L 5 KR 976/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 2352/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 976/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 28.02.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten und fordert Beiträge zurück.

Die 1957 geborene Klägerin war bei der Beklagten Mitglied aufgrund des Bezugs von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 19.07.2012 bis 31.01.2013 und aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung vom 01.02.2014 bis 30.04.2014, vom 02.05.2014 bis 14.10.2014 und vom 01.12.2014 bis 30.11.2015. Am 11.11.2014 kündigte die Klägerin ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten (Schreiben vom 09.11.2014). Mit Schreiben vom 25.11.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Beendigung der Mitgliedschaft erst zum 30.11.2015 möglich sei. Ein zwischenzeitlich zum 01.12.2014 durchgeführter Wechsel zur S. BKK wurde storniert und rückabgewickelt (vgl. Schreiben der S. BKK vom 10.11.2015). Beitragsforderungen der Beklagten sind nicht offen. Die Beiträge wurden von den Arbeitgebern bzw. dem Jobcenter gezahlt. Bei der I. war die Klägerin vom 01.06.2006 bis 29.02.2012 versichert. Aus dem Mahnschreiben vom 28.12.2016 ergibt sich ein Beitragsrückstand gegenüber der I. in Höhe von 2.991,20 EUR.

Am 19.10.2016 hat die Klägerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte müsse ihr sämtliches Geld zurückzahlen, das sie "abkassiert" habe und bei "fremden Kassen" gelandet sei. Dies ergebe sich aus dem der Klageschrift beigefügten Ausdruck des Finanzamts K ... Die Beklagte habe über ihre Versichertennummer Geld "einkassiert" und in Kauf genommen, dass sie weder selbst noch über ihre Arbeitgeber versichert sei. Sie habe zudem die Arbeitgeber benutzt ihre Sittenwidrigkeiten durchzusetzen mit "Falsch- und Fehlinformationen", obwohl die Beklagte nicht die Berechtigung habe, Angaben zu ihrer Person zu versenden und zu verwalten. Soweit die Beklagte vortrage, sie sei bei ihr versichert gewesen, ergebe sich dies nicht aus den Unterlagen des Finanzamtes und auch nicht aus ihren Gehaltsabrechnungen. Dennoch erhalte sie Post mit angeblichen Schulden. Sie sei zu entschädigen wegen fehlender Versicherung, Fälschen und Missbrauch ihrer Daten und wegen fehlender Versicherung durch die S. BKK. Die Beklagte sei aufzufordern, lückenlos zu dokumentieren, in welcher Zeit sie bei ihr versichert gewesen sei inkl. aller Berichte über Arbeitslosigkeit, Jobcenterzeiten, sämtliche Arbeitgeber, welche Leistungen erbracht worden seien, die Chipkartennummern mit Gültigkeitsdauer bzw. Ausstellungsdatum und -name und der gültige Sozialversicherungsausweis.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat die Klägerin mehrmals aufgefordert, ihr Klagebegehren zu konkretisieren und die angefochtenen Bescheide vorzulegen. Zum Erörterungstermin ist die Klägerin nicht erschienen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.02.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil das Klagebegehren weitgehend unklar sei. Es fehle jedenfalls an einem sachdienlichen (bestimmten) Klageantrag im Sinne von § 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und dem hierzu erforderlichen Tatsachenvortrag. Soweit sich die Klägerin gegen die Sozialversicherungsmeldungen wende, sei unklar, ob sich die Klägerin gegen einzelne Daten der Meldungen wende. Eine Konkretisierung sei nicht erfolgt. Die Meldungen seien zunächst durch die Arbeitgeber der Klägerin nach § 28a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erfolgt. In Bezug auf den Vorgang betreffend den möglichen Wechsel zur BKK S. sei auf das Schreiben der BKK S. sowie auf § 175 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verwiesen. Im Übrigen sei dem Gericht unklar, worin hier ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin liegen solle. Soweit die Klägerin "Entschädigung" begehre, sei unklar, ob damit eine Naturalrestitution ggf. im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs oder eine Geldleistung im Rahmen der Amtshaftung – wofür die Sozialgerichte nicht zuständig wären – verlangt werde. Eine nur ansatzweise Konkretisierung oder Bezifferung sei nicht erfolgt. Weiter fehle es der Klägerin an dem für eine Sachentscheidung erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Es gelte der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen dürfe. Das Rechtsschutzinteresse fehle, weil die Klage zweckwidrig und missbräuchlich sei. Die Klägerin verweigere (inzwischen) grundsätzlich die Annahme an sie gerichteter Gerichtsschreiben. Selbst ihr (wirksam) zugestellte Postsendungen sende sie wieder zurück. Dieses Verhalten zeige, dass es ihr letztlich überhaupt nicht darum gehe, einen ihr gegenüber dem Prozessgegner eine durchsetzbare Rechtsposition verschaffenden Rechtsschutz zu erlangen. Ihr Prozessieren diene allein dazu, ganz allgemein und losgelöst von jeglichen verfahrensrechtlichen oder prozessualen Vorgaben ihre Unzufriedenheit mit dem Verhalten der Beklagten und mit gerichtlichen Entscheidungen im Allgemeinen zum Ausdruck zu bringen. Dies genüge jedoch für die Bejahung eines Rechtsschutzinteresses nicht; das Verhalten der Klägerin erweise sich als unzulässige Rechtsausübung.

Gegen den ihr am 10.03.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.03.2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung auf ihre Klagebegründungschrift vom 19.10.2016 verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, sie widerspreche sämtlichen Darstellungen des SG. Sie müsse nicht nachweisen, dass sie bei der Beklagten versichert gewesen sei. Die Beklagte habe ihre Behauptungen nicht nachgewiesen. Die BKK S. habe sie zu Unrecht an die Beklagte "verkauft". Zu diesem Zeitpunkt sei ihr Beschäftigungsverhältnis schon beendet gewesen. Sie weigere sich, Mitglied der Beklagten zu sein und jemals gewesen zu sein. Auf die Angaben des Finanzamtes sei das SG nicht eingegangen. Sie sei durch kriminelle Mittel "abgezockt" worden. Eine Kassenmitgliedschaft sei vorgetäuscht worden. Sie fordere das Geld vollständig zurück.

Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 28.02.2018 aufzuheben und festzustellen, dass sie nicht vom 19.07.2012 bis 31.01.2013, vom 01.02.2014 bis 30.04.2014, vom 02.05.2014 bis 14.10.2014 und vom 01.12.2014 bis 30.11.2015 Mitglied der Beklagten war, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr die an die Beklagte gezahlten Beiträge zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft nach § 143 SGG, ohne dass sie der Zulassung durch den Senat bedurfte, da das von der Klägerin mit der Berufung verfolgte Begehren, festzustellen, dass sie nicht Mitglied der Beklagten ist, weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft (§ 144 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die von der Klägerin nach sachdienlicher Auslegung ihres Begehrens erhobene Feststellungsklage nach § 55 SGG ist unzulässig, weil ein Feststellungsinteresse weder dargetan noch erkennbar ist. Die Feststellung, dass die Klägerin in den Zeiträumen vom 19.07.2012 bis 31.01.2013, vom 01.02.2014 bis 30.04.2014, vom 02.05.2014 bis 14.10.2014 und vom 01.12.2014 bis 30.11.2015 nicht Mitglied der Beklagten war, hätte keine rechtlichen Auswirkungen für zukünftige Mitgliedschaften bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Denn die Bindungsfrist von 18 Monaten nach § 175 Abs. 4 SGB V ist abgelaufen. Nach Ablauf der Bindungsfrist besteht wieder ein uneingeschränktes Krankenkassenwahlrecht (vgl. § 175 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die begehrte Feststellung hätte lediglich für die genannten vergangenen Zeiträume Auswirkungen hinsichtlich der Frage, welcher Versicherungsträger für die Durchführung der Pflichtversicherung zuständig war. Dies hätte allein Erstattungsansprüche zwischen den Versicherungsträgern zur Folge. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Beiträgen ist damit nicht verbunden. Unabhängig davon, welcher Versicherungsträger zuständig wäre, sind in jedem Fall Beiträge zu zahlen. Überdies hat die Klägerin selbst keine Beiträge an die Beklagte gezahlt. Nach § 252 Abs. 1 SGB V zahlt für die Bezieher von Arbeitslosengeld II das Jobcenter die Beiträge. Während der versicherungspflichtigen Beschäftigung sind die Krankenversicherungsbeiträge Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, den der Arbeitgeber gemäß § 253 SGB V i.V.m. § 28d, § 28e SGB IV an die Einzugsstelle (Krankenkasse) zahlt.

Selbst bei Annahme eines Feststellungsinteresses, wäre die Feststellungsklage aber jedenfalls unbegründet. Denn für den Fall, dass die Meldung des Jobcenters für die Zeit vom 19.07.2012 bis 31.01.2013 fehlerhaft gewesen sein sollte, weil die Klägerin zuletzt (bis 29.02.2012) bei der I. versichert war (vgl. § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V), wäre sie trotzdem wirksam erfolgt und hätte nur mit Wirkung ex nunc korrigiert werden können (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.04.2011 – L 9 KR 192/09 –, juris, Rn. 38 ff.). In dem Schreiben der Klägerin vom 09.11.2014, mit dem sie ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten kündigte, könnte ein entsprechender Antrag gesehen werden, zumal eine Kündigung nach § 175 Abs. 4 SGB V wegen der Beendigung ihrer Mitgliedschaft kraft Gesetzes nach § 190 SGB V zum 14.10.2014 ohnehin ins Leere ging. Einer Korrektur der Mitgliedschaft stünde jedoch der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 25.11.2014 entgegen, mit dem sie eine Bindungsfrist bis zum 30.11.2015 feststellte. Der Bescheid enthielt zwar keine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass gemäß § 66 Abs. 2 SGG eine Frist von einem Jahr seit Bekanntgabe lief. Innerhalb dieses Zeitraums hat die Klägerin indes keinen Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Damit steht das Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 30.11.2015 bestandskräftig fest.

Die Leistungsklage auf Erstattung der gezahlten Beiträge ist ebenfalls unzulässig. Über einen entsprechenden Antrag hätte zunächst die Beklagte durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Es ist zudem nichts dafür ersichtlich, was für einen möglichen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Beiträge spricht.

Von einer Beiladung der in Frage kommenden anderen Versicherungsträger (I., S. BKK) wurde abgesehen, weil der Senat die Klage schon für unzulässig hält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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