L 1 KR 112/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 47 KR 271/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 112/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ablauf der Widerrufsfrist eines gerichtlichen Vergleichs am Feiertag

1. Fällt der Ablauf der Frist für den Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs auf einen Feiertag, so endet die Frist im Zweifel erst am nächsten Werktag.
2. Für die Kollisionsregel des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 kommt es nicht darauf an, ob die Versicherung tatsächlich durchgeführt wurde, sondern allein darauf, ob die betreffende Person der Versicherungspflicht unterliegt.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 7. März 2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung während eines Aufenthalts in der Schweiz.

Der 1974 geborene Kläger war ab dem 01.05.2011 freiwillig als hauptberuflich selbständig Tätiger bei den Beklagten kranken- und pflegeversichert. Zuletzt berechnete die Beklagte zu 1 – zu diesem Zeitpunkt und im weiteren Verlauf auch im Namen der Beklagten zu 2 handelnd – mit vorläufigem Beitragsbescheid vom 01.08.2012 die ab 01.08.2012 zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlenden Beiträge auf der Grundlage von monatlichen Einkünften in Höhe von 1.968,75 EUR. Die Beiträge passte sie mit Bescheid vom 27.12.2012 zum 01.01.2013 an den neuen Beitragssatz in der Pflegeversicherung und die neue Beitragsbemessungsgrenze an.

Ab dem 20.11.2012 war der Kläger auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages mit der L ... Personalagentur Z vom 15.11.2012 in der Schweiz beschäftigt. In der Zeit vom 19.11.2012 bis zum 28.02.2013 hatte der Kläger in Y/Schweiz eine Unterkunft in einem Wohnheim für ausländische Arbeitnehmer. Für den Zeitraum vom 20.11.2012 bis 17.02.2013 liegt die "Meldebestätigung für den Stellenantritt bei einem Arbeitgeber in der Schweiz" vom 15.11.2012 des Amtes für Migration und Integration Kanton Z vor. Vom 01.03.2013 bis zum 31.05.2013 war der Kläger auf der Grundlage des "Einzelarbeitsvertrages" vom 19.02.2013 bei der Firma X + W AG in V/Schweiz beschäftigt. Zum 01.03.2013 bezog der Kläger eine Wohnung in V/Schweiz und war ab diesem Zeitpunkt dort mit Wohnsitz gemeldet. Während seiner Beschäftigung in der Schweiz blieb der Kläger auch in Deutschland gemeldet und zwar bis zum 18.01.2012 in seiner Wohnung in T und ab dem 18.01.2013 unter der Wohnanschrift seiner Lebensgefährtin in B ... Ab dem 01.06.2013 war der Kläger wieder in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt.

Mit E-Mail vom 14.01.2013 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten zu 1 danach, zu welchem Zeitpunkt er die freiwillige Krankenversicherung kündigen könne. Er sei seit dem 19.11.2012 in der Schweiz angestellt, lebe und zahle dort seine Sozialabgaben. Die Beklagte zu 1 erklärte daraufhin per E-Mail vom 16.01.2013, dass der Kläger zur Beendigung seiner Versicherung in Deutschland eine Mitgliedsbescheinigung der Krankenkasse in der Schweiz benötige. Nur wenn diese einer in Deutschland gleichgestellten gesetzlichen Krankenkasse entspreche, könne sie seine Versicherung in Deutschland ab Versicherungsbeginn in der Schweiz beenden.

Am 20.05.2013 stellte sich der Kläger während seines Urlaubs aufgrund einer unfallbedingten Knieverletzung in der Notfallambulanz des Universitätsklinikums B ... und am 21.05.2013 bei seiner Hausärztin vor. Die Behandlungen wurden jeweils über die Beklagte zu 1 abgerechnet.

Mit Bescheid vom 28.11.2013 hob die Beklagte zu 1 ihre Bescheide vom 01.08.2012 und 27.12.2012 teilweise auf und berechnete die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis 31.05.2013 neu. Hierbei legte sie das vom Kläger in der Schweiz erzielte Arbeitsentgelt zugrunde. Für die Zeit vom 01.11.2012 bis 31.03.2013 ergebe sich eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.568,84 EUR.

Mit am 06.01.2014 eingegangenen Schreiben vom 03.01.2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.11.2013, der ihm erst am 03.01.2014 zugegangen sei, ein. Seines Erachtens habe seine Mitgliedschaft während seines Auslandsaufenthaltes geruht, da er ab dem 20.11.2012 nach schweizerischem Recht sozialversichert gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2014 wies die Beklagte zu 1 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.11.2013 zurück. Der Widerspruch sei bereits unzulässig, da er außerhalb der vorgeschriebenen Frist von einem Monat erhoben worden sei. Unabhängig hiervon sei der Widerspruch auch in der Sache unbegründet. Die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung könne nur unter Beachtung des § 191 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beendet werden. Die dort genannten Tatbestände lägen nicht vor. Der Kläger habe eine Krankenversicherung in der Schweiz nicht nachweisen können. Nach dem Wortlaut des § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V bestehe die Verpflichtung zum Nachweis des weiteren Krankenversicherungsschutzes für alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, somit auch für freiwillig Versicherte. Ein Verzicht auf einen ausreichenden Versicherungsnachweis sei nicht möglich, da gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V niemand ohne Absicherung im Krankheitsfall sein solle. Dieselben Grundsätze gälten auch für die Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung. Eine Beendigung der selbständigen Tätigkeit sowie die Verlegung des ständigen Aufenthalts in die Schweiz habe der Kläger der Beklagten nicht nachgewiesen.

Am 05.05.2014 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Der Bescheid vom 28.11.2013 sei ihm erst am 03.01.2014 bekanntgegeben worden, so dass der Widerspruch am 06.01.2014 fristgerecht erfolgt sei. Er sei im Zeitraum der Auslandsbeschäftigung bei der Beklagten zu 1 nicht mehr freiwillig versichert gewesen. Die freiwillige Versicherung sei aufgrund Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO [EG] Nr. 883/2004) dadurch ausgeschlossen, dass für ihn – den Kläger – Versicherungspflicht in der Schweiz bestanden habe. Auf einen tatsächlich bestehenden Versicherungsschutz komme es nicht an, da die betreffende Person ansonsten zumindest zwischenzeitlich zwei Rechtsordnungen unterliegen würde. Ob er die Verpflichtung zur Versicherung eingehalten habe oder nicht und welche Rechtsfolgen sich aus einem etwaigen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften ergäben, seien Fragen, die ausschließlich nach dem Recht der Schweiz zu beurteilen seien. Bei seiner Vorstellung in der Notaufnahme am 20.05.2013 hätten die Krankenschwestern die von ihm zunächst vorgelegte Karte der Schweizer Unfallversicherungsanstalt (SUVA) mit der Begründung nicht nutzen wollen, die Abrechnung sei ihnen zu kompliziert. Sie hätten ihn nur mit einer deutschen Krankenversicherungskarte behandeln wollen. Mit Schreiben vom 31.05.2013 habe ihm die SUVA mitgeteilt, dass sie die Kosten der Heilbehandlung übernehmen werde.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Die freiwillige Versicherung ende nur mit dem Beginn einer Pflichtmitgliedschaft oder mit dem Wirksamwerden der Kündigung nach § 175 Abs. 4 SGB V. Dies ergebe sich aus § 191 Nr. 2 und 3 SGB V. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass für ihn in der Schweiz aufgrund der dort ausgeübten Tätigkeiten eine Pflichtversicherung bestanden habe. Ferner sei der Kläger im Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 mit Hauptwohnsitz in B ... gemeldet gewesen. Im Übrigen hätte der Kläger aufgrund der Art. 17 bis 21 VO (EG) Nr. 883/2004 unter Nutzung der Gesundheitskarte Sachleistungen im Inland oder unter Nutzung der Europäischen Gesundheitskarte auch in der Schweiz realisieren können. Zudem sei davon auszugehen, dass der Kläger bei den Behandlungen am 20.05.2013 und 21.05.2013 gegenüber den Leistungserbringern durch die Vorlage der Krankenversichertenkarte zum Ausdruck gebracht habe, dass eine Versicherung bei der Beklagten zu 1 bestehe. Es könne daher nicht ernsthaft angenommen werden, dass der Kläger von einer Leistungsinanspruchnahme ohne Versicherung und ohne Beitragszahlung bei den Beklagten ausgehe.

In der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2018 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen. Der Vergleich stand unter dem Vorbehalt des Widerrufs bis zum Ablauf des 21.11.2018 (Eingang bei Gericht). Mit am 22.11.2018 bei dem SG eingegangenen Schriftsatz vom 20.11.2018 hat die Beklagte zu 1 den Vergleich widerrufen.

Mit Urteil vom 07.03.2019 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 28.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2014 aufgehoben. Der Widerspruch des Klägers sei fristgerecht erfolgt. Der Kläger habe erklärt, dass er den Bescheid am 03.01.2014 erhalten habe; die Beklagte habe nichts Gegenteiliges nachweisen können, so dass die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) keine Anwendung finde. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht beitragspflichtig zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung gewesen. Gemäß Art. 14 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 habe der Kläger den Rechtsvorschriften der Pflichtversicherung in der Schweiz unterlegen. Diese Vorschrift sei aufgrund des zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten abgeschlossenen Freizügigkeitsabkommens auch anwendbar. Hierdurch solle eine Doppelversicherung mit doppelten Beitragslasten vermieden werden (Hinweis auf Europäischer Gerichtshof [EuGH], Urteil vom 30.06.2011 – C-388/09; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28.05.2008 – B 12 P 3/06 R). Die Regelung des Art. 14 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 setze nicht voraus, dass die betreffende Person in dem Mitgliedsstaat tatsächlich Mitglied der entsprechenden Versicherung werde, es genüge dass die Person aufgrund der in dem Mitgliedsstaat geltenden Rechtsvorschriften einer Pflichtversicherung unterliege. Der Kläger habe in dem Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 nach Art. 3 Abs. 1 des schweizerischen Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG/CH) der Krankenversicherungspflicht in der Schweiz unterlegen, da er ab dem 01.03.2013 in der Schweiz einen Wohnsitz begründet habe. Die Versicherungspflicht sei bereits ab Wohnsitzaufnahme eingetreten. Die in Art. 3 KVG/CH genannte Frist von drei Monaten beziehe sich lediglich auf mögliche Rechtsfolgen, welche die Nichtanmeldung auslöse. In dem Zeitraum vom 19.12.2012 bis 28.02.2013 folge die Krankenversicherungspflicht aus Art. 3 Abs. 2 KVG/CH i.V.m Art. 1 Abs. 2 Vt. d der schweizerischen Verordnung über die Krankenversicherung (KVV/CH). Danach seien versicherungspflichtig Personen, welche in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnten und nach dem in Art. 95a Vt. a KVG/CH genannten Abkommens vom 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz) sowie seinem Anhang II der schweizerischen Versicherung unterstellt seien. Dies treffe auf den Kläger zu. Der Kläger sei auch in der sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig, da nach § 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Pflegeversicherung an die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gekoppelt sei.

Gegen das ihnen am 18.04.2019 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 23.04.2019 Berufung eingelegt. Der Widerruf des Vergleichs sei rechtzeitig erfolgt, da das Ende der Widerrufsfrist auf einen Feiertag (Buß- und Bettag) gefallen sei. In der Sache tragen die Beklagten vor, es sei Sinn und Zweck von Art. 14 VO (EG) Nr. 883/2004, den Versicherten vor einer Doppelbelastung zu schützen. Aufgrund des EU-Rechts werde hierdurch nur der Vorrang der sozialrechtlichen Vorschriften mehrerer Mitgliedstaaten geregelt. Das EU-Recht begründe an sich keinen sozialversicherungsrechtlichen Status eines Versicherten. Dies ergebe sich auch aus Art. 10 VO (EG) Nr. 987/2009. Der Kläger habe zwar vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 seinen Wohnsitz in der Schweiz gehabt, daneben sei er jedoch auch durchgängig in Deutschland gemeldet gewesen und habe dem deutschen Krankenversicherungsrecht unterlegen. Dass er zum Abschluss einer Versicherung in der Schweiz verpflichtet gewesen sei, stehe dem nicht entgegen. Art. 14 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 könne nur so verstanden werden, dass der Versicherte seiner Verpflichtung zum Abschluss einer Versicherung auch nachkommen müsse. Dies sei im hiesigen Fall nicht geschehen. Sofern er dies (gegebenenfalls auch nachträglich) vorgenommen hätte, wäre ein Leistungsruhen die Folge gewesen. Eine Doppelbelastung würde somit vermieden. Sofern man Art. 14 VO (EG) Nr. 883/2004 nur auf seinen Wortlaut reduzierte, hätte dies zur Folge, dass ein Versicherter für bestimmte Zeiten gar keine Versicherungsbeiträge zu leisten hätte. Gleichzeitig stünden dem Kläger nach Art. 17 bis 21 VO (EG) Nr. 883/2004 auch während der Zeit seines Aufenthaltes in der Schweiz Leistungsansprüche gegen die Beklagte zu.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 7. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Allerdings habe er bereits in der Zeit vom 19.11.2012 bis 28.02.2013 einen Wohnsitz in der Schweiz mit hieraus resultierender Krankenversicherungspflicht begründet. Die Unterkunft sei ihm vom Leiharbeitgeber zur Verfügung gestellt worden und er sei von diesem auch bei dem zuständigen Amt für Migration gemeldet worden. Er habe auch unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit ein Konto bei einer schweizerischen Bank eröffnet. Seine deutsche Adresse habe er noch für Post von Versicherungen und Finanzämtern benötigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten einschließlich Anlagen sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen. Die vorgenannten Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I. Der Rechtsstreit hat sich insbesondere nicht durch den vor dem SG in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2018 geschlossenen gerichtlichen Vergleich erledigt, da die Beklagte zu 1 sich den Widerruf des Vergleichs vorbehalten hatte und den Widerruf am 22.11.2018 fristgerecht erklärt hat. Zwar hatten die Beteiligten in dem Vergleich vereinbart, dass der Widerruf nur wirksam bis zum Ablauf des 21.11.2018 erklärt werden kann. Das Ende der Widerrufsfrist fiel jedoch auf den Buß- und Bettag, einen gesetzlichen Feiertag in Sachsen. Für den Ablauf der Widerrufsfrist gilt grundsätzlich § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach die Frist für den Fall, dass ihr Ende auf einen gesetzlichen Feiertag fällt, erst mit Ablauf des nächsten Werktags endet (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 101 Rn. 14a). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass es den Beteiligten, ungeachtet der Tatsache, dass es sich um einen Feiertag handelt, gerade auf das in dem Vergleich genannte Datum ankommt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.06.1978 – VIII ZR 127/76 – juris Rn. 10). Hierfür gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.

II. Zu Recht hat das SG den Bescheid vom 28.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2014 aufgehoben.

1. Der Bescheid vom 28.11.2013 ist nicht gemäß § 77 SGG bestandskräftig geworden, da der Kläger innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) am 06.01.2014 Widerspruch eingelegt hat. Der Kläger hat vorgetragen, dass er den Bescheid am 03.01.2014 erhalten hat. Die Beklagte zu 1 kann keinen früheren Zugang nachweisen, obwohl ihr dies gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 SGB X obliegt. Die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch Post übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben wird, greift nicht, wenn die Behörde es – wie hier – versäumt hat, die Aufgabe zur Post in ihren Akten zu vermerken (BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R – juris Rn. 17).

2. Der Bescheid vom 28.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

a) Die Beklagte zu 1 hat mit diesem Bescheid zu Unrecht Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum vom 20.11.2012 bis 31.05.2013 nachgefordert.

Denn der Kläger war in diesem Zeitraum nicht freiwillig bei der Beklagten zu 1 krankenversichert. Zwar liegt keiner der Beendigungstatbestände des § 191 SGB V vor. Einer Beendigung nach § 191 Nr. 3 SGB V steht jedenfalls entgegen, dass der Kläger keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen hat (§ 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Die freiwillige Versicherung wurde auch nicht nach § 191 Nr. 2 SGB V durch die Aufnahme einer nach schweizerischem Recht versicherungspflichtigen Beschäftigung beendet. § 191 Nr. 2 SGB V, wonach die freiwillige Versicherung mit dem Beginn einer Pflichtmitgliedschaft endet, bezieht sich nur auf eine inländische Pflichtversicherung auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 SGB V. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch. Danach gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen die im Geltungsbereich "dieses Gesetzbuchs" beschäftigt oder selbständig tätig sind. Zurecht ist das SG jedoch davon ausgegangen, dass einer freiwilligen Versicherung in Deutschland Art. 14 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 entgegensteht. Nach dieser Regelung darf die Person, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats der Pflichtversicherung in diesem Mitgliedstaat unterliegt, in einem anderen Mitgliedstaat keiner freiwilligen Versicherung unterliegen. Diese Kollisionsnorm hat Vorrang vor widersprechenden nationalen Bestimmungen (BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 12 P 3/06 R – juris Rn. 21). Die Vorschriften der VO (EG) Nr. 883/2004 finden auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung (dazu aa). Sie ordnen die Anwendung der Schweizer Rechtsvorschriften an (dazu bb). Der Kläger unterlag der Pflichtversicherung in der Schweiz (dazu cc). Es ist unerheblich, ob die Pflichtversicherung tatsächlich durchgeführt wurde (dazu dd).

aa) Die maßgeblichen Vorschriften der VO (EG) Nr. 883/2004 finden auch im Verhältnis zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten Anwendung. Gemäß Art. 1 Anhang II des Freizügigkeitsabkommens EU-Schweiz findet die VO (EG) Nr. 883/2004 mit den in Anhang II zu Abschnitt A genannten Anpassungen mit der Maßgabe Anwendung, dass der Begriff "Mitgliedstaat(en)" in den Rechtsakten auch auf die Schweiz anzuwenden ist.

bb) Zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts sind für die Frage des Bestehens der Versicherungspflicht allein die Rechtsvorschriften der Schweiz anzuwenden. Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) VO (EG) Nr. 883/2004 sieht vor, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt. Aufgrund der Anknüpfung an die Regelungen des Beschäftigungsstaates ist es unerheblich, ob der Kläger weiter in Deutschland einen Wohnsitz hatte. Ferner kann auch dahinstehen, ob der Kläger, der sein Gewerbe noch nicht abgemeldet hatte, daneben noch in Deutschland selbständig tätig war. Auch in diesem Falle kämen die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats zur Anwendung. Gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaats. Für den Fall, dass eine Person in dem einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung und in dem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Tätigkeit ausübt, verweist Art. 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 13 Abs. 3 1. Halbsatz VO (EG) Nr. 883/2004 auf die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Person die Beschäftigung ausübt, hier also auf die der Schweiz.

cc) Für den Kläger bestand in dem Zeitraum vom 20.11.2013 bis 31.05.2014 in der Schweiz Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und zwar unabhängig davon, ob er seinen (Haupt-) Wohnsitz in der Schweiz hatte oder nicht. Für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz ergibt sich die Versicherungspflicht aus Art. 3 Abs. 1 KVG/CH. Danach muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme in der Schweiz für Krankenpflege versichern. Für Personen aus einem EU-Mitgliedstaat ohne Wohnsitz aber mit Beschäftigung in der Schweiz ergibt sich die Versicherungspflicht aus Art. 3 Abs. 3 KVG/CH i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Buchstabe d KVV/CH. Danach unterstehen der Versicherungsplicht Personen, welche in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnen und nach dem Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz sowie seinem Anhang II der schweizerischen Versicherung unterstellt sind. Für Personen ohne Wohnsitz regelt Abschnitt A Nr. 1 Vtabe i) Nr. 3 Vtabe a) Ziff. i) Anhang II des Freizügigkeitsabkommens EU-Schweiz, dass Personen, die nicht in der Schweiz wohnen, aber nach Titel II der VO (EG) Nr. 883/2004 den schweizerischen Rechtsvorschriften unterliegen, den schweizerischen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherungspflicht unterstehen. Wie bereits festgestellt, unterliegt der Kläger nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) VO (EG) Nr. 883/2004 und damit "nach Titel II der VO (EG) Nr. 883/2004" aufgrund des Beschäftigungsortes den schweizerischen Rechtsvorschriften und damit auch ohne Wohnsitz in der Schweiz der Versicherungspflicht. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass es sich bei den in Art. 3 Abs. 1 und 3 KVG/CH geregelten Tatbeständen um eine gesetzlich geregelte Pflichtversicherung handelt. Für die genannten Personengruppen wird nämlich die Versicherungspflicht bei Vorliegen der Tatbestände der Art. 3 Abs. 1 und 3 KVG/CH angeordnet, ohne dass es auf eine Erklärung der betreffenden Person ankommt. Die Einhaltung der Versicherungspflicht wird gemäß Art. 6 Abs. 1 KVG/CH durch die Kantone überwacht. Die Kantone weisen Personen, die ihrer Versicherungspflicht nicht nachkommen, einem Versicherer zu (Art. 6 Abs. 2 und Art. 6a Abs. 3 KVG/CH). Bei verspätetem Beitritt zu der Versicherung ist ein Prämienzuschlag zu zahlen (Art. 5 Abs. 2 KVG/CH). Zwar beginnt die Versicherung nach Art. 5 Abs. 2 KVG/CH bzw. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 KVV/CH i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 3 KVV/CH bei verspätetem Beitritt erst im Zeitpunkt des Beitritts. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Versicherungspflicht schon mit Aufnahme der Beschäftigung bzw. Wohnsitznahme in der Schweiz besteht.

dd) Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für die Kollisionsregel des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht darauf an, ob die Versicherung tatsächlich durchgeführt wurde, sondern allein darauf, ob die betreffende Person der Versicherungspflicht unterliegt. Die Beklagte begründet ihre Ansicht u.a. mit der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, die für vormals gesetzlich Versicherte einen lückenlosen Schutz in der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Zwar ist der Kläger weder einer schweizerischen Versicherung beigetreten, noch wurde er einer solchen Versicherung auf der Grundlage der Vorschriften der Art. 6 Abs. 2 und Art. 6a Abs. 3 KVG/CH zugewiesen. Eine Versicherung ist daher trotz bestehender Versicherungspflicht in dem streitigen Zeitraum nicht durchgeführt worden. Für die Anwendung von Art. 14 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 ist es jedoch ohne Bedeutung, ob die Versicherung tatsächlich durchgeführt wurde. Wann ein Mitglied der "Versicherungspflicht in einem anderen Mitgliedstaat unterliegt", beantwortet sich allein nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, dessen Vorschriften anzuwenden sind. Gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen die Personen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedsstaats und das ist hier der Beschäftigungsstaat Schweiz, der Versicherungspflicht anordnet, die Durchführung der Versicherung aber von einem Beitritt bzw. einer Zuweisung abhängig macht. Über die Kollisionsnormen wird sichergestellt, dass nur ein einziges nationales Sozialrecht auf den gesamten Sachverhalt, sowohl für Leistungen als auch für Statusfragen und Beiträge Anwendung findet (Schreiber in: Schreiber/Wunder/Dern, VO (EG) Nr. 883/2004, 2012, Art. 11 Rn. 6). Ein anderes Ergebnis folgt daher entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Bestehen einer etwaigen Versicherungslücke, wie sie z.B. durch die Vorschriften § 191 Nr. 3 i.V.m. § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V und § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V verhindert werden soll. Für die Anwendung der Kollisionsnormen kommt es nicht auf Bestimmungen des nationalen Rechts, wie etwa einer Norm zur Verhinderung einer Versicherungslücke, an. Denn die Kollisionsnormen der VO (EG) Nr. 883/2004 garantieren nicht, dass jede Sozialleistung dem Grunde oder der Höhe nach im maßgeblichen Mitgliedstaat gewährleistet wird, wie in einem anderen Mitgliedstaat, zu dem die Personen ebenfalls einen Bezug haben könnten (Schreiber, a.a.O., Rn. 7). Insoweit sind auch Nachteile hinzunehmen, die allein auf der Anwendbarkeit des unionsrechtlichen Kollisionsrecht beruhen (Schreiber, a.a.O. Rn. 7). Die Vorschriften des Titels II der VO (EG) Nr. 883/2004 bilden ein geschlossenes System von Kollisionsnormen, das dem Gesetzgeber des einzelnen Mitgliedsstaats die Befugnis nimmt, Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen seiner nationalen Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalten sollen. Die Mitgliedstaaten können auch nicht bestimmen, inwieweit ihre eigenen Rechtsvorschriften oder die eines anderen Mitgliedsstaats anwendbar sind (zu Art. 13 VO (EWG) 1408/71: EuGH, Urteil vom 12.06.1986 – C-302/84 – juris Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 28.05.2008 – B 12 P 3/06 R – juris Rn. 21 f.). Der Beklagten zu 1 ist es damit verwehrt, für das Fortbestehen der freiwilligen Versicherung die Vorschriften der § 191 Nr. 3 i.V.m. § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V und § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V heranzuziehen. Die Tatsache, dass der Kläger im Mai 2013 zu Lasten der Beklagten zu 1 Leistungen in Anspruch genommen hat, ändert nichts an der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts.

b) Der Bescheid vom 28.11.2013 ist auch rechtswidrig, soweit die Beklagte zu 1 für den Zeitraum 01.11.2012 bis 19.11.2012 Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung auf der Grundlage des ab dem 20.11.2012 in der Schweiz erzielten Arbeitsentgelts nachberechnet hat. Zwar bestand in diesem Zeitraum die freiwillige Krankenversicherung noch; die Beklagte zu 1 war aber nicht berechtigt, den vorläufigen Beitragsbescheid vom 01.08.2012, mit dem sie die ab 01.08.2012 zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlenden Beiträge auf der Grundlage von monatlichen Einkünften in Höhe von 1.968,75 EUR festgesetzt hatte, abzuändern. Die Beklagte zu 1 war nicht befugt, die Höhe der Beiträge auf einer anderen Bemessungsrundlage zu berechnen, da es bis zur Aufnahme der Tätigkeit in der Schweiz zu keiner Änderung in den Verhältnissen gekommen war, der Kläger bis dahin insbesondere keine monatlichen Einkünften über 1.968,75 EUR erzielt hatte.

c) Der Bescheid vom 28.11.2013 ist auch im Hinblick auf die Nachberechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung rechtswidrig. Für den Zeitraum 20.11.2012 bis 31.05.2014 ergibt sich dies aus der fehlenden Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung, die gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI das Bestehen einer freiwilligen Krankenversicherung des Klägers voraussetzt. Für den Zeitraum 01.11.2012 bis 19.11.2012 war die Beklagte zu 2 ebenfalls nicht berechtigt, über die in dem Bescheid vom 01.08.2012 festgesetzten Beiträge hinaus Beiträge zur Pflegeversicherung zu erheben. Für den Kläger, für den für diesen Zeitraum gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung bestand, ordnet § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI für die Beitragsbemessung die entsprechende Anwendung von § 240 SGB V an, so dass auf die Ausführungen zu der Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung verwiesen werden kann.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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