L 22 R 173/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 R 6842/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 173/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die echte Rückwirkung des § 40 a SGB II durch Art 2 Abs 2 8. SGB II-ÄndG verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsgebot (Art. 20, 28 GG)
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Auszahlung einer von der Beklagten bewilligten Erwerbsminderungsrente an die Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 im Hinblick auf eine Erfüllungsfiktion wegen in diesem Zeitraum erbrachter Grundsicherungsleistungen des beigeladenen Jobcenters.

Die 1957 geborene Klägerin bezog im genannten Zeitraum Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich insgesamt jeweils 860,89 Euro von der Beigeladenen durch Bescheid vom 29. Januar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. April 2014 für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2014 vorläufig, für die Zeit ab 1. August 2014 endgültig durch Bescheid vom 7. Juli 2014.

Am 18. Juni 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten. Sie gab dabei an, seit 1. Januar 2013 Arbeitslosengeld II von der Beigeladenen zu erhalten. Die Beklagte holte den Befundbericht der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des A-Klinikums vom 14. Juli 2014 ein, wonach die Klägerin wegen einer paranoiden Schizophrenie seit 30. August 2013 wiederholt kurze Krankenhausaufenthalte, vom 9. Oktober 2013 bis 1. April 2014 einen durchgehenden vollstationären Krankenhausaufenthalt hatte und seit 2. April teilstationär und seit 24. April 2014 tagesklinisch in Behandlung sei. Wegen des Inhalts des Befundberichts und des Arztbriefes wird gemäß § 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Verwaltungsakte Bezug genommen. Die Beklagte holte das Gutachten des Nervenarztes und Psychotherapeuten Dr. Z vom 13. August 2014 ein. Er meinte, die Klägerin sei aufgrund ihrer ausgeprägten kognitiven, affektiv-emotionalen und intentionalen Störungen längerfristig (mindestens für zwei Jahre) nicht mehr dazu in der Lage, sich als Arbeitssuchende auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchzusetzen, auf einem neuen Arbeitsplatz einzuarbeiten/sozial zu integrieren und dort dann drei oder mehr Stunden täglich regelmäßig Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. Die getroffenen Feststellungen würden seit 18. Juni 2014 gelten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird gemäß § 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Verwaltungsakte Bezug genommen. Mit Schreiben vom 8. September 2014 teilte die Betreuerin der Klägerin die am 21. Januar 2014 eingerichtete Betreuung mit.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 11. November 2014 eine dauerhafte Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines am 30. August 2013 eingetretenen Leistungsfalls rückwirkend ab dem 1. Juni 2014. Der jeweilige monatliche Netto-Zahlbetrag der Rente belief sich nach Abzug der von der Beklagten abzuführenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Juni auf 549,15 Euro und von Juli bis Dezember 2014 auf jeweils 561,51 Euro. Die Beklagte stellte in dem Bescheid einen Nachzahlungsbetrag von insgesamt 3.918,21 Euro für den Zeitraum von Juni bis Dezember 2014 fest, der wegen der Prüfung von Erstattungsansprüchen anderer Stellen vorläufig nicht ausgezahlt werde.

Am 31. Dezember 2014 erhob die Klägerin die hiesige Klage auf Auszahlung des Nachzahlungsbetrags nebst Zinsen. Die Voraussetzungen für Erstattungsansprüche nach §§ 103 ff SGB X lägen nicht vor, wozu auf die Urteile des BSG vom 31. Oktober 2012, B 13 R 9/12 R und B 13 R 11/11 R, verwiesen wurde. Die rückwirkende Einführung des § 40a SGB II verstoße gegen das Rückwirkungsverbot des Rechtsstaatsprinzips. Der Rentenantrag sei durch die Klägerin bereits vor Erlass des § 40a SGB II gestellt worden.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 machte die Beigeladene gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch für das von ihr an die Klägerin gezahlte Arbeitslosengeld II sowie die von ihr übernommenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 4.697,50 Euro geltend, wobei wegen der Einzelheiten des Schreibens gemäß § 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf Bl. 68–72 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Am 27. Januar 2015 erfüllte die Beklagte diesen Erstattungsanspruch in Höhe von 3.918,21 Euro und informierte darüber auch die Klägerin.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 25. Januar 2016 abgewiesen. Die auf die Auszahlung einer bereits mit bestandskräftigem Verwaltungsakt bewilligten Sozialleistung als reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthafte Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung und damit auch nicht auf die geltend gemachten Zinsen. Der aufgrund des Bewilligungsbescheides ursprünglich bestehende Zahlungsanspruch sei durch Erfüllung gemäß § 40a Sätze 1 bis 3 SGB II i. V. m. § 107 Abs. 1 SGB X untergegangen. Der Anspruch auf Auszahlung der Erwerbsminderungsrente gegen die Beklagte als den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger gemäß § 107 Abs. 1 SGB X gelte als erfüllt. Die Bewilligungsbescheide der Beigeladenen seien rechtswidrig gewesen, weil die Anspruchsvoraussetzung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 SGB II nicht vorgelegen hätten, wonach Leistungen nach dem SGB II nur Personen erhielten, die erwerbsfähig sind. Letzteres sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall, denn im Zuge der medizinischen Ermittlungen der Beklagten habe sich herausgestellt, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert gewesen sei. Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X lägen vor. Die Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Klägerin durch die Beigeladene sei allein wegen der nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig gewesen (§ 40a Satz 2 SGB II), im Übrigen aber rechtmäßig. Der gegenüber der Beklagten grundsätzlich bestehende Zahlungsanspruch der Klägerin sei wegen der in § 107 Abs. 1 SGB X geregelten Erfüllungsfiktion in voller Höhe von 3.918,21 EUR erloschen, denn das von der Beigeladenen in den betreffenden Monaten gewährte Arbeitslosengeld II sei deutlich höher als der jeweilige (Netto-) Rentenbetrag gewesen. Der Rechtsstreit sei auf Grundlage der zitierten Vorschriften zu entscheiden. Insbesondere sei die durch Art. 1 Nr. 2 des Achten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen (im Folgenden: 8. SGB II-ÄndG) vom 28. Juli 2014 () eingefügte Regelung des § 40a Satz 2 SGB II anwendbar, da diese Vorschrift gemäß Art. 2 Abs. 2 8. SGB II-ÄndG mit Wirkung zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege in der hier zu entscheidenden Konstellation in dem rückwirkenden Inkrafttreten auch kein verfassungswidriger Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Es handele sich im Falle der Klägerin um eine zulässige unechte Rückwirkung. Wegen der weiteren ausführlichen Gründe der sozialgerichtlichen Entscheidung wird gemäß §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Zur Feststellung einer echten Rückwirkung komme es nicht auf den Tag des Gesetzesbeschlusses, sondern den des Inkrafttretens an. Hier sei das Gesetz sogar erst nach Klageerhebung in Kraft getreten. Gerade für Fälle, in denen ein Leistungsträger rechtswidrig Leistungen erbringe, während ein anderer Träger verpflichtet gewesen sei, sei die Regelung des § 40a SGB II eingeführt worden. Für diese Fälle greife insbesondere § 104 SGB X nicht. Im Hinblick auf das Gutachten im Rentenverfahren könne erst ab 18. Juni 2014 von einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung ausgegangen werden, weshalb erst der Bescheid vom 7. Juli 2014 anfänglich rechtswidrig gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.918,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent aus 2.793,00 Euro seit dem 20. Dezember 2014 und aus jeweils 561,00 Euro seit dem 1. Januar 2015 bzw. 1. Februar 2015 zu zahlen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat ausgeführt, dass für die Annahme des Leistungsfalls bereits am 30. August 2013 die Tatsache maßgebend gewesen sei, dass die Klägerin seit dem 30. August 2013 wiederholte Krankenhausaufenthalte wegen ihrer Erkrankung gehabt habe.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und Beigeladenen gemäß §§ 153, Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Leistungsklage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 3.918,21 Euro nebst Zinsen. Ihr Erstattungsanspruch ist nach §§ 40a Sätze 2 und 3 SGB II, 107 Abs. 1 SGB X erloschen.

Gemäß § 40a SGB II (eingeführt durch Art. 1 Nr. 2 des 8. SGB II-ÄndG) gilt: Wird einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen nach diesem Buch erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt, so steht dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 104 des Zehnten Buches ein Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger zu (Satz 1). Der Erstattungsanspruch besteht auch, soweit die Erbringung des Arbeitslosengeldes II allein auf Grund einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig war oder rückwirkend eine Rente wegen Alters oder eine Knappschaftsausgleichsleistung zuerkannt wird (Satz 2). Die §§ 106 bis 114 des Zehnten Buches gelten entsprechend (Satz 3). § 44a Absatz 3 bleibt unberührt (Satz 4).

Wegen Satz 3 dieser Bestimmung gilt auch § 107 SGB X entsprechend. § 107 Abs. 1 SGB X regelt eine Erfüllungsfiktion, durch die der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gilt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht.

Nach diesen Regelungen steht der Klägerin ein Nachzahlungsanspruch nicht zu, weil dieser wegen § 107 Abs. 1 SGB X erloschen ist. Die Leistungen der Beigeladenen an die Klägerin im Zeitraum von Juni bis Dezember 2014 in Höhe des von der Beklagten ausgewiesenen Nachzahlungsbetrages gelten als Erfüllung der Rentenzahlungsansprüche im genannten Zeitraum. Sind die Rentenzahlungsansprüche bereits als erfüllt anzusehen, kann von der Beklagten nicht erneut Zahlung verlangt werden.

Zutreffend sind auch nach Ansicht der Klägerin jedenfalls für die Zeiträume ab 18. Juni 2014 die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches nach § 40a Sätze 2 und 3 SGB II erfüllt, weil die Erbringung des Arbeitslosengeldes II allein auf Grund einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig geworden war bzw. für die Zeiträume ab 1. August 2014 anfänglich rechtswidrig war. Nach dieser Regelung stand der Beigeladenen gegenüber der Beklagten in Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Nachzahlungsanspruches ein Erstattungsanspruch zu, was die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X auslöste.

Ein Erstattungsanspruch bestand jedoch auch für die Zeiträume vor dem 18. Juni 2014, weil die Beklagte die Feststellung der vollen Erwerbsminderung ab 30. August 2013 durch den bestandskräftigen Rentenbescheid vom 11. November 2014 im Sinne von § 40a Satz 2 SGB II nachträglich getroffen hat und damit auch der Bescheid der Beigeladenen vom 29. Januar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. April 2014 für die Leistungszeiträume vor August 2014 rechtswidrig war. Für die nach § 40a Satz 2 SGB II erforderliche Feststellung genügt – wie im vorliegenden Fall – eine entsprechende Aussage in einem Rentenbescheid. Einer Verfügung mit der Qualität eines Verwaltungsaktes bedarf es insoweit nicht, um das Jobcenter gemäß § 44a SGB II an die Bewertung zu binden.

Zwar war der Grundsicherungsbescheid der Beigeladenen vom 29. Januar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. April 2014 nur als vorläufiger erteilt. Wegen der vollen Erwerbsminderung waren aber selbst die vorläufigen Bewilligungen rechtswidrig und zwar nur deswegen, denn die anderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II – Alter, Hilfebedürftigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt – blieben erfüllt. Bei voller Erwerbsminderung kommen auch vorläufige Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nicht in Betracht, soweit der erwerbsunfähige Mensch – wie die Klägerin – nicht mit einem nach dem SGB II Leistungsberechtigten in Bedarfsgemeinschaft lebt.

Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es auf die volle Erwerbminderung und deren nachträgliche Feststellung an. Die von der Beklagten getroffene nachträgliche Feststellung des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung zum 30. August 2013 ist plausibel. Der Befundbericht der behandelnden Klinik und das von der Beklagten eingeholte Gutachten stimmen hinsichtlich der Art und Schwere sowie der Entwicklung der Erkrankung der Klägerin und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen überein. Nach dem Befundbericht der behandelnden psychiatrischen Klinik war die Klägerin wegen einer paranoiden Schizophrenie seit 30. August 2013 wiederholt vollstationär in Behandlung, darunter durchgehend vom 9. Oktober 2013 bis 1. April 2014. Daran schloss sich die teilstationäre und sodann tagesstationäre Behandlung an. Die Einschätzung, eine Besserung habe sich seit März 2014 ergeben, erscheint daher nachvollziehbar. Die Klägerin war jedoch weiterhin deutlich in ihrer Konzentration und Aufmerksamkeit gestört und nicht in der Lage, ihrem Tag Struktur zu geben und ihren Alltagstätigkeiten geordnet nachzugehen. Nachvollziehbar schätzte die Klinik eine Arbeitsunfähigkeit seit mehr als sechs Monaten ein. Den mitgeteilten Befunden der Klinik entsprechen die Befunde durch den von der Beklagten herangezogenen Sachverständigen, Dr. Z. Dieser gab an, die Klägerin habe einen ängstlich-deprimierten, dabei affektiv wenig schwingenden, psychomotorisch unruhigen, fast agitierten und deutlich konzentrationsgeminderten Eindruck gemacht, akute produktiv-psychotische Symptome seien weder eindeutig festzustellen noch sicher auszuschließen gewesen. Er stellte nachvollziehbar ebenfalls die Diagnose einer chronischen paranoiden Schizophrenie und meinte, der Krankheitsverlauf sei offenbar chronisch-progredient. Seine Schlussfolgerungen, die Klägerin sei aufgrund ihrer ausgeprägten kognitiven, affektiv-emotionalen und intentionalen Störungen längerfristig (mindestens für zwei Jahre) nicht mehr dazu in der Lage, sich als Arbeitssuchende auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchzusetzen, auf einem neuen Arbeitsplatz einzuarbeiten/sozial zu integrieren und dort dann drei oder mehr Stunden täglich regelmäßige Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert zu erbringen, erscheinen plausibel. Unter diesen Umständen ergeben sich für den Senat keine relevanten Zweifel am Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten. Nicht nachvollziehbar dagegen ist die Angabe des Sachverständigen, die getroffenen Feststellungen würden seit 18. Juni 2014 gelten. Diese Bewertung hat der Sachverständige nicht des Näheren begründet. Der tatsächliche Krankheitsverlauf auch so, wie er vom Sachverständigen selbst mitgeteilt wurde, bestätigt vielmehr die Annahme der Beklagten, dass die volle Erwerbsminderung bereits zum 30. August 2013 eingetreten ist. Jedenfalls kann zur vollen Überzeugung des Senats davon ausgegangen werden, dass vor der Erteilung des Bescheides vom 29. Januar 2014 volle Erwerbsminderung eingetreten war. In dieser Zeit befand sich die Klägerin bereits monatelang in vollstationärer psychiatrischer Behandlung, welche bis zum April 2014 auch aufrechterhalten wurde, und es war bereits am 21. Januar 2014 eine Betreuung für die Klägerin eingerichtet. Die behandelnde Klinik hatte nachvollziehbar eine seit mehr als sechs Monaten aufgehobene Arbeitsfähigkeit angegeben. Wenn im Zuge der weiteren Behandlung eine Besserung des Zustandes der Klägerin eintrat und sich auch nach dieser Besserung für den Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem Befundbericht der behandelnden Klinik ein aufgehobenes Leistungsbild fand, muss die volle Erwerbsminderung bereits vor dem 29. Januar 2014 eingetreten sein. Es gibt auch angesichts der von der Klinik mitgeteilten Befunde keinerlei medizinischen Anhaltspunkte dafür, dass die gesundheitliche Situation der Klägerin im Zeitraum Oktober 2013 bis Januar 2014 besser gewesen sein könnte, als dies der Sachverständige der Beklagten bei seiner Begutachtung eingeschätzt hat. Die Angaben und Bewertungen der behandelnden Klinik zu den Einschränkungen des Leistungsvermögens und der Aufhebung der Arbeitsfähigkeit seit mehr als sechs Monaten, also jedenfalls seit 14. Januar 2014, tragen im Falle der Klägerin die Bewertung einer vollen Erwerbsminderung für diesen Zeitraum.

Damit war bei retrospektiver Betrachtung der Grundsicherungsbescheid vom 29. Januar 2014 anfänglich rechtswidrig. Auch die Erbringung der Grundsicherungsleistung seitens der Beigeladenen aufgrund dieses Bescheides war damit rechtswidrig. Die volle Erwerbsminderung wurde durch die Beklagte nachträglich festgestellt. Mithin waren die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegen die Beklagte gemäß § 40a Satz 2 SGB II erfüllt.

Selbst wenn man mit dem Sachverständigen Dr. Z erst zum 18. Juni 2014 den Eintritt der vollen Erwerbsminderung annehmen wollte, bliebe es wegen der dann anfänglich rechtmäßigen, aber vorläufigen Bewilligung von Arbeitslosengeld II durch die Beigeladene bei einem Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegen die Beklagte. Dieser Erstattungsanspruch würde sich unmittelbar aus § 102 SGB X bzw. §§ 40a Satz 1 SGB II, 104 SGB X ergeben, weshalb auch insoweit für die Leistungszeiträume bis zum 31. Juli 2014 die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X eingetreten sein würde und die Klägerin keinen Erfolg mit ihrem Begehren haben könnte.

Die Beigeladene hat die Jahresfrist zur Geltendmachung der Erstattungsforderung gemäß §§ 40a Satz 3 SGB II, 111 Satz 1 SGB X mit ihrem Schreiben vom 12. Januar 2015 eingehalten. Die Erstattungssumme ist im Hinblick auf den deckungsgleichen Leistungszeitraum Juni bis Dezember 2014 und den Leistungsbetrag der Beigeladenen von der Beklagten zutreffend bestimmt. Der Betrag der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen im genannten Zeitraum überstieg die Rentennachzahlungssumme, so dass deren gesamter Umfang zur Befriedigung der Erstattungsforderung der Beigeladenen heranzuziehen war.

Der Senat muss nicht entscheiden, ob ungeachtet des § 40a Satz 2 SGB II ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegen die Beklagte, insbesondere nach § 105 SGB X wegen der Unzuständigkeit der Beigeladenen für Grundsicherungs-leistungen bei voller Erwerbsminderung von nicht mit hilfebedürftigen Leistungs-berechtigten i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1. SGB II zusammenlebenden Personen bestand, denn die Anwendung der spezielleren Vorschrift des § 40a SGB II gegenüber den allgemeineren Regelungen der §§ 102 ff SGB X ist im vorliegenden Fall nicht von Verfassungs wegen ausgeschlossen.

Die Anwendung der Erstattungsnorm des § 40a Satz 2 SGB II ist im Falle der Klägerin nicht verfassungswidrig im Hinblick auf eine denkbare Verletzung des Rechtsstaatsgebots wegen einer unzulässigen Rückwirkung der Vorschrift. Insbesondere hat der Gesetzgeber dieser Vorschrift trotz des wegen Art. 2 Abs. 2 8. SGB II-ÄndG rückwirkenden Inkrafttretens zum 1. Januar 2009 keine unzulässige echte Rückwirkung beigemessen, weil davon auszugehen ist, dass damit nur eine unklare Rechtslage bereinigt wurde. Zudem konnte die Klägerin angesichts des Ablaufes der Gesetzgebung und ihres eigenen Rentenverfahrens kein hinreichendes Vertrauen aufbauen, das ihr die Rüge einer unzulässigen Rückwirkung erlauben würde.

Das BVerfG unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 – Fremdrentengesetz – RdNr. 75 m.w.N.), und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind (vgl BVerfGE 132, 302, 318 m.w.N.). Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn ihrer zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, das heißt gültig geworden ist (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 – Fremdrentengesetz – RdNr. 71 m.w.N.). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen" vgl. BVerfG, Urteil vom 10.04.2018, 1 BvR 1236/11, RdNr. 135). Das grundsätzliche Verbot echt rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes als Elemente des Rechtsstaatsprinzips (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 – Fremdrentengesetz – RdNr. 75 m.w.N.). Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des GG (BVerfG ebd m.w.N.). Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn im Hinblick auf eine rückwirkend klargestellte unklare Rechtslage auch bei abgeschlossenen Sachverhalten kein entsprechender Vertrauenstatbestand entstehen konnte und kein Eingriff in bereits in der Vergangenheit erworbene Rechtspositionen erfolgt (BVerfG, ebd.). Ein Schutz des Vertrauens ist verfassungsrechtlich dann nicht gefordert, wenn in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit einer solchen Regelung zu rechnen war (so bereits BVerfG, Beschluss vom 23.03.1971, 2 BvL 2/66 u.a., BVerfGE 30, 367-392, JURIS-RdNr. 75; BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 – Fremdrentengesetz – RdNr. 81).

Eine echte Rückwirkung ist durch § 40a SGB II für die Fälle erfolgt, in denen Leistungsansprüche vor der Verkündung der Regelung entstanden sind – wie im Falle der Klägerin. Zwar wird durch die gesetzliche Neuregelung in § 40a SGB II weder das – unabhängig von der entsprechenden Antragstellung bereits mit Eintritt des Versicherungsfalls entstandene – Stammrecht der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente tangiert noch die daraus resultierenden monatlichen Einzelzahlungsansprüche, so dass auch ein rückwirkender Eingriff in diese Rechtspositionen nicht erfolgt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.12.2015, L 16 R 134/13, JURIS-RdNr. 31). Durch die rückwirkend geltende Neuregelung in § 40a Satz 2 SGB II und den damit (erstmals "neu" - vgl. BT-Drucks. a.a.O.) begründeten Erstattungsanspruch des Beigeladenen gelten indes die monatlichen Einzelzahlungsansprüche in dem in Rede stehenden Zeitraum gemäß § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt, so dass die Klägerin keine Zahlung (mehr) verlangen kann.

Auch der damit rückwirkend erfolgte Eingriff in den bis dahin bestehenden Erfüllungsanspruch ist indes verfassungsrechtlich hinzunehmen, weil sich ein Vertrauen der Klägerin, welcher der Nachzahlungsbetrag nicht ausgezahlt worden ist – ein "betätigtes Vertrauen" ist nicht ersichtlich, nicht als schutzwürdig erweist. Für die Berechtigten, denen – anders als bei der Klägerin – entsprechende Leistungsbeträge bereits ausgezahlt wurden, hat der Gesetzgeber die vertrauensschützende Regelung des § 79 Abs. 1 SGB II geschaffen. Bis zu den Entscheidungen des BSG vom 31. Oktober 2012 wurde die Rechtsauffassung, dass keinerlei Erstattungsanspruch bestehe und daher der betroffene Personenkreis u.U. sowohl das bezogene Arbeitslosengeld II behalten als auch Zahlung der für dieselben Leistungszeiträume bewilligten EM-Rente verlangen dürfe, ersichtlich nirgends vertreten. Diese Rechtsprechung war nicht geeignet, ein Vertrauen zu begründen. Weil die unteren Instanzen an die höchstrichterliche Rechtsprechung außerhalb der Bindungswirkung der Revisionsentscheidung im konkreten Verfahren (vgl. § 170 Abs. 5 SGG) jedoch nicht gebunden sind, ist die Eignung judikativer Akte als Anknüpfungspunkt schutzwürdigen Vertrauens im Vergleich zu Normen, die generelle Verbindlichkeit beanspruchen, eingeschränkt (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 – Fremdrentengesetz – RdNr. 79). Die Rechtspflege ist aufgrund der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) konstitutionell uneinheitlich (BVerfG ebd. m.w.N.). Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten (BVerfG ebd.). Entsprechend ist auch die höchstrichterliche Rechtsprechung in ungeklärten Rechtslagen weniger geeignet, schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage zu erzeugen, als eine klarstellende gesetzliche Regelung. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung kann allenfalls bei gefestigter, langjähriger Rechtsprechung entstehen (BVerfG ebd. m.w.N.). Das BVerfG hält in Fallkonstellationen, in denen durch eine neue ("überraschende") höchstrichterliche Rechtsprechung, die noch nicht als langjährige gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu bewerten ist, ein Vertrauen der Betroffenen nicht entstehen konnte, eine "klarstellende" gesetzliche Regelung mit echter Rückwirkung verfassungsrechtlich für zulässig (vgl. BVerfG ebd. RdNr. 80).

Die Neuregelung in § 40a Satz 2 SGB II hat klarstellend eine unklare Rechtslage generell verbindlich bereinigt (vgl Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 40a RdNr. 12,13). Die damit verbundene echte Rückwirkung vermag unter den dargestellten verfassungsrechtlichen Erwägungen eine Überzeugung des Senats von einer rechtsstaatswidrigen Rückwirkung nicht zu begründen.

Auch die tatsächlichen Abläufe sprechen hier dafür, dass die Klägerin noch kein schutzwürdiges Vertrauen bis zum Inkrafttreten der Neuregelung hatte aufbauen können. Ein Vertrauen allgemein in eine Rechtslage ist nicht durch das Vertrauensprinzip geschützt ist. Geschützt wird stets das Vertrauen in den Bestand konkreter Rechtspositionen des Bürgers und dessen konkrete Dispositionsmöglichkeiten (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 – Fremdrentengesetz – RdNr. 75). Das Vertrauen der Betroffenen auf die geltende Rechtslage bedarf insbesondere dann nicht des Schutzes gegenüber sachlich begründeten rückwirkenden Gesetzesänderungen, wenn dadurch kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht worden ist (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2018, 1 BvR 2864/13, RdNr. 46 m.w.N. unter Hinweis auch auf BVerfGE 30, 367, 389). Auch das Rechtsstaatsprinzip schützt nicht vor jeglicher Enttäuschung (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2018, 1 BvR 2864/13, RdNr. 46). Die gesetzliche Regelung muss generell geeignet sein, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen (BVerfG ebd).

Maßgeblicher Sachverhalt für die Entwicklung eines Vertrauens ist der Ablauf des auf die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichteten Verwaltungsverfahrens. Vorher lässt sich ein Vertrauen, dass durch entsprechende rechtsgestaltende Handlungen des Betroffenen betätigt werden kann, nicht begründen. Bloße Hoffnungen begründen keinen Vertrauensschutz. Zwar hat die Beklagte in diesem Verwaltungsverfahren festgestellt, dass die Klägerin bereits am 30. August 2013, also vor der Antragstellung am 18. Juni 2014 und damit auch vor der am 4. August 2014 erfolgten Verkündung des 8. SGB II-ÄndG im Bundesgesetzblatt voll erwerbsgemindert war. Allein die Tatsache der Erwerbsunfähigkeit und deren Eintritt genügt jedoch nicht dafür, ein hinreichend schutzwürdiges Vertrauen anzunehmen. Gegen ein solches Vertrauen spricht hier der Erlass des Rentenbescheids mit der Feststellung der vollen Erwerbsminderung erst am 11. November 2014. Erst mit diesem Verwaltungsakt hat die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf die Rente für die Beteiligten verbindlich festgestellt und fand das durch den Antrag eingeleitete Verwaltungsverfahren seinen Abschluss.

Vor Feststellung des Rentenanspruchs und der vollen Erwerbsminderung ist ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin nicht entstanden, was sich auch tatsächlich in der Inanspruchnahme der Grundsicherungsleistung der Beigeladenen zeigt. Wenn die Klägerin von der dauerhaften vollen Erwerbsminderung derart überzeugt gewesen wäre, dass sie sich des Rentenanspruchs sicher gewesen wäre und auf diesem Umstand entsprechendes Vertrauen begründet hätte, wäre aus ihrer Sicht eine Leistung durch die Beigeladene nicht in Frage gekommen, sondern Leistungen nach dem SGB XII. Dass sie die Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige in Anspruch genommen hat, spricht dafür, dass sie sich eines Rentenanspruchs gerade nicht sicher war. Ihr Vortrag im Berufungsverfahren, dass der Eintritt des Leistungsfalls mit der Angabe des Sachverständigen der Beklagten erst mit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung als sicher und erst seit dem eine Rechtswidrigkeit der Bescheide der Beigeladenen für die Zeiträume vor August 2014 angenommen werden könne, bestätigt dies. Auch das Gutachten des Sachverständigen lag erst nach Verkündung der Vorschrift des § 40a SGB II vor. Entsprechendes Vertrauen hätte im konkreten Fall der Klägerin mithin erst mit der Feststellung des Rentenanspruchs entstehen können, also zu einem Zeitpunkt, in welchem das Gesetz bereits verkündet und in Kraft war, was ein Vertrauen in die frühere Rechtslage gerade ausschließt.

Stand erst mit Bekanntgabe des Rentenbescheids vom 11. November 2014 fest, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2014 einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hatte, konnte erst ab Bekanntgabe dieses Bescheides ein Vertrauen der Klägerin in den Rentenanspruch und in den Rentenauszahlungsanspruch entstehen. Indes war damit zugleich auch der Eintritt der Erfüllungsfiktion gemäß § 107 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits geltenden Vorschrift des § 40a SGB II gewiss. Diese tritt kraft Gesetzes mit dem Entstehen des Erstattungsanspruchs der Beigeladenen ein. Dabei kommt es nicht auf dessen – hier erst im Januar 2015 erfolgte – Realisierung an, sondern auf das Bestehen des Erstattungsanspruchs an sich (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2011, B 11 AL 24/10 R, RdNr. 13; Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 74. Erg.-Lfg. 2012, § 107 SGB X RdNr. 6). Schutzwürdiges Vertrauen konnte bei der Klägerin deshalb nicht entstehen.

Aber auch ein besonders schutzwürdiges Vertrauen in die Rechtslage konnte die Klägerin nicht entwickeln, denn sie hat die Rente überhaupt erst nach dem maßgeblichen Gesetzesbeschluss des Bundestags gemäß Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG über das 8. SGB II-ÄndG am 5. Juni 2014 (Plenarprotokoll 18/39 vom 05.06.2014, S. 3442 C) beantragt, weshalb bereits bei Antragstellung mit der Neuregelung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zu rechnen war (s.o. BVerfG, Beschluss vom 23.03.1971, 2 BvL 2/66 u.a., BVerfGE 30, 367-392, JURIS-RdNr. 75, BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05 – Fremdrentengesetz – RdNr. 81).

Überdies erhielt sie zu diesem Zeitpunkt die ihr bislang gewährte Grundsicherungsleistung ohnehin nur vorläufig, so dass eine Erwartung, sowohl die Rentenleistung wie auch die Grundsicherungsleistung erhalten zu können schon deswegen ausscheidet, weil die Klägerin nicht erwarten konnte, die Grundsicherungsleistung behalten zu dürfen. Die gesetzliche Erfüllungsfiktion führt gerade dazu, dass die Klägerin nicht die Grundsicherungsleistung behalten darf, weil diese als Rentenzahlung bewertet wird. Damit hat die Klägerin auch keine Leistungen zur Sicherung ihres menschenwürdigen Existenzminimums verloren, denn sie hat über die nach der Erfüllungsfiktion als Rentenleistungen durch die Beigeladenen gezahlten Beträge hinaus weitere Grundsicherungsleistungen von der Beigeladenen erhalten, die durch die angegriffenen Regelungen nicht tangiert werden, so dass ihr Existenzminimum durch die Summe der an sie erfolgten Zahlungen sichergestellt blieb.

Hat die Klägerin mithin keinen Zahlungsanspruch in der Hauptsache, stehen ihr die gemäß § 44 SGB I geltend gemachten Zinsen nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG und berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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