L 5 KR 653/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1805/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 653/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.01.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung aus schw. Renten für die Zeit vom 01.03. - 31.12.2014 und gegen die Mitgliedschaft bei der Beklagten.

Die Klägerin ist seit 2008 Bezieherin einer Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich seit Juli 2013 auf monatlich 693,42 EUR beläuft. Neben dieser Rente bezieht die Klägerin eine Rente von der Sch. A. (im Folgenden: SAK) in Höhe von monatlich 388,00 CHF (ab 01.11.2011; damals = 317,80 EUR) und eine Rente aus der sch. P. (im Folgenden: PK EMK) in Höhe von monatlich 2.029,00 CHF (ab Dezember 2007; damals = 1.661,89 EUR).

Die zuvor bei der A. als Bezieherin einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung kranken- und pflegepflichtversicherte Klägerin beantragte bei der Beklagten unter dem 18.02.2014 die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner.

Mit Bescheid vom 25.02.2014 setzte die Beklagte - hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der bei ihr angegliederten Pflegekasse - Beiträge ab dem 01.03.2014 aus der Rente von der SAK und den Versorgungsbezügen der PK EMK in Höhe von monatlich insgesamt 324,23 EUR (Krankenversicherungsbeitrag: 283,65 EUR; Pflegeversicherungsbeitrag: 40,58 EUR) fest. Für die Rente aus der SAK setzte sie den hälftigen Krankenversicherungsbeitrag (8,2% = 26,06 EUR) an. Die Leistungen der PK EMK behandelte die Beklagte als Versorgungsbezüge und legte den vollen Beitragssatz zugrunde (15,5 % für die Krankenversicherung = 257,59 EUR).

Hiergegen legte die Klägerin u.a. am 28.02.2014 telefonisch, per Email und zuletzt mit Schreiben vom 23.03.2014 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, für die Bezüge von der PK EMK dürfe maximal der halbe Beitragssatz zum Ansatz kommen. Bei der PK EMK handele es sich um eine obligatorische Pensionskasse, in die alle Beschäftigten hätten eintreten und Beiträge zahlen müssen. Es handele sich demnach um eine gesetzliche Rentenversicherung aus dem Ausland und nicht um einen Versorgungsbezug. Vor Beantragung der Mitgliedschaft sei ihr von einem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn B., die Auskunft erteilt worden, dass auch die Rente der PK EMK mit dem ermäßigten Beitragssatz zu verbeitragen sei. Erst daraufhin habe sie die Mitgliedschaft bei der Beklagten beantragt. Mit Schreiben vom 20.07.2014 begehrte die Klägerin eine Berichtigung des Beitrags.

Ausweislich eines in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Aktenvermerks vom 28.02.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Einstufung mit 15,5 % korrekt sei. Nach einem weiteren Aktenvermerk des Bezirksleiters der Beklagten B. vom 25.07.2014 hatte dieser der Klägerin mitgeteilt, dass für gesetzliche Renten der verminderte und für Zusatzrenten der volle Beitragssatz gelte.

Bereits unter dem 19.03.2014 bot die Beklagte der Klägerin an, den Beitritt ab 01.03.2014 zurückzunehmen, sofern die Klägerin den Rücktritt bis zum 02.04.2014 erkläre. Hiervon machte die Klägerin keinen Gebrauch. Erst unter dem 28.10.2014 kündigte die Klägerin die Mitgliedschaft bei der Beklagten, worauf ihr die Beklagte für den Fall der Abmeldung die Wirksamkeit der Kündigung zum 31.12.2014 bestätigte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 wies die Beklagte - hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse - den Widerspruch der Klägerin zurück. Bei der Zahlung der PK EMK handele es sich um ausländische Versorgungsbezüge, weil sie mit Zahlungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge nach deutschem Recht vergleichbar seien. Die Beitragsbemessung erfolge deshalb unter Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes.

Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids an die Klägerin scheiterte zunächst. Mit Schreiben vom 14.04.2016 meldete sich der von ihr zwischenzeitlich mandierte Rentenberater, der in diesem Schreiben die Auffassung vertrat, dass das Schreiben der Klägerin vom 20.07.2014 eine Anfechtung darstelle.

Die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids an den Rentenberater erfolgte am 22.04.2016.

Die Klägerin hat am 26.04.2016 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Mit Bescheid vom 31.07.2017 hat die Beklagte - hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse - den Beitragsbescheid vom 25.02.2014 aufgehoben und die Beiträge für die Zeit ab 01.03.2014 unter Zugrundelegung eines besonderen kassenindividuellen Beitragssatzes von 8,20 % aus einem Rentenbetrag von 1.979,69 EUR in Höhe von 202,91 EUR (Krankenversicherungsbeitrag: 162,33 EUR; Pflegeversicherungsbeitrag: 40,58 EUR) neu festgestellt. Mit "Ergänzungsbescheid" vom 09.08.2017 hat die Beklagte festgestellt, die Beitragserhebung gelte für die Zeit vom 01.03. – 31.12.2014. Für diese Zeit habe die Klägerin Beiträge in Höhe von 3.242,30 EUR (= 324,23 EUR x 10 Monate) gezahlt. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 30.11.2016 (B 12 KR 22/14R) habe die Klägerin nunmehr lediglich 2.029,10 EUR (= 202,91 EUR x 10 Monate) zu entrichten. Damit habe die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung von 1.213,20 EUR sowie Zinsen in Höhe von 157,30 EUR für die Zeit vom 01.05.2014 – 31.07.2017. Eine Zahlung an die Klägerin in entsprechender Höhe sei erfolgt.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ausgeführt, der Rechtsstreit habe sich durch die Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 nicht erledigt. Die Beklagte habe sie über die Einstufung der Pensionskassenrente und die hieraus resultierende volle Beitragserhebung getäuscht. Sie sei in dieser Zeit nicht versichert gewesen. Die Beiträge seien komplett zu erstatten. Etwaige Gesundheitskosten seien mit den Beiträgen zu verrechnen.

Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegengetreten. Eine arglistige Täuschung liege nicht vor. Der Klägerin sei die Höhe der Beiträge bereits mit Bescheid vom 25.02.2014 und damit vor Beginn ihrer Mitgliedschaft am 01.03.2014 bekannt gewesen, Einwände gegen die Beitragsfestsetzung habe sie bereits am 28.02.2014 erhoben. Zudem habe sie, so die Beklagte weiter, der Klägerin am 19.03.2014 die Rücknahme der Beitrittserklärung angeboten. Dieses Angebot habe die Klägerin nicht angenommen, sondern erst zu einem viel späteren Zeitpunkt die Kündigung zum 31.12.2014 erklärt. Auch hätten die mit der Antragsaufnahme und der Beitragsfestsetzung befassten Mitarbeiter eine zutreffende Beratung der Klägerin bestätigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen, da dem Begehren der Klägerin im Wege des Änderungsbescheides vom 31.07.2017 teilweise entsprochen worden sei. Die Beitragsfestsetzung begegne aufgrund des Bescheides vom 31.07.2017 keinen Bedenken. Die Beklagte habe in diesem Bescheid zu Recht die Leistungen der PK EMK als eine der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Rente aus dem Ausland behandelt und mit der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes bei der Beitragsbemessung berücksichtigt. Eine Beschwer der Klägerin sei damit nicht gegeben. Die streitgegenständlichen Beitragsbescheide seien auch nicht deshalb aufzuheben, weil die Klägerin ihre Wahlrechtserklärung wirksam wegen Täuschung angefochten habe. Es könne dahinstehen, ob eine wirksame Anfechtungserklärung vorliege. Denn einer etwaigen Nichtigkeitsfolge könne der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden. Gerade in Dauerschuldverhältnissen sei im Rahmen des hier maßgeblichen § 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu prüfen, ob die Rechtslage des Getäuschten noch beeinträchtigt sei. Sei dies nicht der Fall, könne davon ausgegangen werden, dass der Anfechtungsgrund so viel an Bedeutung verloren habe, dass die Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben nicht mehr gerechtfertigt sei. Dies sei hier der Fall, nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 31.07.2017 bereits den ermäßigten Beitragssatz zugrunde gelegt habe. Eine Beeinträchtigung der Klägerin durch die Täuschungshandlung sei nicht mehr gegeben. Eine rückwirkende Auflösung der Mitgliedschaft bei der Beklagten habe wegen der grundsätzlichen Versicherungspflicht der Klägerin auch keine Auswirkungen auf das Vorliegen der Beitragspflicht im Allgemeinen, sondern nur gegenüber der Beklagten. Im Übrigen seien zu Unrecht entrichtete Beiträge nicht zu erstatten, wenn – wie hier – bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge Leistungen erbracht worden seien.

Gegen das ihr am 19.01.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.02.2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Die Klägerin hat die Berufung entgegen ihrer Ankündigung trotz mehrfacher Erinnerungen nicht begründet und auch keine Anträge gestellt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.01.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 31.07.2017 sowie den Ergänzungsbescheid vom 09.08.2017 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erhoben wurden und die Beklagte zu verurteilen, über die mit Bescheiden vom 31.07.2017 und 09.08.2017 bereits verfügte Erstattung hinaus, sämtliche, für die Zeit vom 01.03. – 31.12.2014 gezahlten Krankenversicherungsbeiträge zu erstatten sowie ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten vom 01.03. - 31.12.2014 zu stornieren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.

Der Senat hat die Gerichtsakte des SG im Verfahren S 18 P 1804/16, in dem sich die Klägerin gegen die Festsetzung der Pflegeversicherungsbeiträge (in den hier streitgegenständlichen Bescheiden) wendet und hinsichtlich dessen mit Beschluss vom 23.05.2016 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden ist, beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Senats und des SG, auch im Verfahren S 18 P 1804/16, sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG).

2. Das Gericht entscheidet nach § 123 SGG über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung ihrer Anträge gebunden zu sein. Das Gewollte, also das mit der Klage verfolgte Prozessziel, ist im Wege der Auslegung festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.2010 - B 6 KA 38/09 R -, in juris Rn 17 f.). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen, insbesondere der Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.1988 - 8/5a RKn 11/87 -, in juris). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Klägerin unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt, was ihr aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, in juris). Diese Auslegung hat - wie bereits das SG - auch der Senat vorzunehmen, ohne an die vom SG vorgenommene Auslegung oder die dafür herangezogenen Feststellungen gebunden zu sein (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 13.12.2018 - B 10 ÜG 4/16 R -, in juris m.w.N.).

Wie die Auslegung im Fall der Klägerin ergibt, begehrt die Klägerin mit der isolierten Anfechtungsklage einerseits die Aufhebung der Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017, andererseits die Erstattung von Beiträgen für ihre beiden schweizerischen Renten für die Zeit vom 01.03. - 31.12.2014 und die Stornierung ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten.

3. Gegenstand der isolierten Anfechtungsklage sind nur noch die Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017. Diese, im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahren ergangenen Bescheide, stellen eine einheitliche Verfügung dar, mit der die Beklagte einerseits ihren Beitragsbescheid vom 25.02.2014 aufgehoben, die verbliebene Beitragsforderung für die Zeit vom 01.03. bis 31.12.2014 neu festgesetzt und bzgl. der Differenz eine Erstattung der gezahlten Beiträge an die Klägerin verfügt hat.

Der Senat ist an einer Entscheidung über die Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 als einheitliche Verfügung auch nicht deshalb gehindert, weil der Bescheid vom 09.08.2017 im angegriffenen Gerichtsbescheid des SG unerwähnt geblieben ist. Denn aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids wird hinreichend deutlich, dass das SG auch den Bescheid vom 09.08.2017 zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht hat. Mit dem Bescheid vom 09.08.2017 ist eine Entscheidung über die Erstattungsforderung in Höhe von 1.213,20 EUR sowie über die Dauer der Beitragspflicht vom 01.03. bis 31.12.2014 getroffen worden, dies hat das SG sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen aufgegriffen.

Nicht gegenständlich sind die Beitragsfestsetzungen zur Pflegeversicherung; insofern führt die Klägerin ein Verfahren vor dem SG unter dem Az. S 18 P 1804/16.

Soweit die Beklagte einen Beitragssatz von 15,5 % für die Leistung der PK EMK festgesetzt hat, hat sich durch die Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 der Rechtsstreit erledigt. Die Beklagte hat den insoweit maßgeblichen Bescheid vom 25.02.2014 aufgehoben. Er ist deshalb nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Hinsichtlich der neu festgesetzten Beitragsforderung stehen allein die beiden Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 zur Überprüfung durch den Senat; sie sind bereits nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

Das Begehren der Klägerin sachdienlich auslegend ist ferner davon auszugehen, dass sie, auch wenn das Vorbringen ihres Bevollmächtigten insoweit uneinheitlich ist, eine vollständige Aufhebung der mit den Bescheiden vom 31.07.2017 und 09.08.2017 zuletzt verfügten Beitragsforderungen und die Stornierung ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten begehrt. Zu unterstellen, dass Sie lediglich die Verbeitragung der Rente aus der PK EMK anfechten will, verbietet zunächst der bei Auslegung des Begehrens anzuwendende Meistbegünstigungsgrundsatz. Darüber hinaus kann die vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgebrachte Anfechtung des "Versicherungsvertrags" wegen arglistiger Täuschung sachgerecht nur so verstanden werden, dass sich die Klägerin gegen jede an sie gerichtete Beitragsforderung der Beklagten aus den sch. Renten für die Zeit vom 01.03. bis 31.12.2014 und die Mitgliedschaft generell wenden will.

Darüber hinaus begehrt die Klägerin, wie sich aus den von ihrem Bevollmächtigten gegenüber dem SG gestellten Anträgen ergibt, die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der aufgrund (aus Ihrer Sicht) rechtswidriger Beitragserhebung gezahlten Beiträge. Auch dieses, im Wege der Leistungsklage geltend gemachte Begehren, ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dahingehend auszulegen, dass die Klägerin über die bereits verfügte Erstattung hinausgehend die Erstattung sämtlicher Beiträge begehrt, die für die Zeit vom 01.03. bis 31.12.2014 entrichtet worden sind, allerdings aus den o.g. Gründen nur insoweit, als Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf die sch. Renten entrichtet worden sind.

Auch insoweit steht einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, dass das SG im Tatbestand des angegriffenen Gerichtsbescheids von einem Klageantrag (nur) im Sinne einer isolierten Anfechtungsklage ausgegangen ist. Denn das SG hat, wie sich aus den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids ergibt, in der Sache im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Anfechtung und zur Erstattungsforderung auch eine Entscheidung über die Mitgliedschaft und die Erstattung getroffen.

4. Die so gefasste Klage ist bzgl. der Anfechtung der Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 und damit zusammenhängend des Bestehens der Mitgliedschaft zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in subjektiven Rechten (siehe hierzu unten unter a).

Die Leistungsklage auf Erstattung der Beiträge ist demgegenüber bereits unzulässig, da die Beklagte hierüber keine Verwaltungsentscheidung getroffen hat (siehe hierzu unten unter b).

a) Die Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 sind nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.

aa) Der Umfang der Beitragspflicht zur Krankenversicherung beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden.

Die Klägerin war im hier streitigen Zeitraum als Bezieherin einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V). Die Mitgliedschaft bei der Beklagten ab 01.03.2014 bestand aufgrund des Antrags der Klägerin vom 18.02.2014 und der (nachgereichten) Kündigungsbestätigung ihrer früheren Krankenkasse. Die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten bestand bis zum Wirksamwerden ihrer Kündigung vom 28.10.2014 zum 31.12.2014.

Der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten stand eine Anfechtung der Mitgliedschaft durch die Klägerin nicht entgegen. Eine "Stornierung" der Mitgliedschaft kommt nicht in Betracht. Denn die Klägerin hat ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zumindest nicht fristgerecht angefochten. Der Senat lässt insoweit dahingestellt, ob die Anfechtung der Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung ohne Nachweis einer neuen Krankenversicherung überhaupt möglich ist, die Klägerin bzgl. der Höhe des Beitragssatzes hinsichtlich der PK EMK von der Beklagten getäuscht wurde, was die Beklagte bestreitet, und ob eine – unterstellte – Täuschung für die Mitgliedschaft kausal wäre, nachdem der Beitrag bereits mit Bescheid vom 25.02.2014 festgesetzt wurde und die Mitgliedschaft erst am 01.03.2014 begann. Eine Anfechtung scheitert bereits daran, dass die Klägerin dieselbe nicht innerhalb der Frist des § 124 BGB erklärt hat. Nach § 124 BGB kann eine Anfechtung einer nach § 123 BGB anfechtbaren Willenserklärung nur binnen Jahresfrist erfolgen. Kenntnis von der - von der Klägerin behaupteten - Täuschung hatte diese nach Bekanntgabe des Beitragsbescheids vom 25.02.2014. Bereits unter dem 28.02.2014 beanstandete die Klägerin bei der Beklagten den Beitragssatz und verlangte bezugnehmend auf das Gespräch mit Herrn B. die Berichtigung des Beitrags. Im weiteren Verlauf begehrte die Klägerin stets die Berichtigung des Beitrags und kündigte - teilweise - ein "künftiges Verlassen" der Beklagten an. Auch im Schreiben vom 20.07.2014 nahm sie Bezug auf die Auskunft des Herr B. und begehrte im Schreiben ausdrücklich zweimal die Berichtigung des Beitrags bzgl. der PK EMK. Eine Anfechtung der Wahlerklärung oder der Mitgliedschaft erfolgte in diesem Schreiben entgegen den Ausführungen ihres späteren Bevollmächtigten in dessen Schreiben vom 14.04.2016 nicht. Wenn überhaupt könnte erstmals in diesem Schreiben des Bevollmächtigten vom 14.04.2016 eine Anfechtungserklärung wegen arglistiger Täuschung gesehen werden, wobei dies freilich auch bedenklich ist, da der Bevollmächtigte im Wesentlichen ausführt, dass das Schreiben der Klägerin vom 20.07.2014 eine Anfechtungserklärung beinhalte. Letztendlich kann dies aber wiederum dahingestellt bleiben, denn eine unter dem 14.04.2016 erfolgte Anfechtung ist nicht binnen Jahresfrist erfolgt. Sie war am 14.04.2016 bereits ausgeschlossen. Unabhängig davon kann dem SG folgend einer etwaigen Nichtigkeit der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden. Insoweit nimmt der Senat zur weiteren Begründung nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 16.01.2018 Bezug und sieht nach eigener Überzeugungsbildung von der Darstellung einer eigenen Begründung ab.

bb) Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden die Mittel der Krankenversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Die Beiträge werden nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Da die Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V), richtet sich die Erhebung der Beiträge nach § 237 SGB V. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden bei versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Erfasst sind auch ausländische Renten und Versorgungsbezüge (§ 237 Satz 2 SGB V in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung i.V.m. § 228 Abs. 1 Satz 2 und § 229 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die beitragspflichtigen Einnahmen sind bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben grundsätzlich außer Ansatz (§ 223 Abs. 3 SGB V). Soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist, sind die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat (§ 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Beiträge aus ausländischen Renten und aus Versorgungsbezügen trägt der versicherungspflichtige Rentner allein (§ 249a Satz 2 SGB V in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung). Nach § 228 Abs. 1 SGB V gelten als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung Renten der allgemeinen Rentenversicherung sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung einschließlich der Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung (Satz 1). Satz 1 gilt auch, wenn vergleichbare Renten aus dem Ausland bezogen werden (Satz 2; eingefügt durch Art. 4 Nr. 7 Buchst. a) des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.06.2011 mit Wirkung zum 01.07.2011 (Art 13 Abs. 3 Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze)). Nach § 229 Satz 1 Nr. 5 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung. Satz 1 gilt auch, wenn Leistungen dieser Art aus dem Ausland oder von einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung bezogen werden (§ 229 Satz 2 SGB V).

Die Einordnung einer aus dem Ausland gezahlten Leistung als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder als Versorgungsbezug ist erforderlich, weil unterschiedliche Beitragssätze Anwendung finden. Ist die gezahlte Leistung als Versorgungsbezug einzustufen, gilt nach § 248 Satz 1 SGB V der allgemeine Beitragssatz, bis 31.12.2014 15,5 v.H. (§ 241 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) vom 22.12.2010, BGBl. I, S. 2309), abgesehen von den hier nicht vorliegenden Ausnahmen nach § 248 Satz 2 SGB V. Ist die gezahlte Leistung als Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einzustufen, galt nach § 247 Satz 2 SGB V (in der ab 01.07.2011 geltenden Fassung, eingefügt durch Art. 4 Nr. 9 Gesetz zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze) die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes zuzüglich 0,45 Beitragssatzpunkte.

Nach dem bis 30.06.2011 geltenden Recht unterlagen aus dem Ausland gezahlte Leistungen nur der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie ein Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Satz 1 Nr. 5 SGB V waren. Dazu gehörten Leistungen aus ausländischen öffentlich-rechtlichen Rentensystemen nicht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 10.06.1988 - 12 RK 39/87 – in juris, zum inhaltsgleichen früheren § 180 Abs. 8 Reichsversicherungsordnung (RVO)). Mit der Einfügung des § 228 Satz 2 SGB V beseitigte der Gesetzgeber dies aus Gründen der Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Rentenbezieher, und zwar unabhängig davon, ob die Rente aus einem Mitgliedstaat der EU oder einem Drittstaat bezogen wird. Dies sieht der Gesetzgeber aus Gründen der Gleichbehandlung und der Beitragsgerechtigkeit als angezeigt an (Bundestags-Drucksache 17/4978 S. 20 und Bundesrats-Drucksache 846/10 S. 30) und war im Hinblick auf Art. 5 VO EG Nr. 883/2004 erforderlich. Für die Beurteilung, ob eine an den Versicherten gezahlte Leistung ein Versorgungsbezug der betrieblichen Altersversorgung nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist, stellt das BSG mit einer institutionellen Abgrenzung typisierend darauf ab, dass die Leistung, sei es in Form einer einmaligen Kapitalleistung oder einer Rente, von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 30.03.2011 - B 12 KR 16/10 R -, in juris, Rn 19).

cc) Die der Klägerin von der SAK und der PK EMK gezahlten Leistungen, sind Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Renten aus dem Ausland gemäß § 228 Satz 2 SGB V. Dies war hinsichtlich der von der SAK gewährten Leistung zwischen den Beteiligten niemals streitig und steht nunmehr zwischen den Beteiligten nach Erlass der Bescheide vom 31.07.2017 und 09.08.2017 auch hinsichtlich der von der PK EMK gezahlten Rente nicht mehr im Streit.

dd) Die Beklagte hat mit den noch streitgegenständlichen Bescheiden dieser Einstufung folgend Beiträge nach dem hälftigen allgemeinen Beitragssatz zu Recht und in zutreffender Höhe erhoben. Dies hat bereits das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2018 zutreffend entschieden und begründet. Nachdem die Klägerin ihre Berufung trotz Aufforderung durch den Senat nicht begründet hat, nimmt der Senat zur weiteren Begründung nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des Gerichtsbescheids vom 16.01.2018 Bezug und sieht insoweit nach eigener Überzeugungsbildung von der Darstellung einer eigenen Begründung ab.

b) Soweit die Klägerin die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung begehrt, ist die beim SG erhobene allgemeine Leistungsklage schon nicht zulässig. Eine solche echte Leistungsklage kommt als statthafte Klageart nur dann in Betracht, wenn ein schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln, also keine Entscheidung des Versicherungsträgers, die durch Verwaltungsakt zu ergehen hat, begehrt wird. Wird hingegen die Verurteilung des Versicherungsträgers zu einem hoheitlichen Handeln, das durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X zu erfolgen hat, beantragt, setzt die Zulässigkeit der sozialgerichtlichen Klage die vorherige Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens voraus. So liegt der Fall hier.

Über die Erstattung zu Unrecht erhobener Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung entscheidet die zuständige Krankenkasse, wie hier mit Bescheiden vom 31.07.2017 und 09.08.2017 im Hinblick auf die (nicht mehr streitigen) zu Unrecht erhobenen Beiträge zur PK EMK in Höhe von 1.213,20 EUR auch tatsächlich erfolgt, durch einen mit dem Widerspruch anfechtbaren Verwaltungsakt. Ein solcher kann aber erst ergehen, wenn zuvor eine Entscheidung über die Aufhebung der Beitragserhebung erfolgt ist. Deshalb ist in der hier mit Bescheiden vom 31.07.2017 und 09.08.2017 erfolgten Verfügung über die Beitragserstattung auch keine ablehnende Entscheidung durch Verwaltungsakt über die Erstattung weiterer Beiträge (über einen Betrag in Höhe von 1.213,20 EUR hinaus) zu sehen. Demgemäß erweist sich die erhobene Klage insoweit wegen Fehlens einer (erforderlichen) Verwaltungsentscheidung bereits als nicht zulässig. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet, da die Beitragserhebung - wie oben dargelegt - soweit streitgegenständlich rechtmäßig erfolgt ist. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls inwieweit einer Beitragserstattung auch entgegenstünde, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.03. bis 31.12.2014 Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen hat.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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