S 8 U 81/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 81/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 156/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 191/19 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Überführungskosten.

Die Klägerin ist die Ehefrau und die Erbin des am xx. xxx 2013 im Rahmen eines Verkehrsunfalls tödlich verunglückten C. A. (im weiteren Versicherter). Der Versicherte hatte gemeinsam mit der Klägerin und dem gemeinsamen Sohn in der A-Straße, A-Stadt gelebt.

Mit Schreiben vom 19. September 2013 (60) begehrte der Sohn der Klägerin bei der Beklagten die Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit der Beerdigung des Versicherten in Höhe von rund 11.000,00 Euro; u.a. machte er Kosten für die Überführung seines Vaters von A-Stadt nach Bosnien-Herzegowina (66) im Umfang von 3.000,00 Euro geltend.

Durch Bescheid vom 2. Mai 2014 (547) lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf die Übernahme der Überführungskosten nach Bosnien-Herzegowina ab. Zur Begründung führte sie aus, grundsätzlich würden die Überführungskosten zu einem ausländischen Ort der Bestattung erstattet, wenn sich die ständige Familienwohnung an diesem Ort befunden habe. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Familie der Klägerin lebe seit 1981 in Deutschland und wolle auch weiterhin dort wohnen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit Schreiben vom 12. Mai 2014 Widerspruch ein (554).

Diesen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 (2 d.A.) zurück.

Hiergegen richtet sich die am 24. Juni 2014 erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, die Überführungskosten seien für Migranten gedacht.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte in vollem Umfang zu verpflichten, die Überführungskosten in Höhe von 3.500,00 Euro zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihren Bescheiden fest.

Zur weiteren Darlegung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand der Klage ist der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Überführung ihres Ehemannes nach Bosnien-Herzegowina sowie der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2014.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde im Rahmen des Verfahrens von der Klägerseite zu Recht klargestellt, dass die durch den Sohn erhobene Klage ausschließlich im Namen seiner Mutter, der Klägerin, erhoben wurde. Dies zumal die Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden ausschließlich über einen etwaigen Anspruch der Klägerin, nicht aber des Sohnes entschieden hatte. Einer etwaigen Klage des Sohnes wäre wegen des Fehlens einer zwingend notwendigen Verwaltungsentscheidung unzulässig gewesen.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 2. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Überführung des Versicherten nach Bosnien-Herzegowina.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Überführungskosten ist § 64 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII). Danach werden die Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung erstattet, wenn der Tod nicht am Ort der ständigen Familienwohnung der Versicherten eingetreten ist und die Versicherten sich dort aus Gründen aufgehalten haben, die im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit oder mit den Folgen des Versicherungsfalls stehen.

Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach vor, denn der Tod des Versicherten ist nicht am Ort der ständigen Familienwohnung in der A-Straße in A-Stadt eingetreten, sondern in der BGU in Ludwigshafen. In diese Klinik war der Versicherte eingeliefert worden nachdem er auf der Rückfahrt von einer Baustelle seines Arbeitgebers einen Verkehrsunfall erlitten hatte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Gleichwohl steht der Klägerin kein Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die Überführung des Versicherten in sein Heimatland Bosnien-Herzegowina zu. Das Heimatland des Versicherten stellt im vorliegenden Einzelfall keinen von § 64 Abs. 2 SGB VII umfassten Zielort für die Überführung dar.

Welcher Ort als Ort der Bestattung und damit als Ziel der Überführung (mit Einfluss auf die aus der Unfallversicherung zu erstattenden Überführungskosten) fungiert, ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetz (Marschner, in: Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 41. Edition, § 64 Rn. 9). Gleichwohl kann aber nicht die Bestattung an jedem gewählten Ort den Anspruch begründen, sondern nur die Bestattung am Ort der ständigen Familienwohnung.

Für dieses Verständnis und gegen die Auffassung der Klägerin, wonach die Übernahme der Überführungskosten gerade für Migranten geschaffen wurde, spricht die Entstehungsgeschichte der Regelung zur Übernahme der Überführungskosten durch die Gesetzliche Unfallversicherung. Der bis zum Inkrafttreten des UVNG geltende § 586 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sah neben der Hinterbliebenenrente nur die Gewährung des Sterbegeldes vor. Durch dieses mussten gegebenenfalls auch die Kosten einer etwa notwendigen Leichenüberführung von einem auswärtigen Ort an den Bestattungsort, insbesondere auch, falls der Versicherte auf seiner auswärtigen Arbeitsstätte tödlich verunglückte, die für die Überführung der Leiche von der Arbeitsstätte zum Bestattungsort entstehenden Kosten gedeckt werden; ein besonderer Anspruch auf Gewährung von Überführungskosten war nicht vorgesehen. Erst durch § 589 Abs. 1 Nr. 2 RVO idF des UVNG wurde neben dem nach wie vor gewährten Sterbegeld ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Überführung eines verstorbenen Versicherten eingeführt (vgl. BSG, Urteil vom 13. April 1967 – 5 RKn 82/66 –, BSGE 26, 202, SozR Nr. 2 zu § 589 RVO, Rn. 16). Der Gesetzgeber hat diese zusätzliche Leistung u.a. mit folgender Begründung vorgesehen: "Die Übernahme der Überführungskosten nach Nr. 2 rechtfertigt sich daraus, dass heute viele Berufstätige außerhalb ihres Wohnortes tätig sein müssen. Im Beamtenrecht des Bundes besteht bereits eine entsprechende Vorschrift (§ 8 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des § 137 BBG vom 2. Mai 1957 – Bundesgesetzbl. I 425)." In § 8 Abs. 4 dieser Verordnung heißt es wiederum: "Die Auslagen für die Überführung der Leiche eines infolge Dienstunfalls Verstorbenen zur Wohnung oder zum Wohnort werden erstattet. In besonderen Fällen können auch die Auslagen für die Überführung an einen anderen Ort erstattet werden." In Ansehung dieser Ausführungen kann festgestellt werden, dass die Auffassung der Klägerin, die Übernahme der Überführungskosten sei gerade für Migranten geschaffen worden, sicher nicht zutreffend ist. Vielmehr sollte dadurch eine Anpassung an die modernen Arbeitsverhältnisse und eine Angleichung an das Beamtenrecht geschaffen werden. Letzteres sah als Bezugsort der Überführung in erster Linie den Wohnort als maßgeblich an.

Die Rechtslage im Beamtenrecht knüpft im geltenden § 33 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG und § 9 Abs. 1 HeilvfV unverändert am Wohnort des Verunfallten an. Auch die heute im Unfallversicherungsrecht geltende Vorschrift des § 64 SGB VII erwähnt ihrem Wortlaut nach als Bezugsort der Überführung nur den Ort der Familienwohnung. Entscheidend für die Kammer ist jedoch die Systematik der Vorschrift: Denn bei Tod am Ort der ständigen Familienwohnung besteht kein Anspruch auf Überführungskosten für Bestattungen anderswo. Todesfälle außerhalb günstiger zu regeln, hätte aber keinen sachlichen Grund (Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 89. EL März 2016, § 64 SGB VII, Rn. 7). Dementsprechend kommt die Übernahme von Überführungskosten bei Ausländern in ihr Heimatland nur dann in Betracht, wenn der Familienwohnsitz im Heimatland beibehalten worden ist (Jentsch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 64 SGB VII, Rn. 13 m.w.N.; vgl. zur Vorgängervorschrift Vorgängervorschrift in § 589 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung: SG Hamburg, Urteil vom 14. März 1994 – 25 U 31/92 –, juris).

Gemessen daran konnte die Beklagte im vorliegenden Fall nicht zur Übernahme der Überführungskosten nach Bosnien-Herzegowina verpflichtet werden. Denn der Familienwohnsitz des Klägers befand sich nicht mehr in seinem Heimatland, sondern nach den Ermittlungen der Beklagten seit 1981 in A-Stadt. Zweifel an dem Ergebnis dieser Ermittlungen bestehen nicht. Vielmehr hat auch der Sohn der Klägerin in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 13. Oktober 2015 bestätigt, dass der Versicherte gezwungen gewesen sei hier in Deutschland seinen Wohnsitz zu nehmen, da eine Pendelei nach Bosnien-Herzegowina nicht möglich gewesen sei. Zwar sei man in den Ferien in das Heimatland gefahren und seine Eltern hätten irgendwann nach Bosnien-Herzegowina zurückkehren wollen, konkrete Planungen seien jedoch nicht getroffen worden. Aufgrund der Ermittlungen der Beklagten und der Angaben des Sohnes, ist die Kammer daher davon überzeugt, dass der Versicherte seinen Familienwohnsitz in A-Stadt und nicht mehr in seinem Heimatland hatte. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen kommt daher ein Anspruch für Überführungskosten nach Bosnien-Herzegowina nicht in Betracht.

Einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 33c SGB I sieht die Kammer nicht. § 33c SGB I ist nicht verletzt, weil keine Benachteiligung festzustellen ist. Kein Versicherter kann die Erstattung von Überführungskosten an einen anderen Ort als den des Familiensitzes verlangen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Rechtskraft
Aus
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