L 18 AL 110/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 84 AL 596/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 110/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialge-richts Berlin vom 24. September 2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu er-statten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten für den Erwerb eines Führerscheins der Klas-se "B" als Teilhabeleistung zu gewähren bzw den entsprechenden Antrag unter Be-achtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden hat.

Der 1997 geborene Kläger ist seit 21. Januar 2019 arbeitslos gemeldet. Eine Ausbil-dung zum Hotelfachmann hatte er nach drei Jahren ohne Abschluss im September 2017 beendet. Zuletzt war er bis Juni 2018 als Wett- und Lotterieannehmer in einem Wettbüro versicherungspflichtig beschäftigt. Im Februar 2019 beantragte er die För-derung beruflicher Weiterbildung in Gestalt der Finanzierung des Führerscheins der Klasse "B", den er für eine Beschäftigung bei D Z ua als Fahrer benötige. Die Beklag-te erkannte die Notwendigkeit einer Weiterbildung zwar an, lehnte die beantragte Förderung jedoch ab, weil es sich dabei nicht um eine berufsbezogene Weiterqualifi-zierung handele, sondern private Daseinsfürsorge (Bescheid vom 12. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2019). Die Beklagte lehnte auch entsprechende Leistungen aus dem Vermittlungsbudget ab (Bescheid vom 12. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2019). Das Sozi-algericht (SG) Berlin hat die hierauf erhobenen, auf Gewährung der begehrten För-derung bzw Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichteten Klagen mit Gerichtsbescheid vom 24. September 2019 abgewiesen, weil Ermessensfehler der Beklagten nicht ersichtlich seien und eine Leistung aus dem Vermittlungsbudget schon deshalb ausscheide, weil keine Anbahnung bzw Aufnahme eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses gesehen werde.

Mit der – inhaltlich nicht ergänzend begründeten - Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Er beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. September 2019 und die Bescheide der Beklagten vom 12. April 2019 in der Gestalt der Wider-spruchsbescheide vom 27. Mai 2019 und 12. Juli 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Erwerb des Führerscheins der Klasse "B" zu för-dern, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den entsprechenden Antrag un-ter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbrin-gens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst An-lagen Bezug genommen.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Ihm steht der geltend ge-machte Förderanspruch oder auch nur ein Anspruch auf Neubescheidung seiner Förderanträge nicht zu.

Nach § 81 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung - (SGB III) in der seit 1. April 2012 geltenden und vorliegend anwendbaren Fassung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbil-dungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Ar-beitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwen-den oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist (Nr 1), die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnah-me beraten hat (Nr 2) und die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind (Nr 3). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vor-schrift sind schon nicht erfüllt, so dass auf der Rechtsfolgenseite die Beklagte keine Ermessensentscheidung treffen durfte, sondern die begehrte Förderung ablehnen musste.

Die Kosten für den Erwerb des Führerscheins der Klasse "B" sind bereits dem Grun-de nach nicht übernahmefähig. Es handelt sich schon nicht um Kosten, die nach dem Gesetz als Weiterbildungskosten zu übernehmen sind. Was in diesem Sinne unter Weiterbildungskosten zu verstehen ist, legt ausdrücklich § 83 Abs. 1 SGB III fest. Dies sind demnach die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Lehr-gangskosten und Kosten für die Eignungsfeststellung (Nr 1), Fahrtkosten (Nr 2), Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung (Nr 3) oder Kosten für die Betreuung von Kindern (Nr 4). Da eine Subsumtion unter Kosten nach § 83 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 SGB III bereits offenkundig ausscheidet, könnte eine Übernahme allenfalls dann in Betracht kommen, wenn es sich bei den Führerscheinkosten um Lehrgangskosten oder Kosten für die Eignungsfeststellung handeln würde. Dies ist nicht der Fall, da durch § 84 Abs. 1 SGB III ausdrücklich festgelegt ist, was hierunter zu verstehen ist. Lehrgangskosten sind demnach nur Lehrgangsgebühren einschließlich der Kosten für erforderliche Lernmittel, Arbeitskleidung, Prüfungsstücke und der Prüfungsgebühren für gesetzlich geregelte oder allgemein anerkannte Zwischen- und Abschlussprüfungen sowie Kosten für eine notwendige Einungsfeststellung. Die Aufzählung ist dabei nach Wortlaut und gesetzgeberischen Willen (vgl BT-Drs 13/5676 und 13/4941) als abschließend aufzufassen. Insofern grenzt sich die Regelung auch von § 45 des früher geltenden Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ab, wonach die Aufzählung nicht abschließend war und "insbesondere" Lehrgangskosten etc enthielt. Damit scheidet aber im Rahmen des § 81 SGB III in Verbindung mit § 83 Abs. 1 Nr. 1, § 80 Satz 1 SGB III die Übernahme anderer Kostenarten kraft Gesetzes aus und können auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Beklagten übernommen werden. Es handelt sich, wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat, um Kosten der persönlichen Daseinsvorsorge.

Die begehrte Förderung war zur beruflichen Eingliederung des Klägers schließlich auch nicht "notwendig" iSv erforderlich. Prognostisch bestand und besteht eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften aus der Hotel- und Gastronomiebranche. Eine Be-schäftigung im Servicebereich ist dem Kläger, der die dreijährige Ausbildung zum Hotelfachmann absolviert, indes nicht abgeschlossen hat, ohne weiteres fachlich und gesundheitlich möglich. Es bedarf hierzu nicht der begehrten Förderung.

Die Beklagte hat auch die Gewährung der beantragten Förderung aus dem Vermitt-lungsbudget gemäß § 44 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden und hier an-wendbaren Fassung (vorher inhaltsgleich in § 45 SGB III) beanstandungsfrei abge-lehnt. Auch insoweit gilt, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind, weil sie einerseits eine Förderung nur "bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung" (vgl § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB III) voraussetzt, wofür hier mangels nachgewiesener Einstellungszusage schon kein Anhalt ersichtlich ist. Darüber hinaus kommt eine Förderung nur in Betracht, "wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist". Dies ist dann der Fall, wenn iS einer "engen Kausalität" bzw "strengen Kausalität" die Bewilligung der Leis-tung(en) die einzige Möglichkeit der Förderung der Beschäftigungsaufnahme darstellt (vgl zum gleichlautenden Erforderlichkeitsbegriff in § 53 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung – aF - BSG, Urteil vom 4. März 2009 – B 11 AL 50/07 R = SozR 4-4300 § 53 Nr 2 Rn 15 mwN; BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 – B 7/7a AL 26/07 R = SozR 4-4300 § 53 Nr 3 Rn 16 mwN). Auch dies ist nach den obigen Aus-führungen nicht der Fall.

Schließlich scheidet eine Förderung auch nach den Sondervorschriften für behinderte Menschen aus. Der Kläger ist kein behinderter bzw von Behinderung bedrohter Mensch iSv § 19 SGB III und auch nicht iSv § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Rehabili-tation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen- (SGB IX). Die Übernahme der Kosten für die Erlangung einer Fahrerlaubnis iSv § 8 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) kommt daher von vornherein nicht in Betracht, weil im Rahmen der Eingliederungshilfe solche Leistungen nur für behinderte Menschen vorgesehen sind, um ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern (vgl § 49 Abs. 1, Abs. 3 Nrn 1 und 7, Abs. 8 Satz 1 Nr 1 SGB IX). Daran fehlt es hier. Weder für einen konkreten Arbeitsplatz noch für den Weg zu einem Arbeitsplatz wäre im Übrigen ersichtlich, dass der Kläger ein Kfz benötigte und nur die begehrte Förderung die dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben sichern würde. Auch eine Förderung über § 83 Abs. 1 Nr. 2 iVm Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB IX scheidet aus, weil der Kläger nicht behindert ist und zudem die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne Einschränkungen möglich und zumutbar ist (vgl § 83 Abs. 2 SGB IX).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved