L 3 AL 5/18

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 3 AL 90/14 (SG Schleswig)
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 5/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 2. Oktober 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014.

Der 1961 geborene Kläger war seit dem 12. März 2013 bei der Firma Dipl.Ing S M GmbH (im Folgenden: S M ) in I als Bauleiter beschäftigt.

Die Firma S M wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 28. Juli 2009 gegründet und am 8. September 2009 im Handelsregister des Amtsgerichts P unter der Handelsregisternummer HRB eingetragen. In der Zeit vom 28. Juli 2009 bis 21. November 2013 war K E Geschäftsführer und seit dem 19. April 2013 auch Alleingesellschafter der Firma S M. Am 21. November 2013 übertrug der ehemalige Geschäftsführer E seine Anteile an "A B ", der am gleichen Tage als Geschäftsführer eingetragen wurde und den Sitz der Gesellschaft von I nach B verlegte (Amtsgericht C , HRB ; Eintragung vom 26. April 2014).

Am 30. Dezember 2013 wurde dem Kläger zum 31. Dezember 2013 schriftlich gekündigt. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage sowie Zahlungsklage für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014. Mit Versäumnisurteil vom 24. April 2014 stellte das Arbeitsgericht E (Az. Ca /14) fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor Ablauf des 31. Januar 2014 beendet sei. Zudem wurde die Firma S M zu Lohnzahlungen für Dezember 2013 und Januar 2014 verurteilt. Das Versäumnisurteil wurde dem Kläger am 21. Mai 2014 zugestellt. Unter dem 3. Juni 2014 teilte das Arbeitsgericht E mit, dass das Versäumnisurteil weder unter der Anschrift B Straße in B , noch unter der Anschrift F -E -Straße in P , noch unter der Privatanschrift des Geschäftsführers der beklagten Firma S M , "A B ", habe zugestellt werden können.

Am 26. Mai 2014 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld unter Hinweis auf das arbeitsgerichtliche Verfahren. Ergänzend gab er an, dass die GmbH während des Arbeitsgerichtsverfahrens offensichtlich ihren Sitz nach B verlegt habe, die dortige Adresse sich aber als Briefkastenadresse herausgestellt habe. Neben dem Kläger hätten auch andere Kollegen ausstehende Lohnansprüche eingeklagt. Es sei aktuell davon auszugehen, dass es einen aktiven Geschäftsbetrieb der Firma S M (auch in B ) nicht mehr gebe, die Geschäftstätigkeit sei mithin vollständig eingestellt worden. Damit liege ein Insolvenzereignis vor.

Im Formularantrag machte der Kläger keine Angaben zum Insolvenzereignis. Auch ein Datum zur vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit benannte er nicht; er habe in Unkenntnis des Insolvenzereignisses weitergearbeitet.

Mit einer Zwischeninformation vom 1. Juli 2014 teilte die Beklagte mit, dass sie Ermittlungen zum möglichen Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aufgenommen habe. Nach Auskunft des Insolvenzgerichts sei kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit sei nicht nachgewiesen, da eine Sitzverlegung nach B mit Eintragung beim Handelsregister des Amtsgerichts C erfolgt sei. Hinweise auf eine Betriebseinstellung seien nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für ein Liquidationsverfahren, Pfändungsprotokoll o.ä. könnten nicht festgestellt werden, so dass auch der Tatbestand der offensichtlichen Masselosigkeit nicht gegeben sei.

Der Kläger entgegnete, es liege eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit vor, an die vermeintliche Adresse in B könne nicht zugestellt werden; ein anderer Betriebssitz sei nicht existent.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab. Da ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden sei, komme allein ein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in Betracht. Vorliegend lasse sich der letzte Tag einer vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit, d.h. der Tag, an dem die letzte dem Betriebszweck dienende Tätigkeit tatsächlich stattgefunden habe, nicht feststellen. Hier sei eine formelle Sitzverlegung der Gesellschaft nach B erfolgt, ohne dass dort die betriebliche Tätigkeit aufgenommen worden sei. Anhaltspunkte auf eine offensichtliche Masselosigkeit lägen nicht vor. Masselosigkeit liege vor, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken (§ 26 Abs. 1 Insolvenzordnung [InsO]). Da kein Insolvenz- oder Liquidationsverfahren eingeleitet worden sei und auch kein Pfändungsprotokoll oder ähnliches vorliege, könne auch die offensichtliche Masselosigkeit der Gesellschaft nicht festgestellt werden.

Hiergegen legte der Kläger am 18. August 2014 Widerspruch ein. Der Arbeitgeber habe Ende Dezember 2013 sämtliche Arbeitnehmer gekündigt. Scheinbar sei eine vollständige Verwertung des Betriebsvermögens erfolgt, denn in der Folgezeit habe keine betriebliche Tätigkeit mehr stattgefunden. Offenbar sei gezielt im Interesse der Vermeidung eines formellen Insolvenzverfahrens zunächst eine Sitzverlegung nach B an eine reine Briefkastenadresse vollzogen worden, denn eine betriebliche Tätigkeit sei in B zu keinem Zeitpunkt ausgeübt worden. Die Briefkastenadresse sei formell – ohne Mitteilung an das Handelsregister – aufgegeben worden. Es gäbe keine Anhaltspunkte für verwertbares Vermögen der Gesellschaft. Zwangsvollstreckungen verliefen im Sande, da durch die Gesellschaft nicht einmal mehr ein Briefkasten vorgehalten werde. Auch lägen Pfändungsprotokolle nur deswegen nicht vor, da die Pfändungsbeamten unter dem alten Betriebssitz und dem B Betriebssitz niemanden anträfen. Es könne nur das Verschwinden der Schuldnerin festgestellt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus: auf Nachfrage hätten das Amtsgericht I und das Amtsgericht C mitgeteilt, dass ein Insolvenzantrag nicht gestellt worden sei. Das Ordnungsamt I habe bezogen auf die Frage der Einstellung der Betriebstätigkeit mitgeteilt, dass der Gewerbebetrieb nach B verlegt worden sei, eine Abmeldung in I aber nicht erfolgt sei. Bei der Feststellung eines Insolvenzereignisses einer GmbH seien zudem die Besonderheiten zu beachten. Solle der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft außerhalb einer Insolvenz nicht fortgeführt werden, sei die Gesellschaft durch Beschluss der Gesellschafter aufzulösen. Im Anschluss daran habe die Liquidation des Gesellschaftsvermögens nach Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister zu erfolgen; dies sei vom Geschäftsführer oder von zu bestimmenden Liquidatoren durchzuführen. Diesbezügliche Erkenntnisse ließen sich nicht gewinnen. Die Schließung einer Betriebsstätte – nach Entlassung der Arbeitnehmer, der Verwertung des Betriebsvermögens und Betriebsverlegung an eine Briefkastenadresse - lasse nicht den Schluss zu, dass die Kapitalgesellschaft ihre betriebliche Tätigkeit eingestellt habe. Schließlich sei am 26. März 2014 eine Neueintragung (HRB ) und am 9. April 2014 eine Änderung des Geschäftsführers im Handelsregister in B vorgenommen worden. Ob bzw. an welchem Tag die GmbH ihre betriebliche Tätigkeit eingestellt habe und ob zu diesem vermeintlichen Zeitpunkt Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe, lasse sich nicht ermitteln. Die vom Kläger angenommene vollständige Verwertung des Betriebsvermögens stehe einer offensichtlichen Masselosigkeit jedenfalls eindeutig entgegen. Es lasse sich der Schluss ziehen, dass nicht Zahlungsunfähigkeit, sondern Zahlungsunwilligkeit vorliege.

Am 2. Oktober 2014 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Schleswig erhoben und sein Vorbringen wiederholt und vertieft. Wann genau die S M ihre Betriebstätigkeit vollständig eingestellt habe, könne nicht festgestellt werden. Die Beendigung der letzten Arbeitsverhältnisse im Januar 2014 müsse aber im Rahmen der gebotenen Gesamtschau aller Einzelumstände der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit gleichgestellt werden. Ohne Arbeitnehmer und ohne Betriebssitz sei die betriebliche Tätigkeit eines Bauunternehmens nicht denkbar. Die formelle Sitzverlegung bereits im November 2013 nach B und die bloße Aufrechterhaltung einer Briefkastenadresse ohne Aufnahme jeglicher betrieblichen Tätigkeit, dürfe trotz fortbestehender Registereintragung der Annahme der Einstellung der Betriebstätigkeit nicht entgegenstehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. März 2001, - L 12 AL 117/00 -). Der Umstand, dass die Arbeitnehmer ihre titulierten Lohnansprüche gegen die S M nicht realisieren könnten, sei als bedeutendes Indiz dafür zu werten, dass hinreichende Masse für ein Insolvenzverfahren nicht mehr gegeben gewesen sei (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. September 1994 – 10 RAr 7/93 -).

Ein Grund für die Nichtzahlung des Dezemberlohnes sei dem Kläger nicht mitgeteilt worden. Bis 20. Dezember 2013 sei in der Firma S M GmbH gearbeitet worden. Die Mitarbeiter seien aufgefordert worden, die Firmenwagen und Diensthandys über die Feiertrage in der Firma zu belassen. Die Tätigkeit habe am 6. Januar 2014 – nach dem Jahreswechsel – turnusgemäß wiederaufgenommen werden sollen. Während der üblichen Betriebspause über den Jahreswechsel seien dann dem Kläger und den ehemaligen Kollegen völlig überraschend die Kündigungsschreiben zugegangen, in denen wahllos personen- und verhaltensbedingte, hilfsweise betriebsbedingte Kündigungsgründe aufgeführt worden seien. Anfang Januar 2014 habe er die Betriebsstätte gemeinsam mit einigen Kollegen (C W , S SA , SB K ) aufgesucht, jedoch nur deren komplette Räumung feststellen können.

Nachdem zwischenzeitlich über das Vermögen der S M GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, liege auch ein zu berücksichtigendes Insolvenzverfahren nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III vor.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Kalendermonate Dezember 2013 und Januar 2014 Insolvenzgeld zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide gestützt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2017 hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass über das Vermögen der S M GmbH mit Beschluss vom 11. Dezember 2015 (Amtsgericht C , Az. IN /15) das Insolvenzverfahren eröffnet worden und es im Jahr 2017 zu einer Schlussverteilung gekommen ist. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe sich bei Antragstellung am 26. Mai 2014 zunächst darauf gestützt, dass ein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB III vorliege. Zu diesem Zeitpunkt sei weder ein Insolvenzverfahren eröffnet noch ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden (Insolvenzereignisse nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB III). Das Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erfordere die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht komme. Bei Annahme einer vollständigen Betriebseinstellung zum Jahreswechsel 2013/2014 wäre der Antrag am 26. Mai 2014 nach § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III verspätet. Zwar könne mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass mit dem Jahreswechsel 2013/2014 die ursprüngliche Betriebsstätte geräumt und nach der Sitzverlegung im März 2014 dort kein Geschäftsbetrieb aufgenommen worden sei, mithin eine vollständige Betriebsbeendigung im Inland vorgelegen habe. Entscheidungserheblich sei, dass ein Insolvenzverfahren nicht nur nicht beantragt worden sei, sondern auch wegen Masselosigkeit offensichtlich nicht in Betracht gekommen sei. Insbesondere liege eine offensichtliche Masselosigkeit nicht vor. Masselosigkeit sei nach § 26 InsO anzunehmen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. "Offensichtlichkeit" erfordere keine Gewissheit, es reiche aus, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprächen. Ein solcher Anschein liege aber nicht vor, denn es sprächen erhebliche Umstände dafür, dass vorhandene Masse beiseitegeschafft worden sei und Zahlungsunwilligkeit vorgelegen habe. Dafür, dass der Kläger um berechtigte Lohnansprüche geprellt worden sei, sei nicht die Beklagte einstandspflichtig. Denn gegen eine Masselosigkeit spreche der Umstand, dass Ende des Jahres 2015 das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet worden sei, der Insolvenzverwalter also gerade keine Masselosigkeit angenommen habe. Der Kläger könne sich auch nicht auf das Insolvenzereignis vom 12. November 2015 berufen. Mit dem Insolvenzeröffnungsbeschluss vom 12. November 2015 liege ein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III vor. Diesbezüglich mangele es aber an einer Insolvenzgeldantragstellung. Der Antrag vom 26. Mai 2014 könne hierfür nicht herangezogen werden. Zum einen sei dieser Antrag beschieden worden, auch wenn die Entscheidung noch nicht bestandskräftig geworden sei. Selbst wenn man jedoch wegen des fehlenden Insolvenzereignisses bei Antragstellung lediglich von einem fehlenden Tatbestandsmerkmal ausginge und im Rahmen der geführten Anfechtungs- und Leistungsklage darauf abstellte, dass die Tatbestandsmerkmale (erst) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlungen vorliegen müssten, so stelle dies nur einen Grundsatz dar. Das Beachten von Entwicklungen während der Anhängigkeit der Klage finde nämlich dann seine Grenze, wenn materielle Regelungen einen anderen Zeitpunkt bestimmten. So liege es hier. Gemäß § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III sei der Antrag auf Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu stellen. Eine Antragstellung vor einem Insolvenzereignis scheide mithin bereits nach dem Wortlaut aus.

Gegen das dem Kläger am 5. Januar 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Februar 2018 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers.

Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht habe unstreitig ein Insolvenzereignis und ein noch nicht bestandskräftig beschiedener Antrag auf Insolvenzgeld vorgelegen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei es zulässig, den Antrag auf Insolvenzgeld bereits vor dem Vorliegen eines Insolvenzereignisses zu stellen; § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB II sehe lediglich eine Ausschlussfrist für verspätete Anträge auf Insolvenzgeld vor. Es sei bereits zum Jahreswechsel 2013/2014 eine vollständige Aufgabe der Betriebstätigkeit erfolgt, denn die S M habe das Betriebsgelände in einer "Nacht- und Nebelaktion" geräumt und für die Arbeitnehmer habe sich die Situation so dargestellt, als habe die S M sich buchstäblich aus dem Staub gemacht. Da die Löhne für Dezember 2013 und Januar 2014 nicht gezahlt worden seien und die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt worden sei, sei Insolvenzgeld beantragt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 21. Dezember 2017 sowie den Bescheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Kalendermonate Dezember 2013 und Januar 2014 Insolvenzgeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte stützt die Entscheidung des Sozialgerichts. Die Auffassung des Klägers, ein Insolvenzantrag könne bereits vor dem Eintritt eines Insolvenzereignisses gestellt werden, werde zwar in der Literatur (vgl. Winkler in LPK-SGB III, § 324 Rn. 15; Schaumberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, § 324 Rn. 37) als grundsätzlich möglich erachtet. Allerdings genüge dafür nicht bereits eine hinreichende Möglichkeit eines Insolvenzereignisses irgendwann in der Zukunft, sondern es müssten vielmehr die zur Stellung dieses Antrags erforderlichen Angaben bereits bekannt sein (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 20. April 2016, L 2 AL 18/15). Es sei vorliegend bereits nicht erkennbar, aufgrund welcher konkreten Umstände der Kläger meine, den Eintritt des Insolvenzereignisses und den Zeitpunkt herleiten können, wenn er für Januar 2014 zwar eine leere Betriebsstätte angegeben, in Unkenntnis des Insolvenzereignisses aber doch weitergearbeitet habe. Ein Antrag des Klägers auf Insolvenzgeld vom 26. Mai 2014 stehe in keinem Zusammenhang mehr zu einem Insolvenzereignis, das erst über eineinhalb Jahre später am 11. Dezember 2015 eingetreten sei. Ein Verzicht auf einen inneren - jedenfalls zeitlichen – Zusammenhang eines Insolvenzantrags zu einem konkreten Insolvenzereignis gehe an der Sach- und Rechtslage vorbei. Es wäre keinesfalls mehr vertretbar und mit dem Gesetzeszweck zweifelsfrei nicht vereinbar, Antragstellungen ohne inneren Zusammenhang zum Insolvenzereignis zuzulassen.

Der Senat hat versucht, den Aufenthaltsort des früheren Geschäftsführers der S M , "A B ", zu ermitteln und in diesem Zusammenhang von dem (ehemaligen) Insolvenzverwalter der S M in Erfahrung gebracht, dass gegen verantwortliche Personen der Insolvenzschuldnerin strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung eingeleitet wurden und es sich nach den Feststellungen der Ermittlungsbehörden (Landeskriminalamt Schleswig-Holstein, Interpol Wien, Bundeskriminalamt sowie Magistrat der Stadt Wien) bei der Person des Geschäftsführers "A B " um eine Falschpersonalie handele. Das Bezirksamt S von B teilte mit, dass "A B " sich am 1. Januar 2012 in eine Parterrewohnung in A P , B S an- und am gleichen Tag wieder abgemeldet habe. Auf Nachfrage übersandte das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein den den Geschäftsführer "A K " betreffenden Auszug aus dem polizeilichen Schlussprotokoll (StA Lübeck, Az. JS /14, S. 20 ff). Nach den polizeilichen Ermittlungen bestehe der Verdacht, dass es sich bei "A B " um einen deutschlandweit auftretenden, gewerblich handelnden sog. "Firmenbestatter" handele, in dem dieser sich die Geschäftsanteile der vormaligen Gesellschafter im Wege eines Geschäftsanteilsübereignungsvertrages durch Abtretung oder Kauf übertragen lasse. Im Anschluss daran lasse er sich durch Beschluss der Gesellschafterversammlung zum Geschäftsführer einsetzen, um in der Regel sodann eine Verlegung des Geschäftssitzes der betreffenden Gesellschaft in ein anderes Bundesland zu veranlasse. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen habe sich herausgestellt, dass es sich bei dem von "A B " bei der Anmietung eines Postfaches für die ehemalige S M benutzte, in Wien ausgestellte Personalausweis um eine Fälschung handele und es Hinweise gebe, dass es sich bei "A B " um T H handele. Auf weitere Anforderung übersandte die Staatsanwaltschaft Lübeck (Az. JS /14) die Anklageschrift vom 17. Januar 2018 gegen den früheren Geschäftsführer der S M , K E. Nach den polizeilichen Ermittlungen war die Firma S M spätestens seit dem 30. Juni 2011 zahlungsunfähig und der frühere Geschäftsführer wäre gem. § 15 a InsO verpflichtet gewesen, spätestens am 21. Juli 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH zu beantragen. Zwischen dem 2. Oktober 2013 und dem 4. Januar 2014 überwies der frühere Geschäftsführer E vom Konto der Firma S M auf ein Konto der von ihm gegründeten Firma "B - und BA N UG" 28.282,70 EUR, die so dem Zugriff der Gläubiger der Firma S M entzogen wurden. Spätestens im August 2013 habe der ehemalige Geschäftsführer E den Entschluss gefasst, seine Geschäftsanteile zu verkaufen, sich als Geschäftsführer abberufen zu lassen und die Firma zu bestatten; diesen Beschluss habe er durch Übertragung der Geschäftsanteile an "A B " alias T H am 21. November 2013 vollzogen; letzterer habe als Strohmann den Firmensitz nach B verlegt, ohne willens und in der Lage zu sein, die Firma fortzuführen. Die Verfügungsgewalt über die Konten der Firma S M behielt der frühere Geschäftsführer E auch über seine Abberufung hinaus; die Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten der Firma S M , u.a. die des Klägers, zahlte er ab Oktober bzw. November 2013 nicht mehr.

Aus Sicht der Beklagten seien die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht geeignet, einen Anspruch auf Insolvenzgeld zu begründen. Losgelöst von der Frage der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit habe es in jedem Falle im Januar 2014 an der Voraussetzung des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III gefehlt, wonach ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei. Denn das Amtsgericht B -C habe mit Beschluss vom 11. Dezember 2015 – IN /15 – ein Insolvenzverfahren eröffnet und damit dokumentiert, dass hierfür ausreichend Masse vorhanden gewesen sei. Die Verantwortlichen der Gemeinschuldnerin hätten ausweislich der Anklageschrift vom 17. Januar 2018 zudem durch anfechtbare Rechtsgeschäfte noch im Januar 2014 Vermögenswerte beiseitegeschafft. Seit dem 11. Dezember 2015 liege zweifelsfrei ein Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III vor. Es komme daher auf die Frage an, ob der Kläger sich auf dieses Insolvenzereignis berufen könne. Das Sozialgericht habe dies verneint und hierzu ausgeführt, dass eine Antragstellung vor dem Eintritt des Insolvenzereignisses bereits nach dem Wortlaut des § 324 Abs. 3 S. 1 SGB III ausgeschlossen sei. Die Beklagte halte diesen Ansatz zumindest dann für vertretbar, wenn vor dem späteren Eintritt des Insolvenzereignisses bereits eine abschlägige Verwaltungsentscheidung vorliege und eine erneute Antragstellung nicht erfolgt sei.

Dem tritt der Kläger entgegen. Aus seiner Sicht lägen sogar zwei Insolvenzereignisse vor: Die vollständige Einstellung der betrieblichen Tätigkeit im Jahr 2014 und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Dezember 2015. Angesichts des noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrags auf Insolvenzgeld habe der Kläger die Möglichkeit, sich im vorliegenden Verfahren auch auf das zweite Insolvenzereignis zu stützen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Januar 2014 keinen Anspruch auf Insolvenzgeld.

Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. War das Arbeitsverhältnis - wie vorliegend - vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, wobei dieser mitzählt; dabei ist ohne Bedeutung, wie lange das Ende des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis liegt (Kühl in: Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 165 Rn. 34).

Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Über das Vermögen der S M ist zeitnah zum Insolvenzantrag vom 26. Mai 2014 weder ein Insolvenzverfahren eröffnet (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III), noch ist ein entsprechender Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. SGB III).

Bei der vorliegend als Insolvenzereignis Ende Dezember 2013 allein in Betracht kommenden vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit handelt es sich um einen Auffangtatbestand für diejenigen Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteile vom 23. November 1981 -10/8b RAr 6/80 -, Rn. 19, und vom 4. März 1999 - B 11/10 AL 3/98 R -, Rn. 14, juris; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand 06/18, § 165 Rn. 72).

Im Rahmen des Auffangtatbestandes ist die Insolvenz nicht fachkundig durch das Konkursgericht zu prüfen, sondern im Verfahren über das Insolvenzgeld durch das jeweilige Arbeitsamt festzustellen. Die Prüfung, die von dem in Insolvenzangelegenheiten nicht fachkundigen Arbeitsamt verlangt wird, muss nicht dazu führen, dass über die Frage der Insolvenz letzte Klarheit geschaffen wird. Es reicht vielmehr aus, dass andere Tatsachen festgestellt werden, die regelmäßig den Schluss zulassen, dass der Arbeitgeber insolvent geworden ist. Das Gesetz verlangt folgende Tatsachen: Die Betriebstätigkeit muss vollständig eingestellt worden sein; ein Antrag auf Insolvenzeröffnung darf nicht gestellt worden sein; die Lohnzahlung muss mit dem Hinweis auf die Insolvenz unterblieben sein. Soweit § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III vom Arbeitsamt verlangt, festzustellen, "dass ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt", obliegt es ihm nicht, Tatsachen festzustellen. Vielmehr hat es Tatsachen zu werten, zu beurteilen und zu würdigen. Kommt das Arbeitsamt aufgrund seiner sachgerechten und sorgfältigen Tatsachenwertung zu dem Schluss, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt, ist die Insolvenz hinreichend konkretisiert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob außer den Tatsachen der Aufgabe des Betriebs, des fehlenden Insolvenzeröffnungsantrags und der behaupteten Insolvenz noch weitere Tatsachen festzustellen sind, die den genannten Schluss zulassen, dass ein Insolvenzverfahren "offensichtlich" mangels Masse nicht in Betracht kommt. Weitere Tatsachen, etwa erfolglose Pfändungsversuche, wären dann zu verlangen, wenn das Wort "offensichtlich" "zweifelsfrei" bedeuten würde. "Offensichtlich" heißt aber nicht in jedem Fall "zweifelsfrei". Das Wort "offensichtlich" hat in dem Zusammenhang, in dem es im Insolvenzrecht steht, den Sinn, darauf hinzuweisen, dass der sich aus den äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters ausreicht. Mit diesem Verständnis des Wortes "offensichtlich" ist § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III ein Auffangtatbestand für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat. "Offensichtlich" bedeutet in diesem Verständnis nicht nur eine Erleichterung für die Verwaltung der Beklagten (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks 9/74 S. 12), sondern auch eine Erleichterung für die Arbeitnehmer. Denn die Beklagte darf einen Antrag auf Insolvenzgeld nunmehr nicht schon deshalb ablehnen, weil keine Tatsachen vorliegen, die den zwingenden Schluss auf die Masseunzulänglichkeit nahelegen. Sie muss vielmehr Insolvenzgeld schon gewähren, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprechen (so bereits zu § 141 b AFG: BSG, Urteil vom 23. November 1981, - 10/8 b RAr 6/80 -, Rn. 19 ff, juris). Mit diesem Regelverständnis hat das BSG die entgegenstehende Rechtsprechung des früher für das Konkursausfallgeld-Recht zuständigen 12. Senats des BSG (Urteil vom 17. Juli 1979, - 12 RAr 15/78 -, Rn. 20 ff) ausdrücklich aufgegeben, die einen Herstellungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit angenommen und diese verpflichtet hat, bei Zweifeln an der Insolvenz des Arbeitgebers im Hinblick auf den Anspruchsübergang (seinerzeit: § 141 m Abs. 1 AFG; nunmehr § 169 SGB III) anstelle der Arbeitnehmer einen Insolvenzantrag zu stellen, um die Voraussetzungen für die Gewährung von Konkursausfallgeld zu schaffen.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht festgestellt werden, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse Ende Dezember 2013 offensichtlich nicht in Betracht gekommen wäre. Die Masselosigkeit muss dabei vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit eintreten; spätere Masselosigkeit ist nicht ausreichend (vgl. Kühl in: Brand, SGB III, 7. Aufl., § 165 Rn. 29 mwN). Masselosigkeit kann bereits angenommen werden, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 1999 - B 11/10 AL 3/98 R -, Rn. 14, juris; Peters-Lange in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand 06/2017, § 165 SGB III Rn. 47; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand 2/2016, § 165 Rn. 81; und Rn 65). Dies kann der Fall sein, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 1981 - 10/8 b RAr 6/80 -, juris). Weitere Indizien können in zahlreichen arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteilen auf Lohnzahlung, erfolglos gebliebenen Zwangsvollstreckungen, eidesstattlichen Versicherungen oder einer Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen über sechs Monate gesehen werden (vgl. dazu insgesamt Kühl aaO mwN). Dass ein Arbeitgeber Schulden in großer Höhe gemacht und sich abgesetzt hat, ohne sie zu begleichen, ist dagegen allein kein Grund für die Annahme einer offensichtlichen Masselosigkeit, da zwischen Zahlungsunwilligkeit und Zahlungsunfähigkeit zu unterscheiden ist (vgl. bereits BSG, Urteil vom 22. September 1993 - 10 RAr 9/91 -, Rn. 27, juris, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. Februar 1988 – L 1 Ar 43/87 -, ZIP 1988, 1140). Aus der Zahlungsunwilligkeit kann auch nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden (vgl. Estelmann in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 165 Rn. 72). Vielmehr muss die offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorgelegen haben, also vorher oder zumindest gleichzeitig eingetreten sein (BSG, Urteil vom 4. März 1999 - B 11/10 AL 3/98 R -, Rn. 16, a.a.O.; Voelzke, a.a.O. Rn. 72, 80 a, 82, 83; Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - L 10 AL 25/09, juris). Kann trotz der Erleichterungen durch den Begriff "offensichtlich" eine Feststellung der Masselosigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erfolgen und lässt sich nicht aufklären, ob Zahlungsunfähigkeit oder lediglich Zahlungsunwilligkeit vorliegt, so geht dies zulasten des Arbeitnehmers (BSG, Urteil vom 20. September 1993 - 10 RAr 9/91 -, Rn. 24; Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – L 10 AL 36/17 –, Rn. 17; LSG Hamburg, Urteil vom 30. Januar 2019 – L 2 AL 39/18 –, Rn. 21, juris).

So liegt der Fall hier. Entgegen der Auffassung des Klägers reicht es für die Annahme eines Insolvenzereignisses Ende Dezember 2013 nicht aus, dass die Firma S M die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt hat. Zwar lag die weitere Negativvoraussetzung – Fehlen eines Insolvenzantrages – zeitnah nicht vor, denn das Insolvenzverfahren ist erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt mit Beschluss des Amtsgerichts C , Az. IN /15 am 11. Dezember 2015 eröffnet worden. Jedoch lag die weitere kumulativ erforderliche Voraussetzung der offensichtlichen Masselosigkeit bei Einstellung der Betriebstätigkeit im Dezember 2013/Januar 2014 nicht vor. Dies beruht auf folgenden Feststellungen:

Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers sowie der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den früheren Geschäftsführer und seit dem 19. April 2013 Alleingesellschafter der Firma S M , J E , spricht angesichts der von diesem durchgeführten "Firmenbestattung" alles für eine Einstellung des Geschäftsbetriebes Ende Dezember 2013. Zwar erfolgte eine Verlegung des Geschäftssitzes vom Betriebsstandort I nach B im unmittelbaren Zusammenhang mit der Übertragung der Geschäftsanteile durch den vormaligen Geschäftsführer J E an den unter falscher Identität handelnden T H , alias A B , am 21. November 2013; bei der B Geschäftsadresse handelte es sich um eine Briefkastenadresse, eine Weiterführung des Betriebes erfolgte nicht. Unter Berücksichtigung der im strafgerichtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse wäre hingegen die Eröffnung eines eigentlich angezeigten Insolvenzverfahrens nicht wegen offensichtlicher Masseunzulänglichkeit abgelehnt worden. Zwar standen am 30. Juni 2013 Verbindlichkeiten von 1.132.118,51 EUR Forderungen in Höhe von 304.431,70 EUR entsprechend einer Deckungslücke von 73 % gegenüber. Auch wurden für die Arbeitnehmer der Firma S M ab Oktober 2013 keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge mehr abgeführt und zumindest seit Dezember 2013 keine Löhne mehr zur Auszahlung gebracht. Die Nichtzahlung der Gehälter für den Monat Dezember 2013 beruhte hingegen nicht auf einer Zahlungsunfähigkeit, denn der frühere Geschäftsführers J E verfügte in der Zeit vom 2. Oktober 2013 bis 14. Januar 2014 noch über Beträge in Höhe von insgesamt 28.282,70 EUR vom Firmenkonto der Firma S M auf ein Konto der von ihm gegründeten Firma B - und BA N UG; auch überwies dieser noch am 11. April 2014 vom Firmenkonto der Firma S M einen Betrag in Höhe von 6.200,00 EUR auf ein Konto des P MA T. Verfügungsberechtigt für beide vorgenannten Konten war J E. Vor dem Hintergrund dieses strafrechtlich relevanten Verhaltens des früheren Geschäftsführers der Firma S M lässt sich der Eintritt des Insolvenzereignisses der Betriebseinstellung bei völliger Masselosigkeit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III gerade nicht feststellen, denn offensichtlich lag keine Zahlungsunfähigkeit, sondern eine Zahlungsunwilligkeit der für die Firma handelnden verantwortlichen Personen vor. Aus der Zahlungsunwilligkeit kann hingegen nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – L 10 AL 25/09 –, Rn. 22, juris). Sinn und Zweck des Insolvenzgeldes ist vielmehr, für Arbeitnehmer die Folgen der Zahlungsunfähigkeit beim Unternehmer zu mildern. Das in § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III normierte Insolvenzereignis soll die Beanspruchung des Konkursgerichts für den Fall offensichtlicher vollständiger Überschuldung des Unternehmers überflüssig machen. Kostenträchtige Konkurseröffnungsanträge sollen für den Arbeitnehmer jedenfalls nur dann entbehrlich sein, wenn die konkursrechtlich relevante Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers offensichtlich ist (zu § 141 b Abs. 3 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz [AFG] bereits: BSG, Urteil vom 22. September 1993 – 10 RAr 9/91 –, Rn. 22, juris).

Lässt sich eine offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung - Ende Dezember 2013/Anfang Januar 2014 - nicht feststellen, fehlt es für den am 26. Mai 2014 geltend gemachten Insolvenzgeldanspruch an einem Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Angesichts dessen bedarf es keiner Ausführungen, dass der Insolvenzgeldantrag am 26. Mai 2014 bereits verspätet war (§ 324 Abs. 3 SGB III).

Der Kläger kann sich auch nicht auf das Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 11. Dezember 2015, Az. 36 d IN 4082/15, berufen. Denn insoweit fehlt es, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, ebenfalls an einer wirksamen Antragstellung auf Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis, § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Die Frist beginnt mit dem Tag nach dem Eintritt des Insolvenzereignisses und ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitnehmers. Auf die tatsächliche Kenntnis des Insolvenzereignisses kommt es mithin nicht an. Denn diese ist nicht weiteres Tatbestandsmerkmal des § 324 Abs. 3 SGB III (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1983 - 10 RAr 1/82 Rn. 19, juris). Einen (weiteren) Antrag auf Insolvenzgeld nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 11. Dezember 2015 hat der Kläger nicht gestellt. Zwar ist ein Insolvenzgeldantrag bereits vor Beginn der Frist aus § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III grundsätzlich möglich. Nicht ausreichend sind hingegen hinreichende Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Insolvenzereignisses, vielmehr müssen die zur Stellung dieses Antrags erforderlichen Angaben bereits bekannt sein bzw. vom Antragsteller angegeben werden (Winkler in LPK-SGB III, 2. Aufl. 2015, § 324 Rn. 15; Schaumberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2014, § 324 Rn. 38; LSG Hamburg, Urteil vom 20. April 2016 – L 2 AL 18/15 –, Rn. 44, juris). Daran fehlt es vorliegend. Im ursprünglichen Antrag ist gerade nicht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angenommen worden, sondern ausschließlich auf die Betriebsstilllegung bei gleichzeitiger Kündigung aller Arbeitsverhältnisse sowie der erwirkten Versäumnisurteile abgestellt worden, mithin einem Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Ein hinreichend konkreter Antrag bezogen auf das im Dezember 2015 eingetretene Insolvenzereignis lässt sich auch im laufenden Klageverfahren nicht feststellen; der letzte Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vor der mündlichen Verhandlung datierte aus Mai 2015.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausführt, dass es üblich sei, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Herbeischaffung von Geldern möglich zu machen, um ein Strafverfahren abzuwenden, vermag er damit im Hinblick auf sein Begehren nicht durchzudringen. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2015 hat das Amtsgericht C (Az. IN /15) das Insolvenzverfahren über die Firma S M eröffnet; nach dem Schlussverzeichnis vom 19. September 2017 stand für die festgestellten Forderungen in Höhe von 898.677,37 EUR ein Betrag in Höhe von 4.460,88 EUR zur Verfügung. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2017 wurde das Insolvenzverfahren nach Abhalten des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren und Vollzug der Schlussverteilung gem. § 200 Abs. 1 InsO aufgehoben (www.insolventbekanntmachungen.de). Angesichts des Umstandes, dass einige der früheren Kollegen bezogen auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Dezember 2015 Insolvenzgeld bezogen haben, muss sich der Kläger vorhalten lassen, sich nicht regelmäßig über die mögliche Eröffnung eines Insolvenzverfahren informiert zu haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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