S 35 (13) AL 271/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 (13) AL 271/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten habe die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe so¬wie um die Erstattung von Arbeitslosenhilfe und Beiträgen zur Kranken- und Pflege¬versicherung.

Der 1948 geborene Kläger bezog unter Anderem im Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum 31.10.1992 von der Beklagten Arbeitslosenhilfe. Unter dem 19. November 2002 teilte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfandung der Beklagten mit, ihm sei bekannt geworden, dass der Kläger bei der türkischen Bank UDN-B im Jahre 1997 34.000,00 DM, im Jahre 1999 38.997,00 DM und im Jahre 2001 45.430,00 DM Kapitalerträge erhalten habe. Diese Erträge hatte der Kläger gegen¬über der Beklagten in den entsprechenden Antragsvordrucken nicht angegeben.

Mit Schreiben vom 25. November 2002 hörte die Beklagte den Kläger entsprechend an und erteilte unter dem 18.12.2002 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid mit dem die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.01.1997 bis 31.10.2002 aufgehoben wurde. Mit dem Bescheid wurde ein Gesamtüberzahlungs-betrag in Höhe von 50.601,85 EUR zurückgefordert.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er vortrug, es sei zutreffend, dass auf seinen Namen ein entsprechendes Konto bei der türkischen Bank geführt worden sei. Er habe das Konto jedoch auf fremde Rechnung geführt. Auf das Konto seien ursprünglich im Jahre 1993 100.000,00 DM eingezahlt worden, die dann mit einem Satz von 8,00 bis 11,00 % - bei Gutschrift jeweils für zwei Zinsjahre - verzinst worden seien. 1994 seien weitere 88.000,00 DM eingezahlt worden und 1995 weite¬re 75.000,00 DM. Wirtschaftliche Eigentümer des Geldes sei der Bruder des Klägers. Dieser habe dem Kläger das Geld übergeben, damit der Kläger es bei der E Bank einzahle und auf ein Konto mit seinem Namen bei der UDN Bank in der Türkei überweise. Der Kläger trete lediglich in treuhänderischer Funktion auf. Zum Beweis hierfür legte der Kläger handschriftliche Vereinbarungen zwischen ihm und seinem Bruder vor, wonach dem Bruder des Klägers alle Zinsen und das Kapital auf dem Konto zuzurechnen sind. Die Beklagte erstattete daraufhin Strafanzeige gegen den Kläger wegen Betruges. Das Amtsgericht Krefeld hat den Kläger mit Urteil vom 19. November 2003 freige-sprochen. Es hat ausgeführt, dem Kläger sei nicht nachzuweisen gewesen, dass er das Konto bei der UDN Bank nicht nur treuhänderisch zugunsten seines Bruders ge¬führt habe. Der Kläger habe als türkischer Staatsangehöriger, der in Deutschland seinen Wohnsitz habe, bei der fraglichen Bank höhere Zinsen erhalten, als dies sein Bruder aus der Türkei erhalten hätte. Diese Einlassung des Klägers sei plausibel. Im Übrigen habe der Kläger nachgewiesen, dass er in einfachen Verhältnissen lebe, was dafür spreche, dass er über keine größeren Geldbeträge verfügen könne. Mit Bescheid vom 07.06.2004 wies der Beklagte den Widerspruchsbescheid des Klägers als sachlich unbegründet zurück. Im Bescheid wird ausgeführt, das Vermö¬gen auf den Konten bei der UDN Bank sei dem Kläger zuzurechnen. Unter Berück¬sichtigung einer Freigrenze von 16.000,00 DM verbleibe ein zu berücksichtigendes Vermögen von mindestens 134.000,00 DM. Die Behauptung des Klägers, das Geld gehöre seinem Bruder sei lebensfern und vom Kläger nicht bewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 08. Juli 2004 eingegangene Klage, mit der der Kläger vorträgt, er lebe in einfachsten Verhältnissen. Außerdem gehe aus der schriftlichen Vereinbarung mit seinem Bruder eindeutig hervor, dass der Kläger das Konto nur treuhänderisch geführt habe. Es komme nicht darauf an, dass das Konto auch ge-genüber der Bank als Treuhandkonto geführt werde. Eine Kontoführung auf fremde Rechnung sei von Gesetzes wegen gar nicht zulässig. Deshalb müsse die treuhän¬derische Beziehung im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Bruder ausreichend sein.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt:

den Bescheid vom 18.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2004 aufzuheben. Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Rechtsauffassung festgehal¬ten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann vorliegend durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) entscheiden, denn der Sachverhalt ist aufgeklärt und die der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsfragen sind einfacher Natur.

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgestellt, dass die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe an den Kläger - im fraglichen Zeitraum - von Anfang an wegen mangelnder Bedürftigkeit rechtswidrig war und nach § 45 SGB X rückwir¬kend zurückgenommen werden durfte. Der Kläger hatte nämlich keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in der fraglichen Zeit, weil er nicht bedürftig war.

Bedürftig ist nach § 193 SGB III ein Arbeitsloser nämlich nur, soweit er seinen Le¬bensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten kann. Der Kläger verfügte aber in der fraglichen Zeit über Einkommen aus Zinsen und über ein beträchtliches Vermögen, das die Zahlung von Arbeitslosenhilfe jedenfalls im fragli¬chen Zeitpunkt ausschloss.

Insoweit sind die Konten bei der türkischen UDN- Bank und die darauf befindlichen Geldbeträge dem Kläger zuzuordnen. Mit dem Einwand, bei diesem Geld habe es sich um Vermögen seines Bruders gehandelt, kann der Kläger nicht gehört werden.

Das Bankkonto bei der UDN-Bank war nicht als Treuhandkonto gekennzeichnet ge¬wesen. Zugleich konnte der Kläger ohne Einschränkung über dieses Konto verfügen. Maßgebliches Kriterium zur Bestimmung der Kontoinhaberschaft ist der nach außen tretende, erkennbare Wille des das Konto Einrichtenden. Unmaßgeblich ist dagegen, wenn der Einrichtende lediglich den inneren Willen zur Einrichtung eines Treuhand¬kontos hatte, dies jedoch nicht erkennbar nach außen zum Ausdruck gebracht hat; denn es kommt nicht auf den inneren, sondern auf den erkennbaren Willen an, und daher ist ein solches "verdecktes" Treuhandkonto als reines Privatkonto zu behan¬deln. Denn ohne Offenkundigkeit des Treuhandcharakters besteht den Gläubigern des Treuhänders gegenüber keine hinreichende Rechtfertigung für die Versagung des Zugriffs, und deshalb lehnt die Rechtsprechung der Zivilgerichte (vergl. z.B. BGH NJW 1971, 559 f.) die Gewährung einer Drittwiderspruchsklage mit Recht ab, wenn jemand Gelder, die er für einen Dritten eingezogen hat, nicht auf einem (offenen) Treuhandkonto, sondern auf seinem Privatkonto verwahrt (Canaris: "Inhaberschaft und Verfügungsbefugnis bei Bankkonten" in NJW 1973, 825, 832; Landessozialge¬richt für das Saarland 6. Senat, Urteil vom 4. November 2003, Az: L 6 AL 13/01- www.juris.de). Diese Rechtsgrundsätze gelten nicht nur im Konkurs- bzw. Insolvenz-verfahren und im Rahmen der Drittwiderspruchsklage nach § 771 Zivilprozessord¬nung (ZPO), sondern sind entsprechend auf das Recht der Arbeitsförderung bei der Berücksichtigung von Vermögen des Empfängers von Alhi übertragbar, denn die Be¬klagte befindet sich insoweit in einer einem Gläubiger des Treuhänders vergleichba¬ren Stellung, wenn der Leistungsempfänger gegen die Berücksichtigung von Vermö¬genswerten einwendet, es handele sich um ein "verdecktes" Treuhandkohto. Beson¬derheiten der Arbeitslosenversicherung, die eine hiervon abweichende Sichtweise gebieten würden, bestehen nicht (ständige Rechtsprechung der Landessozialgerich¬te, vergl. nur Hess. LSG, E-LSG AL-233; LSG NRW NZS 2002, 495 f; LSG Saarland, Urteil vom 4. November 2003, Az: L 6 AL 13/01.).

Der Kläger kann auch nicht mit dem wohl in der Sache berechtigten Hinweis gehört werden, dass die Errichtung von (echten) Treuhandkonten Privatpersonen gar nicht gestattet ist. Zum Einen kommt in diesem gesetzlichen Verbot der Wille des Gesetz¬gebers zum Ausdruck, dass Geldbeträge auf einem Konto immer dem Kontoinhaber zuzurechnen sind, es sei denn, das Gesetz gestattet ausnahmsweise - wie zum Bei¬spiel bei Anwälten und Notaren — die Führung von Treuhandkonten (vergl. hierzu auch Landessözialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil v. 21.08.2002 - Az.: L 12 AL 247/01 - www.sozialaerichtsbarkeit.de ). Zum Anderen bedeutet die Unzulässigkeit der Führung von Treuhandkonten, dass die vermeintliche Vereinbarung des Klägers mit seinem Bruder über die Führung eines Treuhandkontos, die Umgehung eines gesetzlichen Verbots darstellt. Der verdeckte Treuhandvertrag ist nicht nur deswegen nichtig, weil mit ihm ein gesetzliches Verbot umgangen wird (§ 134 BGB), sondern vorliegend auch deshalb, weil der Vertrag offenbar nur in der Absicht des Betruges geschlossen worden ist (§ 138 Abs. 1 BGB). Insoweit hat der Kläger nämlich in dem Strafverfahren vorgetragen, man habe die vom Kläger behauptete Form der Geldan¬lage gewählt, weil in Deutschland lebende Türken von der türkischen Bank höhere Zinsen bekämen, als in der Türkei lebende Türken. Nach dem insoweit eigenen Vor¬bringen des Klägers wurde also die treuhänderische Vereinbarung alleine zum Zwe¬cke geschlossen, die türkische Bank über den Kontoinhaber zu täuschen. Dies macht die Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig.

Da also das Geld allein dem Kläger zuzurechnen ist, war dieser im fraglichen Zeit¬raum nicht bedürftig und hatte keinen Anspruch auf die gewährten Leistungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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