S 14 AL 632/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 632/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 47/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen, die der Beklagten mit der Maßgabe, dass die Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erfolgen hat. 2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zur Hälfte. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Gründungszuschuss des Klägers.

Der am 5. März 1982 geborene Kläger kündigte am 29. September 2015 sein Arbeitsverhältnis bei der H. GmbH zum 31. Dezember 2015. Als Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gab er die Gründung eines eigenen Emissionshauses zur Auflage von Immobilienfonds an. Es sei nicht möglich gewesen, das Beschäftigungsverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt zu beenden, da eine dreimonatige Kündigungsfrist bestanden habe und die Gründung im ersten Quartal 2016 geplant sei. Am 5. Januar 2016 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld und am 25. Januar 2016 die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Er werde die selbstständige Tätigkeit zum 1. April 2016 aufnehmen.

Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 10. März 2016 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5. Januar 2016 bis zum 23. Dezember 2016 bewilligt. Für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 24. März 2016 wurde eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe festgestellt. Auf die Anhörung zu einer verspäteten Arbeitslosmeldung teilte der Kläger mit, dass er mündlich bereits mit dem Geschäftsführer einer neuen Firma einig gewesen sei, die Verhandlungen aber letztlich Mitte Dezember 2015 gescheitert seien. Mit Änderungsbescheid vom 23. März 2016 wurde eine weitere Sperrzeit vom 25. März 2016 bis zum 31. März 2016 festgestellt.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2016 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen aufgrund eigener Abmeldung aus dem Leistungsbezug zum 1. April 2016 auf. Mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2016 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 1. April 2016 bewilligt. Mit Aufhebungsbescheid vom 24. Mai 2016 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. Juni 2016 aufgehoben. Der Kläger bat mit E-Mail vom 31. Mai 2016 im Hinblick auf den Aufhebungsbescheid vom 1. Juni 2016, den Starttermin nochmals bis zum 1. Juli 2016 zu verschieben. Er habe noch keine Rückmeldung von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) bekommen. Mit Änderungsbescheid vom 2. Juni 2014 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld ab 31. Mai 2016 bewilligt. Mit Aufhebungsbescheid vom 24. Juni 2016 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 2016 aufgehoben. Der Kläger teilte der Beklagten mit E-Mail vom 3. Juli 2016 mit, dass eine Antwort der BaFin noch nicht erfolgt sei. Da schon Juli sei, möchte er nochmals bitten, den am 24. Juni 2016 erhaltenen Aufhebungsbescheid zum Erhalt von Arbeitslosengeld ab 1. Juli 2016 zu korrigieren. Er würde pauschal den 1. August 2016 als Start eintragen, ob das so in Ordnung sei. Ein operativer Start sei auch nicht möglich, da Finanzamt, Industrie- und Handelskammer (IHK) usw. noch folgen müssten. Auf Hinweis der Beklagten beantragte der Kläger am 3. Juli 2016 erneut Arbeitslosengeld. Er übe keine Tätigkeit als Selbstständiger aus. Im Rahmen dieses Antrags auf Arbeitslosengeld teilte der Kläger mit, dass er als Fondsmanager tätig gewesen sei und aufgrund der Marktlage beschlossen habe, sich selbstständig zu machen. Derzeit befinde er sich in der Gründungsphase. Mit Bescheid vom 15. Juli 2016 wurde dem Kläger erneut Arbeitslosengeld ab dem 4. Juli 2016 mit einer Restanspruchsdauer von 173 Tagen gewährt. Der Kläger teilte die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zum 1. August 2016 mit. Mit E-Mail vom 19. Juli 2016 gab der Kläger an, dass nun das finale Schreiben der BaFin eingetroffen sei und die Firma diese Woche auch registriert worden sei. Derzeit fänden nun die finalen Arbeiten und Behördengänge statt, um zum 1. August 2016 starten zu können. Mit Bescheid vom 25. Juli 2016 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2016 auf.

Mit Bescheid vom 11. August 2016 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Zum Zeitpunkt der Existenzgründung am 1. August 2016 habe der Kläger nicht mehr über die notwendigen 150 Kalendertage Restanspruch auf Arbeitslosengeld verfügt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 31. August 2016 Widerspruch ein. Herr F., der zuständige Mitarbeiter bei der Beklagten, habe ihn nicht gewarnt, dass der 1. August 2016 nicht als Gründungstermin gehe. Der Tag sei nur der Einfachheit halber gewählt worden. Alle Voraussetzungen hätten aber auch schon am 14. Juli 2016 bzw. spätestens mit Eintragung der Firma in das Handelsregister am 18. Juli 2016 vorgelegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 1. August 2016 nur noch über eine Restanspruchsdauer von 145 Tagen verfügt. Der Einwand des Klägers, ihm sei die Gewährung eines Gründungszuschusses zugesagt worden, rechtfertige keine andere Entscheidung. Eine schriftliche Zusage sei nicht erfolgt.

Der Kläger stellte am 21. September 2016 einen Überprüfungsantrag hinsichtlich der Ablehnung des Gründungszuschusses vom 11. August 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. September 2016. Der Kläger habe seine selbstständige Tätigkeit bereits zum 14. Juli 2016 aufgenommen. Er habe sein Gewerbe am 18. Juli 2016 bereits für den 14. Juli 2016 angemeldet. Auch das Negativtestat der BaFin habe bereits vor dem 14. Juli 2016 vorgelegen. Mit Wirkung zum 1. April 2016 habe der Kläger einen Business-Service-Vertrag abgeschlossen. Ab Januar 2016 seien Gespräche und Verhandlungen mit Maklern über potentielle Immobilienobjekte geführt worden. Auch eine Gewerbehaftpflichtversicherung habe der Kläger mit Beginn zum 1. Mai 2016 abgeschlossen. Im Mai und Juni 2016 habe der Kläger mit der K.AG die wesentlichen Bedingungen der Kooperation bei Geschäften, die nach KAGB und KWG erlaubnispflichtig seien, ausgehandelt. Bei Einreichung des schriftlichen Antrags auf Gewährung eines Gründungszuschusses am 26. Juli 2016 habe der Kläger den Rahmen schlichter Vorbereitungshandlungen für seine Existenzgründung bereits weit verlassen gehabt und sei bereits nach außen erkennbar unmittelbar unternehmerisch im Geschäftsverkehr aufgetreten. Der Kläger habe in seinen E-Mails vom 3. und 19. Juli 2016 angegeben, dass er als Datum der Tätigkeitsaufnahme den 1. August 2016 angeben wolle und erfragt, ob "das so in Ordnung sei". Der Bearbeiter Herr F. habe lediglich mitgeteilt, dass neben dem Antragsformular für den Gründungszuschuss keine weiteren Unterlagen erforderlich seien. Ein Hinweis, dass bei einer Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zum 1. August 2016 die Restanspruchsdauer nicht erfüllt wäre, sei nicht erfolgt. Die mündliche Zusage, dass ein Gründungszuschuss bewilligt werde, begründe eine Ermessenreduktion auf Null. Der Bearbeiter F. habe auch mitgeteilt, dass er den Gründungszuschuss eigentlich schon bewilligt habe, als dem Teamleiter der nicht mehr ausreichende Restanspruch aufgefallen sei.

Die Beklagte forderte den Kläger am 7. Oktober 2016 auf, eine detaillierte Aufstellung aller seit Januar 2016 durchgeführten Tätigkeiten im Bereich des angemeldeten Gewerbes einzureichen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 mit, dass er im Januar, Februar und in den Monaten April bis Juni 2016 diverse Immobilienangebote erhalten, geprüft, verifiziert und die jeweiligen Makler kontaktiert habe. Dabei habe es sich um gut 40 Objektangebote gehandelt. Am 4. Mai 2016 habe der Kläger einen Business-Mobilvertrag für seine Geschäftstätigkeit abgeschlossen und fotografische Dienstleistungen beauftragt. Jedenfalls zum 14. Juli 2016 habe der Kläger die Geschäftstätigkeit aufgenommen. In der beigefügten Übersicht der durchgeführten Tätigkeiten sind für den 14. Juli 2016 die Eintragung ins Handelsregister, für den 18. Juli 2016 die Gewerbeanmeldung und ein Termin mit der K.AG, für den 27. Juli 2016 ein Termin mit Herrn P. der V. GmbH & Co KG für die Fondsplanung/Strategie/Vertriebswege und für den gleichen Tag eine Telefonkonferenz mit Frau S. über die Abstimmung einer Pressemitteilung vermerkt.

Der Kläger hat am 7. Oktober 2016 Klage erhoben. Die Klagebegründung entspricht seiner Begründung des Überprüfungsantrags. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Kläger weiter vorgetragen, dass er seine selbstständige Tätigkeit erst nach Vorlage einer Negativbescheinigung der BaFin hinsichtlich der Erlaubnispflicht habe aufnehmen dürfen. Diese Bestätigung habe er nach einem Telefonat mit einem dortigen Mitarbeiter per E-Mail Mitte Juni 2016 erhalten. Daraufhin habe er dann das Notariat beauftragt, den Handelsregistereintrag zu beantragen. Der Antrag sei von Frau Dr. Sch: am 22. Juni 2016 gestellt worden. Die tatsächliche Eintragung habe sich dann noch ca. weitere 4 Wochen verzögert, weil die schriftliche Bestätigung der BaFin erst am 5. Juli 2016 auf den Weg gebracht worden sei.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 17. Oktober 2018 den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2016 und den Widerspruchsbescheid vom 5. September 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich des gestellten Hilfsantrages begründet, im Übrigen sei sie unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss seien erfüllt. Dies gelte insbesondere für die Voraussetzung des § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Denn der Kläger habe bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage betragen habe. Als maßgeblicher Zeitpunkt sei hier nämlich nicht die offizielle Geschäftseröffnung am 1. August 2016 anzusehen, sondern bereits die Vorbereitungshandlungen, deren Abschluss mit dem Antrag auf Eintragung in das Handelsregister am 22. Juni 2016 vorgelegen habe. Vorbereitungshandlungen seien dann als Aufnahme der dazugehörenden selbstständigen Tätigkeit anzusehen, wenn sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalteten und nach dem zu Grunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet seien. Dabei müsse es für die Prüfung der Restanspruchsdauer genügen, wenn zu dem Zeitpunkt, an dem die Vorbereitungshandlungen abgeschlossen seien, d. h. alles für die Existenzgründung erforderliche getan sei, noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für mindestens 150 Tage bestehe (unter Hinweis auf LSG Hamburg, Urteil vom 3. Februar 2016 – L 2 AL 23/15). Dieser sogenannte point of no return sei für den Kläger mit dem Antrag auf Eintragung in das Handelsregister vom 22. Juni 2016 erreicht gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er die erforderliche Restanspruchsdauer von mindestens 150 Tagen noch gehabt. Die weitergehende Klage sei dagegen unbegründet. Für eine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinn, dass nur eine Bewilligung des Zuschusses ermessensfehlerfrei wäre, gäbe es keine Anhaltspunkte. Die positive Entscheidungsvorlage des Sachbearbeiters F. sei ein Verwaltungsinternum geblieben und aufgrund der Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 SGB III habe die Beklagte bislang überhaupt kein Ermessen ausgeübt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 16. November 2018 zugestellte Urteil am 16. November 2018 Berufung eingelegt, der Kläger am 18. Dezember 2018 gegen das ihm am 19. November 2018 zugestellte Urteil.

Die Beklagte trägt vor, dass nach der Rechtsprechung des BSG nur Vorbereitungshandlungen im Umfang von mindestens 15 Wochenstunden zu berücksichtigen seien. Der Kläger habe aber in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 3. Juli 2016 die Ausübung einer Tätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger verneint. Der Kläger sei in dem Merkblatt darauf hingewiesen worden, dass er jede Nebentätigkeit sofort unaufgefordert der Beklagten melden müsse. Der Kläger habe vor dem 1. August 2016 weder die Aufnahme einer Beschäftigung noch einer Nebentätigkeit angezeigt. Daher sei der Beklagten auch kein Ermessen eröffnet, da schon die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Oktober 2018 teilweise aufzuheben und die Klage ganz abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Oktober 2018 teilweise aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 11. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. September 2016 die Beklage zu verurteilen, dem Kläger den beantragten Gründungszuschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, dass er seit dem 14. Juli 2016 nach außen für den Geschäftsverkehr erkennbar für die von ihm angestrebte selbstständige Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von 15 Stunden oder mehr pro Woche tätig gewesen sei. Seit dem 14. Juli 2016 habe sich seine Arbeitstätigkeit auf etwa 4 bis 7 Stunden täglich verdichtet. Die Angabe des Datums 1. August 2016 als formellen Geschäftsbeginn habe der Kläger mit seinem zuständigen Sachbearbeiter ausdrücklich abgestimmt gehabt. Dass die Ausübung qualifizierter geschäftsgerichteter Vorbereitungstätigkeiten mit Außenwirkung in einem Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich zu einer vorzeitigen tatsächlichen Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit und damit grundsätzlich zu einer Anzeige- und Meldeverpflichtung führen würde, sei für den Kläger vor diesem Hintergrund in keiner Weise erkennbar gewesen. Vielmehr habe diese Vorgehensweise ja gerade dem eigens mit dem Mitarbeiter der Beklagten erläuterten und besprochenen Vorgehen entsprochen. Nach der hier vorzunehmenden Parallelwertung in der Laienssphäre habe der juristisch nicht geschulte Kläger aufgrund der äußeren Gesamtumstände davon ausgehen dürfen, in Bezug auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit allen Anzeige- und Meldepflichten nachgekommen zu sein. Am 18. Juli 2016 sei ein umfangreicher persönlicher Besprechungstermin mit der Firma X. erfolgt. Für die Vor- und Nachbereitung des Termins und Abstimmung der Kostenstruktur der Kooperationsvereinbarung habe der Kläger an mehreren Tagen arbeitstäglich etwa bis zu einer halben Stunde aufgewandt. An der Gestaltung und Weiterentwicklung unterschiedlicher Excel-Tools zu Einzelobjekten, Fondsplanung und Hochrechnung/Objektkalkulation sowie für die Pflege einer Datenbank zur Stadtentwicklung, Population und Einkommensverteilung habe der Kläger regelmäßig arbeitstäglich zwischen einer halben und zwei Stunden gearbeitet. Für konkrete Kalkulation und Nachjustierung der Bewertung und Darstellung von Immobilienobjekten habe der Kläger regelmäßig zwischen einer halben und einer Stunde Arbeit aufgewandt, wie auch für die Vorbereitung der Inhalte für die deutsche wie auch die englischsprachige Website. Mit Market Research, also laufender Marktbeobachtung, -ermittlung und -analyse in Online- und Printmedien, wie etwa Immobilien Zeitung, Property Magazine, Deutsche Pensions- und Investment Nachrichten, Deal-Magazin usw. habe der Kläger etwa eine halbe Stunde täglich verbracht. Bis zu zwei Stunden täglich seien an Telefonaten, für deren Vor- und Nachbereitung sowie für allgemeine Bürotätigkeiten angefallen. Am 27. Juli 2016 habe der Kläger ein umfangreiches Geschäftsanbahnungsgespräch zu Fondsplanung, Strategie und Vertriebswegen mit Herrn P., dem Geschäftsführer der P. V. GmbH & Co. KG, geführt. Ebenfalls am 27. Juli 2016 habe der Kläger schließlich ein abschließendes Abstimmungsgespräch mit seiner PR-Beratungs- und Marketingagentur geführt, um dem Markteintritt seines Unternehmens umfassend medial publik zu machen. In seiner E-Mail vom 19. Juli 2016 habe der Kläger dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten auch mitgeteilt, dass nun die finalen Arbeiten und Behördengänge stattfänden. Die Beklagte hätte den Kläger auf diesen Umstand und die Folgen für Anzeige- und Meldeverpflichtung sowie Arbeitslosengeldberechtigung hinweisen müssen, so dass sie sich nicht auf Versäumnisse des Klägers berufen könne. Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, dass das Ermessen auf Null reduziert gewesen sei. Da sein Gründungsvorhaben tragfähig, er zur Ausübung geeignet gewesen sei und keine Versagungsgründe vorgelegen hätten, stelle sich jede anderweitige Entscheidung als ermessenfehlerhaft dar. Die Bundesagentur für Arbeit habe im Gesetzgebungsverfahren selbst festgehalten, dass der Gründungszuschuss in der ersten Phase einen Quasi-Pflichtleistungscharakter habe (BT-Ausschussdrucks. 17(11) 594, S. 60). Die positive Entscheidungsvorlage des Herrn F. sei auch kein Verwaltungsinternum geblieben, da diese dem Kläger außenwirksam per E-Mail am 14. September 2016 mitgeteilt worden sei. Diese Umstände würden ermessenslenkend wirken.

Die Beklagte erwidert hierauf, dass sie die Angaben des Bevollmächtigten des Klägers über einen mehr als kurzzeitigen Umfang von Vorbereitungsarbeiten des Klägers vor dem 1. August 2016 für verfahrensangepasst und letztlich aus diesem Grund für unglaubhaft halte. Bei den meisten von dem Kläger behaupteten Tätigkeiten vor dem 1. August 2016 sei eine Außenwirkung für die Beklagte auch nicht erkennbar. Bei den Tätigkeiten Gestaltung und Weiterentwicklung unterschiedlicher Excel-Tools, Pflege einer Datenbank zu Stadtentwicklung, Population und Einkommensverteilung und Vorbereitung der Inhalte für die deutsche als auch englischsprachige Website könne die Beklagte darüber hinaus auch keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers als Emissionshaus für Immobilienfonds herstellen, wie er sie in seinem mit dem Antrag auf den Gründungszuschuss vorgelegten Businessplan beschrieben habe.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 25. September 2019 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten und des Klägers sind statthaft (§§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt. Die Berufungen sind jedoch beide unbegründet. Im Wege des Maßgabetenors war jedoch klarzustellen, dass die Beklagte den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden hat. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, da der Kläger seine selbstständige Tätigkeit bereits am 14. Juli 2016 aufgenommen hat, als er noch über mehr als 150 Tage Restanspruch auf Arbeitslosengeld verfügte. Nach § 93 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.

Am 14. Juli 2016 hatte der Kläger noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit einer Dauer von mehr als 150 Tagen. Die Vorschrift verweist mit der Tatbestandsvoraussetzung "Beendigung der Arbeitslosigkeit" auf die Regelung des § 138 Abs. 3 SGB III (BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 13/16 R). Nach § 138 Abs. 3 SGB III wird die Beschäftigungslosigkeit und damit die Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beendet, wenn diese Tätigkeit 15 Stunden und mehr wöchentlich ausgeübt wird. Eine selbstständige Tätigkeit wird in dem Zeitpunkt aufgenommen, in dem der Existenzgründer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlungen mit Außenwirkung vornimmt (BSG, a.a.O.). Eine Beschäftigung übt danach aus, wer mit seiner Tätigkeit zumindest dazu ansetzt und dessen Tätigkeit darauf gerichtet ist, entweder eine objektiv bestehende Haupt- oder eine Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen. Als Beschäftigter handelt auch eine Person, die objektiv nicht geschuldete Handlungen vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern sie nach den besonderen Umständen der Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen darf, sie treffe eine solche Pflicht (BSG, a.a.O.).

Die eigentliche Geschäftstätigkeit hatte der Kläger am 14. Juli 2016 noch nicht aufgenommen. Es ist nicht ersichtlich, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits geschäftlich mit Anlegern in Kontakt getreten war und Investitionen vorgenommen hat. Die Gewerbeanmeldung am 18. Juli 2016 und die Eintragung ins Handelsregister begründeten ebenfalls noch nicht die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit. Dies sind lediglich vorbereitende Schritte, die je nach Art der Existenzgründung erfüllt sein müssen, um eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen zu können (vgl. BSG, a.a.O.). Diese Einschätzung deckt sich auch mit der des Klägers, der in seiner E-Mail vom 19. Juli 2016 an die Beklagte mitteilte, dass nunmehr die finalen Arbeiten stattfänden, um zum 1. August 2016 starten zu können.

Der Kläger hat aber bereits seit dem 14. Juli 2016 Vorbereitungshandlungen in einem Umfang vorgenommen, dass dies die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit begründet. Vorbereitungshandlungen sind als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen, wenn sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG, a.a.O.). Allerdings ist auch insoweit zu beachten, dass § 93 Abs. 1 SGB III voraussetzt, dass "durch die Aufnahme" der Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet sein muss. Das bedeutet, dass die Vornahme von Vorbereitungshandlungen nur dann als "Aufnahme" der selbstständigen Tätigkeit anzusehen ist, wenn sie den nach § 138 Abs. 3 SGB III zu fordernden zeitlichen Umfang erreicht. Die Beendigung der Arbeitslosigkeit tritt durch vorbereitende Handlungen der Existenzgründung nur ein, wenn der Gründer für die angestrebte selbstständige Tätigkeit bereits in einem zeitlichen Umfang tätig ist, die ihn 15 Stunden oder mehr pro Woche in Anspruch nimmt. Eine Vorbereitungshandlung in diesem Umfang wird allerdings nicht verrichtet, wenn ein Gründer mit zeitlichem Abstand nach und nach die Voraussetzungen dafür schafft, zu einem späteren Zeitpunkt eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen zu können.

Die vom Kläger vorgetragenen Tätigkeiten seit dem 14. Juli 2016 sind als Vorbereitungshandlungen zu werten, da sie überwiegend Außenwirkung im Geschäftsverkehr gehabt haben und auch ernsthaft auf die spätere Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gerichtet waren. Die Eintragungen ins Handels- und Gewerberegister dürften zwar kaum einen zeitlichen Aufwand seit dem 14. Juli 2016 dargestellt haben. Der Kläger hat aber durchgehend davon berichtet, im Juli Gespräche mit der K.AG und der V. GmbH & Co KG sowie ein Telefongespräch wegen einer Pressemitteilung geführt zu haben. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass diese Gespräche einer gewissen Vor- und Nachbereitung bedurft haben. Ebenso hält es der Senat für überzeugend, dass der Kläger umfangreiche Zeiten für Marktanalyse und die entsprechende Auswertung aufgebracht hat. Damit hat der Kläger mehr als 15 Stunden wöchentlich für die Vorbereitung seiner selbständigen Tätigkeit aufgewandt. Warum der Kläger dies nicht in seinem letzten Antrag auf Arbeitslosengeld entsprechend angegeben hat, war nicht in diesem Verfahren zu klären.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB III liegen vor. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Gründungszuschuss.

Die Berufung des Klägers ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Gründungszuschusses, da kein Fall einer Reduzierung des in § 93 Abs. 1 und 2 SGB III eingeräumten Ermessens auf Null vorliegt. Die Voraussetzungen einer Reduzierung des Ermessens dahingehend, dass jede andere Entscheidung als die Bewilligung des begehrten Gründungszuschusses ermessensfehlerhaft gewesen wäre, lagen nicht vor. Auf den Anspruch nach § 93 SGB III übertragen bedeutet dies, dass eine Ermessensreduzierung in der Regel nur dann angenommen werden kann, wenn eine Selbstbindung im Einzelfall entweder durch eine entsprechende mündliche Zusage eingetreten ist oder wenn es sich bei der von dem Kläger aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit um die einzige Maßnahme handelt, mit der eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung erreicht werden könnte (LSG Hamburg, Urteil vom 29. Juni 2016 – L 2 AL 57/15, juris). Der Kläger beruft sich im Berufungsverfahren im Wesentlichen auf eine E-Mail von Herrn F. vom 14. September 2016. Aus dieser E-Mail geht jedoch hervor, dass Herr F. eine Bewilligung gerade nicht allein entscheiden kann, sondern der Zustimmung des Fachbereichs und ggfs. seines Teamleiters bedarf. Entsprechend spricht der Kläger selbst von einer Entscheidungsvorlage. Zudem ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit um die einzige Maßnahme handelte, mit der eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung erreicht werden konnte. Der Kläger war bereits zuvor im Angestelltenverhältnis tätig und es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ihm dies nicht erneut gelungen wäre. Insbesondere sind von ihm keine anderweitigen Bewerbungsbemühungen vorgetragen worden. Vielmehr hat der Kläger die Kündigung seines vorhergehenden Beschäftigungsverhältnisses damit begründet, dass er sich aufgrund der günstigen Markverhältnisse habe selbstständig machen wollen. Der Kläger war bereits vor seiner Arbeitslosigkeit und vor Stellung des Antrags auf Gründungszuschuss auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit festgelegt, ein Vertrauenstatbestand mit der Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Gewährung eines Gründungszuschusses kann daher nicht angenommen werden. Dennoch verkennt der Senat nicht, dass dem Kläger offenbar wiederholt über mehrere Monate die Gewährung eines Gründungszuschusses zumindest als möglich dargestellt worden ist. Eine Ablehnung unter Heranziehung von Ermessensgründen, die erkennbar bereits bei Eintritt der Arbeitslosigkeit vorlagen, wäre daher nicht mehr ermessengemäß.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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