S 15 AS 477/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 477/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Auszahlung einer vom Beklagten vereinnahmten Rentennachzahlung in Höhe von 8.365,31 Euro.

Der am 00.00.1971 geborene Kläger bezog im Zeitraum von 2009 bis 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 11.01.2007 wurde durch die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 22.12.2014 positiv beschieden. Für die Zeit ab 01.09.2009 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, längstens bis zum 31.12.2038, dem Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze. Die laufende Rentenzahlung sollte ab dem 01.02.2015 beginnen. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.01.2015 wurde zunächst nicht an den Kläger ausgezahlt, um zunächst etwaige Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger zu klären. Die Deutsche Rentenversicherung bat den Beklagten mit Schreiben vom 22.12.2014 binnen drei Wochen einen etwaigen Erstattungsanspruch zu beziffern.

Der Beklagte machte daraufhin mit Schreiben vom 08.01.2015 einen Erstattungsanspruch gegenüber den Rentenversicherungsträger in Höhe von 48.517,06 Euro geltend und dieser kam dem Erstattungsverlangen in Höhe der kompletten Nachzahlung nach. Dieser Betrag setzte sich aus dem Betrag für die gewährten Regel- und Unterkunftsbedarfe nach dem SGB II an den Kläger (in Höhe von 40.151,75 Euro) und den Beiträgen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung (in Höhe von 8.365,31 Euro) zusammen.

Außerdem stellte der Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2015 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an den Kläger ab dem 01.02.2015 ein, weil der Kläger nicht mehr erwerbsfähig sei.

Mit Schreiben vom 29.12.2015 erklärte der Beklagte, dass gegen den Kläger (mangels Berücksichtigung erzielten Einkommens) aus diversen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden eine Rückforderung in Höhe von 2.853,53 Euro bestehe und forderte diesen zur Zahlung auf. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 05.01.2016, eingegangen am 06.01.2016, Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund sämtliche Forderungen im Rahmen des Erstattungsverfahrens getilgt habe. Ihm sei rückwirkend zum 01.09.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden, so dass er genau genommen nie Leistungen nach dem SGB II erhalten habe. Zu der geltend gemachten Überzahlung könne es daher auch nicht gekommen sein. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2017 zurück. Die rechtmäßig unter Anrechnung des jeweiligen Erwerbseinkommens erbrachten Leistungen seien im Rahmen des Erstattungsanspruchs bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angemeldet und von dieser erstattet worden. Die darüber hinaus aufgrund von erzielten Einkommens zu Unrecht gezahlten Leistungen seien nach ihrem Bekanntwerden aufgehoben und der Kläger zur Erstattung dieser aufgefordert worden. Diese Gesamtforderung in Höhe von 2.583,53 Euro, die nicht Gegenstand des Erstattungsverfahrens mit der Deutschen Rentenversicherung Bund gewesen sei, sei von dem Kläger zu erstatten.

Dagegen hat der Kläger am 07.02.2017 form- und fristgerecht Klage erhoben, um sich zum einen gegen diese Zahlungsaufforderung in Höhe von 2.853,53 Euro zu wenden. Zum anderen begehrt er von dem Beklagten die Auszahlung eines Betrages in Höhe von 8.365,31 Euro und vertritt dabei die Ansicht, dass dieser Betrag von dem Beklagten zu Unrecht als Erstattungsbetrag gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund geltend gemacht worden sei. Bei diesem Betrag handelt es sich um den Beitrag zur Krankenversicherung für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.01.2015 in Höhe von 7.297,22 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 1.068,09 Euro. Diesen Betrag von insgesamt 8.365,31 Euro hat der Beklagte als Erstattungsanspruch gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund in dem Schreiben vom 08.01.2015 ebenfalls geltend gemacht. Der Kläger geht davon aus, dass der Beklagte hierzu nicht befugt gewesen sei. Der Beklagte habe zunächst einen Betrag in Höhe von 40.151,75 Euro geltend gemacht und erklärt, dass das Erstattungsverfahren damit abgeschlossen sei. Eine weitere Erstattung, etwa weil der Betrag in Höhe von 8.365,31 Euro vergessen worden sei, sei nachträglich nicht mehr zulässig gewesen.

Im Klageverfahren hat der Beklagte mit Schreiben vom 12.10.2017 erklärt, dass die Forderung in Höhe von 2.853,53 Euro nicht mehr geltend gemacht werde. In seinem Schriftsatz vom 30.10.2017 hat der Kläger erklärt, dass dieser Klagegenstand nunmehr geklärt sei. Damit wurde das Verfahren hinsichtlich der Erstattungsforderung in Höhe von 2.853,53 Euro durch angenommenes Teilanerkenntnis beendet.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag jetzt noch in Höhe von 8.365,31 Euro auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Erstattung auch der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe von 8.365,31 Euro sei gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Recht geltend gemacht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Über das Zahlungsverlangen des Klägers ist nicht durch Verwaltungsakt zu entscheiden, so dass der Kläger ohne Durchführung eines Vorverfahrens unmittelbar Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG auf Zahlung erheben konnte.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die Zahlung eines Betrages in Höhe von 8.365,31 Euro.

Bei diesem Betrag handelt es sich um den Beitrag zur Krankenversicherung für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.01.2015 in Höhe von 7.297,22 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 1.068,09 Euro. Diesen Betrag von insgesamt 8.365,31 Euro hat der Beklagte gem. § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als Erstattungsanspruch gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund mit Schrei-ben vom 08.01.2015 geltend gemacht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat dem Beklagten diesen Betrag erstattet.

Eine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist nicht ersichtlich. Ein öf-fentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch analog den §§ 812 ff. des Bürgerlichen Gesetz-buches (BGB) scheidet aus. Der Beklagte hat die Rentennachzahlung nach den § 104 SGB X zu Recht erhalten, so dass er im Verhältnis zum Kläger nicht ungerechtfertigt be-reichert ist (vgl. SG Augsburg, Urteil vom 20.03.2015 – S 8 AS 1092/14, Rn. 24, juris). Die §§ 102 ff. SGB X regeln Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, nicht jedoch Ansprüche des Leistungsempfängers gegen einen Sozialleistungsträger. Die Erstattung vollzieht sich allein zwischen den Leistungsträgern ohne Beteiligung des Leistungsberechtigten. Der Erstattungsanspruch entsteht kraft Gesetzes; der Anspruch des Leistungsberechtigten geht also nicht auf den erstattungsberechtigten Leistungsträ-ger über. Zahlt der Rentenversicherungsträger an den Träger der Grundsicherung, so zahlt er nicht auf die bestehende rentenversicherungsrechtliche Schuld gegenüber dem Leistungsempfänger, sondern auf eine eigenständige Erstattungsschuld gegenüber dem Träger der Grundsicherung (vgl. LSG NRW, Urteil vom 09.02.2017 – L 19 AS 1917/16, Rn. 35, juris). Auf die Frage, ob der Beklagte vom Rentenversicherungsträger einen zu hohen Betrag zwecks Befriedigung eines Erstattungsanspruchs erhalten hat, kommt es dabei nicht an (vgl. LSG NRW, Urteil vom 09.02.2017, a.a.O., Rn. 34).

Selbst wenn der Rentenversicherungsträger dem Beklagten einen zu hohen Betrag er-stattet hätte, müsste der Kläger dies gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend machen und könnte diesen Teil der Erstattungsforderung nicht vom Beklagten ausge-zahlt verlangen (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 11/08 R, Rn. 11, juris; LSG NRW, Urteil vom 09.02.2017, a.a.O., Rn. 35). Nach § 107 Abs. 1 SGB X gilt der Anspruch des Berechtigten, vorliegend des Klägers, gegen den zur Leistung verpflichteten Leis-tungsträger, vorliegend den Rentenversicherungsträger, nur insoweit als erfüllt, als ein Erstattungsanspruch besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009, a.a.O., Rn. 13). Hat der Rentenversicherungsträger dem Beklagten zu Unrecht Beträge erstattet, ist er von seiner Leistungspflicht aus dem Rentenversicherungsverhältnis gegenüber dem Kläger nicht befreit worden (BSG, ebenda). Die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X führt nicht zu ei-nem Schuldnerwechsel. Ist der Berechtigte der Meinung, die als erfüllt geltende Leistung bestehe teilweise noch, darf und muss er sich an den Erstattungspflichtigen, hier den Rentenversicherungsträger, wenden (Roller: in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 107 Rn. 10).

Bereits aus diesem Grund musste das Gericht dem Vortrag des Klägers, wonach ein zu-sätzliches, dem Beklagten und dem Gericht nicht bekanntes Schreiben existiert, nicht weiter nachgehen. Der Vortrag des Klägers blieb insofern unsubstantiiert und auch eine Vernehmung eines Gesprächspartners des Klägers über dieses Schreiben kam nicht in Betracht. Das Schreiben vom 08.01.2015 (Bl. 1842), mit dem der Beklagte den Erstat-tungsbetrag in voller Höhe geltend gemacht hat, ist an den Kläger zur Kenntnis über-sandt worden (vgl. Bl. 1841). Es überzeugt vorliegend nicht, dass die Akte des Beklagten diesbezüglich vollständig ist, aber ein in zeitlich unmittelbarer Nähe ergangenes früheres Schreiben nicht zu finden ist. Da der Kläger vorträgt, ihm sei ein solches Schreiben von dem Beklagten zur Kenntnis übermittelt worden, müssten gleich zwei Schreiben, nämlich das Schreiben über die Erstattungsforderung und das zugehörige Begleitschreiben, ver-loren gegangen sein. Von diesem Vortrag konnte sich die Kammer aber auch aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs nicht überzeugen. Denn das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 22.12.2014 ist beim beklagten Jobcenter am Frei-tag, den 02.01.2015 eingegangen. Ausweislich der Verfügung vom 08.01.2015 erfolgte die Bearbeitung in der Sache und der Beklagte fertigte am 08.01.2015 das Erstattungs-schreiben an die Deutsche Rentenversicherung und das hierüber informierende Schrei-ben an den Kläger. Auch inhaltlich lässt sich diesem Schreiben an keiner Stelle ent-nehmen, dass es ein früheres Schreiben in der Angelegenheit bereits gegeben hat und dass die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erst jetzt geltend gemacht wer-den. In diesem Schreiben wäre mindestens ein Bezug zu einem früher geltend gemach-ten Erstattungsverlangen in der Sache zu erwarten gewesen. Dies jedenfalls vor dem Hintergrund, dass der Beklagte die Deutsche Rentenversicherung Bund mit dem Schrei-ben vom 08.01.2015 zur Erstattung des gesamten Betrages unter Angabe einer Bank-nummer in Höhe von 48.517,06 Euro aufgefordert hat. Zur Vermeidung etwaiger Doppel-zahlungen (und des damit im Rahmen einer Rückabwicklung verbundenen Verwal-tungsaufwands) wäre allerdings ein Hinweis, dass nur noch ein Betrag in Höhe von 8.365,31 Euro überwiesen werden muss, sachdienlich und auch zu erwarten gewesen. Dem Vortrag des Klägers von der Existenz eines solchen Schreibens konnte die Kammer folglich nicht folgen. Aber selbst wenn ein solches Schreiben existieren würde, könnten nicht die Schlüsse gezogen werden, die der Kläger ziehen und auf die er seine Klage stützen möchte. So ist für die Kammer nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Be-klagte nicht berechtigt gewesen sein sollte, sein Erstattungsbegehren (nach dem Schrei-ben vom 22.12.2014 binnen drei Wochen) in zwei gesonderten Schreiben geltend zu machen (etwa weil zunächst nur die Kosten für die gewährten Regel- und Unterkunfts-bedarfe berechnet werden und zeitlich später die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversi-cherung berechnet werden). Wie der Kläger in einem Erstattungsverfahren zwischen zwei Sozialleistungsträgern, an dem er nicht selbst beteiligt ist, Vertrauensschutz für sich ableiten will, erschließt sich der Kammer nicht. Noch weniger erschließt sich dann der weitere vom Kläger gezogene Schluss, dass der Beklagte – der unstreitig im Zeitraum vom 01.09.2009 bis 31.01.2015 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers entrichtet hat – diesen Betrag dem Kläger auszahlen, mithin ihm wirtschaftlich erneut zufließen lassen sollte. Abschließend ist daher darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst bei der von ihm angenommenen Sachverhaltskonstellation seinen An-spruch auf Auszahlung dieses vermeintlich zu Unrecht erstatteten Betrages nicht ge-genüber dem Beklagten durchsetzen kann (vgl. obige Ausführungen).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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