S 9 RJ 200/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 9 RJ 200/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Geldleistungen.

Der bei der Klägerin versichert gewesene Q T1 bezog von der Kläge¬rin seit 1988 Altersruhegeld. Die laufende Rentenzahlung erfolgte durch Über¬weisung auf ein Konto des Berechtigten T1 bei der T2 E. Am 20.1.2000 verstarb T1. Die laufende Rentenzahlung konnte erst mit Ablauf des Monats Februar 2000 eingestellt werden, sodass eine Ge¬samtüberzahlung in Höhe von 2.361,38 DM entstanden ist. Durch das Postrenten¬dienstzentrum konnte ein Betrag in Höhe von 1.101,98 DM zurückgebucht werden. Außerdem erfolgte eine Rücküberweisung durch die D C in Höhe von 298,00 DM. Von der überzahlten Rente vermochte die Klägerin damit einen Rest-betrag von noch 961,40 DM nicht zurückzuerlangen. Nach dem Vortrag der Klägerin mit der Klageschrift konnte der Restbetrag von 961,40 DM der Klägerin nicht zurücküberwiesen werden, weil nach dem Tode von T1 noch eine Lastschrift der Beklagten über diesen Betrag als Miete für Februar 2000 abgebucht worden sei. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten hat die Tochter der Klägerin B K das Erbe für sich und ihre Kinder ausgeschlagen, von dieser forderte die Klägerin den Betrag, den sie jetzt von der Beklagten fordert, nicht.

Am 31.10.2000 hat die Klägerin gegen die Beklagte, eine städtische Wohnungs¬gesellschaft - Aktiengesellschaft, Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG erho¬ben, mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihr den Betrag in Höhe von 961,40 DM (= 491,56 Euro) zu erstatten.

Zur Begründung hat die Klägerin den Sachverhalt wiedergegeben und ihre Rechtsauffassung dargelegt. Sie hat zunächst geltend gemacht, dass nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tode des Be¬rechtigten auf ein Konto bei einem Postgiroamt oder einem anderen Geldinsti¬tut im Inland überwiesen worden seien, als unter Vorbehalt erbracht gelten würden. Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden seien, sei nach Abs. 4 Satz 1 der genannten Vor¬schrift die Person, die die Geldleistung in Empfang genommen hätten oder über den entsprechenden Betrag verfügt hätte, so dass dieser nicht nach Abs. 3 von ( dem Geldinsinstitut zurücküberwiesen werde, dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Die Fiktion des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI gelte nach der Rechtsprechung gegenüber allen Betei¬ligten. Dritte, die mittlerweile Geldleistungen in Empfang genommen hätten oder darüber verfügt hätten, seien zur Erstattung verpflichtet, § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Der Erstattungsanspruch der Klägerin bestehe daher gegenüber jedem Dritten, der entsprechende Geldleistungen tatsächlich in Empfang genom¬men habe. Passiv legitimiert seien nicht nur die Erben des Verstorbenen, son¬dern jeder, der diese Leistungen - gleich auf welchem Wege - tatsächlich er¬halten habe, auch wenn die entsprechende Verfügung noch vom Berechtigten ge¬stammt habe oder über dessen Tod hinaus rechtswirksam gewesen sei. Der auf § 569 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gestützte Einwand der Beklagten, das Miet¬verhältnis würde nicht automatisch mit dem Tode des Mieters enden und es seien Kündigungsfristen zu beachten, habe keinerlei Einfluss auf den sich aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ergebenen Rücküberweisungsanspruch. Die Beklagte habe die verbleibende Überzahlung, die ihr zugute gekommen sei, der Klägerin zu erstatten.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält sich aus Rechtsgründen für nicht verpflichtet, der Klägerin den begehrten Betrag zu erstatten. Das Mietverhältnis sei letztlich fortge¬setzt worden und ihr stehe noch der Anspruch auf Zahlung der Miete für den Monat Februar 2000 zu. Die Beklagte selbst habe auch nicht über die Rente verfügt, indem sie von ihrer Ermächtigung der Lastschrift Gebrauch gemacht habe. Außerdem habe die Klägerin keine Beweise dafür erbracht, dass auf dem Konto des Verstorbenen tatsächlich nur und ausschließlich die Rentenzahlung eingegangen sei. Insoweit sei der Sachvortrag der Klägerin nicht nachvoll¬ziehbar. Die Klägerin stützte sich letztlich auf Vermutungen. Das Gericht hat die Beteiligten auf eine Entscheidung des Bundessozialge¬richts vom 20.12.2001 (B 4 RA 53/01 R) hingewiesen, wonach Geldleistungs¬empfänger im Sinne von § 118 SGB VI auch derjenige sein könnte, der einen Be¬trag durch eine das Geldinstitut wirksam erreichende Verfügung erlangt habe. Die Beklagte hat daraufhin vorgetragen, dass nach wie vor schon schlüssige Darlegungen fehlen würden, zum Kontostand zum Zeitpunkt der Gutschrift und zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung.

Die Klägerin hat daraufhin mitgeteilt, nach einer weiteren Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 9.4.2002 (B 4 RA 64/01 R) komme nunmehr die T2 E als Anspruchsgegner in Betracht. Es werde daher bean¬tragt, die T2 E dem Verfahren beizuladen und diese zu verurteilen. Mit Schreiben vom 6.11.2002 hat das Gericht dem Beteiligten mitgeteilt zu be¬absichtigen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Es sei voraussichtlich damit zu rechnen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen werde, da der Gesetzgeber mit dem HZvNG den Rentenversicherungsträgern mit Wirkung vom 29.6.2002 auferlegt habe, streitige Forderungsansprüche nach § 118 SGB VI nunmehr durch Bescheid gegen den für verpflichtet Gehaltenen geltend zu machen. Die erhobene Leistungsklage sei damit unzulässig geworden, weil es inzwischen am allgemeinen Rechtschutzbedürfnis der Klägerin nach einer Klage fehle, da sie jetzt einen einfacheren Weg - nämlich den der Erteilung eines (widerspruchsfähigen) Bescheids gegen den für verpflichtet Gehaltenen (nun wohl T2 E) einschlagen könne, als den einer Klage. Dabei spielten hier Verjährungsgesichtspunkte auch keine Rolle, weil die Klägerin die Verjährung auch unterbrechen könne durch Bescheidertei¬lung noch bis Ablauf des Jahres 2004, § 118 Abs. 4 Satz 3 SGB VI neuer Fas¬sung. Das Gericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3.12.2002.

Die Beklagte hat mitgeteilt, dass auch sie die Klage für unzulässig halte. Im übrigen halte sie die Klage gegen sich weiterhin auch für unbegründet.

Die Klägerin hat mitgeteilt, dass sie auch nach Kenntnisnahme des gerichtli¬chen Schreibens weiterhin die Auffassung vertrete, dass das allgemeine Recht¬schutzbedürfnis für die vorliegende Klage nicht rückwirkend mit der Folge entfallen sei, dass die Klage nunmehr unzulässig wäre. Dies ergebe sich auch in Ansehung des Inkrafttretens des HZvNG. Die angezeigte Inanspruchnahme des Kreditinstituts in Fällen, in denen sich das Konto zum Zeitpunkt der Gut¬schrift im Soll befunden habe, sei auch in der Vergangenheit problematisch gewesen. Sie bat um Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, nach¬dem die Beteiligten entsprechend schriftlich angehört wurden und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3.12.2002 gehabt hatten.

Die Klage ist abzuweisen, da sie unzulässig geworden ist. Die Klägerin ist nicht mehr befugt, den von ihr nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI geltend gemachten Forderungsanspruch gegen die Beklagte im Wege der Leistungsklage ( beim Sozialgericht (§ 54 Abs. 5 SGG) geltend zu machen. Diese Klage war zwar ursprünglich zulässig (vgl. BSG SozR 3 - 2600 Nr. 2, 3 zu § 118 SGB VI). Die Klage ist jedoch dann dadurch unzulässig geworden, dass der Gesetzgeber mit dem HZvNG (BGBl. I 2002, 2137 ff, 2181) den Rentenversicherungsträgern bzw. damit auch der Klägerin mit Wirkung vom 29.6.2002 auferlegt hat, streitige Forderungsansprüche nach § 118 Abs. 4 (Satz 2) SGB VI nunmehr durch Bescheid gegen den für verpflichtet Gehaltenen bzw. gegen die für verpflichtet Gehal¬tene geltend zu machen. Dabei hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit auch nicht etwa beschränkt auf streitige Ansprüche nach § 118 Abs. 4 SGB VI, die bisher noch nicht durch Klage geltend gemacht wurden. Die Klägerin hat daher, wenn sie einen vollstreckbaren Titel erhalten will gegen denjenigen, den sie für verpflichtet hält, jetzt sofort die Möglichkeit, einen Bescheid (Verwal¬tungsakt) gegenüber denjenigen bzw. derjenigen zu erlassen, welcher, bzw.( welche für verpflichtet gehaltet wird. Dann hätte die Klägerin grundsätzlich einen sofort vollstreckbaren Titel, gegen den der in Anspruch Genommene erst Widerspruch einzulegen hätte. Diese Möglichkeit hat die Klägerin auch hier. Es bedarf daher nicht mehr der ursprünglich von der Klägerin erhobenen Klage, wenn sie ihr Begehren so schnell wie möglich durchsetzen will, das allgemeine Rechtschutzbedürfnis für die anhängige Klage (welches auch im sozialgericht¬lichen Verfahren unabdingbare Prozessvoraussetzung ist) ist damit nachträg¬lich entfallen. Ein Rechtschutzbedürfnis ergibt sich hier auch nicht ausnahmsweise dadurch, dass die Klägerin auf die Fortführung ihrer bisherigen Klage angewiesen sein könnte unter Verjährungsgesichtspunkten; denn nach § 118 Abs. 4 Satz 3 SGB VI neuer Fassung verjähren Erstattungsansprüche erst in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbericht der Träger der Rentenversi¬cherung Kenntnis von der Überzahlung und von dem erstattungspflichtigen er¬langt hat. Im Februar 2000 erlangte die Klägerin Kenntnis von der Überzahlung der Rente nach dem Tode des Berechtigten, sodass sie immer noch die Verjäh¬rung unterbrechen kann, wenn sie einen Bescheid gegen den für verpflichtet ( gehaltenen noch bis Ablauf des Jahres 2004 erteilt. Die Klage war damit aus den oben genannten Gründen als unzulässig abzuweisen.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 14.11.2002 bringt insoweit keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte gegenüber den obigen Ausführungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG. Danach hat die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen, da die Klage gegen die Beklagte zum einen im Ergebnis keinen Erfolg gehabt hat und zum anderen die Klägerin selbst mit ihrem Schriftsatz vom 29.10.2002 eingeräumt hat, nunmehr nicht mehr die Beklagte als Anspruchsgegnerin anzusehen, sondern offenbar die Stadtsparkasse Düsseldorf. Bei der Kostenentscheidung war nach billigem Er¬messen des Gerichts auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Verwal¬tungsverfahren offenbar keinerlei Kontoauszüge der T2 E angefordert hat und nicht näher aufgeklärt hat, wer hier vorrangig als An¬spruchsgegner in Betracht kommt, sodass auch dieses Versäumnis der Beklagten hier zu ihrem Kostennachteil gereicht.

Das Gericht hat die angesichts des Streitswerts nach § 144 SGG an sich nicht statthafte Berufung hier nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung bekanntgeworden ist zur Frage, ob Leistungsklagen nach § 118 Abs. 3, 4 SGB VI, die bereits vor dem 29.6.2002 erhoben wurden, durch das FIZvNG unzulässig geworden sind.
Rechtskraft
Aus
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