L 1 KA 3/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KA 112/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 3/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 26/19 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Feststellung eines sonstigen Schadens bei Arzneimittelverordnung während stationärer Rehabilitationsmaßnahme

1. Das für einen Regress wegen eines sonstigen Schadens gemäß § 48 Abs. 1 BMV-Ä erforderliche Verschulden liegt nicht nur bei Arzneimittelverordnung trotz positiver Kenntnis vom stationären Aufenthalt des versicherten Patienten vor; vielmehr hat der Vertragsarzt auch Fahrlässigkeit zu vertreten.
2. Zwar besteht keine generelle Pflicht der Vertragsärzte, sich vor jeder Verordnung von Arzneimitteln zu vergewissern, dass sich der versicherte Patient nicht in stationärer Behandlung befindet. Doch können sich im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Nachfragepflicht ergeben, dies insbesondere dann, wenn der versicherte Patient nicht selbst um das Rezept nachsucht und das bei einer Dauermedikation übliche Verordnungsintervall nicht eingehalten wird.
I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1 gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25. November 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Beigeladene zu 1 und der Beklagte tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3, die diese selbst tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 1.513,46 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Ausgleich eines sonstigen Schadens im Sinne von § 48 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) wegen vertragsärztlicher Verordnung eines Arzneimittels während einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme.

Die Beigeladene zu 1 nimmt als Fachärztin für Neurologie an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit dem Jahr 2003 betreut sie einen bei der klagenden Krankenkasse versicherten Patienten, der unter anderem an einer chronisch-progredienten Multiplen Sklerose und einem reaktiven depressiven Syndrom leidet. Der Versicherte hielt sich vom 13.01.2009 bis 27.02.2009 zu einer ihm von der Deutschen Rentenversicherung Bund bewilligten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik der Beigeladenen zu 3 auf. Laut Entlassungsbericht vom 27.02.2009 waren dort die Diagnosen Enzephalomyelitis disseminata mit schubförmigem Verlauf, Fatigue-Syndrom und reaktives depressives Syndrom gestellt worden.

Während des stationären Aufenthalts in der Rehabilitationsklinik verordnete die Beigeladene zu 1 am 27.01.2009 auf vertragsärztlichem Verordnungsvordruck das Interferonpräparat Avonex 30 µg Luer Lock N2 4 Fertigspitzen (1.572,45 EUR) sowie das Antiepileptikum Gabapentin-Neurax 400 mg N1 50 Kapseln (32,50 EUR). Die Klägerin wurde nach Abzug der gesetzlichen Zuzahlung (10,00 EUR), des gesetzlichen Rabatts (76,78 EUR) und des vertraglichen Rabatts gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für Gabapentin (4,71 EUR) vom Rezeptbetrag (1.604,95 EUR) mit Nettoverordnungskosten in Höhe von 1.513,46 EUR belastet.

Am 09.03.2010 beantragte die Klägerin die Prüfung gemäß Anlage 6 der Prüfungsvereinbarung Sachsen zur Festsetzung eines Regresses gegen die Beigeladene zu 1 wegen der Arzneimittelverordnung vom 27.01.2009. Diese sei während eines stationären Aufenthalts ausgestellt und eingelöst worden. Die Kosten der Arzneimittel seien jedoch von den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfasst.

Mit Schreiben vom 07.06.2010 teilte die Beigeladene zu 1 mit, der Versicherte sei seit 2003 in ihrer ambulanten neurologischen Behandlung. Er sei sehr zuverlässig und komme regelmäßig in die Sprechstunde. Gelegentlich komme es vor, dass die Ehefrau das Rezept abhole, wenn der Versicherte sich nicht wohl fühle. Im November 2008 sei wegen einer erneuten Verschlechterung der Wegstrecke eine Einweisung in ein Krankenhaus erfolgt. Am 08.12.2008 habe sich der Patient nach dem Krankenhausaufenthalt vorgestellt. Daraufhin sei eine Terminvergabe für März 2009 erfolgt. Am 12.01.2009 habe sich der Patient ein Avonex-Rezept mit nur kurzem Kontakt abgeholt. Am 27.01.2009 sei eine erneute Verordnung erfolgt. Die Ehefrau habe das Rezept abgeholt, was kein Grund zu besonderen Fragestellungen dargestellt habe. Erst als der Versicherte am 09.03.2019 zum planmäßigen Termin erschienen sei, habe sie – die Beigeladene zu 1 – von der Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik der Beigeladenen zu 3 erfahren. Die Ehefrau des Versicherten habe im Nachgang erklärt, sie sei von Mitarbeitern der Rehabilitationsklinik aufgefordert worden, die Medikamente für die Dauer des stationären Aufenthaltes des Versicherten selbst zu organisieren. Der Beigeladenen zu 1 sei bewusst, dass bei einem stationären Aufenthalt die jeweilige Einrichtung für die Medikation zuständig sei. Insbesondere bei den Rehabilitationskliniken komme es aber immer wieder zu Problemen. Mitunter erhalte sie Anrufe von Rehabilitationseinrichtungen, sie möge Interferon bzw. Glatirameracetat rezeptieren, was sie aber bei Kenntnis vom stationären Aufenthalt ablehne. Verantwortlich für die Situation sei die Rehabilitationsklinik durch ihr rechtswidriges Verhalten, aber auch die Klägerin wegen unzureichender Aufklärung.

Mit Prüfbescheid vom 23.01.2012 aufgrund Beschlusses der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen vom 11.01.2012 wurde festgestellt, dass der Klägerin ein Schaden in Höhe von 1.513,46 EUR entstanden sei, den ihr die Beigeladene zu 1 zu erstatten habe. Rechtsgrundlage für die Prüfung sei § 48 BMV-Ä; § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V sei nicht einschlägig. Die Verordnung zu Lasten der Klägerin sei unzulässig gewesen. Die Leistungen des Rentenversicherungsträgers zur medizinischen Rehabilitation umfassten gemäß § 4 Abs. 2, § 26 Abs. 2 Nr. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) die vollständige medizinische Versorgung einschließlich der Versorgung mit Arzneimitteln unabhängig davon, ob ein Zusammenhang mit dem Heilbehandlungsleiden bestehe. Die Beigeladene zu 1 habe gegen die Verpflichtung aus § 15 Abs. 2 BMV-Ä verstoßen, sich vor der Verordnung vom Krankheitszustand des Patienten persönlich zu überzeugen. In Kenntnis des vorangegangenen Krankenhausaufenthaltes vom 25.11.2008 bis 05.12.2008 und der Üblichkeit stationärer Rehabilitationsmaßnahmen im Anschluss an stationäre Krankenhausbehandlungen wäre es ihr möglich gewesen, den Versicherten nach der Krankenhausentlassung über eine evtl. anstehende Anschlussheilbehandlung zu befragen. Ihr sei wenigstens ein Mitverschulden anzulasten. Die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels falle grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Vertragsärztin. Der Klägerin sei ein Schaden in der festgesetzten Höhe entstanden, da die Arzneimittel tatsächlich während des stationären Aufenthaltes verbraucht worden seien.

Ihren am 16.02.2012 hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Beigeladene zu 1 damit, in der Epikrise des Krankenhauses finde sich kein Hinweis, dass von dort eine Rehabilitationsmaßnahme eingeleitet worden sei. Eine solche habe sie wegen der chronischen Erkrankung nicht zwangsläufig erwarten müssen. Der Krankheitszustand des Versicherten sei ihr auch ohne persönlichen Kontakt aus der laufenden Behandlung, dem langjährigem Arzt-Patienten-Kontakt und der vorangegangenen Konsultation bekannt gewesen. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 SGB IX wäre auf Grund der vertraglichen Bindungen gegenüber dem Rentenversicherungsträger die Beigeladene zu 3 zur Versorgung des Patienten mit Arzneimitteln während des stationären Rehabilitationsaufenthaltes verpflichtet gewesen. Die Klägerin möge die Kosten von der Beigeladenen zu 3 bzw. dem Rentenversicherungsträger zurückfordern.

Der Beklagte hob mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2012 aufgrund Beschlusses vom 30.05.2012 den Bescheid der Prüfungsstelle vom 23.01.2012 auf. Die Beigeladene zu 1 treffe kein Verschulden an der rechtswidrigen Verordnung. Maßgeblich für die Feststellung eines Verschuldens sei, ob die Beigeladene zu 1 in offensichtlicher Unkenntnis von dem Rehabilitationsaufenthalt gehandelt habe, ob sie von dem Aufenthalt hätte wissen können, ob sie eine Dauermedikation verordnet habe und ob sie sich persönlich vom Krankheitszustand überzeugt habe oder dieser ihr aus der laufenden Behandlung bekannt gewesen sei. Die Beigeladene zu 1 habe keine Kenntnis vom Aufenthalt des Versicherten in der Rehabilitationseinrichtung gehabt. Sein Krankheitszustand sei ihr aus der laufenden Behandlung bekannt gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin am Montag, dem 27.08.2012, beim Sozialgericht (SG) Dresden Klage erhoben, mit der sie die Festsetzung eines Regresses gegenüber der Beigeladenen zu 1 zum Ausgleich der Arzneimittelkosten begehrt hat. Die Beigeladene zu 1 habe die Verordnung schuldhaft rechtswidrig ausgestellt, denn sie habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem sie sich weder vom Krankheitszustand des Versicherten persönlich überzeugt noch dessen Ehefrau nach dessen Aufenthalt gefragt habe. Die Beigeladene zu 1 habe an dem Antrag auf die Rehabilitationsmaßnahme durch einen Befundbericht mitgewirkt und deshalb mit einem Rehabilitationsaufenthalt rechnen müssen. Auffällig sei auch die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung vom 09.12.2008 bis zum 12.01.2009, exakt dem Tag vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme. Die Beigeladene zu 1 hätte Vorkehrungen treffen müssen, um keine Arzneimittel während eines stationären Aufenthalts zu verordnen. Anderenfalls könnte sich der Arzt seiner Verantwortung für eine rechtmäßige Verordnung durch Unterlassen entziehen. Der Tatbestand des § 15 Abs. 2 BMV-Ä enthebe den Arzt nicht von der Verpflichtung zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen für eine rechtmäßige Verordnung.

Die Beigeladene zu 1 hat geltend gemacht, sie treffe keine gesteigerte Verpflichtung zur Prüfung des Aufenthalts des Patienten. Aus der Anfertigung eines Befundberichts für den Rentenversicherungsträger habe sie nicht auf einen tatsächlichen Reha-Aufenthalt des Versicherten schließen können. Auch aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebe sich nichts. Die von der Klägerin geforderten Kontrollmaßnahmen seien ungeeignet, Sicherheit über den tatsächlichen Aufenthalt des Patienten zu vermitteln. Zudem fehle eine rechtliche Grundlage für eine zusätzliche Pflicht des Arztes, ohne äußeren Anlass nachzufragen, ob sich der Patient in stationärer Behandlung befinde. Es wäre zu viel verlangt, wenn man sich den täglichen Ablauf in einer Arztpraxis und die zahlreichen den Arzt treffenden Pflichten vorstelle. Spreche ein Angehöriger des Patienten wegen einer Arzneimittelverordnung vor, könne der Arzt sich darauf verlassen, dass der Patient keine andere rechtmäßige Möglichkeit habe, die Arzneimittel zu erlangen.

Die Beigeladene zu 3 hat vorgetragen, sie sei nicht um die durch die Verordnung zu Lasten der Klägerin eingesparten Kosten der Arzneimittel bereichert, denn sog. teure Medikamente würden durch den Kostenträger bezahlt.

Mit Urteil vom 25.11.2016 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 24.07.2012 aufgehoben und ihn zur erneuten Entscheidung über den Widerspruch der Beigeladenen zu 1 verpflichtet. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Ablehnung des Regressantrags der Klägerin sei rechtswidrig, weil die dargestellten Maßstäbe für die Prüfung einer Ausgleichspflicht nicht korrekt seien. Zutreffend habe der Beklagte erkannt, dass ein Rückgriff gegen den Arzt wegen der rechtswidrigen Verordnung von Leistungen während des stationären Aufenthalts auf Grundlage des § 48 Abs. 1 BMV-Ä ein Verschulden voraussetze und dass die Verschuldensprüfung sich auf die Frage erstrecken müsse, ob der Vertragsarzt von dem stationären Aufenthalt des Versicherten hätte wissen können. Der Beklagte habe es jedoch dabei bewenden lassen, dass die Beigeladene zu 1 von dem stationären Aufenthalt tatsächlich keine Kenntnis gehabt habe, ohne der Frage nachzugehen, ob sie sich in zumutbarer Weise hätte Kenntnis verschaffen können. Die Verordnung vom 27.01.2009 sei objektiv rechtswidrig gewesen; hierdurch sei der Klägerin ein Schaden im Sinne des § 48 Abs. 1 BMV Ä entstanden. Die Beigeladene zu 1 habe zu der fehlerhaften Kostenbelastung der Klägerin schuldhaft mit beigetragen. Jedenfalls auf Grund des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 Abs. 1 SGB V und der Akzessorietät des Leistungserbringerrechts zum Leistungsrecht treffe den Vertragsarzt eine Verpflichtung, verschreibungspflichtige Leistungen nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verordnen, wenn der Patient die Leistung beanspruchen könne. Das Verbot, Leistungen zu bewirken, die nicht notwendig seien, verpflichte den Vertragsarzt zum Schutz der Vermögensinteressen der Krankenkasse auch, die Verordnung von Leistungen zu unterlassen, deren Erbringung anderweitig vorrangig sichergestellt sei. Schuldhaft handele der Arzt, wenn er es unterlasse, ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um eine objektiv rechtswidrige Verordnung zu Lasten der Krankenkasse zu vermeiden. Bei der Verordnung und Veranlassung von Leistungen außerhalb eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts träfen den Arzt dabei gesteigerte Sorgfaltspflichten, auch solche Umstände aufzuklären, die einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen stünden, die gesondert zu klären aber im Rahmen eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts regelmäßig kein Anlass bestehe. Hier wäre der Beigeladenen zu 1 eine einfache Nachfrage nicht nur ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen. Die Beigeladene zu 1 habe auch einen konkreten Anlass zur Nachfrage gehabt, weil das Abholen der Rezepte durch die Ehefrau untypisch und ein Anzeichen für Unwohlsein des Patienten gewesen sei. Zum anderen habe die Folgerezeptierung außerhalb des üblichen und im Zeitraum vom 31.07.2008 bis 25.05.2009 auch langfristig eingehaltenen Verordnungsrhythmus gelegen. Es sei vom Arzt nicht zu viel verlangt, in solchen Situationen nicht nur spezifisch nach dem gesundheitlichen Befinden, sondern allgemeiner nach dem Grund der Entsendung der Bezugsperson zu fragen. Ob der Arzt auf eine solche Frage eine zutreffende und vollständige Antwort vom Versicherten oder dessen Bezugsperson erhalte, brauche nicht erörtert zu werden, wenn er schon die Frage nicht stelle. Mit Rücksicht auf ihre Erfahrungen könne die Beigeladene zu 1 sich auf den von ihr reklamierten Vertrauensgrundsatz nicht stützen. Der Feststellung einer Ausgleichspflicht stehe kein Mitverschulden auf Seiten der Klägerin entgegen. Insbesondere müsse sie sich nicht die von der Beigeladenen zu 1 behauptete Verletzung von Aufklärungspflichten vorwerfen lassen. Sie habe keine solchen Pflichten verletzt und müsse sich auch das Handeln der Beigeladenen zu 3 nicht zurechnen lassen. Das alternative oder kumulative Mitverschulden weiterer Personen neben dem Verschuldensbeitrag der Beigeladenen zu 1 lasse deren Verschulden und die daran anknüpfende Schadensausgleichspflicht nicht entfallen. Die Klägerin sei nicht gehalten, die Beigeladene zu 3 vorrangig auf Erstattung in Anspruch zu nehmen und dafür auf die Geltendmachung des Schadensausgleichs nach § 48 Abs. 1 BMV-Ä gegenüber der Beigeladenen zu 1 zu verzichten. Für einen solchen Vorrang der Inanspruchnahme der Beigeladenen zu 3 außerhalb einer vertraglichen oder gesetzlichen Sonderrechtsbeziehung vor der Inanspruchnahme der Beigeladenen zu 1 im Rahmen der bestehenden vertragsärztlichen Beziehung zwischen Krankenkassen und Ärzten gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Bereitstellung der Arzneimittel im Rahmen der stationären Rehabilitationsleistung nach § 15 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 4 Abs. 2, § 5 Nr. 1, § 26 Abs. 2 SGB IX sei gegenüber der Arzneimittelversorgung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 und § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V leistungsrechtlich ein Aliud.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 09.12.2015 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 1 am Montag, den 11.01.2016, beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe rechtsfehlerhaft offen gelassen, ob ihr Verschulden auf einen Verstoß gegen § 15 Abs. 2 BMV-Ä gestützt werden könne. Es müsse zunächst festgestellt werden, worin die Pflichten eines Vertragsarztes bestünden. Ihr – der Beigeladenen zu 1 – sei der Zustand des Versicherten aus der laufenden Behandlung bekannt gewesen, so dass kein Verstoß vorliege. Auch liege kein schuldhaftes Tun im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V vor. Eine Nachfragepflicht habe nicht bestanden. Nach der Rechtsprechung sei der Arzt ohne konkrete Anhaltspunkte nicht verpflichtet, bei einer Arzneimittelverordnung den Patienten zu fragen, ob er sich gegenwärtig in stationärer Behandlung befinde. Darüber stelle § 48 Abs. 3 BMV-Ä klar, dass gegenüber einem Vertragsarzt nur dann ein Schaden festgestellt werden solle, wenn die belastete Krankenkasse keine Erstattung beim eigentlichen Kostenträger erreichen könne. Der Vertragsarzt solle somit nur subsidiär haften. Die Klägerin habe hier noch nicht einmal versucht, die Beigeladene zu 3 in Regress zu nehmen. Damit verstoße die Entscheidung des SG gegen § 48 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BMV-Ä.

Der Beklagte trägt vor, es sei höchstrichterlich ungeklärt, ob den Vertragsarzt Nachforschungs- oder Erkundigungspflichten träfen um sicherzustellen, dass keine Verordnung von Arzneimitteln während eines stationären Aufenthalts erfolge. Die Vorgaben zur vertragsärztlichen Verordnungspraxis kollidierten mit der vertragsärztlichen Lebenswirklichkeit; die Anforderungen an mögliche Sorgfaltspflichten seien mit Blick auf eine (Regress-)Haftung so zu bemessen, dass diese noch praxistauglich vermittelt und umgesetzt werden könnten. Von entscheidender Bedeutung sei, dass der Gesetzgeber in diesem Themenkomplex keine Informationspflichten vorgesehen habe. Soweit der Vertragsarzt vom vollstationären Aufenthalt des Patienten im Krankenhaus (hier: der Reha-Einrichtung) nichts gewusst habe, liege auch keine Verordnung "für den stationären Aufenthalt" i.S.d. § 41 Abs. 8 BMV-Ä vor. Auf eine Fahrlässigkeitsprüfung komme es dann nicht mehr an, um die Anforderungen nicht überzustrapazieren. Eine Grenzziehung wäre im Einzelfall gar nicht möglich, wenn geprüft werden müsste, ob sich ein Verdacht hätte aufdrängen müssen. Es sei zu berücksichtigen, dass jeder Patient oder Angehörige eine eigene Persönlichkeit einbringe. Das auf Vertrauen beruhende höchstpersönliche Arzt-Patienten-Verhältnis könne durch derartige Fragen durchaus erschüttert werden. Hinsichtlich der Leistungsabgrenzung zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und Krankenversicherung in der Rehabilitation bezieht sich der Beklagte auf ein Arbeitspapier der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation (AGMedReha) vom November 2010.

Die Beigeladene zu 1 und der Beklagte beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25.11.2105 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem SG sei zuzustimmen, dass der Umstand der Folgeverordnung schon in der 5. Kalenderwoche 2009 Anlass zu Nachfragen gegeben habe. Hier habe es konkrete Anhaltspunkte für Nachfragen gegeben. Durch die Verordnung habe die Beigeladene zu 1 schuldhaft gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 SGB V verstoßen. Die Rehabilitationseinrichtung sei für die Arzneimittelversorgung zuständig gewesen. Hierzu bezieht sie sich auf eine Information der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 06.10.2010. Dass die Rehabilitationseinrichtung mit dem Kostenträger Rentenversicherung für die Versorgung zuständig gewesen sei, ergebe sich auch aus § 3 Abs. 1 BMV-Ä, wonach die vertragsärztliche Versorgung keine Leistungen umfasse, deren Sicherstellung anderen Leistungsträgern obliege. Der Ausschluss ergebe sich insbesondere aus § 3 Abs. 2 Nr. 4 BMV-Ä. Konkrete Anhaltspunkte hätten sich insbesondere aus dem geringen zeitlichen Abstand zur Vorverordnung ergeben. So habe die zweimalige monatliche Verordnung auch der Verordnungspraxis der Vormonate widersprochen. Da der Vertragsärztin die Probleme mit der Medikamentenversorgung in Rehabilitationseinrichtungen bekannt gewesen seien, hätte das so zeitige Nachverordnungsbegehren der Ehefrau sie stutzig machen müssen.

Die Beigeladene zu 3 hat – ohne einen Antrag zu stellen – vorgetragen, die Frage, wer die Medikamentenkosten während einer stationären Reha-Behandlung zu tragen habe, sei und bleibe uneinheitlich. Es komme darauf an, ob das Medikament im Zusammenhang mit der Heilbehandlung stehe. Dies sei häufig nicht sicher feststellbar und stoße an Grenzen, wenn nicht die ursprüngliche Erkrankung, sondern die sich daraus ergebenden Krankheitsfolgen behandelt würden. Dies sei gerade in der Rehabilitation häufig der Fall. So sei bei dem hier behandelten Patienten Ziel der Maßnahme gewesen festzustellen, in welchem zeitlichen Umfang eine Tätigkeit seinem Leistungsvermögen entspreche, und seien u.a. Belastungsproben durchgeführt worden. Die Verordnung des Arzneimittels habe daher nicht im Zusammenhang mit dem Heilbehandlungsleiden gestanden, so dass diese jedenfalls zulässig gewesen wäre, wenn Leistungsträger der Rehabilitationsmaßnahme die gesetzliche Krankenversicherung gewesen wäre. Für Maßnahmen des Leistungsträgers der gesetzlichen Rentenversicherung seien andere Regelungen festgelegt. Eine entsprechende Mitteilung habe die zu 2 beigeladene Kassenärztliche Vereinigung jedenfalls im Jahr 2010 auf ihrer Homepage eingestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Band Bl. 1-30) verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beigeladenen zu 1 ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG den Widerspruchsbescheid vom 24.07.2012 aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet.

Gegenstand der sozialgerichtlichen Nachprüfung von Entscheidungen im Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren ist grundsätzlich nur der das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid des Beschwerdeausschusses (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11.05.2011 – B 6 KA 13/10 R – juris Rn. 16; Urteil vom 20.10.2004 – B 6 KA 65/03 R – juris Rn. 26; Urteil vom 09.03.1994 – 6 RKa 5/92 – juris Rn. 16). Eine gerichtliche Anfechtung eines Bescheids der Prüfungsstelle kommt nur in bestimmten Ausnahmefällen in Betracht (BSG, Urteil vom 14.05.1997 – 6 RKa 63/95 – juris Rn. 18; Urteil vom 19.06.1996 – 6 RKa 40/95 – juris Rn. 12). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Dass es sich bei einem Verfahren auf Festsetzung eines "sonstigen Schadens" nicht um ein originäres Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren nach § 106 SGB V handelt, sondern eine Zuständigkeit der Prüfgremien erst durch (bundesmantel-)vertragliche Vereinbarung nach § 48 Abs. 1 BMV-Ä begründet wird, ändert nichts daran, dass sich Verfahren und Entscheidung im Wesentlichen nach denselben Regeln richten (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 16/10 R – juris Rn. 10).

Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 48 Abs. 1 BMV-Ä, wonach den Prüfgremien die Feststellung des sonstigen durch einen Vertragsarzt verursachten Schadens obliegt, der einer Krankenkasse "aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen, die aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen" entsteht. Zu differenzieren ist nach der Rechtsprechung des BSG, ob ein Fehler der Verordnung selbst anhaftet – dann liegt ein Verordnungsregress auf der Grundlage des § 106 SGBV vor – oder ein Fehler, der sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergibt – dann "sonstiger Schaden" (zu dieser Differenzierung BSG, Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 16/10 R – juris Rn.18 m.w.N.; ebenso Urteile vom 25.01.2017 – B 6 KA 7/16 R – juris Rn. 19, vom 13.10.2010 – B 6 KA 48/09 R – juris Rn. 11, vom 18.08.2010 – B 6 KA 14/09 R – Rn. 25 und vom 05.05.2010 – B 6 KA 5/09 R – juris Rn. 25). Hier handelt es sich um einen Fall des "sonstigen Schadens" im Sinne dieser Rechtsprechung, nach der § 48 Abs. 1 BMV-Ä den Prüfgremien eine Schadensfeststellungskompetenz in all den Fallgruppen zugewiesen hat, in denen die unzulässige Verordnung von Leistungen in Rede steht und sie nicht bereits (unmittelbar) Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V ist (BSG, Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 16/10 R – juris Rn. 19).

Die Feststellung eines "sonstigen Schadens" ist rechtmäßig, wenn der Krankenkasse aufgrund schuldhaften Verhaltens eines Vertragsarztes ein Schaden entstanden ist, der innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geltend gemacht wurde (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2013 - B 6 KA 18/12 R – juris Rn. 20 f.; Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 16/10 R – juris Rn. 32, 34).

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Arzneimittelverordnung vom 27.01.2009 für den Versicherten während dessen von 13.01.2009 bis dauernden 27.02.2009 stationären Aufenthalts zur medizinischen Rehabilitation in der Klinik der Beigeladenen zu 3 unzulässig war und dass der Beigeladenen zu 1 bei dieser Verordnung ein Verschulden anzulasten ist. Auf diese zutreffenden Gründe in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil wird gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen.

Soweit die Beigeladene zu 3 nunmehr im Berufungsverfahren geltend macht, die Rehabilitationseinrichtung sei für die Verordnung der Arzneimittel, die ein Patient als Dauermedikation wegen seiner chronischen Erkrankung erhalte, "nicht zuständig" gewesen, teilt der Senat diese Auffassung im Falle des hier betroffenen Patienten nicht.

Für die Krankenhausbehandlung gilt: Während eines stationären Aufenthalts obliegt dem Krankenhaus grundsätzlich auch die Arzneimittelversorgung des Patienten (BSG, Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 16/10 R – juris Rn. 13 f.; Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R – juris Rn. 14 ff.). Denn bei der stationären Krankenhausbehandlung handelt es sich um eine komplexe Gesamtleistung, so dass die medizinische Versorgung während des stationären Aufenthalts allein dem Krankenhaus obliegt; während dieser Zeit dürfen daher dem Versicherten insbesondere nicht Arzneimittel vertragsärztlich verordnet werden – und zwar weder durch Vertragsärzte noch durch Ambulanzen des Krankenhauses (Wahl in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 39 SGB V, Rn. 85). Allerdings hat das BSG erwogen, dass der Verordnungsausschluss nicht für solche Verordnungen gilt, die nicht "für die Versorgung im Krankenhaus notwendig sind" (BSG, Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 16/10 R – juris Rn. 14 mit Verweis auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz und § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V – gegen eine solche Ausnahme indessen BSG, Urteil vom 12.11.2013 - B 1 KR 22/12 R – juris Rn. 17). Insoweit besteht kein wesentlicher Unterschied zu den für die hier streitige stationäre medizinische Rehabilitation einschlägigen gesetzlichen Regelungen: Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX (in der bis 31.12.2017 geltenden, hier noch maßgeblichen Fassung vom 19.06.2001; seit 01.01.2018: § 42 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX) zählt zu den die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Dies gilt auch für Arzneimittel, die bereits vor der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme eingenommen wurden und während der Rehabilitationsmaßnahme weiter eingenommen werden müssen. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, wonach die Versorgung während einer Rehabilitationsmaßnahme so vollständig, umfassend und qualitätsgerecht sein muss, dass Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden. Da sich allerdings die Leistungen im Rahmen der für den Rehabilitationsträger geltenden Rechtsvorschriften bewegen müssen, sind bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen von Rentenversicherungsträgern die Einschränkungen des § 13 Abs. 2 SGB VI zu beachten. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI erbringt der Rentenversicherungsträger nicht Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit, es sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ein. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die Leistungszuständigkeit der Rentenversicherung nur insoweit auszuschließen, als sich das den Rehabilitationsbedarf begründende Leiden (noch) in einer Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit befindet; hingegen soll die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme nicht von vornherein allein daran scheitern, dass der Versicherte an irgendeiner akut behandlungsbedürftigen Krankheit leidet, solange diese seine Rehabilitationsfähigkeit nicht beeinträchtigt (BSG, Urteil vom 21.06.2001 – B 13 RJ 47/00 R – juris Rn. 26). Ausgehend hiervon hat, um dem Grundsatz der vollständigen und umfassenden Leistungserbringung gerecht zu werden, eine Rehabilitationseinrichtung zu Lasten der Rentenversicherung den Versicherten auch solche Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, die zur Weiterbehandlung eines rehabilitationsunabhängigen Leidens erforderlich sind (Verhorst in: GK-SGB VI, § 13 Rn. 32). Allerdings soll die Erbringung medizinischer Leistungen, die bei isolierter Betrachtung in die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers fallen würden, nur dann in den Zuständigkeitsbereich des Rentenversicherungsträgers fallen, wenn diese Leistungen mit einer von ihm gewährten Rehabilitationsmaßnahme eng verbunden sind, indem sie sich etwa auf das eigentliche Rehabilitationsleiden beziehen oder Bestandteil eines einheitlichen Rehabilitationskonzepts sind (BSG, Urteil vom 21.06.2001 – B 13 RJ 47/00 R – juris Rn. 28).

Die Frage, welcher Leistungsträger für die Versorgung der Versicherten mit Medikamenten im Einzelfall zuständig ist, wenn es sich um Dauermedikation für eine chronische Erkrankung handelt, die nicht Anlass für oder Gegenstand der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation war, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Denn die Diagnose Enzephalomyelitis disseminata mit schubförmigem Verlauf war hier sowohl Anlass und Ursache für die Rehabilitationsmaßnahme in der Abteilung Neurologie der Klinik der Beigeladenen zu 3 (vgl. Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung vom 27.02.2009) als auch für die hier streitige Verordnung der Beigeladenen zu 1 vom 27.01.2009. Soweit für die Deutsche Rentenversicherung Bund als Kostenträger Ziel der konkreten Rehabilitationsmaßnahme gewesen sein sollte, das Restleistungsvermögen des Versicherten festzustellen, ändert dies nichts an dem gesetzlich definierten Zweck der medizinischen Rehabilitation, (1.) Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder (2.) Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhindern sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu verhüten oder laufende Sozialleistungen zu mindern (§ 26 Abs. 1 SGB IX). Damit steht fest, dass die vertragsärztliche Verordnung vom 27.01.2009 objektiv unzulässig war, weil die verordneten Arzneimittel zur Weiterbehandlung des Rehabilitationsleidens erforderlich waren.

Dies hatte die Beigeladene zu 1 auch im Verhältnis zur Klägerin zu beachten. Denn gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä umfasst die vertragsärztliche Versorgung keine Leistungen, für welche die Krankenkassen nicht leistungspflichtig sind oder deren Sicherstellung – wie hier – anderen Leistungserbringern obliegt. § 41 Abs. 8 BMV-Ä bestimmt zudem, dass die vertragsärztliche Verordnung und Abrechnung von Arzneimitteln für die stationäre Behandlung nicht zulässig ist (vgl. hierzu SG Hannover, Urteil vom 17.09.2014 – S 71 KA 193/11 – juris Rn. 14-17). Nach diesen Vorschriften ist die Vertragsärztin verpflichtet, keine Leistungen für Versicherte zu veranlassen, für die die Krankenkasse nicht leistungspflichtig ist, und insbesondere keine Arzneimittel für die stationäre Behandlung zu verordnen.

Für den bei der Klägerin entstandenen Schaden hat die Beigeladene zu 1 jedoch nur einzustehen, wenn ihr ein Verschulden anzulasten ist, weil der Anspruch auf Ersatz eines "sonstigen Schadens" vom Schadensersatzanspruch nach bürgerlichem Recht abgeleitet ist (BSG, Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 16/10 R – juris Rn. 34). In der Beziehung zur Krankenkasse haben Vertragsärzte entsprechend § 276 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Daher muss zumindest ein Verstoß gegen der Vertragsärztin auferlegte Sorgfaltspflichten festgestellt werden. Dies ist hier der Fall.

Soweit der Beklagte meint, ein Verschulden der Vertragsärztin könne nur bei Ausstellung einer Verordnung trotz positiver Kenntnis vom stationären Aufenthalt des Versicherten angenommen werden, weil die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten in der gelebten Berufspraxis der Vertragsärzte sonst überspannt würden, lässt sich ein solches Verständnis mit dem – hier wie sonst – geltenden Rechtsbegriff der Fahrlässigkeit nicht in Einklang bringen. Der Beklagte kann auch keine Rechtsgrundlagen für diese Sichtweise benennen, die es rechtfertigen würden, anders als bei anderen verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen den Vertragsärzten insoweit einen "Fahrlässigkeitsbonus" zuzubilligen. Dass trotzdem die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Vertragsärztin in Bezug auf die Verordnung von Medikamenten aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht unzumutbar ausgeweitet werden, ergibt sich aus der inzwischen ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. So besteht insbesondere keine generelle Verpflichtung der Vertragsärzte, sich vor Ausstellung einer Arzneimittelverordnung zu vergewissern, dass der Versicherte, für den die Verordnung ausgestellt wird, sich zu diesem Zeitpunkt nicht in einer stationären Behandlung befindet (BSG, Beschluss vom 28.09.2016 – B 6 KA 27/16 B – juris Rn. 9). Eine Nachfragepflicht kann sich aber dann ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein stationärer Krankenhausaufenthalt der vertragsärztlichen Verordnung von Medikamenten entgegenstehen könnte (BSG, Beschluss vom 28.09.2016 – B 6 KA 27/16 B – juris Rn. 10). Wann dies der Fall ist, kann im Einzelfall durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein.

Vorliegend bestand aus mehreren Gründen für die zu 1 beigeladene Vertragsärztin Anlass zu Nachfragen, wie die Klägerin und das SG zutreffend ausgeführt haben. Auch der Senat geht davon aus, dass keine generelle Pflicht der Vertragsärztin besteht, sich vor jeder Folgeverordnung von Dauermedikation zu vergewissern, dass der versicherte Patient sich nicht in stationärer Behandlung befindet. Die Frage "Befindet sich ihr Mann in stationärer Behandlung?" musste sich im vorliegenden Fall – so wie die Beigeladene zu 1 ihn geschildert hat – nicht aufdrängen. Allerdings bestanden dennoch konkrete Anhaltspunkte für Nachfragen, bevor die vertragsärztliche Verordnung ausgestellt wurde, um die nötige Sorgfalt walten zu lassen. Für maßgebend hält der Senat von den aufgeführten Gründen zum einen den Umstand, dass nicht der Versicherte persönlich für die Folgerezeptausstellung vorstellig geworden ist, sondern seine Ehefrau, und zum anderen den Umstand, dass die Beigeladene zu 1 bereits am 12.01.2009 einen Vier-Wochen-Vorrat verordnet hatte. Gerade das nicht plausible Anforderungsintervall hätte die Beigeladene zu 1 "stutzig" machen und ihr daher Anlass geben müssen nachzufragen, warum schon jetzt eine Folgeverordnung nötig sei. Für ohne weiteres praktikabel und in jedem Fall zumutbar hält der Senat außerdem die einfache Nachfrage, warum der Patient selbst nicht erschienen ist, um sich ein Folgerezept ausstellen zu lassen. Der Senat kann nicht erkennen, weshalb auf diese Weise das Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin und Patient gefährdet werden könnte. Vielmehr schützt eine solche Nachfrage gerade die Vertraulichkeit der Arzt-Patienten-Beziehung gegenüber Dritten. Schließlich erfordert diese Nachfrage weder einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt noch besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, sodass selbst das Praxispersonal der Vertragsärzte entsprechend instruiert werden kann. Es bestanden vorliegend mithin genügend Anhaltspunkte, die es zumutbar erscheinen lassen, der Beigeladenen zu 1 eine einfache Nachfrage- oder Erkundigungspflicht als Ausfluss ihrer vertragsärztlichen Sorgfaltspflichten im Rahmen der Verordnung von Medikamenten auch bei chronisch kranken Versicherten aufzuerlegen, um sich zu vergewissern, dass die verordneten Arzneimittel bestimmungsgemäß nur vom Versicherten im ambulanten Bereich verwendet werden.

Der Einwand des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu 1, die bundesmantelvertragliche Regelung in § 48 Abs. 3 Satz 2 BMV-Ä erlaube nur dann die Festsetzung eines Regresses gegenüber der Beigeladenen zu 1, wenn der klagenden Krankenkasse zuvor ein Schadens¬ausgleich auf andere Wese misslungen sei, greift nicht durch. Nach Abs. 3 Satz 1 dieser Vorschrift ist auf Antrag einer Krankenkasse ein Schadenersatzanspruch durch die Kassenärztliche Vereinigung festzustellen, wenn diese Krankenkasse einen Schaden geltend macht, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie der Vertragsarzt auf den Abrechnungs- oder Verordnungsunterlagen fälschlicherweise als Kostenträger angegeben hat (§ 48 Abs. 3 Satz 1 BMV-Ä). Voraussetzung dafür ist gemäß Satz 2, dass die Krankenkasse einen Schaden, der die Bagatellgrenze gemäß § 51 BMV-Ä (pro Vertragsarzt, Krankenkasse und Quartal 30,00 EUR) überschreitet, nachweist (1.), versichert, dass der zuständige Kostenträger durch eigene Ermittlungen der Krankenkasse nicht festgestellt werden kann (2.) und vorsorglich den Ausgleichsanspruch gegen den zuständigen Kostenträger an die Kassenärztliche Vereinigung abtritt (3.). Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dies nur die Fälle betrifft, in denen der Versicherte dem Grunde nach Anspruch auf die vertragsärztliche Verordnung hatte, was hier – wie dargelegt – wegen des Anspruchs auf umfassende stationäre Versorgung in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung nicht der Fall war. Aus der Spezialvorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 2 BMV-Ä ist kein allgemeiner Rechtsgedanke abzuleiten, dass Vertragsärzte generell nur subsidiär für (zumindest mit-) verschuldete Schäden gegenüber der Krankenkasse haften sollen. Vielmehr sind die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gehalten, den Schaden für die Versichertengemeinschaft möglichst gering zu halten. Dies bedeutet, dass sie nicht ohne Rechtsgrundlage darauf verzichten können, Schäden aus schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzungen geltend zu machen.

Der Beigeladenen zu 1 bleibt es unbenommen, gegenüber der Beigeladenen zu 3 ihrerseits einen Ersatzanspruch geltend zu machen. In Betracht kommt, dass die Beigeladene zu 3 dadurch ihre Pflichten verletzt haben könnte, dass ihre Klinik den Versicherten bzw. dessen Ehefrau dazu veranlasste, die während der stationären Behandlung für die chronisch-progredienten Multiplen Sklerose erforderliche Medikamente vertragsärztlich zu verschaffen. Für vertragsärztliche Verordnungen während stationärer Krankenhausbehandlung gilt: Verschweigt ein Krankenhaus bei Einbeziehung Dritter in einen Leistungsfall, dass es vollstationär behandelt, sodass der Dritte vertragsärztlich behandelt, hat es diese Pflichtverletzung zu vertreten (§ 276 BGB) und der geltend gemachte Schaden beruht auch hierauf, wenn eine solche Pflichtverletzung festgestellt wird (BSG, Urteil vom 12.11.2013 – B 1 KR 22/12 R – juris Rn. 13). Daraus wird gefolgert, dass es zu den Pflichten eines Krankenhausträgers gehört sicherzustellen, dass ein Versicherter, während er sich in vollstationärer Behandlung befindet, nicht zu Lasten der Krankenkasse (zusätzlich) vertragsärztlich mit Arzneimitteln versorgt wird (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.09.2016 – L 5 KR 118/14 ZVW – juris Rn. 27). Im Innenverhältnis zwischen Vertragsarzt und Krankenhaus könnte daher in diesem Fall das Krankenhaus die Kosten für die Arzneimitteltherapie zu tragen haben, wenn in diesem Verhältnis dem Vertragsarzt keine Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind (so Padé, jurisPR-SozR 14/2014 Anm. 3). Nichts anderes kann für vertragsärztliche Verordnungen während stationärer medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen gelten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen zu 2 und 3 können keine Kostenerstattung verlangen, da sie keine Anträge gestellt und sich damit keinem eigenen Prozessrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz; sie entspricht derjenigen des erstinstanzlichen Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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