S 10 KR 119/07 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 119/07 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 218/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Aufnahme der Antragsteller als freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller bezieht seit dem 25.02.2002 eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung, wobei eine darauf gestützte Pflichtversicherung als Rentner an dem Fehlen der notwendigen Vorversicherungszeiten scheiterte. Auch die Antragstellerin bezieht eine Altersrente von der gesetzlichen Rentenversicherung.

Im Übrigen beziehen die Antragsteller wegen nur geringer Rentenleistungen als Bedarfsgemeinschaft seitens des Kreises Bergstraße seit Jahren Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – SGB XII (zuletzt mit Bescheiden vom 06.11.2006 und 04.01.2007), wobei bis zum 31.03.2007 auch die Leistungen der Hilfe zur Gesundheit gewährt wurden.

Mit Bescheid vom 27.03.2007 stellte der Kreis Bergstraße, Amt für Soziales, Grundsicherung und Wohngeld (ausschließlich) die Gewährung von Hilfen zur Gesundheit mit Wirkung zum 31.03.2007 ein und begründete dies mit der Neuregelung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Nach Auffassung des Kreises Bergstraße hätten danach alle Personen, die dem Personenkreis der gesetzlich Versicherten zuzuordnen sind, die Möglichkeit, bei der Krankenkasse, bei der sie zuletzt gesetzlich versichert waren, eine Pflichtversicherung zu begründen, die den bisher gewährten Leistungen (hier: Hilfe zur Gesundheit) vorginge.

Gleichzeitig bat der Kreis Bergstraße im Auftrag der Antragsteller, bei der Antragsgegnerin um Überprüfung der Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft dort ab dem 01.04.2007, die die Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 4. und 10. Mai 2007 gegenüber dem Antragsteller ablehnte. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 18.05.07, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 18.05.07 Widerspruch eingelegt, ohne diesen zu begründen. Eine Entscheidung über den Widerspruch ist noch nicht ergangen.

Nahezu zeitgleich am 16. Mai 2007 haben die Antragsteller beim hiesigen Gericht Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung gestellt, dass im Hinblick auf die Notwendigkeit der regelmäßigen Medikamentenversorgung der Antragstellerin schnellst möglichst die Mitgliedschaft des Antragstellers (als freiwilliges Mitglied) und der Antragstellerin (als Familienversicherte) bei der Beklagten festgestellt werden müssen, da der Kreis Bergstraße Leistungen der Hilfe zur Gesundheit ablehne.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),
die Beklagte zu verpflichten, den Antragsteller als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen und der Antragstellerin als familienversichertes Mitglied Krankenversicherung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Sie vertritt dagegen die Auffassung, dass weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch gegeben sei. Der Anordnungsgrund scheitere daran, dass der Kreis Bergstraße als Träger der Grundsicherung im Alter und wegen Erwerbsunfähigkeit die Antragsteller, sofern keine anderweitiger Krankenversicherungsschutz bestehe, weiterhin - zumindest vorläufig - Leistungen zur Hilfe zur Gesundheit nach den Regelungen des SGB II zu erbringen habe. Im Übrigen sei sie weder zur Aufnahme des Antragstellers als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung noch zur Gewährung von Leistungen an die Antragstellerin als Familienversicherte verpflichtet, weil entgegen der Auffassung des Kreises Bergstraße eine Pflichtversicherung auch nach der Änderung des § 5 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsreform) nicht begründet werde.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in dem Sinne zulässig, dass lediglich eine vorläufige Regelung bis zum rechtskräftigen Abschluss einer Entscheidung (sei es ein bindend gewordener Bescheid der Antragsgegnerin oder sei es der rechtskräftige Abschluss des Hauptsacheverfahrens) begehrt werden kann. Eine endgültige Feststellung des Status als Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Antragsgegnerin ist nicht möglich. Insoweit wird auch den Bedenken der Antragsgegnerin Rechnung getragen, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf. Angesichts der Tatsache, dass es im Falle der Antragsteller je nach Ausgang des Hauptsacheverfahrens gegebenenfalls Erstattungsansprüche zwischen den beiden in Frage kommenden Leistungsträgern (Antragsgegnerin als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung oder Kreis Bergstraße, Amt für Soziales, Grundsicherung und Wohngeld, als Verpflichtete nach dem SGB XII) gibt, kommt es vorliegend allein darauf an, ob unter Zugrundelegung des - im Übrigen nicht bestrittenen - Vortrags der Antragsteller eine größere Wahrscheinlichkeit für eine Mitgliedschaft der Antragsteller – sei es als originäres Mitglied oder im Rahmen der Familienversicherung - im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung als dagegen spricht. Dies ist – wie anschließend noch ausgeführt wird – nicht der Fall.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, weil dem Antragsteller entgegen der Auffassung des Kreises Bergstraße in dessen Bescheid vom 27.03.2007 kein Anspruch auf Aufnahme in die Pflichtversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung zusteht und damit auch der Antragstellerin als Familienversicherte keine Leistungen von der Antragsgegnerin verlangen kann. Dabei kann es die Kammer dahingestellt sein lassen, ob der Antrag bereits mangels Anordnungsgrundes abzulehnen wäre, weil jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht besteht.

Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei darf eine einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen, weshalb es in der Regel nicht zulässig ist, die Behörde zum Erlass eines im Hauptsacheverfahren beantragten Verwaltungsaktes zu verpflichten. Jedoch kann es - wie vorliegend – im Interesse der Effektivität des Rechtschutzes ausnahmsweise erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn ansonsten Rechtsschutz nicht erreichbar und dem Antragsteller nicht zumutbar wäre.

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bedarf es damit einerseits der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und andererseits der schlüssigen Behauptung einer erheblichen Rechtsverletzung (Anordnungsanspruch). Für den Anordnungsanspruch ist es erforderlich, dass der Erfolg im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist, wobei trotz summarischer Prüfung bei der Beurteilung ein strenger Maßstab anzulegen ist. Ein Anordnungsgrund könnte sich dadurch ergeben, dass der Kreis Bergstraße mit Bescheid vom 27.04.2007 Leistungen von Hilfe zur Gesundheit nach dem SGB XII über den 31.03.2007 hinaus ausdrücklich abgelehnt hatte und zudem noch den sofortigen Vollzug dieser (falschen) Entscheidung angeordnet hat. Damit hätte er seine Leistungsverpflichtung aus §§ 47 – 52 SGB XII verneint. Ob der daran insbesondere nach Erteilung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 04. und 10.05.2007 noch festhält kann aber dahingestellt bleiben,

Denn ein Anordnungsanspruch lässt sich im Rahmen der sicherlich im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nur summarischen Prüfung nicht begründen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller, die sich dabei auf die Aussage des Kreises Bergstraße stützen, steht der Antragsteller ein Anspruch auf (Pflicht-) Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Antragsgegnerin nicht zu.

Nach § 5 Abs.1 Ziffer 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch in der ab dem 01.04.2007 aufgrund des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 01.04.2007 (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV- WSG vom 26.03.2007 – BGBL vom 30.03.007) geltenden Fassung sind (neuerdings auch) versicherungspflichtig:

Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absichtung im Krankheitsfall haben und
a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 (hauptberuflich Selbständige) oder den in § 6 Abs.1 oder Abs 2 (Versicherungsfrei aufgrund bestimmter beruflicher Tätigkeiten) genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

Dass der Antragsteller zu den in § 5 Abs. 1 Ziffer 13 b genannten Personengruppe gehört, wird von ihm selbst nicht vorgetragen und lässt sich aufgrund der der Kammer vorliegenden Unterlagen auch nicht bestätigen. Offenbar war der Antragsteller vor dem Bezug der Leistungen der Sozialhilfe – sei es nach dem alten Bundessozialhilfegesetz oder sei es nach dem SGB XII – zuletzt nicht pflichtversichert, da sonst durch den Bezug des Altersruhegeldes ab Mai 2002 eine Anspruch auf Aufnahme in die Pflichtversicherung der Rentner hätte erfolgen können, was nach den unbestrittenen Darlegungen der Antragsgegnerin gerade nicht der Fall war. Entsprechend könnte – so ist auch die Auffassung des Kreises Bergstraße in dessen Bescheid vom 27.03.2007, auf den sich die Antragsteller ausdrücklich beziehen zu verstehen – ein Anspruch auf (Pflicht-) Mitgliedschaft allenfalls auf § 5 Abs. 1 Ziffer 13 a SGB V in der ab 01.04.2007 gültigen Fassung gestützt werden.

Doch auch damit lässt sich die Aufnahme des Antragstellers – und damit der Antragstellerin als familienversichertes - Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung nicht begründen. Denn mit der bis zum 31.03.2007 erfolgten Gewährung von Hilfen zur Gesundheit nach den §§ 47 – 52 SGB XII wurde und wird keine gesetzliche Krankenversicherung iSd. § 5 Abs. 1 Ziffer 13 a SGB V (in der ab 01.04.2007 gültigen Fassung) begründet. Denn gemäß § 264 Abs. 2 SGB V wird zwar die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII (also auch bei Empfängern von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - wie die Antragsteller), die selbst nicht krankenversichert sind, von der Krankenkasse übernommen, sie erhalten auch eine Krankenversichertenkarte (§ 264 Abs. 4 SGB Satz 2 SGB V), sind aber nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies ergibt sich neben der ansonsten unnötigen Regelung des § 264 Abs. 4 Satz 3 SGB V auch daraus, dass den (gesetzlichen) Krankenkassen die Aufwendungen durch die Übernahme dieser Behandlungen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe erstattet werden. Im Übrigen hat der Gesetzgeber zu dessen Abgrenzung in § 5 Abs 8 a SGB V in der ab 01.04.2007 gültigen Fassung ausdrücklich festgelegt, dass Empfänger von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII gerade nicht versicherungspflichtige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung werden.

Damit lässt sich nicht feststellen, dass der Antragsteller "zuletzt krankenversichert" war, weshalb ein Anspruch auf Aufnahme als Mitglied in die gesetzliche Krankenversicherung iSd. § 5 Abs. 1 Ziffer 13 SGB V nicht ersichtlich ist.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Aufnahme des Antragstellers als Mitglied und der Antragstellerin als Familienversicherte war daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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