S 23 SF 61/16 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
23
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 23 SF 61/16 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SO 102/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung des Erinnerungsgegners wird der Beschluss vom 11. Oktober 2016 dahingehend abgeändert, dass die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse auf 605,35 EUR festgesetzt wird.

Die Erinnerung des Erinnerungsführers wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Erinnerungsführer begehrt die Festsetzung einer höheren Vergütung aus der Staatskasse aufgrund seiner Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe. In dem zu Grunde liegenden Verfahren begehrten die beiden Antragsteller in einem am 24. Juni 2016 eingegangenen Eilverfahren die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII. Dazu verfasste der Erinnerungsführer als Vertreter der Antragsteller eine nicht ganz einseitige Antragsbegründung und einen kurzen Schriftsatz, in dem er um die Ladung eines Dolmetschers für die russische Sprache zum Erörterungstermin bat. Im von 10:48 Uhr bis 11:56 Uhr dauernden Erörterungstermin am 18. Juli 2016 endete das Verfahren durch angenommenes Anerkenntnis. Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung einer Vergütung von 849,30 EUR aus der Staatskasse. Mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung auf 675,56 EUR fest. Dabei ging er im Gegensatz zum Erinnerungsführer unter anderem statt von der Mittelgebühr von einer Gebühr i.H.v. zwei Dritteln der Mittelgebühr aus. Dagegen wendet sich der Erinnerungsführer mit der vorliegenden Erinnerung. Der Erinnerungsführer behauptet, dass es eine mündliche Unterredung mit dem Gericht gegeben habe. Außerdem sei es zu mehreren Rücksprachen mit den Antragstellern gekommen. Die Angelegenheit sei für die Antragsteller besonders wichtig gewesen, da sie überhaupt keine Leistungen erhalten hätten. Es sei anerkannt, dass in diesen Fällen die Vorläufigkeit der Regelung im einstweiligen Rechtsschutz zurücktreten müsse. Außerdem sei letztlich gar keine vorläufige, sondern eine endgültige Regelung getroffen worden. Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß, die Vergütung aus der Staatskasse auf 849,30 EUR festzusetzen. Nachdem der Erinnerungsführer mitgeteilt hatte, im Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr i.H.v. 150 EUR geltend gemacht und erhalten zu haben, beantragt der Erinnerungsgegner, die Vergütung aus der Staatskasse auf 605,35 EUR festzusetzen. Der Erinnerungsgegner ist der Auffassung, dass die Geschäftsgebühr aus dem Widerspruchsverfahren mit 75 EUR anzurechnen sei.

II.

Die zulässige Erinnerung des Erinnerungsgegners ist begründet. Die zulässige Erinnerung des Erinnerungsführers ist hingegen unbegründet. Die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse war auf 605,35 EUR festzusetzen. Nach § 45 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt grundsätzlich die Vergütung in Verfahren vor Gerichten eines Landes aus der Landeskasse. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem VV RVG. Die Kriterien für die Ausfüllung des Gebührenrahmens ergeben sich aus § 14 RVG. Danach bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Leistung, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Regelmäßig ist dabei von der Mittelgebühr auszugehen. Mit ihr ist die Tätigkeit des Rechtsanwalts immer dann angemessen bewertet, wenn sie sich unter den in § 14 RVG genannten Gesichtspunkten nicht nach oben oder nach unten vom Durchschnitt abhebt. Jedes Kriterium kann ein Abweichen rechtfertigen. Ein im Einzelfall besonders ins Gewicht fallendes Kriterium kann die Relevanz der übrigen Umstände auch zurückdrängen. Die Bestimmung der Rechtsanwaltsvergütung muss nach pflichtgemäßem Ermessen ausgeübt werden. Die Einhaltung des pflichtgemäßen Ermessens ist gerichtlich überprüfbar (Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, § 14 RVG, Rn. 12 ff). Die Verfahrensgebühr ist mit zwei Drittel der Mittelgebühr durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle richtig festgesetzt worden. Die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 VV RVG hat einen Gebührenrahmen von 50 bis 550 EUR und damit eine Mittelgebühr von 300 EUR. Nach ständiger Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (Hessisches LSG vom 25.5.2009 – L 2 SF 50/09 – Rn. 28 ff, juris) ist bei Eilverfahren nicht wie sonst bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr von der Mittelgebühr, sondern von der auf zwei Drittel der Mittelgebühr ermäßigten Gebühr auszugehen. Bei dem vorliegenden Eilverfahren handelt es sich um ein in jeder Hinsicht durchschnittliches, möglicherweise sogar leicht unterdurchschnittliches Verfahren. Besondere rechtliche Schwierigkeiten bestanden nicht, auch der zu erfassenden Sachverhalt war nicht besonders umfangreich. Das spiegelt sich auch darin, dass weitere Schriftsätze nach der Antragsschrift nicht erforderlich waren. Selbst dann, wenn der Vortrag des Erinnerungsführers zutreffen sollte, dass Rücksprachen mit den Antragstellern erforderlich waren, ändert dies nichts daran, dass der Aufwand nur durchschnittlich war. Eine Besprechung und eine eventuelle Rücksprache entsprechen einem noch durchschnittlichen Aufwand. Es kann auch dahinstehen bleiben, ob tatsächlich eine Besprechung mit dem zuständigen Richter erfolgt ist, da auch dies nicht dazu führt, dass der weite Rahmen des durchschnittlichen Verfahrens nach oben überschritten wird. Tatsächlich bestand eine besondere Bedeutung für die Antragsteller, da ihnen keine existenzsichernden Leistungen gewährt worden waren, doch geht das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die besondere Bedeutung der Angelegenheit in Fällen des Existenzsicherungsrechtes durch die schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mandanten kompensiert wird (BSGE vom 1.7.2009 – B 4 AS 21/09 R – Rn. 38). Dies ist auch hier der Fall. Es ist auch nicht deshalb ausnahmsweise von der Mittelgebühr auszugehen, weil das Verfahren hier nicht mit einer vorläufigen Regelung, sondern mit einem endgültigen Anerkenntnis beendet wurde. Dies könnte höchstens dazu führen, dass eine Gebühr, die an die Beendigung des Verfahrens geknüpft ist, wie z.B. eine Einigungsgebühr, mit der Mittelgebühr anzusetzen wäre. Auf die Verfahrensgebühr hat dies aber keine Auswirkungen. Die Erhöhungsgebühr folgt aus der Nr. 1008 VV RVG. Auf die Verfahrensgebühr war nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die im Widerspruchsverfahren entstandene Geschäftsgebühr mit 75 EUR anzurechnen. Diese Anrechnung hat auch im Verhältnis zu einem Eilverfahren zu erfolgen (Hessisches LSG vom 31.5.2016 – L 2 AS 603/15 B – Rn. 33). Selbstverständlich kann diese Anrechnung, anders als der Erinnerungsführer offenbar befürchtet, nur in einem Verfahren erfolgen. Wäre es also noch zu einem Hauptsacheverfahren gekommen, wäre dort eine Anrechnung nicht mehr möglich gewesen. Dass die Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts zur Höhe der Gebühren bei Eilverfahren und der Anrechnung der Geschäftsgebühr zu einer sehr geringen Vergütung von Eilverfahren führt, ist dem Gericht bekannt, stellt aber eine hinzunehmende Folge dieser Rechtsprechung dar. Der Ansatz der Terminsgebühr i.H.v. 270 EUR durch den Erinnerungsführer ist angesichts des Toleranzrahmens von 20 % nicht zu beanstanden. Die übrigen Gebühren sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Für die Berechnung wird auf den Schriftsatz des Erinnerungsgegners vom 10. August 2017 verwiesen. Diese Entscheidung ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Beschwerde ist für den Erinnerungsführer statthaft, da der Erinnerungsführer durch diesen Beschluss mit mehr als 200 EUR beschwert ist, § 33 Abs. 3 S. 1 RVG.
Rechtskraft
Aus
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