L 5 KR 3041/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 545/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3041/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.08.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt mit seiner am 19.02.2018 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage "gegen das Gesundheitswesen" die Änderung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen mit dem Ziel, für Sozialhilfeempfänger die zuzahlungsfreie Versorgung mit Arzneimitteln, zuzahlungsfreie Versorgung mit Augengläsern in regelmäßigen Abständen und halbjährliche zuzahlungsfreie Zahnreinigung zu erreichen.

Die Beklagte, bei der der Kläger gesetzlich krankenversichert ist, ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 08.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger für Sozialhilfeempfänger oder ganz allgemein Forderungen aufstelle. Eine Verletzung in eigenen Rechten scheide insoweit aus. Im Übrigen sei die Klage als echte Leistungsklage zulässig. Dass Verwaltungsakte fehlten, stünde der Zulässigkeit nicht entgegen, weil der Kläger Leistungen für die Zukunft begehre. Es sei nur dem Grunde nach über eine Leistungspflicht der Beklagten zu entscheiden. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf zuzahlungspflichtige Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 31 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) müssten Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich aus § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrag leisten. Um die finanzielle Zumutbarkeit sicherzustellen, sehe § 62 SGB V Zuzahlungen nur bis zu einer Belastungsgrenze vor. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine zuzahlungspflichtige Versorgung mit Augengläsern in regelmäßigen Abständen. Ein Anspruch auf Versorgung mit Augengläsern bestünde nur unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach § 92 SGB V. Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahnreinigung zweimal jährlich. Den Anspruch auf eine ausreichende und zweckmäßige Zahnbehandlung im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB V konkretisierten die Richtlinien des GBA nach § 92 SGB V. Danach gehörten zur vertragszahnärztlichen Versorgung auch das Entfernen von harten verkalkten Belägen. Aus dem Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) ergebe sich, dass das Entfernen harter Zahnbeläge nur einmal pro Jahr abrechnungsfähig sei. Ein darüber hinaus gehender Anspruch stehe dem Kläger nicht zu.

Gegen das ihm am 23.08.2018 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 24.08.2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die gesetzlichen Bestimmungen seien durch höchstrichterliche Entscheidung in seinem Sinne reformbedürftig.

Der Kläger beantragt – sachdienlich ausgelegt –,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.08.2018 aufzuheben und festzustellen, dass die geltenden gesetzlichen Bestimmungen rechtswidrig sind, soweit Sozialhilfeempfänger keinen Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Versorgung mit Arzneimitteln, zuzahlungsfreie Versorgung mit Augengläsern in regelmäßigen Abständen und halbjährliche zuzahlungsfreie Zahnreinigung haben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Mit Schreiben vom 18.11.2019 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtigt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht und ausgeführt, er halte seine Berufung für begründet. Die Bestimmungen seien zu seinen Gunsten reformbedürftig. Bei Gericht könne er nicht erscheinen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

II.

Der Senat konnte die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.

Die form- und fristgerecht (vgl. § 152 Abs. 1 SGG) erhobene und statthafte (vgl. § 143 SGG) Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Klage ist bereits unzulässig. Das Begehren des Klägers ist auf eine, vom konkreten Einzelfall losgelöste Überprüfung von Gesetzen und untergesetzlichen Normen gerichtet. Das SGG sieht jedoch Rechtsschutz in Form der Normenkontrolle (mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 55a SGG) nicht ausdrücklich vor. Eine § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Norm fehlt im SGG. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Betroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, auf Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm zu warten, oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt, hat die Rechtsprechung eine Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als Normfeststellungsklage für zulässig erachtet (zu Richtlinien des GBA z.B. BSG, Urteil vom 31.05.2006 – B 6 KA 13/05 R – in juris; zu Klagen gegen die Verordnung von Festbeträgen siehe auch § 35 Abs. 7 SGB V). Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfordert es vorliegend jedoch nicht, dem Kläger eine unmittelbare Klagemöglichkeit gegen die im Raum stehenden untergesetzlichen Normen (Hilfsmittel-Richtlinie und Behandlungsrichtlinie-Zahnärzte des GBA) zu eröffnen. Dem Kläger ist es vielmehr zumutbar, die begehrten Leistungen bei der Beklagten zu beantragen, eine Entscheidung abzuwarten und die Rechtsnormen (ggf.) inzident im Rahmen der gegen eine ablehnende Verwaltungsentscheidung eröffneten Rechtsbehelfe zur Überprüfung zu stellen. Eine Feststellungsklage ist gegenüber der (dann möglichen) kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage subsidiär (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG Komm., 12. Aufl., § 55 Rn. 19). Darüber hinaus fehlt es an einer Klagebefugnis (zur entsprechenden Geltung der Grundsätze des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG für die Feststellungsklage, z.B. BSG, Urteil vom 21.03.2012 – B 6 KA 16/11 R –, in juris, Rn. 31), soweit der Kläger Ansprüche "für Sozialhilfeempfänger" im Allgemeinen geltend macht. Insoweit fehlt es an der eigenen subjektiven Rechtsbetroffenheit des Klägers. Schließlich wäre eine Normfeststellungsklage auch nicht gegen die Krankenkasse, sondern gegen den Normgeber (hier: GBA) zu richten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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