S 51 KR 2926/19 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
51
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 2926/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, verpflichtet, die Kosten eine Behandlung mit dem Arzneimittel Zolgensma zu übernehmen. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, mit der beantragten GPS-Soft-Orthese zu versorgen. Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ab dem 8. Januar 2020 bewilligt und Rechtsanwalt J. K., O. beigeordnet.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Übernahme der Kosten einer Behandlung des Antragstellers mit dem weder in Deutschland noch in Europa zugelassenen Medikament Zolgensma (onasemnogene abeparvovec-xioi). Eine Zulassung für dieses Medikament für die Anwendung innerhalb der ersten zwei Lebensjahre liegt in den USA seit Mitte 2019 vor. Das Zulassungsverfahren in Europa läuft, mit einem Abschluss ist frühestens im Laufe des Jahres 2020 zu rechnen.

Die Beteiligten streiten zugleich über die Versorgung des Antragstellers mit einer GPS Soft-Orthese in Westenform.

Der 2018 geborene, bald zweijährige Antragsteller leidet an Spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ I. Er wird aktuell mit dem Medikament Spinraza behandelt.

a) Orthese

Mit ärztlicher Verordnung vom 19. August 2019 und Kostenvoranschlag der D. GmbH vom 21. August 2019 über 1639,80 EUR beantragte der Antragsteller über die genannte Gesellschaft die Kostenübernahme für eine GPS Soft-Orthese in Westenform einschließlich der erforderlichen Anpassung.

Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. August 2019 ab. Es handele sich bei der Orthese nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Antragsteller erhob hiergegen Widerspruch mit Schreiben vom 30. August 2019. Beigefügt war eine Stellungnahme des Orthopädietechnikmeisterin H. L. Darin heißt es: "Grundsätzlich befindet sich Herr H. in einem hypotonen Muskelstatus. Ein eigenständiges Sitzen ist nicht möglich und es herrscht ein dauerhafter Rundrücken vor. Die GPS Softprothesenversorgung soll ihm eine verbesserte Körperwahrnehmung und damit einen besseren Koordinierungsablauf zukommen lassen. Bei den physiotherapeutischen Sitzungen soll durch die verbesserte Wahrnehmung die Möglichkeit gegeben werden, auf diese und auch andere Bewegungsabläufe stärker den Fokus zu setzen. Die Orthese ist ein auf ihn individuell ausgemessenes und angepasstes Hilfsmittel. Durch das elastische Material und seiner einzelnen Verstärkungen kommt es zu qualitativ verbesserten Bewegungsabläufen. Folglich werden zudem Spätschäden an der Wirbelsäule und den Extremitäten vermieden und zusätzlich die Atmung erleichtert. Dieser Nutzen ist durch kein anderes bereits ein geführtes Hilfsmittel zu erreichen und dient ihrem Sohn als Ausgleich seiner bestehenden Behinderung."

In dem Widerspruch wird ausgeführt, der Antragsteller habe aufgrund seiner neuromuskulären degenerativen Erkrankungen eine deutliche Hypotonie, die vor allem im Kopf- und Rumpfbereich vorhanden sei. Dies verhindere für ihn Sitzen, Stehen etc. und eine Stabilität in höheren Positionen. Um ihn in der Teilhabe zu unterstützen, seine Integration, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit vor allem im Alltag und besonders in der Kita Gruppe zu fördern, sei eine stabilisierende Stützfunktion für den Rumpf zwingend notwendig.

Der MDK Berlin Brandenburg erstellte am 21. November 2019 auf Anfrage durch die Antragsgegnerin ein sozialmedizinisches Gutachten. Darin führt der Gutachter aus, dass der Anwendung der Orthese offenbar die Hypothese des so genannten senso-motorischen Regelkreises zu Grunde liege. Klinische Studien von medizinisch-wissenschaftlicher Aussagekraft, die eine solche Wirkung von Stabilisiationsmiedern belegen würden, seien jedoch nicht bekannt. Stretchartig oder auch eng anliegende Westen, Shorts, Mieder, Knie- und Oberschenkelstrümpfe oder auch Shirts hätten Eingang gefunden in diverse Sportarten gefunden. Ein solches Produkt könne in konfektionierter Form ebenso genutzt werden. Es würde sich dann allerdings um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handeln. Alternativ könne auch ein vereinfachtes Stützkorsett nach Maß vorliegend erwogen werden.

Ein Widerspruchsbescheid wurde bislang nicht erlassen.

Der Antragsteller hat im Laufe des vorliegenden Verfahrens einen Arztbrief von Frau Dr. K. B., Oberärztin im H.-Klinikum, Klinik für Kinderorthopädie, vom 17. Januar 2020 vorgelegt. Darin heißt es unter anderem: "Im Rahmen der Grunderkrankung einer Spinalen Muskelatrophie zeigt sich heute radiologisch eine Hüftluxation rechts. Klinisch im Vergleich zur Voruntersuchung Zunahme der Kyphosierung im Bereich der Wirbelsäule mit beginnender rechtskonvexer Thorakolumbalscoliose. Aus diesem Grund ist eine Stabilisierung des Rückens mit einer Soft-Orthese zwingend indiziert."

b) Behandlung mit Zolgensma

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2019, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 4. November.2019, beantragte der Antragsteller die Kostenübernahme für das Medikament/die Gentherapie Zolgensma (AVXS-101). Dem Antrag war ein als vorläufig gekennzeichneter Entlassungsbrief von Dr. A. von M., Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendmedizin des D. Klinikums, beigefügt. Der Brief enthält die Diagnose SMA Typ 1, G 12.2. Er enthält unter anderem folgende Ausführungen:

"Anamnese:

Es erfolgte die stationäre Aufnahme von K. L. zur 7. Nusinerserngabe. Die Eltern beschreiben eine deutliche Besserung des Muskelturnus insgesamt, speziell K. halte deutlich besser seinen Kopf, drehe sich von der einen auf die andere Seite, schaffe eine komplette Drehung vom Rücken auf den Bauch, liegt aber ungern auf dem Bauch. Die Arme aktiv gegen die Schwerkraft heben, sowie die besser Beine aktiv anheben und halten. Sitzen schaffe er für ein paar Sekunden. Esse nun auch flüssigen Brei. Die Eltern haben jedoch eine Gewichtsstagnation seit einigen Wochen bemerkt. Aktuell infektfrei. Letzte Nusinersengabe im Juli.

Aufnahmebefund:

19 Monate alter Patient in stabilem Allgemeinzustand. Hautkolorit rosig, Turgor gut, Schleimhäute feucht, Rachen und Trommelfellen Einfluss, keine Lymphknotenvergrößerung palpabel, Herztöne rein und rhythmisch, Pulmo beidseits freibelüftet, Abdomen weich, keine Hepatosplenomegalie, Peristaltik regelrecht. Keine meningitischen Zeichen. Muskelturnus hypoton, kann seinen Kopf halten im Sitzen, sitzt mit hilfe, greift aktiv, hält die Beine gegen die Schwerkraft. In Rückenlage könne er für kurze Zeit die Hüfte hochheben. Ist sehr aufgeweckt und freundlich und kommuniziert sehr viel.

Therapie/Verlauf/Beurteilung:

Am 28. Oktober erfolgte die komplikationslose 7. Gabe von Nusinersen unter Analgosedierung mit Chloralhydrat, Midazolam und Ketanest. Die Vitalparameter waren jederzeit stabil. Mögliche Nebenwirkungen sahen wir in der 24-stündigen Überwachung nach der Gabe nicht.

Wegen mangelhafter Gewichtsentwicklung erhielten die Eltern eine Ernährungsberatung. [ ]

Es erfolgte die Entlassung in stabilem Allgemeinzustand.

Empfehlung:
Zeitnahe Wiedervorstellung zur Gewichtskontrolle bei Ihnen, ambulante Vorstellung beim Augenarzt Wiederaufnahme zu erneuten Nusinersengabe am 16.02.2020 zur 8. Gabe am 17.02.2020."

Ebenfalls beigefügt war ein genetischer Befund des Zentrums medizinische Genetik W. vom 13.09.2018. Dort heißt es unter Befund: "Bei K. L. H. wurde eine homozygote Deletion der Exons 7 und 8 des SMNI-Gens nachgewiesen." Weiter heißt es dort unter dem Punkt Information: "Die Anzahl der SMN2-Genkopien des Exons 7 beträgt 3."

Mit Schreiben vom 10. November 2019 zeigte der Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin seine Bevollmächtigung durch den Antragsteller sowie dessen rechtliche Vertretung an. Er trug vor, mit den bisher in Deutschland verfügbaren Therapien ließe sich das Leiden des Kindes ein wenig lindern, der Tod jedoch bestenfalls um einige Monate hinauszögern. In den weitaus meisten Fällen trete der Tod in den ersten beiden Lebensjahren durch Ateminsuffizienz oder Infektion ein. Die einzige realistische Chance auf Rettung, vielleicht sogar Heilung bitte eine Therapie mit dem AVXS-101. das Medikament sei im Mai 2019 unter dem Präparatenamen Zolgensma in den USA zugelassen worden. Der Antragsteller könne auf eine Zulassung für den europäischen bzw. deutsche Markt nicht warten. Es werde daher beantragt, die Behandlung des Antragstellers mit Zolgensma zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beauftragte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) am 14. November 2019 mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens.

Mit Schreiben vom 14. November 2019 (Bl. 36 der Verwaltungsakte) teilte die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass zur Prüfung die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme erforderlich sei. Spätestens bis zum 9. Dezember 2019 werde er über das Ergebnis der Prüfung informiert.

Frau Dr. K. erstellte für den MDK am 3. Dezember 2019 ein entsprechendes Gutachten. Darin heißt es unter anderem:

"Zu dem Schweregrad der Erkrankung ist festzustellen, dass es sich grundsätzlich bei der SMA Typ 1 um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Nach 20 Monaten sind entsprechend einer historischen Krankheitsverlaufsgruppe noch 8 % der Patienten am Leben. Der Versicherte ist Träger einer prognostisch günstigen Dritten Kopie des SMN Gens und hat Nusinersen seit dem 6. Lebensmonat erhalten. Es traten keine Komplikationen auf. Insbesondere bestand keine Ateminsuffizienz und er machte vergleichsweise in Bezug auf den motorischen altersentsprechenden Meilenstein gute Fortschritte. Unter der laufenden Nusinersen-Therapie der SMA besteht prognostisch, in absehbarer Zeit für diesen Versicherten keinerlei Anhalt für eine existenz- oder lebensbedrohliche Situation.

[ ] Zur Therapie der SMA Typ 1 steht derzeit Nusinersen zur Verfügung, dass das Kind seit seinem 6. Lebensmonat erhält. Die Therapie wird gut vertragen und führte zu einer Stabilisierung des klinischen Zustandes."

In dem Gutachten wird weiter festgestellt, dass die vom Behandler angeforderten Unterlagen und Antworten auf die gestellten Fragen nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt worden seien.

Abschließend heißt es dort: "Zusammenfassend ist festzustellen, dass Kriterien für einen Import gemäß BSG-Rechtsprechung nicht erfüllt sind, da zwar prinzipiell eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt, die allerdings unter Nusinersen derzeit einen stabilen Verlauf aufweist."

Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für das Medikament zur Zolgensma mit Bescheid vom 9. Dezember 2019 unter Wiedergabe der wesentlichen Ausführungen aus dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK ab.

Für die Übersendung an den Bevollmächtigten des Antragstellers liegt ein Faxprotokoll vom 9. Dezember 2019 vor (Bl. 64 der Verwaltungsakte).

Der Antragsteller hat am 11. Dezember 2019 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht gestellt.

Er trägt vor, die aktuelle Behandlung mittels Spinraza vermöge die fortschreitende Symptomatik zwar in einigen Fällen zu verzögern und verlangsamen. Eine Chance auf Heilung oder Steigerung der Lebenserwartung bis ins Erwachsenenalter biete die Gabe von Spinraza vorliegend jedoch nicht. Es bestehe jedoch die Hoffnung, dass mit der einmaligen Behandlung mit Zolgensma das fortschreitende Erkrankung ein für alle Mal gestoppt werde. Dies ergebe sich aus den Wirkmechanismen. Bei Spinraza werde das fehlende SMN-Protein durch die lebenslange Gabe eines verwandten aber nicht identischen Proteins substituiert. Bei Zolgensma werde das fehlende SMN1-Gen ersetzt, sodass neugebildete Zellen in die Lage versetzt werden das ursprünglich fehlende SMN–Protein selbst zu erzeugen. Die Behandlung mit Spinraza hingegen erlaube nur den Erwerb begrenzter motorischer Fähigkeiten und verhindere nicht, dass die Betroffenen später dauernd beatmet werden müssten. Es bestehe Eilbedürftigkeit weil konkret zu besorgen sei, dass der Antragsteller den Abschluss des Hauptsachverfahrens nicht erleben werde. Zudem sei das Medikament auch in den USA nur bis zu einem Alter von 24 Monaten zugelassen. Ein Abschluss des Hauptsacheverfahrens vor Erreichen dieses Alters sei nicht zu erwarten.

Die Orthese werde benötigt, weil die Muskeln des Antragstellers sein Skelett nicht der sicher halten könnten. Es setzte bereits eine Skoliosebildung ein, eine Verschlimmerung sei unmittelbar zu besorgen. Die beantragte Soft-Orthese würde hier Abhilfe schaffen. Ein Zuwarten auf den Abschluss des Hauptsacheverfahrens würde zu einer irreversible Behinderung des Antragstellers führen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu verpflichten,

1. die Kosten für die einmalige Behandlung mit dem Medikament Zolgensma zu übernehmen

2. den Antragsteller mit der beantragten GPS-Soft-Orthese zu versorgen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Auffassung ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe nicht. Das Medikament sei weder in Deutschland noch in Europa zugelassen. Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach § 2 Abs. 1a SGB V lägen nicht vor, weil für den Antragsteller die Behandlung mit dem zugelassenen Medikament Nusinersen zur Verfügung stehe und der Antragsteller auf diese Behandlung gut anspreche. Eine Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten. Zwar liege ein Zugangsnachweis für das Schreiben vom 14. November 2019 nicht vor. Mit dem Bevollmächtigten des Antragstellers sei jedoch am Folgetag, dem 15. November 2019 telefoniert worden. In diesem Gespräch habe der Mitarbeiter der Antragsgegnerin, Herr A. K., den Bevollmächtigten des Antragstellers über die Beauftragung des MDK informiert und eine Bescheidung bis zum 9. Dezember 2019 angekündigt. Für die Informationspflicht bezüglich der Beauftragung des MDK bestehe kein Schriftformerfordernis. Überdies sei der Antrag mangels zugrundeliegender ärztlicher Verordnung auch nicht fiktionsfähig gewesen. Hinsichtlich des Zugangs des Bescheides vom 9. Dezember 2019 sei auf dem Empfang es Faxes abzustellen. Dies ergebe sich nach den Grundsätzen der inneren Wirksamkeit.

Die Antragsgegnerin hat zwei MDK-Gutachten vom 16. Dezember 2019 vorgelegt. Im ersten Gutachten bezieht der MDK sinngemäß Stellung zu den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V (hier im Zusammenhang mit dem Import nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz).

Der MDK kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, da die vorhandene Therapie mit Spinraza zu einem guten Therapieerfolg geführt habe und daher fortgesetzt werden könne, zumal eine Überlegenheit von Zolgensma gegenüber von Spinraza anhand von Studien bisher nicht nachgewiesen worden sei.

Im zweiten Gutachten beantwortet der MDK die gerichtlichen Fragen vom 11. Dezember 2019. Dort heißt es unter anderem:

Gerichtliche Frage: Ist es richtig, dass bei der Anwendung von Zolgensma die Möglichkeit einer vollständigen oder nahezu vollständigen Heilung besteht?

"[ ]Es liegen jedoch keine publizierten Daten vor, wie lange dieser Effekt im Menschen anhält. Nach Rücksprache mit der Herstellerfirma Avexis (Dr.E. MD, PhD Head of Medical Affairs Germany Regional Executive Medical Director) überblickt man derzeit nur 5 Jahresergebnisse mit sehr wenig Patienten, was für eine Aussage bzgl. Heilung kein ausreichender Zeitraum ist. Von der Firma wurde daher zu keinem Zeitpunkt kommuniziert, dass durch Zolgensma eine Heilung erfolgt. Die "Heilsversprechungen" wurden nur von den Massenmedien kommuniziert. Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Frage, ob durch Zolgensmas eine Heilung möglich ist, wissenschaftlich seriös nicht beantwortet werden."

Gerichtliche Frage: Ist es richtig, dass bei Zolgensma die Möglichkeit besteht, dass das Fortschreiten der Symptomatik endgültig gestoppt werden kann?

"Nach Rücksprache mit der Herstellerfirma Avexis kann hierzu noch keine Stellung genommen werden, da für eine derartige Aussage nach keine hinreichenden Daten vorliegen. Die Literatursuche ergibt keine publizierten Daten zu nachhaltigen Effekten und Langzeitfolgen. Es sei darauf hingewiesen, dass in der Zolgensma Zulassungsstudie 15 Patienten behandelt wurden."

Gerichtliche Frage: Ist es richtig, dass eine solche Möglichkeit bei der Anwendung von Spinraza nicht besteht?

"[ ]

Bei dem Kind K. bestand zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine deutlich proximal betonte Muskelschwäche. Laut Angaben des Behandlers PD Dr.v. M. kam es unter Spinraza zu einer signifikanten Zunahme der willkürmotorischen Fähigkeiten.

Der Hersteller von Zolgensma teilte mit, dass aus den bisher vorliegenden Daten nicht abgeleitet werden dann, dass das Kind Kian von einer zusätzlichen Gabe von Zolgensma profitieren würde. Die aktuelle Berichterstattung in den Medien suggeriert, dass es gesichert sei, dass bei jedem Kind unabhängig vom klinischen Befund die Therapie mit Zolgensmas der Behandlung mit Spinraza überlegen sei. Dies kann aus dem bisherigen Stand des Wissens nicht abgeleitet werden."

Gerichtliche Frage: Ist es richtig, dass bei der Anwendung von Spinraza die Wirkung in Bezug auf Atmung und Schluckfähigkeit sehr oft wesentlich früher stagniert als in Bezug auf motorische Fähigkeiten, so dass in der Regel eine dauernde Beatmung und künstliche Ernährung erforderlich wird?

"Nach Rücksprache mit der Herstellerfirma von Zolgensma gibt es für diese Aussage keine publizierte Daten. In der Zulassungsstudie von Spinraza waren bei behandelten Patienten in 78% der Fälle keine permanente Beatmung erforderlich."

Der behandelnde Arzt des Antragstellers, Dr. med A. v. M., Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin des D. Klinikums, hat die Fragen im gerichtlichen Schreiben vom 6. Januar 2020 zu den Unterschieden bzw. möglichen Vorteilen bezüglich der Behandlung mit Zolgensma gegenüber der aktuellen Behandlung mit Spinraza mit Schreiben vom 8. Januar 2020 schriftlich beantwortet. Dabei hat er unter anderem ausgeführt:

Zu Spinraza:

Gerichtliche Frage: Welche Lebenserwartung kann im konkreten Fall des Antragstellers im besten Fall erreicht werden?

"Angaben zur Lebenserwartung können nicht nur in Bezug auf die Therapie mit Spinraza gemacht werden. Neben der medikamentösen Therapie spielt insbesondere die maschinelle Atemunterstützung ("Heimbeatmung") eine entscheidende Rolle für die Lebenserwartung. Wenn es im Verlauf gelingen sollte bei dem Antragsteller durch die Therapie mit Spinraza die SMA Typ I in eine SMA Typ II (Sitzfähigkeit wird erreicht) zu modifizieren, wäre ein sehr breites Spektrum an Lebenserwartung möglich. Ich stehe in Kontakt mit Patienten*innen, die als Kinder/Jugendliche in meiner Sprechstunde waren, die inzwischen ) 40 Jahre alt sind Im Rahmen meiner Tätigkeit in der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke sind mir Menschen mit SMA Typ II bekannt, die) 50 Jahre alt sind. Zu SMA Typ III (Erlernen der Gehfähigkeit) siehe unten."

Gerichtliche Frage: Für welchen Zeitraum (in Jahren oder Monaten) kann im konkreten Fall des Antragstellers mit einer weiteren Stabilisierung/dem Ausbleiben signifikanter Verschlechterung gerechnet werden. Bitte geben Sie hier ein realistisches und ein best-case-scenario an.

"Bislang wurde bei dem Antragsteller bei den regelmäßigen (4-monatlich) physiotherapeutischen Untersuchungen eine kontinuierliche Verbesserung der statomotorischen Fähigkeiten dokumentiert. Es ist nicht bekannt, bis zu welchem Alter weitere Verbesserungen erreicht werden können. Zunächst ist von einer weiteren Stabilisierung der motorischen Fähigkeiten und dem Ausbleiben signifikanter Verschlechterungen innerhalb der nächsten Jahre auszugehen. Inwieweit sich die Größen- und Gewichtveränderungen im Rahmen der Pubertätsentwicklung negativ auf die statomotorischen Fähigkeiten auswirken werden, kann bislang nicht beantwortet werden."

Zu Zolgensma:

Gerichtliche Frage: Welche Lebenserwartung kann im konkreten Fall des Antragstellers im besten Fall erreicht werden?

"Die Lebenserwartung hängt von dem Ausmaß der muskulären Funktionsverbesserung durch die Therapie und bei einer persistierenden Muskelschwäche von der Nutzung maschineller Atemunterstützung ab. SMA Typ II (Erlernen des Sitzens) siehe oben; Wenn das Funktionsniveau einer SMA Typ III (Erlernen der Gehfähigkeit) erreicht wird, ist von einer normaler Lebenserwartung auszugehen.

Gerichtliche Frage:

In welchem Zeitraum kann im konkreten Fall des Antragstellers mit einer weiteren Stabilisierung/dem Ausbleiben signifikanter Verschlechterung gerechnet werden?

"Anhand der bisher vorliegenden Studien kann davon ausgegangen werden, dass es zu einer weiteren Stabilisierung der motorischen Fähigkeiten und dem Ausbleiben signifikanter Verschlechterung innerhalb der nächsten Jahre kommt."

Zum direkten Vergleich der beiden Behandlungen:

Gerichtliche Frage: Lässt sich aus Ihrer Sicht — im konkreten Fall des Antragstellers — sagen, dass die Behandlung mit Spinraza mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit "nur" ein Hinauszögern eines innerhalb weniger Jahre eintretenden Todes darstellt die Behandlung mit Zolgensma hingegen eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine gegenüber der Behandlung mit Spinraza erheblich verlängerte Lebenserwartung bietet? Wenn ja: warum? Wenn nein: Warum nicht?

"Nein; weder hängt die Lebenserwartung alleine von der Gabe von Spinraza oder Zolgensma ab noch gibt es Studien, die in vergleichbaren, randomisierten Patientengruppen die beiden Präparate verglichen hätten. Anhand der bisher vorliegenden Daten ist davon auszugehen, dass der Zeitpunkt der Behandlung, d.h. die Ausprägung der Muskelschwäche bei Beginn der Therapie, bei beiden Präparaten von erheblicher Bedeutung ist."

Gerichtliche Frage: Welche Vorteile hätte im Falle des Antragstellers die Behandlung mit Zolgensma gegenüber der Behandlung mit Spinraza? Besteht zumindest eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf den Eintritt konkreter, signifikanter Verbesserungen im Krankheitsverlauf gegenüber der Behandlung mit Spinraza? Wenn ja: Welche Verbesserungen sind dies? Stehen diesen (eventuellen) Vorteilen ggf. auch erhöhten Risiken gegenüber? Wenn ja, welche?

"Die Behandlung mit Spinraza hat bei dem Antragsteller zu einer kontinuierlichen Verbesserung der statomotorischen Fähigkeiten geführt. Es stehen keine Erfahrungen darüber zur Verfügung, ob bei einem Patienten mit einem Behandlungsbeginn bei bereits deutlicher Symptomatik und positivem Behandlungseffekt mit Spinraza eine zusätzlich signifikante Verbesserung mit Zolgensma erreicht werden kann. Ein zusätzlicher Behandlungseffekt kann nicht ausgeschlossen werden, die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß können nicht benannt werden. Vorteilhaft ist die einmalige intravenöse Applikation gegenüber der regelmäßig zu wiederholenden Intrathekalen Gabe. Erhöhte Risiken der Behandlung mit Zolgensma sind bisher nicht bekannt. Für eine Behandlung mit Zolgensma wurden bei der Zulassung durch die FDA in den USA keine Kontraindikationen benannt. Als Nebenwirkungen sind der Anstieg der Leberwerte und des Troponins und ein Abfall der Thrombozyten bekannt. Diese Werte müssen kontrolliert werden. Zur Vorbeugung der Affektion der Leber wird begleitend ein Steroid gegeben."

Der behandelnde Arzt des Antragstellers, Dr. med A. von M., Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin des D. Klinikums, hat die ergänzenden gerichtlichen Fragen vom 9. Januar 2020 mit Schreiben vom 13. Januar 2020 schriftlich beantwortet. Dabei hat er unter anderem ausgeführt:

"Zu a) Ist auch Ihrer Sicht die Behandlung des Antragstellers mit Zolgensma angezeigt? Wenn ja: warum?

Bezüglich der Wirksamkeit auf den Symptomverlauf liegen keine validen Daten zur Beantwortung dieser Frage vor, da nicht beantwortet werden, ob bei dem Antragsteller ein zusätzlicher Nutzen durch die Behandlung mit Zolgensma erwartet werden kann oder nicht. Die deutlich weniger belastende Form der Applikation dürfte nach der Zulassung ein deutliches pro-Argument sein.

Zu b) Wird der Antragssteller bereits aktuell maschinell beatmet? ("Heimbeatmung")? Nein.

Zu c) Besteht bei einer Behandlung des Antragstellers mit Zolgensma eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht darauf, dass maschinelle Beatmung insgesamt in einem deutlich geringeren Umfang benötigt wird als bei der Behandlung mit Spinraza? Wenn ja: Worauf kann eine solche ggf. Annahme gestützt werden?

Für eine vergleichende Betrachtung der Wirksamkeit der beiden Substanzen bei dem Antragsteller fehlt eine aussagekräftige Datenbasis. Bislang werden bei ihm mit der Therapie mit Spinraza kontinuierliche Fortschritte beobachtet. Wie lange dies andauern wird und welches Kraftniveau erreicht werden kann ist offen. Es stehen zur Zeit keine aussagekräftigen Kriterien zur Verfügung, mit denen das maximal erreichbare Kraftniveau für den Antragsteller vorhergesagt werden kann. Möglicherweise erreicht der Antragsteller ein Kraftniveau mit dem auch langfritig keine Heimbeatmung erforderlich werden wird. Die Frage ob mit der Therapie mit Zolgensma ein zusätzlicher Zuwachs an Kraft erzielt werden, kann zur Zeit nicht beantwortet werden.

Zu d) Besteht bei einer Behandlung mit Zolgensma gegenüber der Behandlung mit Spinraza eine höhere Wahrscheinlichkeit der Erreichung einer Sitzfähigkeit oder gar Gehfähigkeit? Wenn ja: Worauf kann eine solche Annahme gestützt werden?

Siehe auch Antwort zu c).

Bei einem präsymptomatischen Therapiebeginn wurden mit beiden Wirkstoff sehr eindruckvolle Behandlungsergebnisse gesehen. Das Spektrum der Verbesseung bei dem einem Partienten mit bereits deutlicher proximal betonter Muskelschwäche bei Therapiebeginn ist variabel. Die laufenden Langzeitbeobachtungen im Rahmen des SMArtCare Projektes werden hierzu wichtige Daten liefern."

Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schreiben vom 17. Januar 2020 Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2019 erhoben. Er macht dabei geltend, dass wegen eines fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit der Widerspruchserhebung in elektronischer Form die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG gelte. Vorsorglich hat er im Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 zugleich gegenüber der Antragsgegnerin eine Überprüfung des Ablehnungsbescheides nach § 44 SGB X beantragt sowie einen erneuten Antrag auf Kostenübernahme für die Behandlung mit Zolgensma gestellt.

Der Hersteller des Arzneimittels hat mit Schreiben vom 22. Januar 2020 die gerichtlichen Fragen vom 17. Januar 2020 wie folgt beantwortet:

"a) Welcher Behandlungsverlauf kann im konkreten Fall des Antragstellers bei der aktuellen Behandlung mit Spinraza im besten Falle erwartet werden? Konkret:

aa) Welche Lebenserwartung kann im konkreten Fall des Antragstellers im besten Falle erreicht werden?

Angaben zur Lebenserwartung des Patienten können aus Herstellersicht nicht gemacht werden.

bb) Für welchen Zeitraum (in Jahren oder Monaten) kann im konkreten Fall des Antragstellers mit einer weiteren Stabilisierung/dem Ausbleiben signifikanter Verschlechterungen gerechnet werden. Bitte geben Sie hier eine realistisches und ein best-case-scenario an.

Angaben zum weiteren Krankheitsverlauf des Patienten können aus Herstellersicht nicht gemacht werden.

b) Ist aus Ihrer Sicht eine Behandlung mit Zolgensma im konkreten Falle des Antragstellers angezeigt? Wenn ja: Aus welchen Gründen? Gibt es Kontraindikationen? Konkret wird dazu um die Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:

aa) Welche Lebenserwartung kann im konkreten Fall des Antragstellers im besten Falle erreicht werden?

Grundsätzlich hängt die Lebenserwartung eines SMA Patienten von seinem Krankheitstyp und dem Beginn der Behandlung ab. Zolgensma wurde in verschiedenen klinischen Studien geprüft. Die eingeschlossenen Patienten warenbehandlungsnaiv, d.h die Patienten hatten keine Vorbehandlung mit Spinraza erhalten. In der Phase I haben alle Patienten (SMA Typ 1 mit jeweils 2 SMN2 Kopien) im Vergleich zum historischen Verlauf zum Zeitpunkt des Datenschnitts am 31. Mai 2019 im Mittel 4,2 Jahre (3,7-5,0) überlebt. Das älteste Kind erreichte das 5. Lebensjahr. Mittlerweile sind weitere 7 Monate hinzuzurechnen, wobei diese Daten noch nicht veröffentlicht wurden.

bb) Für welchen Zeitraum kann im konkreten Fall des Antragstellers mit einer weiteren Stabilisierung/dem Ausbleiben signifikanter Verschlechterungen gerechnet werden? Bitte geben Sie hier eine realistisches und ein best-case-scenario an.

Kinder, die im Rahmen von klinischen Prüfungen ausschließlich mit Zolgensma behandelt wurden, haben bis zum Zeitpunkt 31. Mai 2019 im Mittel 3,9 Jahren (3,5-4,6) nach Gentherapie ihm erlernten motorischen Meilensteinen oder motorische Funktionalität beibehalten. Keines der Kinder musste permanent beatmet werden. Mittlerweile sind weitere 7 Monate hinzuzurechnen, wobei diese Daten noch nicht veröffentlich wurden.

cc) Lässt sich aus Ihrer Sicht - im konkreten Fall des Antragstellers - sagen, dass die Behandlung mit Spinraza mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ,,nur" ein Hinauszögern eines innerhalb weniger Jahre eintretenden Todes darstellt, die Behandlung mit Zolgensma hingegen eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine gegenüber der Behandlung mit Spinraza erheblich verlängerte Lebenserwartung bietet? Wenn ja: warum? Wenn nein: Warum nicht?

SMA ist eine systemische Erkrankung, die nicht nur das zentrale Nervensystem irreversibel schädigt sondern auch andere Organsysteme. Bisher können wir im Rahmen der Langzeitbeobachtungsstudie, an der Patienten der Phase I Prüfung teilnehmen, zum Zeitpunkt des Datenschnitts am 31. Mai 2019 im Mittel 4,2 Jahre (3,7-5,0) überblicken, an dem alle Kinder am Leben sind.

dd) Welche Vorteile hätte im Falle des Antragstellers die Behandlung mit Zolgensma gegenüber der Behandlung mit Spinraza? Besteht zumindest eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf den Eintritt konkreter, signifkanter Verbesserungen im Krankheitsverlauf gegenüber der Behandlung mit Spinraza? Wenn ja: Welche Verbesserungen sind dies? Stehen diesen (eventuellen) Vorteilen ggf auch erhöhte Risiken gegenüber? Wenn n ja: welche?

In 2019 wurden in den USA einige Einzelfallberichte veröffentlicht, die nach der Umstellung von Spinraza auf Zolgensma eine Verbesserung der motorischen Entwicklung sowie eine Beibehaltung der Schluckfunktion zeigen.

ee) Besteht im Falle des Antragsteller eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung bei der Behandlung mit Zolgensma? Besteht eine solche ggf. auch bei der Behandlung mit Spinraza?

Die SMA ist eine progrediente Erkrankung, die zu irreversiblen degenerativen Schäden der Motoneurone führt. In der Phase 1 Studie zeigten sich durchwegs positive Ergebnisse für die Therapie mit Zolgensma. Die Patienten werden 15 Jahre in einer Langzeitbeobachtungsstudie untersucht. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass ein frühzeitiger Therapiebeginn einen positiven Einfluss auf die Behandlungsergebnisse hat.

ff) Besteht bei einer Behandlung des Antragstellers mit Zolgensma eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht darauf, dass maschinelle Beatmung insgesamt in einem deutlich geringeren Umfang benötigt wird als bei der Behandlung mit Spinraza? Wenn ja: Worauf kann eine solche ggf Annahme gestützt werden?

Es liegen keine direkten Vergleichsstudien zwischen Zolgensma und Spinraza vor.

In der Phase I Studie (START) mit Zolgensma waren in der Kohorte, die die therapeutische Dosis erhalten haben, alle Kinder im mittleren Alter von 4,2 Jahre am Leben und benötigten keine permanente Beatmung. In einer Phase III unter Spinraza (ENDEAR) waren nach 56 Wochen 16% der Patienten verstorben und 23% benötigten eine permanente Beatmung. In beiden Studien handelte es sich um SMA Typ 1 Kinder mit jeweils 2 SMN2 Kopien.

gg) Besteht bei einer Behandlung mit Zolgensma gegenüber der Behandlung mit Spinraza eine höhere Wahrscheinlichkeit des Erreichung einer Sitzfähigkeit oder gar einer Gehfähigkeit? Wenn ja: Worauf kann eine solche ggf Annahme gestützt werden?

Die beiden Therapien haben unterschiedliche Wirkmechanismen und zielen beide auf eine Erhöhung der SMN Protein Bildung. Zolgensma ersetzt das fehlende oder defekte Gen durch eine funktionsfähige Kopie des SMN1 Gens, so dass dessen Funktion vollwertig ersetzt werden kann. Spinraza modifiziert den Ablesemechanismus am SMN2 Gen, um mehr funktionsfähiges SMN Eiweiß zu produzieren."

Der behandelnde Arzt des Antragstellers aus dem D.-Klinikum hat mittlerweile mitgeteilt, dass er auf Grund einer Entscheidung seiner Klinikleitung eine Behandlung (auch mit Kostenzusage der Antragsgegnerin) nicht vornehmen könne.

Der Antragsteller hat mitgeteilt, die Behandlung daher an der C. durchführen lassen zu wollen. Dort sei ein erster Termin für den 27. Januar 2020 vereinbart. Er legt hierzu entsprechende Email-Verkehr vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die dem Vorsitzenden vorliegt.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte (Leistungs-)Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2 Zivilprozessordnung).

a) Orthese

Der Antragsteller hat hinsichtlich der begehrten Orthese einen Anspruch auf Versorgung glaubhaft gemacht.

Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen.

Ein solche Anspruch nach § 33 Abs. 1 S. 1SGB V ist vorliegend glaubhaft gemacht.

Die streitgegenständliche Orthese stellt im Fall des Antragtellers (auch) ein Hilfsmittel zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung (fehlende eigenständige Sitzfähigkeit) sowie zur Vorbeugung einer Verschlimmerung einer solchen Behinderung dar (Fortschreiten der Skoliosebildung).

Denn der Antragsteller ist aufgrund seines hypotonen Muskelstatus allein nicht zum Aufrechten Sitzen in der Lage. Die beantragte Orthese bietet nach der Beschreibung des Herstellers sowie nach den Angaben im Widerspruch hier einen Ausgleich.

Auf der Internetseite des Herstellers (https://www.prowalk.de/produkte/gps-Soft-Orthese/tab-id-1 finden sich folgende Angaben:

"Was ist das eigentlich?
Dynamic-GPS-Soft-Orthese hilft Kindern, deren Muskeln sich nicht ausreichend ansprechen lassen, dennoch aufrecht zu sitzen. Gleichzeitig führt die Orthese die Bewegungen sanft in die richtigen Richtungen.

Wo liegen die Vorteile?
• Aufrecht sitzen: Die Orthese stützt den Körper und ermöglicht so, aufrecht zu sitzen.
• Bessere Stabilität: Das aufrechte Sitzen führt zu besserem Gleichgewicht und mehr Stabilität im Körper.
• Gelenke schonen: Durch die sanfte Führung der Bewegung verbessern sich die Bewegungsmuster. Dies schont auch die Gelenke.
• Der Körper freut sich: Stoffwechsel, Blutkreislauf und Verdauung arbeiten besser, wenn der Körper auch aufrecht sitzt.
• Hygienisch: Selbstverständlich ist die Dynamic-GPS-Soft-Orthese waschbar

Wie funktioniert es genau?
Die Orthese übt einen gleichmäßigen, flächigen Druck auf den Oberkörper aus. Dadurch wird der Körper für den Patienten besser wahrnehmbar. Durch eingewobene Züge unterstützt die Orthese auch das stabile, aufrechte Sitzen.
Der flächige Druck gibt dem Patienten eine Rückmeldung über seinen Körper, die Bewegungsmöglichkeiten besser zu nutzen und auch ein besseres Gleichgewicht und Balance zu entwickeln.
Die Orthese wird für jeden Patienten individuell angefertigt."

Maßgeblich sind hier insoweit die folgenden Aussagen:

"Aufrecht sitzen: Die Orthese stützt den Körper und ermöglicht so, aufrecht zu sitzen."

"Durch eingewobene Züge unterstützt die Orthese auch das stabile, aufrechte Sitzen."

Die medizinische Erforderlichkeit der Orthese zur Stützung des Rückens wird auch durch den vorgelegten Arztbrief der Klinik für Kinderorthopädie belegt. Dort heißt es: "Klinisch im Vergleich zur Voruntersuchung Zunahme der Kyphosierung im Bereich der Wirbelsäule mit beginnender rechtskonvexer Thorakolumbalscoliose. Aus diesem Grund ist eine Stabilisierung des Rückens mit einer Soft-Orthese zwingend indiziert."

Hiernach zu urteilen stellt die beantragte Orthese wegen ihrer Stützfunktion ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich dar (vgl. dazu auch: Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.06.2008, Az: L 8 KR 69/07, juris, Rz 29).

Eine Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis ist keine Voraussetzung für die Anerkennung einer Hilfsmitteleigenschaft. Die fehlende Aufnahme steht damit dem Anspruch des Antragstellers auf Versorgung mit der Orthese als Hilfsmittel nicht entgegen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, aaO).

Es ist wegen der bestehenden Stützfunktion nicht maßgeblich und steht einem Anspruch auf Versorgung mit diesem Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung nicht entgegen, dass das Hilfsmittel offenbar zugleich über die Verbesserung der Wahrnehmbarkeit des eigenen Körpers zu einer verbesserten Motorik führen soll. Die Antragsgegnerin weist insoweit eventuell zutreffend darauf hin, dass es hierbei an der wissenschaftlichen Anerkennung der dieser Annahme offenbar zu Grunde liegende Hypothese des sogenannten senso-motorischen Regelkreises fehle. Dieser Regelkreis ist jedoch nicht die allein maßgebliche Grundlage der Stützfunktion der Orthese. Diese ergibt sich auch aus den eingewobenen Zügen.

Bezüglich dieser Züge und der entsprechenden Stützfunktion unterscheidet sich die Orthese auch von der Stretchkleidung im Sport oder Alltagsbereich, die die Antragsgegnerin als Alternative genannt hat. Von einer Gleichwertigkeit kann hier kaum ausgegangen werden.

Soweit der MDK formuliert "Alternativ könne auch ein vereinfachtes Stützkorsett nach Maß vorliegend erwogen werden." wird weder eine Gleichwertigkeit behauptet noch eine bessere Wirtschaftlichkeit, so dass dies insoweit kein hinreichender Einwand ist, der der Annahme eines Anordnungsanspruches in Bezug auf die Orthese entgegen stehen würde.

b) Behandlung mit Zolgensma

Einer einstweiligen Anordnung steht insoweit nicht bereits entgegen, dass der Bescheid vom 9. Dezember 2019 bestandskräftig und damit zwischen den Beteiligten bindend geworden wäre. Denn der Antragsteller hat am 17. Januar 2020 Widerspruch erhoben. Dieser ist auch fristgerecht erhoben. Denn der Bescheid vom 9. Dezember 2012 enthält in seiner Rechtsbehelfsbelehrung keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer Erhebung des Widerspruchs in elektronischer Form gemäß § 36a Abs. 2 SGB I. Er genügt damit nicht den Anforderungen an eine zutreffend Rechtsbehelfsbelehrung. Das Sozialgericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2018, Az: S 121 AS 10417/18 ER, juris, dort Rz 8 und 9) zutreffend ausgeführt:

"Vorliegend gilt die in § 66 Abs. 1 SGG geregelte Jahresfrist, weil die von dem Antragsgegner in dem Aufforderungsbescheid vom 14. Mai 2018 verwendete Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist. Unrichtig im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ist jede Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht zumindest diejenigen Merkmale zutreffend wiedergibt, die § 66 Abs. 1 SGG als Bestandteile der Belehrung ausdrücklich nennt: den statthaften Rechtsbehelf als solchen, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist nebst Anschrift, und die einzuhaltende Frist (BSGE 69, 9, 11 = SozR 3-1500 § 66 Nr. 1 S 3). Darüber hinaus ist aber auch eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erforderlich (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2013, 0B 13 R 19/12 R, Rn. 16 m.w.N.). Dies folgt aus den Sinn und Zweck der Vorschrift, den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur (fristgerechten) Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen (BSGE 79, 293, 294 = SozR 3-1500 § 66 Nr. 6 S 24). Dieser Anforderung genügt die von dem Antragsgegner verwendete Rechtsbehelfsbelehrung nicht, weil in dieser nicht über die in § 84 SGG in der Fassung ab dem 1. Januar 2018 geregelte elektronische Form nach § 36a Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) belehrt wurde.

Zwar hatte sich das BSG in einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 noch dagegen ausgesprochen, dass über die "elektronische Form" zu belehren sei, da es sich bei der elektronischen Rechtsbehelfseinlegung im Jahr 2013 ("noch") nicht um einen "klassischen" bzw. "allgemein gebräuchlichen" Weg zu den Gerichten gehandelt habe. Die elektronische Einreichung habe trotz ihrer Zulassung noch keine solche praktische Bedeutung erlangt, dass es geboten wäre, die Beteiligten auf diese Form hinzuweisen (BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R, Rn. 17). Dem kann indes im Jahr 2018 so nicht mehr gefolgt werden (vgl. auch ausführlich Köhler, WsZ 2017, 99 S. 102 ff.; zudem Müller, NZS 2018, S. 208, 214 für die Belehrung im Widerspruchsbescheid), da gegenüber der Entscheidung des BSG im Jahr 2013 eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Denn seit dem 1. Januar 2018 ist in § 84 SGG ausdrücklich bestimmt, dass der Widerspruch "schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat", einzureichen ist. Vor dem Hintergrund das der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich die elektronische Form als zulässige Form des Rechtsbehelfs geregelt hat, kann davon, dass die elektronische Einreichung keine wesentliche praktische Bedeutung hat, keine Rede mehr sein (so auch SG Darmstadt, Beschluss vom 23. Mai 2018, S 19 AS 309/18 ER, Rn. 19)."

Dieser Bewertung schließt sich das Gericht an, sodass hier die Jahresfrist maßgeblich und der Widerspruch fristgerecht ist.

Darüber hinaus hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 17. Januar 2020 vorsorglich einen an die Antragsgegnerin gerichteten Überprüfungsantrag bezüglich des Bescheides vom 9. Dezember 2020 gestellt sowie die Übernahme der Kosten für eine Behandlung mit Zolgensma erneut beantragt.

Es liegt daher jedenfalls vor dem Hintergrund des Neuantrages kein bestandskräftig geregeltes Verhältnis zwischen den Beteiligten vor, welches das Gericht an einer Entscheidung in der Angelegenheit hindern würde.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich vorliegend nach den Grundsätzen der Folgenabwägung.

Entscheidungen dürfen im Eilverfahren grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2009, Az: L 1 B 506/08 KR ER, juris, dort Rn. 5, mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005, Az: 1 BvR 596/05).

Eine Folgenabwägung ist vorliegend erforderlich, da eine vollständige Aufklärung der Sachlage in medizinischer Hinsicht im Eilverfahren nicht möglich ist, siehe dazu unten (dd).

Zuvor ist festzustellen, dass sich ein Anspruch des Antragstellers nicht bereits aus einer eingetretenen Genehmigungsfiktion ergibt (aa) und auch ein Anspruch in der Sache nach den bisher vorliegenden medizinischen Erkenntnissen nicht bereits glaubhaft gemacht ist (bb, cc).

aa) Der Anspruch besteht nicht schon wegen des Eintritts einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V.

(1) Der Antragsteller hat zwar einen fiktionsfähigen Antrag gestellt. Der Antrag ist hinreichend bestimmt auf die Kostenübernahme für die Behandlung mit dem Medikament Zolgensma gerichtet.

(2) Auch hat die Antragsgegnerin hat den ablehnenden Bescheid vom 9. Dezember 2019 nicht innerhalb der maßgeblichen Frist erlassen:

Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V gilt:

Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden.

Vorliegend war die 5-Wochen-Frist maßgeblich. Denn die Antragsgegnerin hat eine gutachterliche Stellungnahme des MDK eingeholt und den Antragsteller darüber innerhalb der 3-Wochen-Frist informiert. Die Frist begann vorliegend am Tag nach Antragseingang, als am 5. November 2019 zu laufen. Die Antragsgegnerin hat am 14. November 2019 eine gutachterliche Stellungnahme des MDK angefordert und den (für diese Mitteilung aufgrund seiner Vertretungsanzeige vom 10. November 2019 empfangsberechtigten) Bevollmächtigten des Antragstellers hierüber spätestens am 15. November 2019 durch das geführte Telefonat im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V unterrichtet. Diese Information muss nicht schriftlich erfolgen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09. November 2018 – L 4 KR 2696/16 –, Rn. 44, juris; Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 13 Rn. 63). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg führt aaO zur Begründung zutreffend aus: "Anders als für die Mitteilung anderer Hinderungsgründe nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V sieht das Gesetz für die Information über die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme nach Satz 2 keine Schriftform vor. Solches ist auch durch den Schutzzweck der Regelung nicht geboten. Da der Ablauf der dann geltenden Fünf-Wochen-Frist gesetzlich bestimmt ist (fünf Wochen nach Antragseingang), bedarf es auch keiner taggenauen Angabe, wie lange Hinderungsgründe einer Entscheidung entgegenstehen werden. Der Leistungsberechtigte kann ohne Weiteres erkennen, wann sein Antrag als genehmigt gilt."

Es kann daher dahinstehen, ob und wann die schriftliche Mitteilung vom 14. November 2019 dem Antragstellerbevollmächtigten zugegangen ist. Der Antragsteller wurde spätestens am 15. November 2019 und damit innerhalb von drei Wochen über die Beauftragung des MDK unterrichtet. Der Antragstellbevollmächtigte ist dem Vortrag der Antragsgegnerin hinsichtlich einer telefonischen Unterrichtung über die Beauftragung des MDK nicht entgegengetreten, so dass Anlass für Zweifel des Gerichts in Bezug auf diese telefonische Unterrichtung nicht bestehen.

Die damit maßgebliche 5-Wochen-Frist begann vorliegend am Tag nach dem Antragseingang (Montag, den 4. November 2019), also am Dienstag den 5. November 2019 zu laufen (vgl. § 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB, vgl auch Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Juli 2017, Az: B 1 KR 26/16 R, juris, Rn. 28).

Die Frist endete damit am Montag, den 9. Dezember 2019 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB, vgl. BSG aaO, Rz 29)

An diesem Tag hat der empfangsbevollmächtigte Bevollmächtigte des Antragstellers den Bescheid per Fax erhalten.

Dennoch ist die Frist nicht eingehalten. Maßgeblich ist nämlich die Bekanntgabe. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Az: L 4 KR 2696/16, juris, dort Rz 48) formuliert:

"Maßgeblich für die Wahrung der Fristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V ist die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides, also dessen Zugang (§ 37 Abs. 1 SGB X; BSG, Urteile vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R – juris, Rn. 29 und 26. September 2017 – B 1 KR 8/17 R – juris, Rn. 28 m.w.N.)"

Damit sind auch die gesetzlichen Regelungen über die Zugangsfiktionen des § 37 Abs. 2 S. 1 und S. 2 SGB X anwendbar (vgl. LSG Baden-Württemberg, aaO, sowie Urteil vom 15.10.2019, Az: L 11 KR 2995/18).

Vorliegend ist der Ablehnungsbescheid (als schriftlicher Verwaltungsakt) per Fax und damit in elektronischer Form übermittelt worden. Einschlägig ist daher § 37 Abs. 2 S. 2 SGB X. Damit wird ein Zugang am dritten Tag nach der Übermittlung (für die Behörde unwiderlegbar) vermutet. Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 37 SGB X, Rn. 100, formuliert:

"Die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB X gilt dabei für alle elektronisch übermittelten Verwaltungsakte, egal, ob es sich um einen elektronischen, schriftlichen (Fax) oder in anderer Weise bekanntgegebenen Verwaltungsakt handelt. Damit gilt auch ein Fax erst am dritten Tag nach der Übersendung als bekanntgegeben."

Die Regelungen der Bekanntgabefiktion sind auch im Zusammenhang mit den Regelungen der Genehmigungsfiktion anzuwenden (vgl Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 42a Rn. 44).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist nicht bereits mit Empfang des Faxes ein Zugang nach den Grundsätzen der "inneren" Wirksamkeit anzunehmen. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, betrifft dies eine Bewertung des Sachverhaltes zu Gunsten des jeweiligen Empfängers und soll die Behörde daran hindern, sich an (begünstigende) Entscheidung nach tatsächlichem Empfang aber vor Eintritt der Zugangsfiktion nicht gebunden zu fühlen. Vorliegend geht es aber um einen ablehnenden Bescheid und es kommt die Anwendung der Regelung über die Zugangsfiktion dem Antragsteller zu Gute.

(3) Der Antrag betraf jedoch nicht eine Leistung, die die Eltern des Antragstellers (auf deren Einschätzung es aufgrund des Alters des Antragstellers hier ankommt, vgl. § 166 Abs. 1 BGB), für erforderlich halten durften.

Der Eintritt der Genehmigungsfiktion ist beschränkt auf die subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Das Bundessozialgericht hat dazu ausgeführt:

"Der Antrag des Klägers betraf auch eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck.

Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 21 mwN; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 26).

Dieser Auslegung steht weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) entgegen. Die in der Durchbrechung dieser Grundsätze liegende Ungleichbehandlung Versicherter ist als gezielte, durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln vermeidbare Sanktion in eng begrenzten Ausnahmefällen noch vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (vgl Art 3 Abs 1 GG) gerechtfertigt (vgl BSG Urteil vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R - Juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137e Nr 1 vorgesehen). § 13 Abs 3a SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von den genannten Anforderungen ab, indem er in seinem S 6 selbst in den Fällen, in denen eine KK einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat. Wären nur die auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche außerhalb von § 13 Abs 3a SGB V gerichteten Anträge fiktionsfähig, wäre die Regelung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V obsolet." (BSG, Urteil vom 06. November 2018, Az: B 1 KR 30/18 R, juris, Rn. 23 - 25).

Vorliegend lag die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges, denn ein Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V kommt in Betracht. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass es sich bereits um eine bereits zugelassene Leistung handelt (vgl. BSG aaO, Leitsatz 2).

Die Eltern des Antragstellers durften die Leistung jedoch nicht für erforderlich halten. Der Vater des Antragstellers hat die Aussagen des Arztes vor der Antragstellung bei der Antragsgegnerin wie folgt wiedergegeben:

"Im Bezug auf die Empfehlung einer Behandlung mit Zolgensma hat Dr. von M. keine klare Stellungnahme getroffen. Er empfahl uns Zolgensma zu beantragen, aber eine ausdrückliche Empfehlung für die Behandlung konnte er uns nicht geben. Dr. von M. hat wiederholt betont, dass es für eine ausdrückliche Empfehlung für Zolgensma seinerseits im Moment zu wenige Studien oder auch Langzeitstudien gäbe, welche die Versprechungen des Herstellers belegen würden. Zu den Risiken hat er uns gesagt, dass weder klar ist, wie sich Zolgensma in Verbindung mit Spinraza verhält, noch, dass Zolgensma bei unserem Sohn K. L. ein besseres Ergebnis erzielen könnte als die Spinraza-Therapie. Dennoch hat er angedeutet, dass unser Sohn für die Therapie mit Zolgensma in Frage kommen würde."

Aufgrund dieser Aussage durften die Antragsteller die Anwendung von Zolgensma nicht für erforderlich halten. Es gab keine ärztliche Empfehlung. Der Antragsteller hat auch im Übrigen nichts dazu vorgetragen, weshalb er (seine Eltern) die Leistung für erforderlich halten durfte(n).

Eine Genehmigungsfiktion ist damit nicht eingetreten.

bb) Der Anspruch besteht auch nicht bereits nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 SGB V.

Mangels einer in Deutschland gültigen arzneimittelrechtlichen Zulassung für Zolgensma kommt ein Anspruch auf die begehrte Behandlung mit diesem Arzneimittel (allein) auf Grundlage des § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 31 Abs. 1 SGB V nicht in Betracht. Denn für die Versorgung mit Arzneimitteln ohne arzneimittelrechtliche Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) besteht grundsätzlich kein Anspruch.

cc) Ein Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V ist nach den Ergebnissen der medizinischen Ermittlungen nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 2 Abs. 1a SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Die Maßstäbe des § 2 Abs. 1a SGB V gelten entsprechend, wenn (wie hier) der Einsatz eines Importarzneimittels im Streit steht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 4. April 2006, Az: B 1 KR 7/05 R, damals noch unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005, Az: 1 BvR 347/98).

Dabei ist im Zusammenhang mit der Frage, ob eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung steht, zu beachten, welche Behandlungsziele mit der jeweilige Behandlung verfolgt werden und erreicht werden können. Denn die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, kann nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. März 2018, Az: L 9 KR 275/13, juris).

Der Antragsteller leidet an Spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ I, einer (unbehandelt) regelmäßig tödlichen Erkrankung.

Es liegt eine zugelassene Behandlungsmethode vor, nämlich die bereits begonnene Behandlung mit Spinraza. Diese Behandlung verspricht keine vollständige Heilung, wohl aber eine (im konkreten Fall) wesentliche Verzögerung des Fortschreitens und des (unbehandelt) regelmäßig frühzeitig eintretenden Todes. Die Behandlung hat bei dem Antragsteller bereits zu einer Verbesserung der motorischen Fähigkeiten geführt. Er kann bisher auch Schlucken und muss nicht künstlich beatmet werden. Wie weit die motorischen Fortschritte führen werden und wann eine künstliche Beatmung erforderlich werden wird, lässt sich aktuell nicht sagen.

Bei dieser Sachlage wäre ein Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V anzunehmen, wenn hinreichende Indizien dafür sprechen würden, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (im Vergleich zu dem Zustand bei Behandlung mit Spinraza) besteht. Dies wäre beispielsweise anzunehmen, wenn durch die Behandlung mit Zolgensma eine künstliche Beatmung vermieden oder (gegenüber der Behandlung mit Spinraza) erheblich hinausgezögert werden könnte oder die Wahrscheinlichkeit des Erreichens der Sitz- oder gar Gehfähigkeit deutlich gesteigert würde (was sich nach den Aussagen von Dr. von M. auf die Lebenserwartung erheblich auswirken würde).

Für solche Effekte sind bezogen auf den Antragsteller weder durch den Hersteller noch durch den behandelnden Arzt hinreichend konkrete Aussagen gemacht worden. Der behandelnde Arzt hat (lediglich) angegeben: "Ein zusätzlicher Behandlungseffekt kann nicht ausgeschlossen werden, die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß können nicht benannt werden." Die weiter vom Arzt angegeben Vorteile hinsichtlich der Darreichungsform von Zolgensma (einmalige Gabe) reichen nach Auffassung des Gerichts für einen Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V nicht aus. Der Hersteller hat allgemein auf positive Behandlungsbeispiele aus den USA hingewiesen. Auch stellt er die Studienlage so dar, dass in der Zolgensma-Studie bessere Ergebnisse erzielt wurden. Er betont zugleich, dass eine direkte Vergleichsstudie nicht vorliege. Die Aussagen lassen keinen hinreichend konkreten Bezug zum Fall des Antragstellers erkennen.

Damit ist ein Anspruch nach § 2 Abs. 1a SGB V mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht glaubhaft gemacht.

(dd) Ein Anspruch besteht hier jedoch nach den Grundsätzen der Folgenabwägung (siehe oben). Denn in medizinischer Hinsicht ist der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt, um die Entscheidung im Eilverfahren allein auf die Erfolgsaussichten zu stützen. Die vom Hersteller benannten positiven Fallbeispiele und besseren Behandlungsergebnisse in der zu Zolgensma durchgeführten Phase I-Studie im Vergleich zu der zu Spinraza durchgeführten Phase III Studie, lassen – ebenso wie die ganz unterschiedliche Wirkweise – möglich erscheinen, dass bei sich weiteren Ermittlungen durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hinreichend Indizien dafür ergeben können, dass im hier konkret vorliegenden Fall eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (im Vergleich zu dem Zustand bei Behandlung mit Spinraza) besteht. Wegen der Eilbedürftigkeit können solch aufwändigen Ermittlungen und eine vollständige medizinische Klärung im vorliegenden Eilverfahren jedoch nicht durchgeführt werden.

Daher ist hier eine Folgenabwägung vorzunehmen. Die Eilentscheidung (jedenfalls eine Ablehnung) stellt hier eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Der Antragsteller erreicht in zwei Monaten die Altersgrenze bis zu der eine Zulassung in den USA vorliegt. Die Behandlungserfolge hängen zudem von einer frühzeitigen Behandlung ab. Der Antragsteller hat daher keine Zeit, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten, die Behandlung wäre dann nicht mehr möglich. Dem Antragsteller würde bei einer Ablehnung endgültig die Möglichkeit genommen, von den Behandlungschancen der Anwendung von Zolgensma zu profitieren, und er würde damit die Chance auf möglicherweise spürbare Verbesserungen seiner Mobilität, selbständige Atemfähigkeit und Verlängerung seiner Lebenserwartung nicht erhalten. Dem gegenüber steht "nur" das Risiko der Antragsgegnerin, Kosten die sie aufgrund einer (zusprechenden) Eilentscheidung vorläufig zu tragen hätten, bei einer Hauptsacheentscheidung zu ihren Gunsten möglicherweise gar nicht oder nur teilweise erstattet zu erhalten. Das Gericht verkennt dabei nicht die enormen Kosten, die die Behandlung mit Zolgensma auslöst (ca. 2 Millionen EUR). Dennoch wiegen die grundrechtlich geschützten Belange des Klägers, die schweren Folgen seiner Krankheit ggf spürbar besser eindämmen zu können, hier schwerer als die rein monetären Belange der Antragsgegnerin. Dabei wird die finanzielle Belastung der Antragsgegnerin zudem dadurch reduziert, dass bei einer (einmaligen) Behandlung mit Zolgensma die (ebenfalls erheblichen) laufenden Kosten der Behandlung mit Spinraza (bisher ca. 700.000 EUR) entfallen.

(ee) Der gerichtlichen Anordnung steht nicht entgegen, dass eine grundsätzlich erforderliche ärztliche Verordnung bisher nicht vorliegt. Denn die Behandlung soll (mittlerweile) in der C. erfolgen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass allein auf Grundlage der vorliegende Eilentscheidung eine Behandlung stattfinden würde, die den rechtlichen Vorgaben (zB des § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz) nicht entsprechen wird. Die gerichtliche Entscheidung (dh die vorläufige Klärung der Kostentragung) dürfte wegen der erheblichen finanziellen Auswirkungen jedoch Voraussetzung sein, um eine entsprechendes ärztliches Vorgehen erst zu ermöglichen.

Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Denn der Antragsteller vollendet am 21. März 2020 sein zweites Lebensjahr. Nach diesem Zeitpunkt liegt keinerlei Zulassung für das vorliegend im Streit stehende Medikament mehr vor, weil die Zulassung aus den USA nur für eine Anwendung innerhalb der ersten zwei Lebensjahre erteilt worden ist. Es ist daher glaubhaft gemacht, dass eine Anwendung bis zum 21. März 2020 vorgenommen werden muss, wenn die Anwendung innerhalb der (in den USA) erteilten Zulassungsmaßgaben erfolgen soll. Ein Hauptsacheverfahren kann insofern nicht abgewartet werden.

Ein Eilbedürfnis besteht auch hinsichtlich der Orthese. Auch hier erscheint ein Abwarten eines Hauptsacheverfahrens angesichts des glaubhaft gemachten Anspruchs bezüglich einer Versorgung zum Behinderungsausgleich nicht zumutbar. Es besteht hier nachvollziehbar die Gefahr einer möglicherweise nicht vollständig reversiblen Verschlimmerung der bereits beginnenden Skoliose.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und folgt hier dem Erfolg in der Sache. Anhaltspunkte für eine abweichende Verteilung der Kostenlast sind nicht ersichtlich.

Die Beschwerde ist nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Denn der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt mehr als 750 EUR.
Rechtskraft
Aus
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