L 2 U 18/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 198/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 18/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er am 8. Juli 2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1956 geborene Kläger war zu jenem Zeitpunkt als Einzelunternehmer (Kaufmann mit dem angegebenen Schwerpunkt Unternehmensberatung) sowie Gesellschafter-Geschäftsführer mehrerer GmbHs mit laut Handelsregistereintragung vielfältigen Unternehmensgegenständen bei der Beklagten freiwillig gesetzlich unfallversichert.

Am Nachmittag des 8. Juli 2015 suchte der Kläger die Klinik auf und gab an, er sei auf dem Weg zu seinem Auto, um zu einem Termin zu fahren, über eine hochstehende Bodenplatte gestolpert und gestürzt. Die Durchgangsärzte Dr. diagnostizierten eine gering dislozierte diakondyläre Humerusfraktur links, eine Radiusköpfchenfraktur beidseits, eine Fraktur des Proc. coronoideus links, eine Schädelprellung, eine Knieprellung rechts sowie multiple Schürfwunden beidseits und erwarteten eine Arbeitsunfähigkeit bis 22. Juli 2015.

Weitere Angaben zum Unfallgeschehen machte der Kläger trotz Anforderungen und Erinnerungen durch die Beklagte zunächst nicht. Ebenso wenig erstattete er eine Unfallanzeige.

Die Beklagte lehnte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 8. Juli 2015 mit der Begründung ab, dass sie angesichts der fehlenden Mitwirkung des Klägers davon ausgehen müsse, dass sich der Unfall nicht im Zusammenhang mit der aufgrund der freiwilligen Unternehmerversicherung versicherten Tätigkeit ereignet habe (Bescheid vom 15. Oktober 2015).

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, dass er spazieren gegangen sei und hierbei einen Geschäftstermin – ein Gespräch auf demParkplatz in Sasel – ausgemacht habe. Auf dem Weg zu seinem Fahrzeug sei er dann gestolpert.

Mit weiterem Bescheid vom 17. Februar 2016 lehnte die Beklagte erneut Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Grundsätzlich sei das Zurücklegen von Wegen zum Ort der Tätigkeit versichert. Nicht versichert sei das Abweichen von dem unmittelbaren Weg für private eigenwirtschaftliche Zwecke. Der unmittelbare Weg vom Wohnsitz des Klägers zu dem Treffpunkt am Parkplatz in Sasel führe nicht am Unfallort vorbei. Der Aufenthalt dort falle nicht unter Versicherungsschutz. Es habe sich auch nicht um einen sogenannten dritten Ort gehandelt, weil der Kläger dort nur etwa 30 bis 45 Minuten und nicht mindestens zwei Stunden spazieren gegangen sei.

Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und gab an, der Unfall habe anlässlich eines Gesprächstermins mit dem Zeugen stattgefunden. Thema des Termins sei das Gelände gewesen und habe somit sämtliche Unternehmen betroffen.

Die Beklagte wies den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 15. Oktober 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 17. Februar 2016, der durch den Widerspruch mit angefochten" sei, mit dem Kläger am 13. Juni 2016 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2016 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13. Juli 2018 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben, welches diese nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2019 als unbegründet abgewiesen hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erwiesen sich als rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 8. Juli 2015 als Arbeitsunfall. Insbesondere fehle es gemäß § 8 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) an einer nachweisbaren versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt, da der Kläger offenbar einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen sei und auch keinen Nachweis darüber habe führen können, dass er tatsächlich zu einem Geschäftstermin habe fahren wollen. Aufgrund der immer wieder erinnerten, aber schließlich doch nicht eingereichten Klagebegründung bestünden nicht einmal konkrete Anhaltspunkte für eine versicherte Tätigkeit.

Gegen diesen, ihm am 29. Januar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die nach einem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision, dem die Beklagte nicht zugestimmt und den das Sozialgericht mit dem Kläger am 11. März 2019 zugestelltem Beschluss vom 27. Februar 2019 verworfen hat, am 3. April 2019 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt und darauf verweist, dass der berufliche Anlass sich bereits aus der Unfallanzeige ergebe und er diesbezüglich Zeugenbeweis angeboten habe. Auf Nachfrage des Gerichts konkretisiert der Kläger, dass er beim Gehen auch beruflich tätig gewesen sei, dass er den Anruf des Zeugen etwa fünf Minuten vor dem Unfall erhalten habe, woraufhin er zum Auto gelaufen und dabei gestolpert sei. Ohne diesen Anruf wäre er ruhig zum Auto gegangen und hätte sich dann überlegt, um welche der vielen Wiedervorlagen er sich gekümmert hätte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Januar 2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 15. Oktober 2015 und 17. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 9. Juni 2016 aufzuheben und festzustellen, dass er am 8. Juli 2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für schlüssig und nachvollziehbar.

Der erkennende Senat hat nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 16. August 2019 durch Beschluss vom 4. September 2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Am 6. November 2019 ist in der Sache mündlich verhandelt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 16. August und 6. November 2019, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass er am 8. Juli 2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (st. Rspr. des Bundessozialgerichts, vgl. nur Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, NJW 2018, 1203).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger erlitt am 8. Juli 2015 zwar eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte auch zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch als freiwillig versicherter Unternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger trotz seiner aufgrund der Folgen des Unfalls vom 7. März 2015 noch bestehenden Arbeitsunfähigkeit und der Versicherung, dass er währenddessen keinerlei beruflichen Tätigkeit nachgehe (siehe hierzu die Akten des mit dem hiesigen jeweils zeitgleich erörterten bzw. verhandelten Berufungsverfahrens L 2 U 28/19), am Unfalltag bereits eine versicherte Tätigkeit mit der Folge aufgenommen hatte, dass die Zurücklegung des Weges als Teil eines Betriebswegs grundsätzlich in Betracht kommen könnte (zum Begriff: Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Stand: Ergänzungslieferung 3/2017, § 8 Rn. 7.14 m.w.N.), oder noch nicht mit der Folge, dass ein so genannter Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zu prüfen wäre. Denn nach dem eigenen, im Berufungsverfahren präzisierten Vortrag des Klägers befand er sich zum Unfallzeitpunkt noch auf seinem Spaziergang und damit bei einer sogenannten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit. Er hatte diesen noch nicht beendet und auch nicht aufgrund des Anrufs abgebrochen, sondern hätte sich auch ohne diesen Anruf auf den Weg zum Auto gemacht, wenn möglicherweise auch in gemäßigterem Tempo. Sollte der Kläger bereits vor dem Spaziergang seine versicherte Tätigkeit aufgenommen haben, wäre diese unterbrochen worden und die Unterbrechung noch nicht beendet gewesen. Sollte er die versicherte Tätigkeit noch nicht aufgenommen haben, hätte er den Weg zur möglicherweise versicherten Tätigkeit noch nicht aufgenommen und sich im Übrigen nicht auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Ort der versicherten Tätigkeit befunden. Dass es sich bei dem Spaziergang selbst um eine versicherte Tätigkeit gehandelt haben könnte, erscheint abwegig, ist vom Kläger erst im Berufungsverfahren angedeutet worden, ohne substantiiert zu werden, widerspricht den früheren Angaben des Klägers und kann deshalb einer rechtlichen Bewertung nicht zu Grunde gelegt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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