S 17 KA 345/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KA 345/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2001 verurteilt, die abgesetzten Nrn. 9301 bis 9310 des Diabetes-Vertrages abzurechnen und zu vergüten. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über sachlich-rechnerische Berichtigungen im Quartal 111/00.

Die Kläger sind als Internisten in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und haben die Genehmigung als Diabetologische Schwerpunktpraxis (DSP) nach dem Diabetes-Vertrag zur Verbesserung der Qualität der ambulanten Versorgung von Diabetikern durch Intensivierung der interdisziplinären Kooperation von Vertragsärzten (Diabetes-Vertrag), der zwischen der Beklagten und den nordrheinischen Krankenkassen sowie den Ersatzkassenverbänden und der Bundesknappschaft abgeschlossen wurde. Durch Bescheid vom 16.02.2001 wurden von der Beklagten für das Quartal lll/OO Leistungen nach den Nrn. 9301 bis 9310 des Diabetes-Vertrages bei Patienten mit Diabetes Typ-Il gestrichen. Die Beklagte legte dar, dass bei der Überprüfung der Abrechnung festgestellt worden sei, dass die Leistungen nach den Nrn. 9301 bis 9310 auch auf Überweisung von nicht diabetologisch geschulten Hausärzten (DHA) abgerechnet worden seien. Liege eine entsprechende Indikation des Diabetes-Vertrages vor, sollten Diabetiker nur auf Überweisungsschein von der Schwerpunktpraxis mitbehandelt werden. Daher seien Leistungen auf Überweisung von nicht hausärztlichen Diabetologen gestrichen worden.

Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Sie trugen vor, dass eine Schwachstelle des Diabetes-Vertrages darin liege, dass sich bisher nicht genügend Hausärzte zum DHA qualifiziert hätten. Bisher seien die Überweisungen von Nicht-DHA toleriert worden. Seit Mitte letzten Jahres sei eine Änderung der Überweisungspraxis angekündigt worden, dahingehend, dass künftig nur noch Patienten von DHA an die Schwerpunktpraxis überwiesen werden dürften. Eine Bedingung sei jedoch immer gewesen, dass dies erst dann geändert werde, wenn sich genügend Hausärzte qualifiziert hätten. Das einseitige Verbot der Beklagten sei nicht durch die rechtliche und tatsächliche Situation gedeckt. Sie könnten überhaupt nicht kontrollieren, ob ein Hausarzt als DHA qualifiziert sei oder nicht. Weder aus dem Praxisstempel noch aus einer anderen verbindlichen Verlautbarung der Beklagten gehe dies zweifelfrei hervor. Es gebe zwar eine Liste, diese sei aber lückenhaft und teilweise falsch. Die Mitteilung, dass die Überweisung von DHA nunmehr zwingend sei, hätten sie zudem erst am Quartalsende in der Weihnachtszeit 2000 telefonisch erhalten, so dass sie dem beim besten Willen nicht entgegen wirken konnten. Die Kläger haben ferner 4 Fälle von Schwangeschaftsdiabetes benannt, in denen die-Patientinnen von Gynäkologen überwiesen wurden sowie (mehrere Fälle, in denen nach ihrer Auffassung Überweisungen von DHA Vorlagen.

Durch Bescheid der Beklagten vom 13.06.2001 wurde dem Widerspruch der Kläger teilweise abgeholfen. Einige Fälle, in denen Überweisungen von DHA Vorlagen und die Fälle der Überweisungen von Gynäkologen wurden abgerechnet und 7450,- DM zurückerstattet.

Durch Widerspruchsbescheid vom 25.09.2001 wurde der Widerspruch der Kläger im Übrigen zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 24.10.2001 eingegangene Klage. Die Kläger haben im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Sie seien in sämtlichen Fällen mit Ausnahme der Typ-I-Diabetiker auf Überweisung tätig geworden. Damit seien die Voraussetzungen der Vergütung nach dem Diabetes-Vertrag erfüllt. § 4 Abs. 3 Diabetes-Vertrag sei eine Soll-Vorschrift - die Überweisung müsse nicht von DHA erfolgen. Bis zum Quartal 111/00 seien keine Streichungen in diesen Fällen erfolgt. Die Listen, die mittlerweile die DHA aufführen und von der Beklagten zur Verfügung gestellt wurden, hätten im Quartal 111/00 noch nicht Vorgelegen. Von daher bestehe zumindest für das Quartal 111/00 Vertrauensschutz.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2001 zu verurteilen, die abgesetzten Leistungen nach den Nrn. 9301 bis 9310 des Diabetes-Vertrages abzurechnen und zu vergüten,hilfsweise die Vergütung in den gestrichenen Fällen nach EBM abzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen dargelegt, dass sie die diabetologischen Schwerpunktpraxen aufgrund der Einigkeit zwischen den Vertragspartnern mit der Veröffentlichung in KVNo-aktuell 7/99 darüber informiert habe, dass sie bis zum 30.09.1999 die Möglichkeit erhalten, die Leistungen nach den Ziffern 9303 und 9306 bis 9310 des.Diabetes-Vertrages durchzuführen und abzurechnen, ohne dass die ansonsten vorgeschriebene Überweisung vom DHA gefordert werde. Eine Ausnahme sei lediglich für den Typ I-Diabetiker und für die Gestations-Diabetikerin vereinbart worden. Die Vertragspartner seien sich stets einig darüber gewesen, dass zur Behandlung von Diabetikern in der DSP eine Überweisung vom DHA erforderlich sei. Dies entspreche bereits der Philosophie des Diabetes-Vertrages und sei durch die Bezeichnung "Vertrag zur Intensivierung der interdisziplinären Kooperation von Vertragsärzten in der ambulanten Versorgung von Diabetikern" deutlich geworden. Die diabetologisch tätigen Ärzte seien umfassend durch zahlreiche Informationsveranstaltungen, die jeweils in der KVNo-aktuell angekündigt worden seien, über die Einzelheiten der Vertragsvereinbarungen in Kenntnis gesetzt worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 16.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2001 ist rechtswidrig und beschwert die Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Beklagte hat die Leistungen nach den Ziffern 9303 bis 9310 Diabetes-Vertrag, die nicht auf Überweisung von DHA erfolgten, zu Unrecht gestrichen.

Ein Vergütungsausschluss für Leistungen einer Schwerpunktpraxis, die auf Überweisung von Hausärzten, die nicht DHA sind, erfolgen, lässt sich aus dem Diabetes-Vertrag nicht ableiten. Der Diabetes-Vertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit normativer Wirkung, ein sogenannter Normvertrag mit rechtlicher Wirkung gegenüber Dritten. Bei der Auslegung von Normverträgen kommt es nicht auf den subjektiven Willen der Vertragspartner an, sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung (BSG-Urteil vom 03.03.1999 - B 6 KA 18/98 R -). Bei allgemeinen Regelungen in Normverträgen können außer der Wortlautauslegung auch eine systematische, teleologische und entstehungsgeschichtliche Auslegung in Betracht kommen (BSG a.a.O.). Für die Auslegung von Vergütungsregelungen gelten aber dieselben Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Auslegung von Gebührentatbeständen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) entwickelt hat. Hier wie dort ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Vertragspartner den Wortlaut dieser Tatbestände im Wege des Ausgleichs ihrer unterschiedlichen Standpunkte und Interessen vereinbart haben und dass es vorrangig ihre Sache ist, einen unklaren oder in der Praxis missverstandenen Wortlaut zu ändern oder zu präzisieren. Dementsprechend haben sich die Gerichte in erster Linie an den Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen zu halten (LSG NRW Urteil vom 03.09.2003 - L 11 KA 277/01).

Die Leistungslegenden der Nrn. 9301 bis 9310 des Diabetes-Vertrages enthaltenen keinen Leistungsausschluss für den Fall der fehlenden Überweisung von DHA. Aber auch aus § 4 Abs. 3 Diabetes-Vertrag lässt sich ein Vergütungsausschluss nicht ableiten. Danach sollen bei entsprechender Indikation alle Diabetiker nur auf Überweisungsschein von der Schwerpunktpraxis mitbehandelt werden. Der Typ-I-Diabetiker kann auf direktem Wege die Schwerpunktpraxis in Anspruch nehmen. Im Zusammenhang mit § 4 Abs. 4 Diabetes-Vertrag der die Rücküberweisung an den DHA regelt, lässt sich § 4 Abs. 3 Diabetes-Vertrag zwar entnehmen, dass mit Überweisung die Überweisung des DHA gemeint ist; jedoch bedeutet diese Regelung keinen Vergütungsausschluss. Vergütungsausschlüsse müssen eindeutig geregelt werden. Die Soll-Vorschrift des § 4 Abs. 3 Diabetes-Vertrag ist keine zwingende Regelung, die mit dem Wort "müssen" gekennzeichnet wird, sondern bedeutet, dass in Ausnahmefällen die Überweisung von Nicht-DHA möglich ist. Darüberhinaus ist in § 2 Abs. 2 c Diabetes-Vertrag ein Vergütungsausschluss unmissverständlich geregelt. Danach werden die Leistungen nach dem Diabetes-Vertrag nur vergütet, wenn DHA und DSP die entsprechenden Daten pro i Quartal vollständig an eine bestimmte Firma weiter leiten. Da die Vertragspartner hier ausdrücklich einen Vergütungsausschluss vereinbart haben, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass ein Vergütungsausschluss für die Soll-Vorschrift des § 4 Abs. 3 Diabetes-Vertrag gerade nicht vorgesehen ist.

Eine ergänzende Vereinbarung der Vertragspartner nach § 3 Abs. 3 Diabetes-Vertrag, wonach die Vertragspartner Auslegungsfragen zum Vertragsinhalt einvernehmlich klären, liegt nicht vor. Eine Veröffentlichung der Beklagten in der KVNo-aktuell zu Vergütungsregelungen kann zwar Vertrauensschutz begründen, ist aber nicht geeignet, Normverträge verbindlich für die Vertragsärzte auszulegen.

Die Kammer ist zwar der Auffassung, dass ein Vergütungsausschluss im Wortlaut des Diabetes-Vertrages eindeutig geregelt sein müsste, eine Auslegung nach Sinn und Zweck des Diabetes-Vertrages würde aber nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die im Diabetes-Vertrag vereinbarte besondere Vergütung außerhalb des EBM wird den DSP dafür gewährt, dass sie hohe Qualitätsanforderungen erfüllen müssen und u.a. verpflichtet sind, anhand von Dokumentationsdaten quartalsweise die Erfüllung und Einhaltung von Qualitätskriterien nachzuweisen. Diese hohe Qualität bietet die DSP auch im Falle der Überweisung durch einen Hausarzt, der nicht DHA ist. Es ist ferner auch sinnvoll, dass § 4 Abs. 3 Diabetes-Vertrag nur als Soll-Vorschrift formuliert ist und keinen Vergütungsausschluss beinhaltet. Für die Ärzte der Schwerpunktpraxen ist nicht erkennbar, welcher Hausarzt DHA ist und auch die Patienten sind hierüber nicht informiert. Voraussetzung für die Verhältnismäßigkeit eines Vergütungsausschlusses ist daher, dass einmal genügend DHA zur Verfügung stehen und zum anderen vollständige Listen der Beklagten geführt werden, in denen die DHA aufgeführt sind. Dies ist zumindest für das Quartal 111/00 noch nicht der Fall gewesen. Wenn die Vertragspartner es als sinnvoll ansehen, Leistungen von Schwerpunktpraxen nur dann zu vergüten, wenn eine Überweisung von DHA erfolgt, so müssen sie eine solche Regelung unmissverständlich im Diabetes-Vertrag treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der hier noch anzuwendenden bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung.
Rechtskraft
Aus
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