichtlich der Grundlagen der ursprünglichen Rentenbewilligung führe, sei § 45 SGB X die zutreffende Rechtsgrundlage. Dass § 48 SGB X nicht die zutreffende Rechtsgrundlage sein könne, ergebe sich schon daraus, dass eine rückwirkende Aufhebung in den Fällen wie dem vorliegenden schon unabhängig von Vertrauensschutzgesichtspunkten immer ausscheiden würde. Denn stellte man auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Aufhebungsentscheidung bezüglich der Arbeitslosenhilfe ab, käme nach § 48 SGB X immer nur eine Aufhebung der Rentenbewilligung mit Rückwirkung für den (sehr kurzen) Zeitraum bis zur Kenntnis der Beklagten in Betracht. Dies wiederum widerspreche jedoch dem Sinn und Zweck der §§ 44 ff SGB X, wonach diese Ausnahmevorschriften nach Eintritt der Bestandskraft von Verwaltungsakten dennoch weiterhin die Rechtslage herstellen sollten, die materiell rechtmäßig sei. Hiergegen spreche nicht, dass die Entscheidung der Beklagten von der Entscheidung einer anderen Behörde abhängig gewesen sei, die die Beklagte nicht selbständig prüfen konnte. Die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung bestimme sich nach objektiven Maßstäben. Diese seien einer nachträglichen Änderung durch die Verwaltungsentscheidung einer anderen Behörde jedoch zugänglich, sodass ein von der Beklagten für rechtmäßig erachteter Bescheid durch die nachträgliche Entscheidung einer anderen Behörde sich als rechtswidrig erweise. Denn so wie die Beklagte zunächst an die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe durch die Bundesagentur für Arbeit gebunden gewesen sei, bestünde ebenfalls Bindung hinsichtlich der nachträglichen rückwirkenden Aufhebung. Es komme auch nicht auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des anderen Trägers an. Der Rentenbescheid vom 15. Juli 1999 sei bereits bei Erlass rechtswidrig gewesen, da die Klägerin die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Sie habe in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls keine 36 Pflichtbeitragsmonate im Versicherungskonto gehabt. Das Gericht sei überzeugt, dass die Klägerin nicht vor dem Suizid des Sohnes im Herbst 1998, insbesondere nicht vor dem 1. Oktober 1997 (maßgeblicher Zeitpunkt für die letzte Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen), teilweise oder voll erwerbsgemindert gewesen sei. Dies ergebe sich aus den von den behandelnden Ärzten der Klägerin vorgelegten Befundberichten sowie dem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten des Dr. E ... Die Voraussetzungen der §§ 240, 241 SGB VI aF hätten bei der Klägerin nicht vorgelegen. Auch seien keine Verlängerungstatbestände nach § 44 Abs. 3 SGB VI aF gegeben gewesen. Die Klägerin könne sich bezüglich der Aufhebung für die Vergangenheit nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn die Bewilligungsentscheidung bezüglich der Arbeitslosenhilfe beruhe auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich falsch gemacht habe. Denn sie habe das Vermögen auf ihrem Konto bei der Türkischen Nationalbank i. H. v. 100.000,- EUR (gemeint: DM) nicht angegeben. Diese mittelbare Verursachung sei im Rahmen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ausreichend, sodass es nicht darauf ankomme, ob die Klägerin die sich daraus ergebenden Folgen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung erkennen haben können. § 45 Abs. 2 SGB X bezwecke nicht, dem Betroffenen nur hinsichtlich des Bescheids, der unmittelbar auf den Falschangaben beruht, Vertrauensschutz zu versagen, hinsichtlich jeder Folgewirkung dieser durch Bescheid ergangenen Entscheidung den Vertrauensschutz unangerührt zu lassen (Verweis auf BSG, Urteil vom 26. August 1992, 9b Rar 2/92, juris; LSG Bayern, Urteil vom 16. Februar 2011, 7 L 13 R 52/09, juris). Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei eingehalten worden. Zudem seien hinsichtlich der Aufhebungsentscheidung keine Ermessensfehler ersichtlich. Die Beklagte habe sowohl im Ausgangsbescheid als auch im Widerspruchsbescheid ausführlich die Interessen der Klägerin an der Beibehaltung der Rentenbewilligung den Interessen der Versichertengemeinschaft gegenüber gestellt. Sie habe dabei insbesondere nicht fehlerhaft das bei der Klägerin vorhandene Vermögen in die Entscheidung mit einbezogen. Die Rückforderungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 50 SGB X. Hinsichtlich des Erstattungsbetrags seien keine Berechnungsfehler ersichtlich, auch die Klägerin habe die Höhe der bezogenen Rente ab Mai 1999 nicht bestritten.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigen am 17. Juli 2018 zugestellte Urteil am 18. Juli 2018 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Bescheid vom 16. Januar 2019 hat die Beklagte der Klägerin Altersrente ab 1. Januar 2019 gewährt. Sie hat durch Bescheid vom 11. April 2019 die Aufrechnung der Hälfte der monatlichen Rente in Höhe von 324,89 Euro wegen des streitgegenständlichen Erstattungsbetrages angeordnet. Die Klägerin hat die Berufung in der Berufungsbegründungsschrift vom 4. Januar 2019 auf die verfügte Aufhebung und Erstattung der gewährten Rente für die Vergangenheit beschränkt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Aufhebung der bewilligten Rente nur auf § 48 SGB X gestützt werden könne. Eine Aufhebung sei damit erst seit der Änderung der Verhältnisse, mithin ab Bekanntgabe des Bescheides über die Aufhebung der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe möglich gewesen. Zudem habe sich die Klägerin nicht unlauter verhalten, sie habe die Rechtswidrigkeit nicht erkennen können, da sie nicht gewusst habe, dass die Rentengewährung unter anderem auch auf der Arbeitslosenhilfegewährung beruhe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin über keinen Schulabschluss verfüge. Die Klägerin habe auch keine falschen Angaben bei der Beantragung der Rente gemacht. Letztlich behauptet sie, dass der Leistungsfall schon früher eingetreten sei, da sie schon seit dem Tod ihres Bruders depressiv geworden sei und sich davon nicht erholt habe.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2018 sowie den Bescheid vom 13. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2015 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 28. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2005 zurückzunehmen, soweit eine Aufhebung der Rentengewährung im Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis 31. August 2004 und eine Erstattung i. H. v. 54.627,49 EUR verfügt worden ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass § 45 SGB X die zutreffende Rechtsgrundlage sei und dessen Voraussetzungen für die Aufhebung der Rentenbewilligung vorgelegen hätten, so dass eine Rücknahme des Bescheides vom 28. Oktober 2004 nicht in Betracht komme.

Zum weiteren Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2018 konnte keinen vollständigen Bestand haben, denn der Bescheid vom 13. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2015 ist teilweise rechtswidrig und beschwert die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Die Beklagte war zu verpflichten, den Bescheid vom 28. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2005 zurückzunehmen, soweit eine Rücknahme für die Vergangenheit und eine Erstattung i. H. v. 54.627,49 EUR verfügt worden ist.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Regelung gilt auch dann, wenn Leistungen gewährt, sodann aber durch den zurückzunehmenden Bescheid zurückgenommen und Erstattung verlangt worden ist. Die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X steht einer Rücknahme nur dann entgegen, wenn die Rückforderung bereits außerhalb der Vier-Jahres-Frist vollständig rückabgewickelt ist (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1996, 11 RAr 31/96, SozR 3-1300 § 44 Nr. 19). Dies war hier nicht der Fall. Die Klägerin hat bis zum Beginn des Überprüfungsverfahrens noch keinen Betrag erstattet gehabt.

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28. Oktober 2004 erweist sich als teilweise rechtswidrig, da bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist.

Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 45 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Absatz 4 darf er nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Absatz 2 Satz 3 darf der Verwaltungsakt sodann nur dann für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit 1. der Empfänger den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. der Empfänger die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Darüber hinaus muss die Behörde Fristen beachten: Sie muss die Aufhebung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen vornehmen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (Absatz 4 Satz 2). Außerdem kann nach Absatz 3 ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Dies gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wiederum zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. In diesen Fällen kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Zunächst war der Bewilligungsbescheid vom 15. Juli 1999 anfänglich rechtswidrig, denn die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Nach § 44 Abs. 1 SGB VI aF (in der Fassung vom 24. März 1999) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie 1. erwerbsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsunfähig sind gemäß Absatz 2 Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Erwerbsunfähig ist nicht, wer 1. eine selbständige Tätigkeit ausübt oder 2. eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsunfähig waren und seitdem ununterbrochen erwerbsunfähig sind, haben Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Die Klägerin war zwar erwerbsunfähig, jedoch trat der Leistungsfall zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung aller über die Klägerin vorliegenden medizinischen Unterlagen erst im Herbst 1998 ein. Die Klägerin war ab diesem Zeitpunkt wegen Krankheit auf nicht absehbare Zeit außerstande, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Mittels ausreichender medizinischer Unterlagen ist dies erst seit dem Suizid ihres Sohnes im Herbst 1998 belegt. Vor dieser Zeit ergeben sich zwar Anhaltspunkte, dass sie im Jahr 1994 ggf. auch schon eine depressive Episode erlitten haben könnte, jedoch reicht das medizinische Berichtswesen nicht aus, um mit der erforderlichen Sicherheit feststellen zu können, dass sie schon 1994 erwerbsunfähig im rentenrechtlichen Sinn war und erst recht nicht, dass dieser Zustand bis zur Rentenantragstellung andauerte. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass sich die Klägerin im Rahmen des Arbeitslosenhilfebezuges in den Jahren 1996 bis 1998 uneingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellte und Arbeit suchte. Seitens der damaligen Bundesanstalt für Arbeit wurde keine medizinische Untersuchung veranlasst bzw. Einschränkungen in der Erwerbsfähigkeit festgestellt. Letztlich schließt sich der Senat den überzeugenden und widerspruchsfreien Angaben des Dr. E. an. Er legt plausibel nachvollziehbar in seinem Gutachten aus dem Jahr 2010 dar, dass mit dem Suizid des Sohnes eine gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei der Klägerin eingetreten ist und sie sich davon auch nicht wieder erholt hat. Der von dem Gutachter beschriebene Zustand lässt sich demgegenüber zur Überzeugung des Senats für Zeiten vor dem Suizid des Sohnes aus den eingeholten Befundberichten der psychologischen Psychotherapeutin D. und der Neurologin C. nicht ableiten.

Zum Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls erfüllte die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI aF nicht, denn diese waren nur bis zum Eintritt eines Leistungsfalls im September 1997 erfüllt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hingen bei der Klägerin vom Bestand der Leistungsbewilligung einer anderen Behörde ab, nämlich vom Bezug einer rentenversicherungspflichtigen Lohnersatzleistung, da die Klägerin seit 1994 keine Beschäftigung mehr ausgeübt hatte. Konkret erfüllte sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur wegen des rechtswidrig erfolgten Bezuges von Arbeitslosenhilfe. Diese Bewilligung wurde jedoch aufgrund der bestandskräftigen Rücknahme gemäß § 45 SGB X durch die Bundesagentur für Arbeit rückwirkend vollständig beseitigt, da sie anfänglich rechtswidrig war.

Nach § 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI aF (in der Fassung vom 26. Mai 1994) sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger Arbeitslosenhilfe beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren. Versicherungspflicht tritt unabhängig von der Kenntnis und dem Willen der davon erfassten Personen oder eines Dritten mit der Verwirklichung eines normativ umschriebenen Lebenssachverhalts ein (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 1984, 11 RK 3/84, SozR 5420 § 2 Nr. 33; siehe zum Ganzen KassKomm/Guttenberger, 102. EL Dezember 2018, SGB VI § 1 Rn. 3). Die Klägerin erfüllte diesen Versicherungspflichttatbestand nicht, denn sie hat keine Arbeitslosenhilfe bezogen. Die Voraussetzung des Leistungsbezugs lag auch nicht deshalb vor, weil es nur auf den ursprünglich tatsächlich erfolgten Bezug der Arbeitslosenhilfe ankäme. Es ist streitig, ob von einem "beziehen" nur bei einem rechtmäßigen Bezug, also bei gleichzeitig endgültigem Anspruch (BSG, Urteil vom 15. Mai 1984, 12 RK 7/83, SozR 2200 § 381 Nr. 50; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990, 12 RK 35/89, SozR 3-2200 § 381 Nr. 1; BSG, Urteil vom 11. Oktober 2001, B 12 KR 11/01 R, SozR 3-2400 § 26 Nr. 13, SozR 3-2200 § 562 Nr. 1; Urteil vom 15. April 1991, BSG SozR 3 - 2400 § 26 Nr. 4) oder schon beim tatsächlichen Bezug ungeachtet seiner Rechtmäßigkeit und damit Änderbarkeit (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1980, 8a RK 20/79, BSGE 51, 100-102, SozR 2200 § 381 Nr. 43 und vom 30. Juni 1997, 8 RKn 3/96, SozR 3-2400 § 26 Nr. 8; KassKomm/Gürtner, 102. EL Dezember 2018, SGB VI § 3 Rn. 19; Segebrecht, in: Kreikebohm, 5. Auflage 2017, § 3 Rn. 36 f) zu sprechen ist. Nach Ansicht des Senats kann letztgenannter Ansicht nicht gefolgt werden, wenn eine rückwirkende Aufhebung der die Versicherungspflicht vermittelnden Sozialleistung eingreift, so dass der Bezug dieser Sozialleistung vollständig beseitigt wird und auch kein anderer, eine Versicherungspflicht vermittelnder Sozialleistungsbezug an diese Stelle tritt. Die zur Begründung der Gegenansicht bemühten Aspekte des Versichertenschutzes aus Vertrauensschutzgründen greifen nämlich nicht, wenn in den Bestand der streitigen Sozialleistung gerade kein schutzwürdiges Vertrauen vorlag. Auch der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass sich eine Leistungsaufhebung rückwirkend auf den versicherungsrechtlichen Status auswirkt, denn in Versicherungszweigen, in denen diese Wirkung nicht eintreten soll, hat der Gesetzgeber eine dementsprechende Regelung getroffen. So regelt § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 2a SGB V, dass die Versicherungspflicht bestehen bleibt, auch wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung nach dem SGB III bzw. SGB II geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Darin findet der Grundsatz seinen Niederschlag, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes einmal begründete Versicherungsverhältnisse in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht rückwirkend beseitigt werden sollen, selbst dann nicht, wenn sie auf einem rechtswidrigen und rückabgewickelten Zustand beruhen. Eine vergleichbare Regelung existiert jedoch in § 3 SGB VI nicht und hat auch für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Arbeitslosenhilfebezuges nie bestanden. Durch diese bestandskräftige Aufhebung ist der gesamte Bezug von Beginn an beseitigt und der Rechtszustand besteht so, als wäre der Leistungsbezug nie geschehen.

Damit liegen auch keine Pflichtbeitragszeiten wegen Leistungsbezug vor. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) gezahlt worden sind. Für den streitigen Zeitraum folgt die Beitragspflicht aus § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI aF, wonach der Bund die Beiträge von Beziehern von Arbeitslosenhilfe zu tragen hat. Aus der Beitragspflicht wegen Versicherungspflicht folgt die Berücksichtigung als Pflichtbeitragszeit gemäß § 55 SGB VI. Da keine - von Gesetzes wegen bestehende oder nicht bestehende - Versicherungspflicht vorlag, hätten für die Zeiträume vom 22. August 1996 bis 6. April 1998 und vom 14. Mai 1998 bis 11. Dezember 1998 keine Beiträge entrichtet werden dürfen.

Die Bundesagentur für Arbeit ist jedoch nicht berechtigt, diese ursprünglich im Versicherungsverlauf der Klägerin vorhandenen Pflichtbeitragszeiten zu beseitigen. Denn es obliegt nicht ihr, über das Vorliegen von Pflichtbeitragszeiten nach dem SGB VI zu entscheiden. Voraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung für einen Bezieher von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit ist dessen Versicherungs- und Beitragspflicht. Besteht hierüber Streit, entscheidet der zuständige Träger der Rentenversicherung (BSG, Urteile vom 26. Mai 2004, B 12 AL 4/03 R, SozR 4-2500 § 5 Nr. 2 und vom 25. März 2004, B 12 AL 5/03 R, SozR 4-2600 § 191 Nr. 1). Im konkreten Fall bestand kein Streit während des Bezuges von Arbeitslosenhilfe, so dass eine Entscheidung der Beklagten hierüber nicht erforderlich war. Auch ein Vormerkungsbescheid gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI war der Klägerin nicht erteilt worden, denn vor ihrem Rentenantrag hatte die Klägerin kein Kontenklärungsverfahren durchlaufen. Erst mit dem Rentenbescheid vom 15. Juli 1999 wurde für die Klägerin verbindlich das Vorliegen von rentenrechtlichen Zeiten festgestellt; der Rentenbescheid enthält insofern auch die Entscheidung über die Zuerkennung oder Ablehnung einzelner Zeiten. Die Aberkennung rentenrechtlicher Zeiten obliegt auch allein dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Aberkennung von rentenrechtlichen Zeiten setzt eine Beanstandung dieser Zeiten durch den zuständigen Rentenversicherungsträger voraus. Das Beanstandungsrecht ist nicht gesondert geregelt, ergibt sich jedoch aus § 26 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Gemäß § 26 Abs. 1 SGB IV gilt, wenn Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung für Zeiten nach dem 31. Dezember 1972 trotz Fehlens der Versicherungspflicht nicht spätestens bei der nächsten Prüfung beim Arbeitgeber beanstandet worden sind, § 45 Abs. 2 SGB X entsprechend. Beiträge, die nicht mehr beanstandet werden dürfen, gelten als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge. Gleiches gilt für zu Unrecht entrichtete Beiträge nach Ablauf der in § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV bestimmten Frist. Zu Unrecht entrichtete Beiträge sind zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten, § 26 Abs. 2 SGB IV. Mit Beanstandung ist einerseits die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit von Beiträgen gegenüber dem Arbeitgeber im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV und andererseits die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit von Beiträgen durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber dem Versicherten gemeint (vgl. BSG, Urteile vom 26. August 1975, 1 RA 165/74, SozR 2200 § 1423 Nr. 5 und vom 13. Juni 1985, 7 RAr 107/83, SozR 2100 § 27 Nr. 4). Die Beanstandung dient dabei der verbindlichen Feststellung der Unwirksamkeit von Beiträgen, auf deren Berücksichtigung der Versicherte sonst vertrauen würde (BSG, Urteil vom 24. Juni 2010, B 10 LW 4/09 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 4). Die Beanstandungspflicht gegenüber dem Versicherten besteht auch dann, wenn er nicht an der Beitragsaufbringung beteiligt war oder die Beiträge nicht durch ihn abgeführt worden sind, und auch dann, wenn die Beitragserstattung nach § 26 Abs. 2 SGB IV ausgeschlossen ist. Bei der Beanstandung handelt es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X, der aber nicht zwingend selbständig oder gesondert ergehen muss (BSG, Urteil vom 24. Juni 2010, B 10 LW 4/09 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 4, 37) und dem grundsätzlich eine Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X vorauszugehen hat. Die Beanstandung bezieht sich auf die Feststellung der materiell-rechtlichen Unrichtigkeit von Pflichtbeitragszeiten; kann eine Beanstandung nicht mehr erfolgen, gelten zu Unrecht entrichtete Pflichtbeiträge als zu Recht entrichtet und bleiben damit als rechtmäßige Pflichtbeitragszeiten erhalten. Im Rahmen der Beanstandung ist zu prüfen, ob es für die Beitragszahlung eine materiell-rechtliche oder formale Rechtsgrundlage gibt. Ist dies der Fall, ist der Beitrag nicht zu Unrecht entrichtet. Besteht für die Beitragsentrichtung zwar eine formale Rechtsgrundlage, nicht aber eine materiell-rechtliche, muss zunächst die formale Rechtsgrundlage beseitigt werden (Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 26 SGB IV Rn. 83).

Im vorliegenden Fall wurden die Pflichtbeiträge entsprechend der obigen Ausführungen materiell-rechtlich zu Unrecht entrichtet, denn ein Arbeitslosenhilfebezug lag durch die Rücknahme und Erstattung der Arbeitslosenhilfe nicht vor. Eine formale Rechtsgrundlage liegt im Fall der Klägerin allein in dem streitigen Rentenbescheid vom 15. Juli 1999, denn dieser stellte erstmalig anlässlich der Rentengewährung den Versicherungsverlauf der Klägerin verbindlich fest. Erst nach Beseitigung dieses Rentenbescheides kommt eine Beanstandung gemäß § 26 SGB IV in Betracht. Dies korrespondiert mit § 26 Abs. 2 SGB IV, der den Beanstandungsschutz für Beitragszeiten regelt, auf denen eine Leistungsgewährung beruht. Wegen des Rentenbezuges ist im vorliegenden Fall eine Beanstandung gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV nicht möglich. Wenn die Leistung wegen der Aufhebung des Verwaltungsaktes nach §§ 45, 47 und 48 SGB X zurückgefordert und erstattet worden ist, gilt sie jedoch als nicht erbracht und zieht daher das Wiederaufleben des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge nach sich (Udsching in: Hauck/Noftz, SGB, 07/15, § 26 SGB IV Rn. 12).

Ein Beanstandungsschutz aus § 26 Abs. 1 SGB IV greift demgegenüber nicht ein. § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gilt von vornherein nur für Pflichtbeiträge aufgrund abhängiger Beschäftigung, nicht jedoch für Pflichtbeiträge aufgrund eines Sozialleistungsbezuges. § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB IV erweiterte mit Wirkung zum 1. Januar 2008 den Beanstandungsschutz für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung, denn hiernach gilt, dass eine Beanstandung und Erstattung generell nicht mehr möglich ist für Beiträge, die außerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV entrichtet wurden. Diese Regelung greift jedoch schon deshalb nicht ein, weil die Beanstandung der Beitragszeiten schon vor Inkrafttreten der Regelung zum 1. Januar 2008 durchgeführt worden war (siehe hierzu Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Roßbach, 6. Aufl. 2019, § 26 Rn. 6). Da die streitige Rücknahme des Rentenbescheides vom 15. Juli 1999 schon durch Bescheid vom 28. Oktober 2004 unter Feststellung der Unrichtigkeit der Pflichtbeitragszeiten erfolgte, kann der Senat die Frage, ob von der in § 26 Abs. 1 Satz 3 SGB IV getroffenen Regelung ausschließlich Rentenversicherungsbeiträge der abhängig Beschäftigten betroffen sind (so Minn in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, Stand: April 2019, 8.1.4.1; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Roßbach, 6. Aufl. 2019, § 26 Rn. 6; andere Ansicht Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 26 SGB IV, Rn. 46) offen lassen.

Eine Beanstandung der streitigen Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosenhilfebezug setzt mithin eine Rücknahme der Leistungsgewährung für die Vergangenheit voraus, deren Begründung letztlich in der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pflichtbeitragszeiten liegt. Es bedarf jedoch keiner isolierten Rücknahme des Rentenbescheides hinsichtlich der Beitragszeiten, bevor die Beklagte die Rentengewährung selbst aufheben könnte. Denn nach Erlass eines Rentenbescheids besteht kein Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens hinsichtlich eines Vormerkungsbescheids mehr, so dass ein solches Verfahren unzulässig ist. Sofern sich bei Erlass eines Rentenbescheids oder bei der Überprüfung herausstellt, dass Feststellungen eines Vormerkungsbescheids aufgehoben werden müssen, weil sie nicht konform gehen mit den im Rentenbescheid zu berücksichtigenden Zeiten auf Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgeblichen Rechts, so erfolgt die Aufhebung je nach Konstellation nach § 44 Abs. 2 SGB X, § 45 SGB X oder nach § 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI im Rentenbescheid. Im Rentenbescheid sind nämlich sämtliche für die Berechnung der Rente bedeutsamen Zeiten auf der Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgeblichen Rechts zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 6. Mai 2010, B 13 R 118/08 R, juris; vom 13. November 2008, B 13 R 43/07 R, juris; vom 22. September 1981, SozR 1500 § 53 Nr. 2). Dies bedeutet wiederum im Umkehrschluss, dass auch nach Bewilligung einer Rente bei einem Streit über das Vorliegen von rentenrechtlichen Zeiten allein über die Rentengewährung gestritten wird und die Frage des Vorliegens der Pflichtbeitragszeiten ausschließlich ein Begründungselement für einen Streit über die weitere Gewährung einer höheren Rente, einer niedrigeren Rente, überhaupt keiner Rente oder einer Rücknahme der Rentengewährung ist.

Die Rücknahme des Rentenbescheides beinhaltet folglich als Begründungselement die Rücknahme der Beitragszeiten nach § 45 SGB X. Eine nachträgliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X liegt damit nicht vor (andere Ansicht: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2012, L 13 R 4844/10 und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. September 2010, L 22 R 540/09, beide juris; ebenso BSG, Urteil vom 29. Mai 2008, B 11a/7a AL 74/06 R, SozR 4-1300 § 45 Nr. 7 in einem Fall, in dem die Bundesagentur für Arbeit nachträglich gemäß § 45 SGB X die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen Verschweigens von Vermögen für die Dauer von 60 Monaten aufhob. Für die Bewilligung in der Folgezeit sei dann ebenfalls § 45 SGB X anzuwenden, weil durch die rückwirkende Aufhebung des Arbeitslosengeldes auch rückwirkend der Vorbezug von Arbeitslosengeld und damit die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe entfallen seien). Mit dem Rücknahmebescheid vom 28. Oktober 2004 hat die Beklagte die Pflichtbeitragszeiten des Arbeitslosenhilfebezuges wieder aufgehoben. Zu Recht hat sie diese Aufhebung auf § 45 SGB X gestützt, denn die Anerkennung dieser Pflichtbeitragszeiten im Rentenbescheid vom 15. Juli 1999 war anfänglich rechtswidrig - ebenso wie die Rentengewährung - da die Voraussetzungen für diese Pflichtbeitragszeit nicht vorlagen. Hierdurch ist auch der formale Rechtsgrund, aus dem vorübergehend die Berücksichtigung der Pflichtbeitragszeiten abgeleitet werden konnte, rückwirkend entfallen (siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 31. März 2015, B 12 AL 4/13 R, BSGE 118, 213-219, SozR 4-2400 § 27 Nr. 6).

Die Klägerin erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch nicht über eine Ausnahmevorschrift. So können die betroffenen Zeiten der Arbeitslosigkeit insbesondere nicht als Anrechnungszeit gemäß § 58 SGB VI berücksichtigt werden, da durch sie keine versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit unterbrochen wurde; die Klägerin übte schon seit 1994 keine Tätigkeit mehr aus und hatte vor dem Arbeitslosenhilfebezug Arbeitslosengeld bezogen. Sie verlängern aber auch nicht den Zeitraum von fünf Jahren gemäß § 44 Abs. 3 SGB VI aF i. V. m § 43 Abs. 3 SGB VI aF (jeweils in der Fassung vom 2. Mai 1996), denn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn des streitigen Zeitraums des Arbeitslosenhilfebezuges lag nicht wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und auch keine Anrechnungszeit. Die Zeit der Arbeitslosigkeit mit Arbeitslosengeldbezug ist wiederum gemäß § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI keine Anrechnungszeit, denn die Klägerin war wegen des Arbeitslosengeldbezuges versicherungspflichtig.

Eine Rücknahme des Rentenbescheides vom 15. Juli 1999 für die Vergangenheit kommt dennoch nicht in Betracht, denn es liegt keiner der Unlauterkeitstatbestände des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X vor. Zunächst beruht der Verwaltungsakt nicht auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten im Rentenbewilligungsverfahren keine falschen Angaben gemacht. Sie hat angegeben, dass sie Leistungen der Arbeitsverwaltung bezieht, dies entsprach jedoch zum damaligen Zeitpunkt den Tatsachen. Raum für eine Mitteilung der Klägerin, dass sie über Vermögen verfügt, bestand im Rahmen der Rentenantragstellung nicht. Nach Ansicht des Senats reicht ein mittelbares Beruhen der Rentenbewilligung auf fehlerhaft gegenüber einem anderen Träger – hier der Bundesagentur für Arbeit – gemachten Angaben nicht aus (andere Ansicht: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2011, L 13 R 52/09, juris); anderes kann nur gelten, wenn der gleiche Träger die unmittelbar und die mittelbar verursachte Leistung gewährt (siehe hierzu BSG, Urteil vom 26. August 1992 – 9b RAr 2/92, juris). Wenn die Beteiligten über die Rücknahme eines Vormerkungsbescheides hinsichtlich der Pflichtbeitragszeiten streiten würden, deren Anerkennung auf den falschen Angaben der Klägerin beruhte, käme es ebenfalls auch auf diese Angaben gegenüber der Bundesagentur für Arbeit an. Die Beteiligten streiten aber vorliegend über die Rücknahme der Rentenbewilligung, die Feststellung der Unrichtigkeit der Pflichtbeitragszeiten ist darin nur ein Begründungselement. Denn die Beanstandung und Aufhebung der Pflichtbeitragszeiten setzt wegen § 26 Abs. 2 SGB IV die vollständige Beseitigung der Rentengewährung voraus.

Die Klägerin wusste bei Erlass des Rentenbescheides nicht, dass ihr eine solche Rente nicht zusteht und die im ausgewiesenen Versicherungsverlauf anerkannten Pflichtbeitragszeiten fehlerhaft sind. Sie hat dies auch nicht grob fahrlässig verkannt. Ob eine betroffene Person die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen, d.h. es ist bei der Beurteilung ein subjektiver Maßstab anzulegen (BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 7a AL 14/05 R, juris). Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maße, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchtet; dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSG, Urteile vom 26. August 1987, 11a RA 30/86, BSGE 62, 103-109; vom 8. Februar 2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 m.w.N. - ständige Rechtsprechung). Auf dieser Ebene besteht die erforderliche Kenntnis, wenn der Begünstigte weiß oder wissen muss, dass ihm die zuerkannte Leistung oder anderweitige Begünstigung so nicht zusteht (vgl. Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 45 Rn. 55). Daher kann einem Leistungsempfänger immer nur dann grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn ihm der Fehler bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten aus anderen Gründen geradezu "in die Augen springt". Das ist der Fall, wenn er aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen sicher die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1987, 11a RA 30/86, BSGE 62, 103) oder er das nicht beachtet hat, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1980, 7 RAr 13/79, SozR 4100 § 152 Nr. 10). Augenfällig im vorstehenden Sinne sind Fehler zunächst, wenn die Begünstigung dem Verfügungssatz nach ohne weitere Überlegungen als unzutreffend erkannt werden kann. Darüber hinaus ist der Begründung des Verwaltungsaktes nach ein Fehler augenfällig, wenn die Fehlerhaftigkeit dem Adressaten unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit ohne weitere Nachforschungen und mit ganz nahe liegenden Überlegungen einleuchten und auffallen muss (vgl. Schütze in: von Wulffen/Schütze, 8. Aufl., § 45 Rn. 56, 57). Für den Versicherten besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, SozR 4-1300 § 48 Nr. 18). Denn die Beteiligten haben sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren (vgl. BSG, Urteile vom 8. Februar 2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R, SozR 4-1300 § 48 Nr. 18; Hess. LSG, Urteil vom 12. März 2002, L 12 RJ 32/01, juris).

Daran gemessen ist der Klägerin zur Überzeugung des Senats unter den gegebenen Umständen keine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße vorzuwerfen.

In diesem Zusammenhang sind mehrere Aspekte maßgebend: Zum einen verfügt die Klägerin über keine relevante schulische Bildung oder Berufsausbildung, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache sind rudimentär und auf eine Alltagssprache beschränkt. Auch ihre Kenntnisse der türkischen Sprache sind – so hat dies der Dolmetscher im Termin zur mündlichen Verhandlung beschrieben – nur grundständig; sie verfügt über eine einfache Sprache ohne vollständige Kenntnisse der Grammatik. Ihre subjektive Urteilsfähigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Rentenbewilligung kann daher nicht als hoch eingestuft werden. Voraussetzung einer Unlauterkeit ist zum anderen, dass sie den Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenhilfebewilligung und der Rentengewährung hätte erkennen können, welcher sich jedoch nicht aus dem Rentenbescheid ergibt. Dem Rentenbescheid lässt sich nicht entnehmen, dass es für den Rentenanspruch maßgeblich auf die Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosenhilfebezug ankommt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen werden in dem Rentenbescheid nicht erläutert. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin jahrelang erwerbstätig war und sich der Bezug der Arbeitslosenhilfe zwar wegen des nicht möglichen Nachweises eines früheren Leistungsfalles hinsichtlich der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen relevant auswirkte, jedoch nicht prägend für die Erwerbsbiographie der Klägerin war. Nachvollziehbar musste es sich ihr daher nicht aufdrängen, dass sie ohne diesen Arbeitslosenhilfebezug die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erwerbsunfähigkeitsrente nicht erfüllte. Die Klägerin übte nämlich bis 1994 eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus und bezog sodann bis 1996 Arbeitslosengeld, so dass es sich ihr auch nicht ohne weiteres erschließen musste, dass es für eine Rentengewährung ab 1999 maßgeblich auf den Arbeitslosenhilfebezug angekommen sein könnte, zumal die Klägerin selbst von dem Eintritt eines früheren Leistungsfalls ausging und ausgeht.

Demgegenüber reichen nach Ansicht des Senats Erwägungen zu mittelbaren Verursachungen oder Kausalketten nicht aus. Eine Unlauterkeit ist vielmehr hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Rentenbescheides festzustellen. Zunächst ist anzuführen, dass die Klägerin den Aufhebungsbescheid bezüglich der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe bestandskräftig hat werden lassen. Eine Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit, insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X und der Zuordnung des Vermögens zur Klägerin (siehe zu den sich in diesen Fällen stellenden Fragen der verdeckten Treuhand BSG, Urteil vom 28. August 2007, B 7/7a AL 10/06 R, juris m. w. N.) fand nicht statt. So kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bei Bewilligung der Arbeitslosenhilfe überhaupt erkannt hatte, dass ihr diese nicht zustand. Die Annahme einer mittelbar herbeigeführten Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung wegen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Arbeitslosenhilfebewilligung würde nach Ansicht des Senats zumindest die Prüfung dieser Unlauterkeit voraussetzen. Diese fand jedoch nicht statt. Allein die Bestandskraft des Rücknahmebescheides bzgl. der Arbeitslosenhilfebewilligung reicht für die Annahme einer Unlauterkeit hinsichtlich der Rentenbewilligung in keinem Fall aus. Der Senat geht aber unabhängig von dieser Problematik davon aus, dass eine mittelbare Verursachung in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem unterschiedliche Sozialleistungen von verschiedenen Leistungsträgern gewährt wurden, nicht ausreicht, denn § 45 SGB X knüpft an die anfängliche Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bewilligungsbescheids der jeweiligen Leistung und zugleich für eine Aufhebung für die Vergangenheit an eine Unlauterkeit bezüglich dieser Rechtswidrigkeit an, nicht jedoch an die Unlauterkeit bezüglich der Rechtswidrigkeit einer anderweitigen Leistungsgewährung.

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung kannte oder grob fahrlässig verkannte, liegen jedoch zur Überzeugung des Senats nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revisionszulassung folgt aus § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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