S 34 AS 695/19 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 34 AS 695/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 528/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. In Bulgarien war der Antragsteller zu 1) mit Abrissarbeiten beschäftigt. Über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt der Antragsteller zu 1) nicht. Der Antragsteller zu 1) reiste Anfang März 2019 nach Deutschland ein. Die Antragsteller zu 2) bis 4), die Ehefrau des Antragstellers zu 1) und die gemeinsamen minderjährigen Kinder, kamen im Laufe des März nach Deutschland. Der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) verfügten über keinerlei Deutschkenntnisse.

Am 30. März 2019 besichtigte der Antragsteller zu 1) eine Wohnung in der A-Straße, A-Stadt. Am 01. April 2019 schloss der Antragsteller zu 1) sodann einen Mietvertrag für die 3-Zimmer-Wohnung ab. Die Mietkosten belaufen sich für die 84m² große Wohnung laut Mietvertrag auf 1.100 Euro. Bei Einzug in die Wohnung war eine Kaution in Höhe von 2.400 Euro zu leisten.

Am 29. April 2019 unterzeichnete der Antragsteller zu 1) einen Arbeitsvertrag bei F. GmbH als Landschaftsgärtner. Laut Arbeitsvertrag begann das Arbeitsverhältnis am 02. Mai 2019. Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit betrug 80 Stunden. Der Antragsteller zu 1) erhielt einen Stundenlohn in Höhe von 10,50 Euro. Der monatliche Bruttoverdienst lag bei 850 Euro, der Nettoverdienst bei 680 Euro.

Am 07. Mai 2019 erlitt der Antragsteller zu 1) während seiner Tätigkeit als Landschaftsgärtner einen Unfall, bei welchem er sich eine Trennscheibenverletzung der Wange rechts sowie eine Jochbeinfraktur rechts zuzog. Seither ist der Antragsteller arbeitsunfähig erkrankt.

Die Antragsteller beantragten am 09. Mai 2019 bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Auf Einladung der Antragsgegnerin gab die Antragsteller zu 2) gegenüber der Antragsgegnerin an, am 30. März 2019 nach Deutschland eingereist zu sein. Noch von Bulgarien aus hätten sie über Freunde in A-Stadt einen Arbeitsplatz und auch eine Wohnung in A-Stadt gefunden. Der Antragsteller zu 1) arbeite 80 Stunden pro Monat als Helfer im Gartenbau. Die Antragstellerin zu 2) arbeite nicht. Für die Kinder werde Kindergeld bezogen. Aus eigenen Mitteln könnten der Bedarf zum Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft nicht voll gedeckt werden. Vor diesem Hintergrund werde die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II beantragt. Der Antragsteller zu 1) erläuterte, er habe in Bulgarien immer gearbeitet, aber die Arbeit immer wieder verloren. Es sei nicht so einfach gewesen in Bulgarien eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. In A-Stadt habe er Familie und Bekannte. Da es in Bulgarien schwierig sei, eine Familie zu ernähren, hätten Freunde für sie in A-Stadt nach einer Wohnung gesucht und eine Arbeitsstelle. Um in Deutschland erst einmal leben zu können, hätten sie von Bekannten 3.000 Euro geliehen. Das Geld habe er dann für die Kaution der Wohnung, die Miete für April und für Lebensmittel genutzt. Seit Anfang Mai 2019 arbeite er. Sein erstes Gehalt werde er voraussichtlich Anfang Juni 2019 erhalten. Über weiteres Einkommen oder Vermögen würden sie nicht verfügen.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2019 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab. Im Falle der Antragsteller greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Der Antragsteller zu 1) gehe seit dem 01. Mai 2019 einer Beschäftigung bei der F. GmbH nach. Aus dem Arbeitsvertrag sei ersichtlich, dass er 10,50 Euro pro Stunde verdiene und 20 Stunden pro Woche arbeite. Tatsächlich habe er im Mai 2019 nur 13,50 Stunden gearbeitet. Der Europäische Gerichtshof habe mit der Entscheidung vom 04. Februar 2010 (C-14/09, RS Genc) entschieden, dass grundsätzlich jedes Arbeitsverhältnis als solches anzusehen sei, es sei denn, dass es sich um eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit handele. Es werde eine Mindeststundenzahl von 5,5 pro Woche definiert, an welcher festgestellt werde, dass es sich um eine unwesentliche und untergeordnete Beschäftigung handele. Aufgrund dieser höchstrichterlichen Positionierung sei im Falle der Antragsteller nicht von einem Arbeitnehmerstatus auszugehen, da er den Mindestumfang von 5,5 Wochenstunden nicht erreiche und es sich daher um eine unwesentliche und untergeordnete Beschäftigung handele. Aufgrund der Einführung des Mindestlohngesetzes sei eine Beschäftigung mit einem Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde zu entlohnen. Bezogen auf den Monat müsse somit bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 5,5 Stunden der monatliche Verdienst bei mindestens 210,68 Euro liegen. Die Beschäftigung sei als unwesentlich und untergeordnet anzusehen, weil der Antragsteller zu 1) lediglich 13,50 Stunden im Mai gearbeitet habe. Um den Arbeitnehmerstatus zu erfüllen, müsse er einen monatlichen Verdienst von mindestens 210,68 Euro habe. Er habe jedoch lediglich einen Verdienst von 141,75 Euro brutto bzw. 113,29 Euro netto erzielt. Er erfülle damit nicht die Voraussetzungen des Arbeitnehmerstatus nach § 2 FreizügG/EU, sodass der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greife und Leistungen nach dem SGB II für die Antragsteller nicht gewährt werden könne.

Hiergegen erhoben die Antragsteller am 17. Juni 2019 Widerspruch, welcher nicht weiter begründet wurde.

Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs bei der Antragsgegnerin gab der Antragsteller zu 1) am 17. Juli 2019 an, in Bulgarien mit seiner Familie bei seinem Vater gelebt zu haben. Om Bulgarien habe keine Miete gezahlt werden müssen. Er sei dort zweimal pro Woche arbeiten gegangen und habe ca. 30 Euro in der Woche verdient. Außerdem habe er Kindergeld bezogen. Sonstige Einkünfte habe die Familie nicht gehabt. Sie hätten lediglich ein wenig Unterstützung durch die Familie erhalten. Dadurch, dass sie zusammen mit seiner Familie gelebt hätten, hätten diese sie ab und an mit Lebensmitteln oder auch Geld unterstütz, da diese mehr verdient hätten, als er. Anfang März 2019 seien sie dann nach Deutschland gekommen. Der Grund für die Einreise sei, dass sie in Bulgarien nicht genug Geld verdient hätte, um den Lebensunterhalt dauerhaft alleine bestreiten zu können. Sie hätten gehofft, dies in Deutschland zu schaffen. Seine Tante und deren Mann würden in A-Stadt leben. Er habe Kontakt mit seiner Tante aufgenommen und ihr gesagt, dass sie gerne nach Deutschland kommen würden. Er habe ihr auch gesagt, dass es kein Problem sein, in Deutschland eine Arbeit zu finden. Als seine Familie und er nach Deutschland gereist seien, habe er allerdings noch keine Arbeitsstelle gehabt. Seine Tante habe ihnen dann eine Wohnung gesucht. Anfang März, als sie nach Deutschland gekommen seien, seien sie erstmal bei seiner Tante und deren Mann untergekommen. DA die Wohnung der Tante aber auf Dauer zu klein für alle gewesen sei, hätten sie sich eine eigene Wohnung gesucht. Die Suche nach einer Wohnung hätten sie erst von Deutschland aus begonnen. Kurz bevor sie dann in die Wohnung eingezogen seien, hätten sie den Mietvertrag unterzeichnet. Kurz bevor er angefangen habe zu arbeiten, habe er Kontakt mit seinem Arbeitgeber aufgenommen. Er habe mit dem Arbeitgeber telefonieren können, da dieser türkisch spreche und er ebenfalls türkisch verstehe. Seine Tante und deren Mann hätten ihnen zu Beginn, als sie nach Deutschland gekommen seien, sehr geholfen. Sie hätten nicht nur die Wohnung gesucht und vermittelt, sondern auch eine Arbeitsstelle. Bei der F. GmbH sei er als Landschaftsgärtner beschäftigt. Er habe keine Ausbildung absolviert und sei kein gelernter Landschaftsgärtner. Da er habe arbeiten wollen, habe er einfach nach Stellenangeboten geschaut und sich die Stelle als Landschaftsgärtner gut vorstellen können. Er habe sich nicht schriftlich beworben, sondern einfach dort angerufen und sei dann zu einem Gespräch eingeladen worden. Bei dem Gespräch habe man ihm mitgeteilt, dass er anfangen solle zu arbeiten, damit der Arbeitgeber sehen könne, ob er für die Stelle geeignet sei. Nachdem er sich an seinem ersten Tag bewährt habe, habe er in der Pause den Arbeitsvertrag unterzeichnen können. Bei der F. GmbH verdiene er ca. 850 Euro brutto im Monat. Ihm sei von Anfang an bewusst gewesen, dass er mit diesem Gehalt nicht den Lebensunterhalt der Familie bestreiten und die Miete sicherstellen könne. Aufgrund dessen habe er parallel noch eine andere Arbeitsstelle gesucht. Aufgrund seines Arbeitsunfalles habe er dann jedoch nicht mehr arbeiten können. Dementsprechend habe er auch nicht mehr nach einer anderen Stelle suchen können. Am 09. Mai 2019 habe die Familie einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Obwohl sie schon Anfang März 2019 nach Deutschland eingereist seien, hätten sie den Antrag erst Anfang Mai 2019 gestellt, da sie sich vorher noch nicht hätten verständigen können. Seine Tante und deren Mann würden auch kein Deutsch sprechen. Durch reinen Zufall habe er in einem Café Herrn G. getroffen. Da er gehört habe, dass dieser seine Sprache spreche, habe er ihn gefragt, ob er auch Deutsch könne. So sei es zustande gekommen, dass dieser ihnen bei Behördengängen helfe und übersetze. Ob er schon früher einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt hätte, wenn die sprachlichen Barrieren nicht bestanden hätten, wisse er nicht. Er sei mit der Absicht nach Deutschland gekommen, dass seine Familie und er ein besseres Leben hätten. Er habe sich eine Arbeit suchen wollen, um unabhängig von anderen zu sein. Eine Arbeit habe er dann gefunden und schon Anfang Mai angefangen zu arbeiten. Da er gewusst habe, dass er mit der Arbeit nicht genug verdiene, um die laufenden Kosten zu decken, habe er parallel noch eine weitere Arbeitsstelle gesucht. Nachdem er am 07. Mai 2019 den Arbeitsunfall erlitten habe und deswegen nicht mehr habe arbeiten können, sei ihm bewusst geworden, dass er den Lebensunterhalt seiner Familie nicht alleine finanzieren könne. Deswegen hätten sie am 09. Mai 2019 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Bevor er angefangen habe zu arbeiten, hätten seine Tante und deren Mann sie finanziell unterstütz. Sie hätten ihnen 3.000 Euro geliehen, damit sie Lebensmittel kaufen und allgemein den Lebensunterhalt bestreiten sowie die Kaution für die Miete zahlen konnten. Diese Geld müsse er aber zurückzahlen. Er sei seit seinem Arbeitsunfall krankgeschrieben. Im Juni 2019 sei er zwei Tage arbeiten gewesen, allerdings habe er gemerkt, dass es doch noch nicht gehe. Verletztengeld habe er von der AOK nur im Mai 2019 erhalten.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2019 hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 14. Juni 2019 auf.

Mit weiterem Bescheid vom 14. August 2019 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II erneut ab. Zur Begründung führte sie aus, die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB II seien nicht erfüllt. Es greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II, da sich der Aufenthalt der Antragsteller allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Der Antragsteller zu 1) habe mitgeteilt, nach Deutschland eingereist zu sein, um hier ein besseres Leben zu haben, da er hier arbeiten gehen wolle. Er habe nicht glaubhaft gemacht und es sei auch nicht ersichtlich, dass er außer dem Zweck der Arbeitssuche ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik habe, da er Arbeit gesucht habe. Der Antragsteller zu 1) und seine Familie seien vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen, da sich ihr Aufenthaltsrecht ausschließlich auf den Grund der Arbeitssuche stütze. Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und deren Familienangehörige hätten das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe des Gesetztes (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU). Gem. § 2 FreizügG/EU habe ein Staatsangehöriger eines anderen EU-Staates ein Recht auf Einreise und Aufenthalt innerhalb der EU-Mitgliedstaaten, einschließlich der Möglichkeit der Arbeitsaufnahme. Da die Antragsteller bulgarische Staatsangehörige seien, dürften sie sich um Rahmen der Freizügigkeit in Deutschland aufhalten. Bei Antragstellung sei als Aufenthaltsgrund und Zugang zum SGB II auch bislang die Arbeitsnehmerfreizügigkeit zugrunde gelegt worden. Im Falle der Antragsteller sei die Arbeitnehmerfreizügigkeit die einzige Zugangsmöglichkeit auf SGB II Leitungen, da andere Aufenthaltsgründe, wie z. B. familiärer Natur nicht gegeben seien. Da sie zur Arbeitssuche nach Deutschland eingereist seien, hätten sie aber keinen Anspruch darauf, für die Zeit des Aufenthaltes den Lebensunterhalt aus öffentlichen Mitteln des besuchten Staates finanziert zu bekommen. Gem. § 7 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 SGB II könnten abweichend von Satz 2 Nr. 2 Ausländerinnen und Ausländer und deren Familienangehörige Leistungen nach dem SGB II erhalten, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hätten. Die Rücknahme des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 SGB II greife im Falle der Antragsteller nicht, da sie erst seit dem 01. April 2019 in Deutschland gemeldet seien und somit keine fünf Jahre im Bundesgebiet ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Abgesehen von diesen Gründen bestünden auch Zweifel an der Hilfebedürftigkeit. Sie seien Anfang März nach Deutschland eingereist. Der Antragsteller zu 1) habe erst am 01. Mai 2019 zu arbeiten begonnen. Sein erstes Gehalt habe er am 04. Juni 2019 erhalten in Höhe von 112,16 Euro. Kindergeld in Höhe von 776 Euro habe er am 29. Mai 2019 erhalten und Verletztengeld in Höhe von 448,14 Euro am 07. Juni 2019. Die Antragsteller hätten folglich ihren Lebensunterhalt von Anfang März bis Ende Mai unabhängig von staatlichen Leistungen und selbst erzielten Einkünften bestreiten können. Dies sei ihnen möglich gewesen, da sie Geld von der Tante des Antragstellers zu 1) und deren Mann erhalten hätten. Auch müsse, sofern die Miete gezahlt worden sei, die Miete nur mit Hilfe von Tante und deren Mann gezahlt worden sein, da der Verdienst des Antragstellers zu 1) und das Kindergeld nicht ausreichen würden, um die Miete komplett zahlen zu können. Eine vierköpfige Familie habe nach dem SGB II einen Bedarf in Höhe von 1.254 Euro zuzüglich Miete. Der Gesamtbedarf der Antragsteller liege daher bei 2.354 Euro. Der Verdienst des Antragstellers zu 1) betrage lediglich 850 Euro brutto. Kindergeld erhalte er in Höhe von 408 Euro. Da sie bislang keine staatlichen Leistungen erhalten hätten, sei zweifelhaft, inwieweit Hilfebedürftigkeit bestehe. Das seit Einreise gezeigte Verhalten der Antragsteller zeige, dass ihr Aufenthalt nicht auf eine ernsthafte auskömmliche Erwerbstätigkeit ausgerichtet sei und stattdessen das Ziel verfolgt werde, den überwiegenden Bedarf der Familie durch Sozialleistungen zu decken. Bereits der europäische Gerichtshof in der Entscheidung vom 12. März 2014 (C-456/12) habe geurteilt, dass das Unionsrecht bei Rechtsmissbrauch keine Anwendung finde. National gestützt werde diese Rechtsauffassung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 27. November 2018 (10 CS 18.2180). Aus den genannten Gründen werde der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II abgelehnt.

Hiergegen erhoben die Antragsteller unter dem 19. August 2019 Widerspruch. Die Entscheidung berücksichtige nicht, dass der Antragsteller zu 1) mehr als 300 Euro in der Woche verdiene. Auch die Anzahl der Arbeitsstunden im Monat nach dem vorliegenden Arbeitsvertrag seien nicht berücksichtigt worden. Die Erkrankung des Antragstellers zu 1) sei zum Zeitpunkt der Einreise nicht absehbar gewesen.

Mit dem am 19. August 2019 gestellten Eilantrag verfolgen die Antragsteller ihr Ziel fort. Bei der Entscheidung habe die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt, dass sie als EU-Bürger mehr als 8 Stunden pro Woche gearbeitet und auch ein Monatseinkommen von mehr als 200 Euro bis 300 Euro erwirtschaftet hätten. Somit seien sie nicht zur Arbeitssuche eingereist. Die Notlage sei nicht vorhersehbar gewesen. Seit Mai 2019 hätten sie durch ein Darlehen im privaten Umfeld notdürftig finanziell überlebt. Es bestehe nicht die Möglichkeit für ein weiteres privates Darlehen. Verwertbares Vermögen sei nicht vorhanden.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt die Antragsgegnerin im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Bescheid vom 14. August 2019.

Das Gericht hat im Rahmen eines Erörterungstermins am 19. September 2019 Beweis erhoben durch informatorische Anhörung der Antragsteller sowie durch Vernehmung von Frau H.J., Herrn K.J. und Herrn G. als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, insbesondere die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 19. September 2019. Diese waren Grundlage der Entscheidung.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerseite vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 938, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) sind sowohl Anordnungsgrund, als auch Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht geboten. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegenüber dem Antragsgegner.

Zwar sind die Antragsteller zu 1) und 2) zur Überzeugung der Kammer im hier streitgegenständlichen Zeitraum als erwerbsfähige Leistungsberechtigte anzusehen, da sie beide die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen. Beide haben das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II aber noch nicht erreicht (Nr. 1), sind hilfebedürftig (Nr. 2) und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4). Das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit (Nr. 3) ist ebenfalls anzunehmen.

Der Antragsteller zu 1), dessen Ehefrau, die Antragstellerin zu 2) und deren gemeinsame Kinder, die Antragsteller zu 3) und 4) sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II jedoch von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach haben diejenigen Ausländerinnen und Ausländer keinen Anspruch auf Leistungen, a) die kein Aufenthaltsrecht haben, b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten.

Die Antragsteller haben nach der hier jedenfalls vorliegenden Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB II kein Aufenthaltsrecht.

Die Antragsteller können sich zunächst nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet – Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berufen. Denn nach § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, was impliziert, dass dieser Titel erteilt sein muss, um daraus ein Aufenthaltsrecht innezuhaben. Dies ist bei den Antragstellern nicht der Fall.

Die Antragsteller sind darüber hinaus auch nicht aufgrund der Regelungen des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – Freizügigkeitsgesetz/EU – (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt, was ihnen ein Aufenthaltsrecht vermitteln würde.

Die Antragsteller erfüllen keine der Voraussetzungen für eine sogenannte Grundfreiheit nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, wobei bei den Antragstellern Freizügigkeit aufgrund der Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund der gegebenen Bedürftigkeit ausscheidet und eine solche wegen der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit mangels Aufnahme einer solchen nicht gegeben ist.

Die Antragsteller sind auch keine freizügigkeitsberechtigten Arbeitnehmer nach § 2 Abs.2 Nr. 1 FreizügG/EU oder Familienangehörige einer solchen Person. Insbesondere ist der Antragsteller zu 1) nicht als freizügigkeitsberechtigter Arbeitnehmer anzusehen.

Der Antragsteller zu 1) kann sich nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU berufen.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sind Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich im Bundesgebiet als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 EU-Arbeitsweisevertrag (AEUV) aufhalten wollen.

Der Antragteller zu 1) hat mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit zum 02. Mai 2019 in der Bundesrepublik Freizügigkeit als Arbeitnehmer nicht erworben.

Zunächst begründet die von dem Antragsteller zu 1) am 02. Mai 2019 aufgenommene Tätigkeit als Landschaftsgärtner bei der F. GmbH grundsätzlich eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist der Begriff "Arbeitnehmer" ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der nicht eng ausgelegt werden darf (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013 – C-46/12). Der Begriff ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013 – C-46/12). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, Urteil vom 03. Juli 1986 – Rs 66/85). Für die Qualifizierung als Arbeitnehmer ist es erforderlich, dass die betreffende Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013 – C-46/12). Bei der Prüfung, ob im konkreten Fall eine tatsächliche und echte Tätigkeit vorliegt, muss der Rechtsanwender alle relevanten objektiven Gesichtspunkte ermitteln und im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegeneinander abwägen (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2013 – C-46/12).

Als Kriterien zur Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft sind insbesondere die Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses, die Arbeitszeit, die Höhe der Vergütung, die Einhaltung von Ansprüchen auf bezahlten Urlaub, die Geltung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Entrichtung von Beiträgen heranzuziehen (vgl. z. B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. September 2017 – L 19 AS 1540/17 B ER, L 19 AS 1543/17 B).

Diese Voraussetzungen sind im Falle des Antragstellers zu 1) erfüllt. Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Antragsteller zu 1) eine tatsächliche und echte Tätigkeit bei der F. GmbH aufgenommen hat. Dies zeigen die Arbeitsaufnahme durch den Antragsteller zu 1) am 02. Mai 2019, die abgeleisteten Arbeitsstunden bis zum Arbeitsunfall am 07. Mai 2019 sowie der Arbeitsunfall selbst. Mit einem geplanten Arbeitsumfang von 80 Stunden pro Monat ist diese Tätigkeit auch nicht völlig untergeordnet und unwesentlich. Wegen des kurzen Zeitraumes zwischen der Arbeitsaufnahme und dem Arbeitsunfall muss die Kammer auf die vertraglichen Vereinbarungen abstellen. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese nicht auch tatsächlich so gelebt werden sollten.

Die Antragsteller genießen jedoch keine Freizügigkeit, da die Geltendmachung eines auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gestützten Freizügigkeitsrechts sich als rechtsmissbräuchlich darstellt.

Begibt sich ein EU-Bürger nur mit der Absicht in einen Mitgliedstaat, um dort nach einer sehr kurzen Berufstätigkeit Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, handelt es sich nach Rechtsprechung des EuGH um Missbrauch, der durch die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht gedeckt ist (EuGH, Urteil vom 21. Juni 1988 – Rs. 39/86).

Denn das Unionsrecht findet bei missbräuchlichen Praktiken keine Anwendung (Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 5. März 2019 – 9 B 56/19; Beschluss vom 30. Juli 2018 – 1 B 953/18; Beschluss vom 26. Juni 2014 – 1 B 37114 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 12. März 2014 – C-456/12 – O. und B.; Urteil vom 22. Dezember 2010 – C-303/08; Verwaltungsgericht (VG) Darmstadt, Beschluss vom 14. Oktober 2019 – 5 K 1116.18.DA – nicht veröffentlicht). Der Nachweis eines Missbrauchs setzt zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde, und zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (EuGH, Urteil vom 12. März 2014 – C-456/12 – O. und B.; Hessischer VGH, Beschluss vom 5. März 2019 – 9 B 56/19; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2017 – 18 B 274/17; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. September 2016 – 7 B 10406/16, 7 D 10407/16; VG Darmstadt, Beschluss vom 14. Oktober 2019 – 5 K 1116.18.DA – nicht veröffentlicht).

Die Kammer ist nach umfassender Würdigung des Akteninhalts und der durchgeführten Beweisaufnahme im Rahmen des Erörterungstermins am 19. September 2019 zu der Überzeugung gelangt, dass die Antragsteller – und damit auch der Antragsteller zu 1) – rechtsmissbräuchlich in das Bundesgebiet eingereist sind, um Sozialleistungen zu beziehen. Das Gericht geht aufgrund der Würdigung des Sachverhalts davon aus, dass der Antragsteller zu 1), der bei der Einreise weder über berufliche Qualifikationen verfügte noch einfach deutschen Sprachkenntnisse besaß und solche auch im Weiteren nicht erworben hat, sich ausschließlich zu dem Zweck in das Bundesgebiet begeben hat, um für sich, seine Ehefrau und die minderjährigen Kinder ein Auskommen durch den Bezug von Sozialleistungen zu erlangen.

Der Antragsteller zu 1) ist nach seiner Einreise in das Bundesgebiet lediglich einige wenige Tage in Teilzeit beschäftigt gewesen. Bereits kurz nach Aufnahme der Tätigkeit erlitt der Antragsteller zu 1) einen Arbeitsunfall. Seither ist der Antragsteller keiner Beschäftigung mehr nachgegangen. Auch bei Außerachtlassung des Arbeitsunfalles diente diese Beschäftigung diente erkennbar nur dazu, die formalen Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit herbeizuführen, um in den Genuss staatlicher Leistungen zu gelangen. Die nur formale Erfüllung der Mindestvoraussetzungen der Freizügigkeit, die dem Sinn und Zweck der Unionsbürgerrichtlinie nicht entspricht, sondern lediglich das Ziel verfolgt, sich dadurch soziale Vorteile des Unionsrecht zu verschaffen, ist ein starkes Indiz für einen Rechtsmissbrauch (Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. September 2016 – 7 B 10406/16).

Die gebotene Gesamtschau ist abweichend von der den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit bestimmenden Prüfung des Arbeitnehmerbegriffs nicht beschränkt, sondern hat sämtliche Gesichtspunkte zu umfassen (Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 5. März 03.2019 – 9 B 56/19; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. September 2016 – 7 B 10406/16, 7 D 10407/16).

Zur Überzeugung des Gerichts ist ein sowohl objektiv als auch subjektiv rechtsmissbräuchliches Verhalten gegeben. Aus dieser oben genannten Beschäftigung erzielte der Antragsteller ein Bruttogehalt in Höhe von 850 Euro, netto 680 Euro. Diese Beschäftigung war schon nicht geeignet, den Lebensunterhalt des Antragstellers zu 1) alleine zu sichern. Noch weniger war sie mithin geeignet, den Lebensunterhalt der gesamten vierköpfigen Familie des Antragstellers zu 1) zu sichern. Sie diente erkennbar nur dazu, die formalen Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit herbeizuführen, um in den Genuss staatlicher Leistungen zu gelangen. Der Antragsteller zu 1) verfügte bei seiner Einreise nach Deutschland weder über Deutschkenntnisse, noch über berufliche Qualifikationen, welche ihn zur Aufnahme einer adäquaten Beschäftigung und damit zur Sicherung des Lebensunterhaltes befähigt hätten. Hinzu kommt, dass der Antragsteller zu 1) zum Zeitpunkt seiner Einreise keinerlei Beschäftigung in Aussicht hatte. Auch verfügten die Antragsteller bei der Einreise nur über eigene Finanzmittel in geringem Umfang. Die Einreise erfolgte damit in eine völlig ungewisse finanzielle Zukunft hinein. Auch wenn der Antragsteller zu 1) die Hoffnung gehabt haben mag, dass er bald eine Anstellung in Deutschland finden wird, so muss diese Vorstellung bei objektiver Betrachtung doch als träumerisch bezeichnet werden. Denn weder die Ausbildung des Antragstellers zu 1), noch seine Sprachfähigkeiten lassen auch nur ansatzweise die Ansicht vertreten, dass diesem ein schneller Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt hätte möglich sein können. Der Antragsteller zu 1) war aufgrund seiner fehlenden beruflichen Qualifikationen bereits in Bulgarien nicht in der Lage, den Lebensunterhalt der Familie vollständig aus eigenen Mitteln zu sichern. Vielmehr waren die Antragsteller schon in ihrem Heimatland auf die vielfältige Unterstützung der Familie des Antragstellers zu 1) angewiesen. Es ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie die Antragsteller in dieser Situation davon ausgehen konnten, ohne jegliche Sprachkenntnisse und berufliche Bildung in einem Land, in welchem Lebenshaltungs- und Unterkunftskosten deutlich über dem liegen, was in Bulgarien für ein auskömmliches Leben erforderlich ist, ihren Lebensunterhalt durch eigene Mittel bestreiten zu können. Dieser Situation mussten die Antragsteller sich bei Einreise in das Bundesgebiet bewusst gewesen sein. Damit bestand aus Sicht der Kammer schon bei der Einreise die Absicht, den Lebensunterhalt in wesentlichem Umfang durch den Bezug von Sozialleistungen sicherzustellen.

Insgesamt hat das Gericht aufgrund des Gesamtsachverhalts den Eindruck, dass eine Beschäftigung von dem Antragsteller zu 1) überhaupt nur aufgenommen wurde, um die Voraussetzungen für einen Bezug von Sozialleistungen zu schaffen. Eine ernsthafte Absicht, sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt wirtschaftlich zu integrieren, hatte der Antragsteller zu 1) zu keinem Zeitpunkt. Hätte der Antragsteller zu 1) die ernsthafte Absicht besessen, sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt wirtschaftlich zu integrieren, so wäre zu erwarten gewesen, dass er zeitnah vor, spätestens aber unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet einen Sprachkurs absolviert und die deutsche Sprache erlernt, um so bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Zudem wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller sich nicht auf die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung beschränkt, sondern sich um eine Vollzeitbeschäftigung oder aber eine zusätzliche weitere Teilzeitbeschäftigung bemüht. Beides ist jedoch nicht der Fall. Bis heute hat der Antragsteller weder einen Sprachkurs absolviert, noch sich um eine anderweitige Beschäftigung bemüht.

Vielmehr beabsichtigte der Antragsteller zu 1) zur Überzeugung des Gerichts von Beginn an Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Der Antragsteller zu 1) wusste auch von der Möglichkeit, entsprechende Leistungen in Deutschland zu beantragen, wie nunmehr eindrücklich in dem Schriftsatz des Vermieters der Antragsteller vom 26. September 2019 noch einmal dargelegt wurde. Den Angaben des Antragstellers zu 1), erst aufgrund seines Arbeitsunfalles Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu wollen, schenkt die Kammer keinen Glauben. Die finanzielle Situation der Antragsteller ist seit dem Arbeitsunfall unverändert. Der Antragsteller zu 1) bezieht nach Ablauf der Wartezeit des § 3 Abs. 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) von seinem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen erhält der Antragsteller zu 1) von seinem Arbeitgeber genau die Leistungen, welche ihm auch im Falle der Fortführung seiner Tätigkeit gezahlt worden wären. Die Antragsteller befinden sich finanziell mithin in der gleichen Lage, wie vor dem Arbeitsunfall. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller zu 1) sich im Vorfeld seines Arbeitsunfalles um eine (neue) Vollzeitbeschäftigung oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung bemüht hätte. Entsprechende Nachweise konnten von ihm nicht erbracht werden. Ganz im Gegenteil hat der Antragsteller zu 1) im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage selbst angegeben, dass er sich nach Abschluss des Arbeitsvertrages bei der F. GmbH zunächst nicht um eine andere Tätigkeit bemüht hat. Es ist mithin nicht ersichtlich ist, dass hier ohne den Arbeitsunfall zeitnah eine Änderung in den finanziellen Verhältnissen der Antragsteller eingetreten wäre. Dennoch haben die Antragsteller sodann einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt, wie sie es – zur Überzeugung der Kammer – von Beginn an beabsichtigt haben.

Dies wird letztlich eindrücklich durch die Aussage des Zeugen G. im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage zur Überzeugung der Kammer bestätigt. Herr G. hat glaubhaft ausgeführt, dass der Antragsteller zu 1) ihn bereits vor seinem Arbeitsunfall am 07. Mai 2019 gebeten habe, ihn zum "Sozialamt" zu begleiten. Das Gericht hat den Zeugen mehrfach dazu befragt, zu welchem Zeitpunkt die Antragsteller ihn um Hilfe hinsichtlich der Antragstellung bei der Antragsgegnerin gebeten haben. Der Zeuge hat glaubhaft ausgeführt, dass der Antragsteller zu 1) ihn bereits vor seinem Arbeitsunfall gebeten hat, die Familie bei der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II zu unterstützen. Es sind für das Gericht keine Gründe dafür ersichtlich, warum der Zeuge, der den Antragstellern seit deren Einreise mehrfach unterstützend zur Seite gestanden hat, im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage diesbezüglich die Unwahrheit gesagt haben sollte.

Nicht für glaubhaft erachtet das Gericht die Angaben des Antragstellers zu 1), wenn dieser nunmehr über seinen Vermieter angibt, sich mit diesem Ende April über die unterschiedlichen Zuständigkeiten der in Deutschland existierenden Behörden nach dem SGB II und dem Sozialgesetzbuch Dritten Buch (SGB III) unterhalten zu haben. Ein solches Vorbringen ist bereits deshalb nicht glaubhaft, da in dem fast fünfstündigen Erörterungstermin zu keinem Zeitpunkt eine solche Kommunikation zwischen dem Antragsteller zu 1) und dem Vermieter erwähnt wurde. Vielmehr wurde dies nunmehr nach Erhalt des Sitzungsprotokolls von dem Vermieter der Antragsteller ausgeführt, der doch ein erhebliches Interesse daran haben dürfte, dass den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gewährt werden, nachdem er seit dem Einzug der Antragsteller im April 2019 nicht eine einzige Mietzahlung erhalten hat. Zudem ist es vor allem im Hinblick auf die fehlenden Deutschkenntnisse des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) zu bezweifeln, dass diese in der Lage gewesen sein sollen, sich mit dem deutschen Vermieter eingehend über die Unterschiede zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Amt für Grundsicherung zu unterhalten.

Das Gericht ist insoweit davon überzeugt, dass die Antragsteller in das Bundesgebiet eingereist sind, um Sozialleistungen zu beziehen. Die gegenteiligen Angaben der Antragsteller im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage konnten das Gericht nicht überzeugen. Denn das Verhalten des Antragstellers zu 1) und aller anderen Antragsteller erachtet die Kammer bei Würdigung aller Gesamtumstände als planvolles, auf die Erlangung von Sozialleistungen gerichtetes Vorgehen. Die Antragsteller haben sich zunächst ohne die Beantragung von Sozialleistungen so lange im Bundesgebiet aufgehalten, um den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II zu umgehen. Im Anschluss daran wird durch den Antragsteller zu 1) eine zeitlich und finanziell nur unzureichende Erwerbstätigkeit aufgenommen und zeitnah hierzu der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Dieses Verhalten erhärtet den Eindruck der Kammer, dass hier die Lebensunterhaltssicherung durch den Bezug von Sozialleistungen bei der Einreise im Vordergrund der Motive der Antragsteller stand. Dass dieser Plan durch den unmittelbar nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit eingetretenen Arbeitsunfall noch unterstützt wurde, mag ein unglücklicher Zufall sein, ändert aber nichts an der Überzeugung der Kammer.

Zudem hat der Antragsteller zu 1) bereits unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet und noch im Vorfeld der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ohne jegliche wirtschaftliche Sicherheit eine Wohnung angemietet, welche im Hinblick auf Größe (84 m²) und Preis (1.100 Euro) auch durch die spätere Arbeitsaufnahme des Antragstellers zu 1) nicht eigenständig finanzierbar war. Zum Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung verfügte der Antragsteller über keinerlei eigene finanzielle Mittel. Die von der Tante des Antragstellers zu 1) geliehenen 3.000 Euro konnten gerade die zu Beginn des Mietverhältnisses anfallende Kaution in Höhe von 2.400 Euro abdecken. Entgegen der Angaben der Antragsteller war es insoweit nicht möglich, von den verbliebenen 600 Euro zusätzlich noch die erste Miete und die weiteren Lebensunterhaltskosten des laufenden Monats abzudecken. Eine Beschäftigung hatte der Antragsteller zu 1) zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht aufgenommen. Dem Antragsteller war mithin bewusst, dass er aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht in der Lage sein würde, sowohl die Mietzahlungen zu begleichen als auch den Lebensunterhalt der Familie aus eigenen Mitteln bestreiten zu können. Dennoch ist der Antragsteller zu 1) ohne jegliche finanzielle Mittel und ohne begründete Aussicht auf eine bedarfsdeckende Erwerbstätigkeit eine entsprechende Verpflichtung eingegangen. Will man dem Antragsteller zu 1) insoweit keinen Eingehungsbetrug unterstellen, muss dieser in der Absicht gehandelt haben, die Wohnung und den Lebensunterhalt auf andere Weise zu sichern. Auch dieses Vorgehen spricht dafür, dass die Antragsteller einen Bezug von Sozialleistungen beabsichtigt haben.

Dies wird dadurch untermauert, dass der Antragsteller zu 1) auch nicht plausibel erläutern konnte, wie er ohne den Bezug von Sozialleistungen und einen auskömmlichen Arbeitslohn die monatlichen Mietzahlungen begleichen und den Lebensunterhalt der Familie bestreiten will. Soweit der Antragsteller zu 1) angegeben hat, er habe sich eine zweite Beschäftigung suchen wollen, so ändert dies nichts an dem Umstand, dass der Antragsteller zu 1) zum Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung über keine Beschäftigung verfügte, welche den monatlichen Mietpreis auch nur ansatzweise hätte abdecken können. Auch die – in Ansehung des bereits geschlossenen Mietvertrages – zum 02. Mai 2019 aufgenommene Tätigkeit des Antragstellers zu 1) war nicht dazu geeignet, die monatlich anfallende Miete in Höhe von 1.100 Euro zu decken, geschweige denn zugleich auch den Lebensunterhalt der Antragsteller zu sichern. Zur Überzeugung der Kammer hat der Antragsteller zu 1) sich nach Abschluss des Arbeitsvertrages bei der F. GmbH auch nicht um eine entsprechende (weitere) Beschäftigung bemüht. Die Kammer hält die gegenteiligen Angaben des Antragstellers zu 1) gegenüber der Antragsgegnerin am 17. Juli 2019 und im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht für glaubhaft. Vielmehr macht der Umstand, dass die Antragsteller seit Anmietung der Wohnung zum 01. April 2019 keinerlei Mietzahlungen erbracht haben deutlich, dass die Antragsteller seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet auf den Bezug von Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes angewiesen waren und diesen auch konkret beabsichtigt haben.

Schlussendlich kann sich auch die Antragstellerin zu 2) nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU berufen. Die Antragstellerin zu 2) übt keinerlei Beschäftigung aus, aufgrund welcher Freizügigkeit und damit ein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden könnte. Bei den Antragstellern zu 3) und 4) scheidet all dies schon aufgrund ihres Alters aus.

Die Antragsteller können ihre geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf eine Verurteilung des zuständigen und möglicherweise beizuladenden Sozialhilfeträgers nach § 75 Abs. 2 2. Alt, Abs. 5 SGG in Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) stützen. Eine Beiladung und eine Verurteilung nach § 75 Abs. 2 2. Alt, Abs. 5 SGG setzen zwar nicht voraus, dass es sich bei dem mit dem Antrag geltend gemachten Anspruch und dem Anspruch gegen den anderen Träger inhaltlich um denselben Anspruch handelt oder sich diese Ansprüche inhaltlich vollständig decken, sie dürfen sich aber nach Rechtsgrund und Rechtsfolge nicht wesentlich unterscheiden (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 75 Rn. 18 m.w.N.; siehe auch Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. Mai 2007 – B 2 U 3/06 R). Die Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 SGB XII stellen jedoch gegenüber den bei der Antragsgegnerin beantragten und im vorliegenden Eilverfahren geltend gemachten Leistungen nach dem SGB II nach Auffassung der Kammer, die sich in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung der Landessozialgerichte befindet, ein aliud dar (Hessisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 21. August 2019 – L 7 AS 285/19 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. November 2018 – L 19 AS 1434/18 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. August 2017 – L 8 SO 130/17 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2018 – L 19 AS 249/18 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2017 – L 15 AS 62/17 B ER; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Februar 2017 – L 23 SO 30/17 B ER; a.A. lediglich LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Januar 2018 – L 7 AS 2299/ 17 B), so dass eine Beiladung des Sozialhilfeträgers nicht erfolgen musste (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2018 – L 19 AS 249/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2017 – L 15 AS 62/17 B ER). Denn der Bezug der Überbrückungsleistungen ist – anders als bei laufenden Leistungen – auf eine kurze überbrückbare Absicherung des Aufenthalts bis zur Ausreise gerichtet und dient der Vorbereitung dieser Ausreise aus dem Bundesgebiet und besitzt Ausnahmecharakter (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. November 2018 – L 19 AS 1434/18 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. August 2017 – L 8 SO 130/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Mai 2017 – L 15 AS 62/17 B ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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